Die Rentenversicherungsträger dürfen nach einer Betriebsprüfung Verwaltungsakte zur Feststellung von Insolvenzforderungen der Krankenkassen erlassen. Die gesetzlichen Bestimmungen des Insolvenzrechts verdrängen nicht als speziellere Regelungen die Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV.
Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. August 2021 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen zu tragen, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst zu tragen haben.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlassenen und Insolvenzforderungen feststellenden Betriebsprüfungsbescheides.
Die 1994 geborene Insolvenzschuldnerin hatte vom 1. März 2017 bis zum 15. April 2019 – mit Unterstützung ihres Stiefvaters – ein Taxiunternehmen betrieben. Nach Einstellung der Betriebstätigkeit beantragten mehrere Krankenkassen bei dem beklagten Rentenversicherungsträger die Durchführung einer Betriebsprüfung. Die Beklagte führte eine solche ab September 2019. im Unternehmen der Insolvenzschuldnerin durch. Mit Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 21. April 2020 wurde über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet, der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt.
Nach Anhörung im Rahmen der Schlussbesprechung am 26. Mai 2020 stellte die Beklagte mit Bescheid vom selben Tag eine Nachforderung von Beiträgen zur Gesamtsozialversicherung für den Zeitraum vom 1. März 2019 bis 15. April 2019 betreffend 14 namentlich genannte Arbeitnehmer fest. Die Insolvenzschuldnerin hatte ab März 2019 Beiträge nicht mehr gemeldet und nicht abgeführt. Die Beklagte gab die Entscheidung gegenüber dem Insolvenzverwalter bekannt. In der mit „Bescheid“ überschriebenen und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Entscheidung erklärte die Beklagte:
„ …die sich aus der Prüfung ergebende Nachforderung beträgt insgesamt 10.810,32 Euro.
Die sich aus der Prüfung ergebenden Insolvenzforderungen betragen insgesamt 10.810,32 Euro. Die Insolvenzforderungen nach § 38 InsO werden von den zuständigen Krankenkassen als Einzugsstellen für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag im Rahmen des Insolvenzverfahrens geltend gemacht.“
Unter der Überschrift „Zahlungsfrist“ führte die Beklagte aus:
„Dieser Bescheid inklusive der Anlagen stellt Beiträge als Insolvenzforderung nach § 38 InsO fest, die nach §§ 187 ff InsO zu befriedigen sind. Die Insolvenzforderungen werden von der(n) zuständigen Einzugsstelle(n) zur Tabelle nach § 175 InsO gemeldet. …
Eine Zahlungsaufforderung ist damit nicht verbunden.“
Die Beklagte korrigierte fehlende Abmeldungen von Arbeitnehmern von der Sozialversicherung im Zeitraum vom 1. Januar 2019 und 15. April 2019. Zudem übersandte sie den zuständigen Krankenkassen Prüfmitteilungen vom Bescheidergebnis. Zwei weitere Krankenkassen informierte die Beklagte mittels einer Prüfmitteilung über Beanstandungen ab November 2018 bzw. Dezember 2018, die im Bescheid vom 26. Mai 2020 jeweils nicht aufgeführt sind.
Gegen die Entscheidung durch Bescheid erhob der Kläger am 12. Juni 2020 Widerspruch und vertrat die Ansicht, die Beklagte dürfe die geltend gemachten Forderungen nicht durch Verwaltungsakt festsetzen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2020 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Dem Prüfbescheid komme die Funktion eines Grundlagenbescheides zu, er stelle für die Einzugsstellen verbindlich die maximale Höhe der rückständigen Gesamtsozialversicherungsbeiträge fest. Nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 28. Mai 2015 – B 12 R 16/13 R) schaffe erst dieser Bescheid die Grundlage für die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Beitragsschuldverhältnis und vermittele den Nachweis einer Rechtsstellung, ohne gleichzeitig bereits die Funktion eines Vollstreckungstitels im engeren Sinn zu haben. Bei dem angegriffenen Bescheid handele es sich nicht um eine Forderungsanmeldung, sondern um die Begründung für die Einzugsstelle für eine ggf. von dort anzumeldende Insolvenzforderung.
Der Kläger hat hiergegen am 8. Juli 2020 vor dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben. Er vertritt die Ansicht, dass die Beklagte bei Insolvenzforderungen keine Festsetzungsentscheidung in einem Grundlagenbescheid treffen dürfe, da anderenfalls das Prüfrecht der übrigen Gläubiger und das formalisierte Verfahren nach der Insolvenzordnung (InsO) unterlaufen würde. Vorliegend handele es sich um Insolvenzforderungen und nicht um Masseverbindlichkeiten, so dass die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. Mai 2015 (B 12 R 16/13 R) nicht einschlägig sei. Jeglicher Einwand eines Insolvenzgläubigers gegen die Tabellenanmeldung würde obsolet, wenn außerhalb des insolvenzgerichtlichen Prüfungsverfahrens eine bestandskräftige Regelung zu den Beitragsrückständen erfolgt sei. Der Bundesfinanzhof (BFH) halte den Erlass von Grundlagenbescheiden seit Jahrzehnten für unzulässig (Verweis auf BFH vom 18. Dezember 2001 – I R 33/01). Das Vorgehen der Beklagten provoziere eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten. Diese sei im stark formalisierten Insolvenzverfahren nicht Beteiligte, ein „Betreiben“ der Forderung im Sinne von § 179 InsO durch einen Dritten sei nicht vorgesehen. Die Beklagte sei am Anmeldeverfahren nicht beteiligt, sie könne daher keine Entscheidung gegenüber Dritten erlassen, da anderenfalls die Beteiligung des bestreitenden Gläubigers umgangen würde.
Die Beklagte hat auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen.
Mit Beschluss vom 20. August 2020 hat das Sozialgericht die im Bescheid und in den Prüfmitteilungen genannten Kranken- und Pflegekassen sowie die Bundesagentur für Arbeit beigeladen.
