Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 23.01.2023 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, insbesondere wäre auch in der Hauptsache die Berufung zulässig, da die Berufungssumme von 750,00 € überschritten würde (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG). In der Sache hat die Beschwerde aber keinen Erfolg. Das Sozialgericht Freiburg (SG) hat den Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass eine Rechtskraft des Beschlusses vom 21.12.2022 (S 7 AS 3279/22 ER) dem vorliegenden Verfahren nicht entgegensteht, so dass der Senat insoweit von einer eigenen Begründung absieht und auf die Begründung des SG verweist (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
1. Aufhebung der Bewilligung
Zutreffend hat das SG als prozessuale Grundlage des im vorläufigen Rechtsschutz verfolgten Anspruchs zunächst § 86b Abs. 1 SGG im Hinblick auf die Aufhebung der Leistungen mit Bescheid vom 09.01.2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.02.2023 herangezogen. Nach Satz 1 dieser Vorschrift kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag (1.) in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, (2.) in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, (3.) in den Fällen des § 86a Abs. 3 SGG die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen (§ 86b Abs. 1 Satz 2 SGG).
Eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung setzt jedoch grundsätzlich voraus, dass der betroffene Bescheid noch nicht bestandkräftig ist (LSG Hessen, Beschluss vom 06.09.2021, L 6 AS 381/21 B ER, juris; Burkiczak in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 86b SGG (Stand: 08.03.2023), Rn. 396). Der Aufhebungsbescheid ist jedoch bestandskräftig geworden, da der Kläger gegen den Widerspruchsbescheid vom 01.02.2023 keine Klage erhoben hat; die Klage unter dem Aktenzeichen S 17 AS 513/23 betrifft lediglich die Ablehnung der darlehensweisen Bewilligung.
2. Darlehensweise Leistungsbewilligung
Soweit der Antragsteller die darlehensweise Bewilligung von Leistungen begehrt, richtet sich das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG liegt nicht vor. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die (summarische) Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen – insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz – wiegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.07.1996, 1 BvR 638/96; BVerfG, Beschluss vom 22.11.2002, 1 BvR 1586/02; BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05, alle in juris). Die Glaubhaftmachung verlangt, dass das Vorliegen der behaupteten Tatsache überwiegend wahrscheinlich ist (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 128 Rn. 3d). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (Keller, a.a.O., § 86b, Rn. 27 ff.).
Die Gerichte müssen die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.11.2002, 1 BvR 1586/02; BVerfG, Beschluss vom 29.07.2003, 2 BvR 311/03, beide in juris), wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller eines Eilverfahrens nicht überspannen. Die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel, das der Antragsteller mit seinem Begehren verfolgt, und dessen Bedeutung insbesondere im Hinblick auf Fragen des Grundrechtsschutzes zu orientieren. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.11.2002, a.a.O.). Andererseits ist die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrags abgelaufene Zeiträume erhoben werden (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 22.11.2011, L 12 AS 5199/11 ER-B; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.08.2005, L 7 AS 2875/05 ER-B, juris).
Unter Berücksichtigung des Vorstehenden kommt der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nicht in Betracht. Wie auch das SG lässt der Senat offen, ob die bestandskräftige Aufhebung der Bewilligung eines Darlehens entgegensteht. Der Antragsteller konnte keinen Anordnungsanspruch für eine weitere, darlehensweise Leistungsbewilligung glaubhaft machen. Nach § 24 Abs. 5 SGB II sind Leistungen als Darlehen zu erbringen, soweit Leistungsberechtigten der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für sie eine besondere Härte bedeuten würde.
Zunächst ist der Senat davon überzeugt, dass der Antragsteller im hier streitgegenständlichen Zeitraum ab Dezember 2022 über verwertbares Vermögen in Form von 3 Häusern in M1 mit insgesamt 13 Wohnungen verfügt. Auch wenn der Antragsteller den Immobilienbesitz zunächst jahrelang gegenüber dem Jobcenter verschwiegen und gegenüber den Ermittlungsbehörden bestritten hat, hat er diese Tatsache mittlerweile eingeräumt. Dass sich in den 3 Häusern insgesamt 13 Wohnungen befinden, entnimmt der Senat dem Ermittlungsergebnis des Polizeipräsidiums F1 vom 15.06.2020 und wird vom Antragsteller auch nicht bestritten. Diese Wohnungen sind auch verwertbares Vermögen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Nach § 12 Abs. 2 SGB II ist von dem Vermögen zunächst ein Freibetrag von 15.000 € abzusetzen. Daneben ist während der Karenzzeit von einem Jahr nach § 12 Abs. 3 SGB II, die nach § 65 Abs. 2 SGB II auch für Personen Anwendung findet, die seit Langem im Leistungsbezug stehen, am 01.01.2023 beginnt, Vermögen zu berücksichtigen, wenn es erheblich ist. Erheblich ist Vermögen nach § 12 Abs. 4 SGB II, wenn es 40.000 € übersteigt. Zwar wird (widerleglich) vermutet, dass das Vermögen nicht erheblich ist, wenn der Antragsteller dies erklärt. Eine solche Erklärung, die u.a. alle Vermögenswerte mit ihrem aktuellen Wert umfasst (Formann in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 12, Stand: 28.03.2023, Rn. 271) hat der Antragsteller nicht abgegeben. Darüber hinaus dürften die 13 Wohnungen auch den Wert von 55.000 € (§ 12 Abs. 2 und 3 SGB II) übersteigen. Zwar trägt der Antragsteller vor, dass auch neue Wohnungen „nur“ einen Wert von 14.000 € erzielen können, selbst wenn man aber für die Wohnungen des Antragstellers lediglich 5.000 € berücksichtigen würde und dabei nicht berücksichtigt, dass z.B. bei manchen Wohnungen ein Swimmingpool vorhanden ist, liegt Vermögen im Wert von 65.000 € vor, das den Freibetrag übersteigt.
Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass dieses Vermögen (derzeit) nicht verwertbar wäre. Er hat lediglich vorgetragen, dass der von ihm schon 2019 beauftragte Makler bislang keinen Erfolg gehabt habe. Auf die explizite Nachfrage des Senats, die konkreten Verkaufsbemühungen nachzuweisen, wurde lediglich mitgeteilt, dass die Bemühungen dieselben wie in Deutschland seien, und um Entscheidung binnen 7 Tagen gebeten. Die seitens des Antragstellers am 24.03.3023 vorgelegte Bescheinigung des Maklers vom 01.03.2023 ist nicht ausreichend, um die Verkaufsbemühungen zu belegen, da aus ihr lediglich hervorgeht, dass ein Makler beauftragt wurde, nicht jedoch, welche Bemühungen seit 2019 unternommen wurden. Dies ist nach Ansicht des Senats nicht ausreichend, um ernsthafte Verkaufsbemühungen nachzuweisen. Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass dem Antragsteller der sofortige Verbrauch möglich ist.
Nach alldem ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 19 AS 2/23 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 406/23 ER-B
Datum
3. Instanz
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Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Rechtskraft
Aus
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