Mit Urteil vom 18. August 2021 hat das Sozialgericht den Betriebsprüfungsbescheid der Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben. Zu Unrecht habe diese die Ergebnisse der Betriebsprüfung durch Verwaltungsakt festgestellt. Denn nach § 87 InsO dürften Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Die Zuständigkeitsregel und das vorrangige Verfahrensziel der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger würden umgangen, wenn man den Rentenversicherungsträgern den Erlass von Prüfbescheiden im Insolvenzverfahren zubillige. Der von der Beklagten verfolgte Zweck, den Einzugsstellen durch Sicherstellung von Arbeitgeberunterlagen die Forderungsanmeldung zu ermöglichen, lasse sich durch eine bloße Prüfmitteilung ermöglichen. Die zu Masseverbindlichkeiten ergangene Entscheidung des BSG (Urteil vom 28. Mai 2015 – B 12 R 16/13 R) sei auf Insolvenzforderungen nicht übertragbar. Ebenso ergebe sich aus der Entscheidung des BSG vom 19. September 2019 (B 12 R 25/18 R) keine Pflicht zum Erlass von Verwaltungsakten, vielmehr sei lediglich die Praxis der Beklagten für rechtswidrig erklärt worden, bei beanstandungslos verlaufenden Betriebsprüfungen auf die Erteilung eines Bescheides zu verzichten.
Gegen die der Beklagten am 26. August 2021 zugestellte Entscheidung hat die Beklagte am 27. August 2021 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe bei seiner Entscheidung übersehen, dass der im sog. „Ad-hoc“-Betriebsprüfungsverfahren erteilte Verwaltungsakt nur zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe erteilt worden sei und die Insolvenzmasse nicht berühre. Eine Zahlungsverpflichtung bestehe gemäß § 28h Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) gegenüber der Krankenkasse als Einzugsstelle in einem gesonderten Verwaltungsverfahren, erst das Verfahren der Einzugsstelle berühre die Insolvenzmasse. Ohne Abschluss des Betriebsprüfungsverfahrens könne die Einzugsstelle die Forderungen nicht nachweisen und nicht ordnungsgemäß zur Insolvenztabelle anmelden. Eine Entscheidung über die Anmeldung einer Forderung obliege allein der Einzugsstelle.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. August 2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und vertritt die Ansicht, dass eine Entscheidung des Rentenversicherungsträgers durch Verwaltungsakt für das spätere Verfahren der Forderungsfeststellung zur Insolvenztabelle bindend sei. Eine ordnungsgemäße Anmeldung zur Insolvenztabelle sei den Einzugsstellen jedoch auch mit einer Prüfmitteilung des Rentenversicherungsträgers möglich, so dass es eines Verwaltungsaktes nicht bedürfe.
Die Beigeladenen haben zum Verfahren nicht inhaltlich Stellung genommen und keine Anträge gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den des Verwaltungsvorganges der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere fristgerecht im Sinne des § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegt. Die Berufung ist auch begründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. August 2021 sowie der Bescheid der Beklagten vom 26. Mai 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2020.
Der Kläger begehrt zutreffend mit einer Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG die Aufhebung des Betriebsprüfungsbescheides. Die zulässige Klage ist jedoch nicht begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht Berlin die Entscheidung der Beklagten aufgehoben. Der angegriffene Betriebsprüfungsbescheid vom 26. Mai 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die angegriffene Entscheidung ist formell rechtmäßig und wirksam bekannt gegeben worden (dazu 1.). Die Beklagte war nach der von ihr durchgeführten Betriebsprüfung für den Erlass des Bescheides sachlich zuständig (dazu 2.). Der Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes auf der Rechtsgrundlage des § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV standen die gesetzlichen Bestimmungen des Insolvenzrechts nicht entgegen (dazu 3.). Der angegriffene Bescheid der Beklagten ist auch materiell rechtmäßig (dazu 4.).
1.
Die Entscheidung der Beklagten stellt einen Verwaltungsakt dar. Nach § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Das ist bei der ausdrücklich mit „Bescheid“ überschriebenen und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Entscheidung der Beklagten offensichtlich der Fall.
Der Betriebsprüfungsbescheid ist formell rechtmäßig. Er erging nach einer Anhörung gemäß § 24 Abs. 1 SGB X, Zweifel an seiner Bestimmtheit sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Er enthält eine Begründung (§ 35 Abs. 1 SGB X) und wurde zutreffend gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter bekannt gegeben (§ 37 Abs. 1 SGB X). Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ging das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO). Insofern rückt der Insolvenzverwalter in die Arbeitgeberstellung ein (§ 28e SGB IV) und nimmt sämtliche hiermit verbundenen Rechte und Pflichten wahr (vgl. BSG, Urteil vom 15. September 2016 – B 12 R 2/15 R –, juris Rn. 22).
2.
Rechtsgrundlage für den Betriebsprüfungsbescheid der Beklagten ist § 28p Abs. 1 Sätze 1 und 5 SGB IV. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a) mindestens alle vier Jahre (Satz 1). Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28h Absatz 2 SGB IV sowie § 93 in Verbindung mit § 89 Absatz 5 SGB X nicht (Satz 5). Die für den Erlass diesbezüglicher Bescheide (sonst) bestehende Zuständigkeit der Einzugsstellen nach § 28h Abs. 2 S. 1 SGB IV tritt insoweit zurück (BSG, Urteil vom 28. Mai 2015 – B 12 R 16/13 R –, juris Rn. 23). Die Rentenversicherungsträger werden nach der ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung somit nicht im Auftragsverhältnis zur Krankenkasse tätig und sind an deren Rechtsauffassung nicht gebunden.
Diese Trennung der Prüfkompetenz hat historische Gründe. Die Entwurfsverfasser des § 28p SGB IV stellten im Zuge der Ausdehnung der Krankenkassenwahlfreiheit für alle Versicherten fest, dass es zu einem umfassenden Wettbewerb der Krankenkassen um die Mitglieder kam. In diesem Zusammenhang waren die Betriebe ein wichtiges Feld für die Werbung. Die Notwendigkeit einer neutralen Prüfung der Arbeitgeber durch die Krankenkassen war damit auf Dauer nicht zu vereinbaren. Gerade deshalb sollte die Aufgabe der Prüfung der Arbeitgeber auf die Rentenversicherungsträger übergehen, die in diesem Bereich Erfahrungen hatten und nicht im Wettbewerb untereinander standen. Satz 5 des damals neugefassten § 28p Abs. 1 SGB IV berechtigt demgemäß die Rentenversicherungsträger anstelle der Krankenkassen, im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungs- bzw. Beitragspflicht sowie zur Beitragshöhe zu erlassen (vgl. Gesetzentwurf BT-Drs. 13/1205, S. 6; BSG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – B 12 R 13/13 R –, juris Rn. 23). Seit 1. Januar 1996 liegt die Prüfung der ordnungsgemäßen Erledigung der melde- und beitragsrechtlichen Pflichten der Arbeitgeber deshalb nicht mehr – wie bis dahin – bei den Krankenkassen als Einzugsstellen, sondern in der Zuständigkeit der Rentenversicherungsträger, während die laufende Überwachung des Meldeverfahrens (vgl. § 28a SGB IV) und der Einreichung der Beitragsnachweise und der Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags sowie der Beitragseinzug, hier die Geltendmachung von (rückständigen) Beiträgen, weiterhin den Einzugsstellen übertragen ist (vgl. § 28h Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB IV; Sächsisches Landessozialgericht [LSG], Urteil vom 15. Juni 2023 – L 9 BA 15/20 –, juris Rn. 30).
Nach dem Willen des Gesetzgebers endet die Prüfbefugnis nicht mit der Schließung des Unternehmens (vgl. Gesetzentwurf BT-Drs. 13/1205, S. 6). § 28p Abs. 1 S. 3 SGB IV verpflichtet die Einzugsstellen insoweit, den für den Arbeitgeber zuständigen Rentenversicherungsträger zu unterrichten, wenn ihnen Tatsachen bekannt werden, die beim Arbeitgeber eine alsbaldige Prüfung erforderlich erscheinen lassen, was bei einer Insolvenz des Unternehmens regelmäßig der Fall ist (sog. ad-hoc-Prüfung oder auch Insolvenzprüfung, vgl. BSG, Urteil vom 28. Mai 2015 – B 12 R 16/13 R –, juris Rn. 17).
Die Rentenversicherungsträger sind gemäß § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV nach einer Betriebsprüfung zum Erlass von Verwaltungsakten gegenüber den Arbeitgebern berechtigt und verpflichtet. Auch ist der Erlass eines inhaltsgleichen Bescheids gegenüber dem Arbeitnehmer zulässig, weil solche Verwaltungsakte sowohl gegenüber dem Arbeitgeber als auch gegenüber dem Arbeitnehmer rechtsgestaltende Wirkung entfalten, wenngleich eine Verpflichtung dazu nicht besteht (BSG, Urteil vom 5. Dezember 2017 – B 12 KR 11/15 R –, Rn. 25, juris; BSG, Urteil vom 17. Dezember 2014 - B 12 R 13/13 R –, juris Rn. 21 f).
Bereits nach früherer Rechtsprechung kam eine bloße Prüfmitteilung ohne Regelungscharakter nur in Betracht, wenn die Betriebsprüfung ohne Beanstandungen blieb. Wenn jedoch – wie auch im vorliegenden Fall – konkrete Feststellungen getroffen wurden, musste das Ergebnis der Betriebsprüfung in der Gestalt von Bescheiden nach § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV bekanntgegeben werden (BSG, Urteil vom 15. September 2016 – B 12 R 3/15 R –, juris Rn. 15; zur fehlenden Verwaltungsaktqualität einer bloßen Prüfmitteilung vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 30. Januar 2020 – L 1 KR 683/18).
Im September 2019 hat das BSG die Befugnisse der Rentenversicherungsträger nach einer Betriebsprüfung zu einer generellen Pflicht zum Erlass eines Verwaltungsaktes konkretisiert. Aus beanstandungsfreien Betriebsprüfungen konnten Arbeitgeber nach früherer Rechtsprechung in der Regel keine Rechte herleiten. Betriebsprüfungen hatten danach nur den Zweck, die Beitragsentrichtung im Interesse der Versicherungsträger und der Versicherten sicherzustellen. Ihnen kam keine Entlastungswirkung für den Arbeitgeber zu, weil diese nicht umfassend oder erschöpfend sein müssen und sich auf bestimmte Einzelfälle oder Stichproben beschränken dürfen. Eine materielle Bindungswirkung aufgrund einer Betriebsprüfung konnte sich nur insoweit ergeben, als Versicherungs- und Beitragspflicht sowie -höhe im Rahmen der Prüfung personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch gesonderten Verwaltungsakt festgestellt wurden. Diese Rechtsprechung entwickelte der 12. Senat des BSG im Hinblick auf die Grundrechtsrelevanz fort (Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit durch Indienstnahme der Arbeitgeber für den Beitragseinzug, Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz [GG]). Er hob hervor, dass Betriebsprüfungen insoweit auch eine Schutzwirkung für Arbeitgeber zukomme, seit den Betriebsprüfungsstellen mit Wirkung zum 1.1.2017 aufgegeben wurde, die geprüften Sachverhalte offenzulegen (BSG, Urteil vom 19. September 2019 – B 12 R 25/18 R –, juris Rn. 30). Die früher pauschal gehaltene sog. Prüfmitteilung, nach der die durchgeführte Betriebsprüfung "ohne Beanstandungen geblieben ist", blieb hinter den gesetzlichen Anforderungen zurück (§ 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV i.V.m. § 7 Abs. 4 Satz 1 und 2 Beitragsverfahrensordnung – BVV). Aus der Aufgabe der Rentenversicherungsträger, nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung gegenüber den Arbeitgebern zu erlassen, folgt damit nicht nur eine Ermächtigung zum Erlass eines Verwaltungsakts, sondern auch die Pflicht, Umfang und Ergebnis der durchgeführten Prüfung anzugeben. Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 BVV ist dem Arbeitgeber das Ergebnis der Prüfung dementsprechend innerhalb von zwei Monaten nach Abschluss der Prüfung "mitzuteilen". Diesem Auftrag wird der betriebsprüfende Rentenversicherungsträger gerecht, wenn die Betriebsprüfung durch einen Prüfbescheid, d.h. einen Verwaltungsakt, abgeschlossen wird. Unzureichend ist der Abschluss der Betriebsprüfung durch ein mündliches Abschlussgespräch und/oder eine schriftliche Prüfmitteilung ohne Regelungscharakter. Denn es entspricht grundrechtsschonender Auslegung, auch das Ergebnis beanstandungsfreier Betriebsprüfungen in dem Sinne "rechtssicher" auszugestalten, dass die Arbeitgeber sich hierauf berufen können (BSG, Urteil vom 19. September 2019 – B 12 R 25/18 R –, juris Rn. 33 f m.w.N.; anschließend Sächsisches LSG, Urteil vom 15. Juni 2023 – L 9 BA 15/20 –, juris Rn. 30).
Macht ein Rentenversicherungsträger von der ihm durch § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV eingeräumten Befugnis zur Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen Gebrauch, so kommt seiner Entscheidung gleichwohl nur der Charakter eines Grundlagenbescheides für die Erhebung der Beiträge zu, weil Betriebsprüfungen ihrerseits eine über die bloße Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung nicht entfalten. Die Betriebsprüfung hat insbesondere den Zweck, den Einzugsstellen durch Sicherstellung von Arbeitgeberunterlagen und -aufzeichnungen eine Berechnungsgrundlage zu verschaffen, damit diese die notwendigen Schritte zur Geltendmachung von Ansprüchen auf (rückständige) Beiträge (vgl. § 28h Abs. 1 Satz 3 SGB IV) unternehmen können (BSG, Urteil vom 28. Mai 2015 – B 12 R 16/13 R –, juris Rn. 23). Über den Einzug und die Vollstreckung der festgesetzten Beiträge entscheiden hingegen die Einzugsstellen der jeweiligen Krankenkassen. Im Falle einer Betriebsprüfung ist das Verfahren zur Erhebung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen daher zweigeteilt (BSG, Urteil vom 15. September 2016 – B 12 R 2/15 R –, juris Rn. 24; Sächsisches LSG, Urteil vom 15. Juni 2023 – L 9 BA 15/20 –, juris Rn. 30).
3.
Die Regelungen des Insolvenzrechts berühren die Rechtmäßigkeit des Grundlagenbescheides der Beklagten nicht. Insbesondere verdrängen sie nicht als speziellere Regelungen die Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV. Ein Rentenversicherungsträger, der nach Insolvenzeröffnung eine Betriebsprüfung durchführt, ist zum Erlass eines Verwaltungsaktes über Insolvenzforderungen als Grundlagenbescheid anstelle (nur) einer Prüfmitteilung berechtigt. Die Bestimmungen der InsO (dazu a.) stehen dem Erlass von Grundlagenbescheiden bei Masseverbindlichkeiten nicht entgegen (dazu b.). Dies gilt auch für Grundlagenbescheide zu Insolvenzforderungen (dazu c.).
a) Die Insolvenzordnung hat die gemeinschaftliche und gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger als vorrangiges Verfahrensziel (§ 1 InsO). Nach § 87 InsO dürfen die Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Dies soll sicherstellen, dass der Schuldner während der Dauer eines Insolvenzverfahrens grundsätzlich nur nach den Vorschriften der InsO in Anspruch genommen werden kann, um eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger zu erreichen (Uhlenbruck/Mock, 15. Aufl. 2019, InsO § 87 Rn. 1). Die InsO sieht hierfür ein besonderes Verfahren zur Feststellung der Forderungen vor (§§ 174 ff InsO), wonach zunächst alle Insolvenzgläubiger ihre Forderungen schriftlich beim Insolvenzverwalter anzumelden haben (§ 174 Abs. 1 Satz 1 InsO), der sie in eine Tabelle einzutragen hat (§ 175 Abs. 1 InsO). Wird gegen die Forderung kein Widerspruch erhoben oder ein solcher beseitigt, gilt die Forderung als festgestellt (§ 178 Abs. 1 Satz 1 InsO), und die Eintragung in die Tabelle wirkt wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern (§ 178 Abs. 3 InsO). Für bestrittene, nicht titulierte Forderungen muss der Gläubiger die gerichtliche Feststellung betreiben (§ 179 Abs. 1 InsO), die wiederum gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern wirkt (§ 183 Abs. 1 InsO). Bestreitet einer der Insolvenzgläubiger die Forderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen, kann die Einzugsstelle ihm gegenüber als Behörde nach § 185 Satz 1 2. Halbsatz InsO durch Verwaltungsakt die Forderung feststellen, da sie dies gegenüber dem Insolvenzschuldner dürfte (MüKoInsO/Schumacher, 4. Aufl. 2019, InsO § 185 Rn. 4). Gegen die Feststellung durch Verwaltungsakt stehen dem Bestreitenden diejenigen Rechtsbehelfe zu, die der Schuldner gegen die Festsetzung der Forderung außerhalb des Insolvenzverfahrens einlegen könnte (MüKoInsO/Schumacher, 4. Aufl. 2019, InsO § 185 Rn. 4; Uhlenbruck/Sinz, 15. Aufl. 2019, InsO § 185 Rn. 5). Waren bei Insolvenzeröffnung bereits Bescheide ergangen, die aber noch nicht bestandskräftig sind, obliegt es analog § 180 Abs. 2 InsO dem Bestreitenden, das durch die Insolvenzeröffnung unterbrochene Widerspruchsverfahren aufzunehmen bzw. gemäß § 180 Abs. 2 InsO ein anhängiges gerichtliches Verfahren zu betreiben (Uhlenbruck/Sinz, 15. Aufl. 2019, InsO § 185 Rn. 6). Ist die Forderung hingegen bereits tituliert, d.h. ein Zahlungsbescheid bereits bestandskräftig, obliegt es dem Bestreitenden, den Widerspruch zu verfolgen (§ 179 Abs. 2 InsO).
Für die Anmeldung von Forderungen über Sozialversicherungsbeiträge zur Tabelle sind die Einzugsstellen der Krankenkassen nach § 28h SGB IV zuständig. Sie – und nicht die Rentenversicherungsträger – sind Gläubiger des Gesamtsozialversicherungsbeitrages, was § 28h Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB IV und § 28f Abs. 3 Satz 3 SGB IV zeigen (Sächsisches LSG, Urteil vom 15. Juni 2023 – L 9 BA 15/20 –, juris Rn. 31; Scheer in: jurisPK-SGB IV, 4. Aufl., § 28p SGB IV, Stand: 14.03.2023, Rn. 251).
Aufgrund von §§ 87, 89 InsO können Bescheide über öffentlich-rechtliche Forderungen, die Insolvenzforderungen sind, ab dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr ergehen oder vollstreckt werden (Uhlenbruck/Mock, 15. Aufl. 2019, InsO § 87 Rn. 30 mit ausführlichen Nachweisen). Anderenfalls würden sich öffentlich-rechtliche Träger insolvenzrechtliche Vorteile sichern. Die Vorschriften der §§ 87, 89, 174 ff. InsO enthalten nicht nur ein Vollstreckungsverbot, sondern hindern einen Insolvenzgläubiger schon daran, sich außerhalb des Insolvenzverfahrens einen Titel wegen einer Insolvenzforderung zu verschaffen (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27. März 2019 – L 13 AS 234/17 –, juris). Soweit öffentlich-rechtliche Forderungen Masseverbindlichkeiten i.S.v. § 55 InsO sind, greift § 87 InsO hingegen nicht ein und können die Ansprüche durch Bescheid gegen den Insolvenzverwalter geltend gemacht werden, da sie gemäß § 53 InsO vorweg aus der Masse zu befriedigen sind (Uhlenbruck/Mock, 15. Aufl. 2019, InsO § 87 Rn. 34).
Daraus schlussfolgert der BFH in ständiger Rechtsprechung – worauf der Kläger für den hiesigen Rechtsstreit Bezug nimmt –, dass nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und vor Abschluss der Prüfungen gemäß §§ 176, 177 InsO grundsätzlich keine Bescheide mehr erlassen werden dürfen, in denen Besteuerungsgrundlagen festgestellt oder festgesetzt werden, die die Höhe der zur Insolvenztabelle anzumeldenden Steuerforderungen beeinflussen können (BFH, Urteil vom 18. Dezember 2002 – I R 33/01 –, BFHE 201, 392, BStBl II 2003, 630). Auch im Steuerrecht gilt dies jedoch nicht unbeschränkt. Ausnahmsweise können Steuerbescheide, mit denen eine positive Steuer festgesetzt wird, auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam ergehen, wenn sich unter Berücksichtigung von Anrechnungsbeträgen insgesamt ein Erstattungsbetrag ergibt und auch keine Besteuerungsgrundlagen festgestellt werden, die die Höhe von zur Tabelle angemeldeten Steuerforderungen beeinflussen (BFH, Urteil vom 5. April 2022 – IX R 27/18 –, BFHE 276, 318, BStBl II 2022, 703).
b) Das BSG hat zu Masseverbindlichkeiten entschieden, dass ein bestehendes insolvenzrechtliches Vollstreckungsverbot den prüfenden Rentenversicherungsträger nicht daran hindert, nach einer Betriebsprüfung ermittelte rückständige Gesamtsozialversicherungsbeiträge gegenüber dem Insolvenzverwalter durch Leistungs- bzw. Zahlungsbescheid festzusetzen. Denn im Falle einer Betriebsprüfung ist das Verfahren zur Erhebung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen grundsätzlich zweigeteilt. Der Leistungs- bzw. Zahlungsbescheid des prüfenden Rentenversicherungsträgers hat die Funktion eines Grundlagenbescheides. Ob ein solcher Bescheid vollstreckt werden darf oder die zwangsweise Durchsetzung der Beitragsforderung wegen eines insolvenzrechtlichen Vollstreckungsverbots ausscheidet, ist erst auf einer späteren Ebene von den Krankenkassen als Einzugsstellen beim Einzug der Beiträge zu prüfen. Einer Beschränkung auf eine bloße Feststellung der Forderung bedarf es nicht (BSG, Urteil vom 28. Mai 2015 – B 12 R 16/13 R – juris Rn. 15, 20; BSG, Urteil vom 15. September 2016 – B 12 R 2/15 R - juris Rn. 24; jeweils m.w.N.; Scheer in: jurisPK-SGB IV, 4. Aufl., § 28p SGB IV, Stand: 14.03.2023, Rn. 256).
c) Nach Überzeugung des Senats ist auch für Insolvenzforderungen der Erlass eines Grundlagenbescheides durch den Rentenversicherungsträger nach einer Betriebsprüfung zulässig, sofern der Bescheid – wie hier – keine Zahlungspflicht bestimmt.
aa) Die Entscheidungen des BSG zur Zulässigkeit eines Grundlagenbescheides bei Masseverbindlichkeiten (BSG, Urteil vom 28. Mai 2015 – B 12 R 16/13 R – juris Rn. 15, 20; BSG, Urteil vom 15. September 2016 – B 12 R 2/15 R - juris Rn. 24; jeweils m.w.N.) gelten gleichermaßen für Insolvenzforderungen (ebenso Sächsisches LSG, Urteil vom 15. Juni 2023 – L 9 BA 15/20 –, Rn. 31, juris; wohl auch Hessisches LSG, Urteil vom 30. Januar 2020 – L 1 KR 683/18, juris Rn. 51; Plagemann, NZI 2016, 31; a.A. Müller/Rautmann, DStR 2016, 132, 135 „ungerechtfertigtes Behördenprivileg“, Rosenmüller, ZInsO 2021, 1054).
Für die Geltung der Entscheidungen des 12. Senats des BSG auch für Insolvenzforderungen spricht, dass sich die Aufgaben und Ziele der Betriebsprüfung bei der Feststellung von Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen nicht unterscheiden. Der Prüfbescheid des Rentenversicherungsträgers hat im Insolvenzverfahren die Funktion, den Einzugsstellen die Glaubhaftmachung ihrer Beitragsforderungen zu ermöglichen, wenn – wie hier – Beitragsnachweise und/oder Meldungen des Arbeitgebers fehlen bzw. unvollständig oder unzutreffend sind (vgl. § 28f Abs. 3 Satz 3 SGB IV). Denn die Einzugsstellen müssen als Insolvenzgläubiger ihre Insolvenzforderungen beim Insolvenzverwalter anmelden (§ 174 Abs. 1 Satz 1 InsO). Hierfür sollen der Anmeldung gemäß § 174 Abs. 1 Satz 2 InsO die Urkunden, aus denen sich die Forderung ergibt, in Abdruck beigefügt werden, und ist gemäß § 174 Abs. 2 InsO der Grund und der Betrag der Forderung anzugeben. Die Betriebsprüfung erfüllt den Zweck, den Einzugsstellen durch Sicherstellung von Arbeitgeberunterlagen und -aufzeichnungen eine Berechnungsgrundlage zu verschaffen, damit diese die notwendigen Schritte zur Geltendmachung von Ansprüchen auf (rückständige) Beiträge (vgl. § 28h Abs. 1 Satz 3 SGB IV) unternehmen können (zu Schwierigkeiten in der Praxis anschaulich Rosenmüller, ZInsO 2021, 1054). In diesem Sinne regelt ein im Rahmen einer Betriebsprüfung erlassener Prüfbescheid des Rentenversicherungsträgers für die Einzugsstellen verbindlich die maximale Höhe der (rückständigen) Gesamtsozialversicherungsbeiträge als Ausgangsbasis für den Beitragseinzug. Erst der Prüfbescheid des Rentenversicherungsträgers schafft für die Einzugsstellen als Gläubiger der Beitragsforderungen die Grundlage für die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Beitragsschuldverhältnis und vermittelt insoweit den Nachweis einer Rechtsstellung, ohne gleichzeitig bereits die Funktion eines Vollstreckungstitels im engeren Sinne zu haben, die Verwaltungsakten mit einem Leistungs- bzw. Zahlungsgebot üblicherweise zukommt (BSG, Urteil vom 28. Mai 2015 – B 12 R 16/13 R –, juris Rn. 23; Sächsisches LSG, Urteil vom 15. Juni 2023 – L 9 BA 15/20 –, juris Rn. 31).
Entgegen der Ansicht des Klägers stehen die Entscheidungen des 12. Senats nicht im Widerspruch zur früheren Rechtsprechung. Das BSG hatte mit Urteil vom 17. Mai 2001 zur damals geltenden Konkursordnung entschieden, dass ein Verwaltungsakt, soweit er über eine solche Forderung nicht bereits vor Konkurseröffnung ergangen ist, nach Eröffnung des Konkursverfahrens vor Anmeldung der Forderung zur Tabelle und Prüfung der Forderung nicht ergehen darf (BSG, Urteil vom 17. Mai 2001 – B 12 KR 32/00 R –, juris Rn. 14). Dies betraf jedoch lediglich die Festsetzung von Säumniszuschlägen durch eine Krankenkasse als Einzugsstelle und gerade nicht die Entscheidung eines Rentenversicherungsträgers. Die neueren Entscheidungen des BSG setzten sich hingegen mit der Zweigliedrigkeit der Prüfung, der Einordnung der Entscheidung der Rentenversicherungsträger nur als Grundlagenbescheid und der fehlenden Berührung zum Insolvenzverfahren auseinander.
bb) Die Regelungen der InsO gelten zudem für die nicht am Insolvenzverfahren beteiligten Rentenversicherungsträger nicht unmittelbar. Denn §§ 87, 89 InsO erfassen nur Insolvenzgläubiger, zu denen der nur feststellende Rentenversicherungsträger, der nicht selbst Forderungsinhaber ist, nicht gehört (vgl. § 38 Halbsatz 2 InsO). Die insolvenzrechtlichen Regelungen begründen kein allgemeines Bescheidverbot für nicht unmittelbar am Insolvenzverfahren beteiligte Dritte (wie hier die Beklagte), welche nicht Insolvenzgläubiger sind (Sächsisches LSG, Urteil vom 15. Juni 2023 – L 9 BA 15/20 –, juris Rn. 33).
Anders als der prüfende Rentenversicherungsträger ist hingegen ein Finanzamt bei der Festsetzung von Steuerforderungen häufig selbst Insolvenzgläubiger, weshalb nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch solche Steuerbescheide nicht mehr erlassen werden dürfen, in denen Besteuerungsgrundlagen festgestellt werden, die die Höhe der zur Tabelle anzumeldenden Steuerforderungen beeinflussen könnten (BFH, Urteil vom 5. April 2022 – IX R 27/18 –, BFHE 276, 318, BStBl II 2022, 703, Rn. 15 m.w.N.). Insoweit unterscheidet sich das Sozialrecht regelmäßig vom Steuerrecht.
cc) Die Durchführung des Betriebsprüfungsverfahrens ausschließlich durch den zuständigen Rentenversicherungsträger bietet auch für das Insolvenzverfahren den Vorteil, dass die Arbeitgeberprüfung konzentriert durch einen Sozialversicherungsträger und nicht durch eine Vielzahl von Einzugsstellen erfolgt. Insoweit wendet sich der Kläger auch nicht gegen die praktische Prüfbefugnis, vielmehr rügt er allein die sich aus einem Verwaltungsakt ergebende Bindungswirkung.
dd) Kernfrage des Streits ist daher, ob die sozialrechtliche Zweiteilung des Verfahrens die Beteiligten des Insolvenzverfahrens durch Umgehung des insolvenzrechtlichen Prüfverfahrens in unzulässiger Weise benachteiligt. Das ist nach Überzeugung des Senats und entgegen der Ansicht des Klägers nicht der Fall. Denn der Betriebsprüfungsbescheid entfaltet nur in zulässigem Umfang Bindungswirkung (§ 77 SGG) für das Insolvenzverfahren.
Zunächst werden durch den Erlass eines Grundlagenbescheides die Rechte des Insolvenzverwalters, des Schuldners und der weiteren Insolvenzgläubiger, eine von der Einzugsstelle angemeldete Forderungen zu bestreiten (§ 179 InsO), rechtlich nicht beschränkt. Ein Bestreiten der nach der Betriebsprüfung angemeldeten Forderungen bleibt rechtlich und tatsächlich möglich.
Die vom Kläger gerügte Beschränkung der Gläubigerrechte im Insolvenzverfahren durch die (mittelbare) Bindungswirkung eines Grundlagenbescheides und dessen wirtschaftliche Auswirkungen ist nach Überzeugung des Senats rechtlich nicht zu beanstanden. Im Einzelnen:
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG kommt den nach einer Betriebsprüfung ergangenen Verwaltungsakten eine materielle Bindungswirkung insoweit zu, als Versicherungs- und/oder Beitragspflicht und Beitragshöhe personenbezogen für bestimmte Zeiträume festgestellt worden sind. Dass Regelungen zur konkreten Beitragspflicht und -höhe nicht unmittelbar im Verfügungssatz des Bescheids verlautbart werden, steht der Annahme einer personen- und zeitraumbezogenen Beitragsfestsetzung nicht entgegen. Hierfür genügt es, dass die Beschäftigten und Zeiträume in den Anlagen ausgewiesen sind und in dem Bescheid darauf verwiesen wird (BSG, Urteil vom 18. Oktober 2022 – B 12 R 7/20 R –, juris Rn. 13 ff.).
Diese Bindungswirkung des Betriebsprüfungsbescheides entfaltet sich gegenüber dem Insolvenzverwalter mit Bekanntgabe des Betriebsprüfungsbescheides als seinem Adressaten (§ 39 SGB X). Dies führt jedoch nicht zu einem Verstoß gegen insolvenzrechtliche Bestimmungen. Denn dem Insolvenzverwalter stehen gegen diesen – regelmäßig nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlassenen – Bescheid zum einen die Rechtsbehelfsmöglichkeiten offen. Zur Absicherung seiner Gestaltungsrechte im Insolvenzverfahren kann und muss er diese Rechtsbehelfe zwar ggf. nutzen, bevor eine Anmeldung der im Betriebsprüfungsbescheid ausgewiesenen Forderungen zur Tabelle durch die Einzugsstellen erfolgt. Das ist jedoch hinzunehmen, da es sich bei Insolvenzverwaltern um sachkundige Adressaten solcher Bescheide der Rentenversicherungsträger handelt (BSG, Urteil vom 28. Mai 2015 – B 12 R 16/13 R –, juris Rn. 23 aE). Dem Kläger ist lediglich darin Recht zu geben, dass hierdurch zusätzliche Verfahren verursacht werden könnten, was mit Blick auf den dargestellten Nutzen der Entscheidung durch Verwaltungsakt jedoch aufgewogen wird. Dem Risiko für den Insolvenzverwalter, durch Versäumen der Rechtsbehelfsfristen gegen den Grundlagenbescheid höheren Hürden beim Bestreiten der Forderung der Einzugsstelle gegenüber zu stehen, steht der Vorteil entgegen, die der Grundlagenbescheid gerade vermitteln soll: die Bindung der Einzugsstelle an die maximale Höhe der im Grundlagenbescheid ausgewiesenen Forderungen. Zum anderen führt ein etwaiges Versäumen der Rechtsmittelfrist – anders als im Steuerrecht – nicht zu einer gänzlichen Unabänderbarkeit. Im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X kann der Insolvenzverwalter erforderlichenfalls auch bestandskräftige Entscheidungen auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen lassen und so einer Bindung der Einzugsstelle – ggf. teilweise – die Grundlage entziehen.
Der Grundlagenbescheid entfaltet ferner zwar Bindungswirkung gegenüber den Einzugsstellen (auch Drittbindungswirkung und Tatbestandswirkung genannt, vgl. Giesbert in: jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 77 SGG, Stand: 15.06.2022, Rn. 61 m.w.N.). Ein im Rahmen einer Betriebsprüfung erlassener Prüfbescheid des Rentenversicherungsträgers regelt für die Einzugsstellen verbindlich die maximale Höhe der (rückständigen) Gesamtsozialversicherungsbeiträge als Ausgangsbasis für den Beitragseinzug (BSG, Urteil vom 28. Mai 2015 – B 12 R 16/13 R –, juris Rn. 23; Sächsisches LSG, Urteil vom 15. Juni 2023 – L 9 BA 15/20 –, juris Rn. 31). Die sich daraus ergebende Beschränkung der Einzugsstellen als Insolvenzgläubiger berührt die vom Kläger in den Blick genommenen Rechte der weiteren Insolvenzgläubiger jedoch nicht und ist nach der Struktur des SGB IV gesetzlich vorgesehen und nicht zu beanstanden.
Der Grundlagenbescheid entfaltet ferner Bindungswirkung gegenüber den von ihm erfassten Arbeitnehmern, er entfaltet ihnen gegenüber rechtsgestaltende Wirkung (BSG, Urteil vom 5. Dezember 2017 – B 12 KR 11/15 R –, juris Rn. 25; BSG, Urteil vom 17.12.2014 - B 12 R 13/13 R –, juris Rn. 21 f). Soweit der Bescheid die Versicherungspflicht und Beitragshöhe für sie personenbezogen und für bestimmte Zeiträume festgestellt hat, können sie eigene Rechte herleiten (BeckOGK/Wehrhahn, 15.5.2023, SGB IV § 28p Rn. 8 m.w.N.). Nach § 12 Abs. 2 Satz 2 SGB X sind sie auf Antrag als Beteiligte zu dem Verfahren hinzuzuziehen; soweit sie der Behörde bekannt sind, hat diese sie von der Einleitung des Verfahrens zu benachrichtigen. Auch sie können Rechtsmittel führen oder die Überprüfung einer bestandskräftigen Entscheidung nach § 44 SGB X beantragen, so dass die sich aus der Entscheidung ergebende Bindungswirkung nicht in unzulässiger Weise auf etwaige Gläubigerrechte der Arbeitnehmer einwirkt, ein Verstoß gegen insolvenzrechtliche Bestimmungen scheidet aus.
Es kann dahinstehen, ob eine bestandskräftige Entscheidung des Rentenversicherungsträgers auch gegenüber den nicht am Betriebsprüfungsverfahren beteiligten (Dritt-)Insolvenzgläubigern Bindungswirkung i.S.v. § 77 SGG entfalten könnte (zum Beteiligtenbegriff Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG § 77 Rn. 4a BeckOGK/Becker, Stand 1.8.2023, SGG § 77 Rn. 17 m.w.N.). Dabei wäre zu beachten, dass eine etwaige Drittbetroffenheit zunächst eine Forderungsanmeldung der gebundenen Einzugsstelle sowie ein Bestreiten der Forderung durch den Drittgläubiger voraussetzen würde und dass der Betriebsprüfungsbescheid lediglich mittelbar die Höhe der dem bestreitenden Insolvenzgläubiger in Aussicht stehenden Quote beeinträchtigen würde. Zudem bestünde in der Praxis eine Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage nur dann, wenn die unmittelbar vom Betriebsprüfungsbescheid Betroffenen keine Rechtsmittelmöglichkeiten nutzen. Jedenfalls scheidet ein Anfechtungsrecht der Dritt-Insolvenzgläubiger aus, da § 28p Abs. 1 SGB IV nicht dazu bestimmt ist, den Individualinteressen der lediglich mittelbar betroffenen Insolvenzgläubiger zu dienen (zum vergleichbaren Fall einer Gleichstellungsentscheidung BSG, Urteil vom 19. Dezember 2001 – B 11 AL 57/01 R –, juris Rn. 21). Insoweit gestaltet sich die Wirkung des Betriebsprüfungsbescheides lediglich als Reflexwirkung, welche Dritt-Insolvenzgläubiger hinzunehmen haben. Daher können die Regelungen des Insolvenzrechts kein spezialgesetzliches Verbot für den Rentenversicherungsträger darstellen, das Ergebnis der Betriebsprüfung durch Bescheid festzustellen.
ee) Entgegen der Ansicht des Klägers werden schließlich weder durch den Erlass des Grundlagenbescheides noch durch etwaige Rechtsbehelfe des Insolvenzverwalters oder der Arbeitnehmer gegen den Grundlagenbescheid entgegen § 179 InsO Forderungen durch Dritte betrieben. Denn der Rentenversicherungsträger wirkt an der Feststellung der Forderung nach §§ 179 ff InsO selbst nicht mit. Der Grundlagenbescheid liefert nur die Nachweise für die Anmeldung der Forderung. Bei Bestreiten der Forderung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge ist es Aufgabe der Einzugsstelle, die Forderung als Gläubigerin gegenüber dem Bestreitenden unter Verweis auf den sie bindenden Grundlagenbescheid durch Verwaltungsakt feststellen.
ff) Im Sozialrecht ist die Zulässigkeit des Erlasses von Feststellungsbescheiden im Insolvenzverfahren anerkannt. So ist gegenüber Leistungsberechtigten nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) der Erlass von endgültigen Festsetzungsentscheidungen im Insolvenzverfahren als Grundlage der Anmeldung der sich ergebenden Erstattungsforderung zulässig. Lediglich der Erlass von Erstattungs- oder Leistungsbescheiden ist unzulässig (hierzu LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27. März 2019 – L 13 AS 234/17 –, juris; anschaulich Uyanik, SGb 2022, 144).
gg) Vorliegend hat die Beklagte in ihrem Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides auch unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, dass es ihr allein darum geht, die Forderungen im Bescheid nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV im Rahmen des mit ihr konkret bestehenden Beitragsrechtsverhältnisses festzustellen, der zuständigen Einzugsstelle für das Insolvenzverfahren eine Berechnungsgrundlage und ein Mittel der Glaubhaftmachung ihrer Beitragsforderungen (vgl. § 28f Abs. 3 Satz 3 SGB IV) als Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) zu verschaffen, indem sie insoweit auf die notwendige Anmeldung der Beitragsforderungen zur Insolvenztabelle durch die zuständigen Einzugsstellen hingewiesen hat. Ausdrücklich hat die Beklagte im Bescheid bestimmt, dass damit keine Zahlungsaufforderung verbunden ist.
4.
Der angegriffene Grundlagenbescheid ist auch materiell rechtmäßig. Fehler bei der Prüfung der Unterlagen der Insolvenzschuldnerin, bei Festsetzung der rückständigen Beiträge und Benennung der betroffenen Arbeitnehmer einschließlich der Korrekturen in der Abmeldung weiterer Arbeitnehmer von der Sozialversicherung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
5.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens. Eine Übernahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen scheidet aus, weil sie sich nicht mit Sachanträgen am Verfahren beteiligt haben.
6.
Die Revision wird zugelassen, weil die Rechtsfrage einer Befugnis zum Erlass eines Grundlagenbescheides über Insolvenzforderungen grundlegende Bedeutung hat, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Allein am LSG Berlin-Brandenburg ist eine Vielzahl von Berufungsverfahren zu dieser Rechtsfrage anhängig.
7.
Die Festsetzung des Streitwerts erfolgt mit gesondertem Beschluss.