L 14 KR 258/18

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 143 KR 140/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 KR 258/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Die Vorschrift des § 130a Abs. 3a Satz 3 SGB V aF (heute Satz 4) findet auch dann Anwendung, wenn zum Stichtag mehr als ein Vergleichsprodukt in den Markt eingeführt war.

2. Hat der pharmazeutische Unternehmer vor Neueinführung eines Arzneimittels mehrere Arzneimittel mit gleichem Wirkstoff und vergleichbarer Darreichungsform in den Verkehr gebracht, wird der Vergleichspreis zur Ermittlung des Herstellerrabatts aus dem arithmetischen Mittelwert der Vergleichsarzneimittel bestimmt.

3. Bei der Bildung eines Durchschnitts zur Bestimmung des Vergleichspreises sind auch "außer Vertrieb" gesetzte, aber noch verkehrsfähige Arzneimittel einzubeziehen; es kommt nicht darauf an, ob und in welchem Umfang diese zum Stichtag tatsächlich noch vertrieben wurden. 

 

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. April 2018 wird zurückgewiesen.

 

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Die Revision wird zugelassen.

 

Der Streitwert wird auf 2,5 Millionen Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

 

Die Klägerin wendet sich gegen einen Preisabschlag gemäß § 130a Abs. 3a SGB V für das Arzneimittel A-Pen.

 

Die Klägerin ist ein pharmazeutisches Unternehmen mit Sitz in München, das in Deutschland u.a. Arzneimittel zur Behandlung der Multiplen Sklerose vertreibt.

 

Nach Änderung des § 130a Abs. 3a SGB V hatte der beklagte GKV-Spitzenverband am 22. Oktober 2010 das Nähere zum sog. Herstellerabschlag festgelegt. In den „Regelungen des GKV-Spitzenverbandes nach § 130a Abs. 3a Satz 10 zum Herstellerabschlag nach § 130a Abs. 3a Satz 3 und 4 SGB V im Konsens mit den Verbänden der pharmazeutischen Unternehmer“ (im Folgenden Leitfaden) hatte er für die Bestimmung des Abschlags Kriterien zur Ermittlung der Vergleichspackung (Abschnitt I) und zur Berechnung des Abschlages (Abschnitt II) bestimmt.

 

Die Klägerin führte erstmals zum 1. Juli 2011 das zentral zugelassene Arzneimittel „A® 30 µg/0,5ml Injektionslösung, im Fertigpen“ (im Folgenden A-Pen) in Deutschland in den Markt ein, indem sie dieses unter eigenem Namen in Verkehr brachte. Eine Fertigspritze enthält 30 µg (6 Millionen Einheiten) des Wirkstoffs I. Der A-Pen wird in zwei Packungsgrößen mit 4 oder 12 Fertigspritzen vertrieben, für das Arzneimittel ist kein Festbetrag festgesetzt. Zulassungsinhaber ist eine im Vereinigten Königreich ansässige Schwestergesellschaft der Klägerin.

 

Die Klägerin meldete den A-Pen der Informationsstelle für Arzneimittelspezialitäten GmbH (IFA-GmbH) zur Veröffentlichung im Preis- und Produktverzeichnis (im Folgenden Lauer-Taxe) mit einem Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers (ApU) von 1.340 Euro für die Packungsgröße mit 4 Spritzen (Pharmazentralnummer [PZN] …) und von 4.020 Euro für die Packungsgröße mit 12 Spritzen (PZN …). Die Klägerin koppelte dabei die von ihr für dieses Arzneimittel benannten Abgabepreise an den Preis des von ihr in den Verkehr gebrachten und seit Jahren am Markt verfügbaren Arzneimittels „A® 30 µg Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung“ (PZN …) (im Folgenden A-Set). Dieses Präparat mit ebenfalls 30 µg (6 Millionen Einheiten) enthält denselben Wirkstoff, hat dieselbe Darreichungsform und dieselbe Wirkstärke wie der A-Pen. Es war in der Lauer-Taxe am 1. August 2009 mit einem ApU von 1.340 Euro für eine Menge von vier Durchstechflaschen gelistet. Bei Festlegung des Preises für den A-Pen mit 12 Spritzen kalkulierte die Klägerin das Dreifache des A-Set mit 4 Durchstechflaschen auf insgesamt 4.020 Euro. Änderungen des ApU erfolgten zum 1. September 2012, 1. Juli 2019, 1. Juli 2020 und 1. Juli 2021.

 

Am 1. August 2009 hatte die Klägerin ferner bereits das Präparat A-LL Fertigspritzen (im Folgenden A-LL) ebenfalls mit dem Wirkstoff I, 30 µg in den Verkehr gebracht. Die Abpackung mit 4 Fertigspritzen und einer Gesamtwirkstärke von 0,12 mg (PZN …) war am 1. August 2009 mit einem ApU von 1.282 Euro gelistet. Die Abpackung mit 12 Fertigspritzen und einer Gesamtwirkstärke von 0,36 mg (PZN …) war am 1. August 2009 mit einem ApU von 3.928,00 Euro gelistet.

 

Ein weiteres Präparat mit der Bezeichnung „A30 µg 6 Mio. I.E. 0,5 ml Injektionslösung“ (im Folgenden A-AV) in der Darreichungsform von Fertigspritzen mit 4 Stück (PZN …) – ebenfalls mit dem Wirkstoff I, 30µg und einer Gesamtwirkstärke von 0,12 mg – war von der Klägerin Jahre zuvor in den Verkehr gebracht worden. Es wurde bei Markteinführung des A-Pen von der Klägerin nicht mehr vertrieben. Bereits mit Wirkung zum 1. November 2007 hatte die Klägerin A-AV mit dem Vertriebsstatus „außer Vertrieb“ bei der IFA-GmbH gemeldet. Es war am 1. August 2009 noch mit einem ApU von 1.054,51 Euro in der Lauer-Taxe gelistet und wurde zum 1. November 2009 aus der Lauer-Taxe gelöscht.

 

Bei den vorstehend genannten vier AProdukten handelt es sich jeweils um Fertigarzneimittel, deren Apothekenabgabepreise aufgrund der Preisvorschriften nach dem Arzneimittelgesetz bestimmt sind.

 

Die Klägerin ermittelte bei Markteinführung des A-Pen nach Maßgabe des § 130a Abs. 3a SGB V sowie des vom Beklagten erlassenen Leitfadens (unter Berücksichtigung des weiteren Rabattes nach § 130a Abs. 1, 1a SGB V) zum 1. Juli 2011 einen Herstellerabschlag von 96,18 Euro für den A-Pen mit 4 Fertigspritzen und von 77,28 Euro für den A-Pen mit 12 Fertigspritzen. Die Berechnungsergebnisse übermittelte die Klägerin in Erfüllung ihrer Übermittlungspflichten nach § 131 Abs. 4, § 130a Abs. 6 SGB V an die IFA-GmbH. Die Beträge wurden sodann im Preis- und Produktverzeichnis (Lauer-Taxe) ausgewiesen.

 

Mit Schreiben vom 9. Februar 2012 beanstandete die Klägerin – unter Bezugnahme auf Empfehlungen verschiedener Apothekenrechenzentren – gegenüber dem Beklagten die durch den Leitfaden vorgegebene Berechnung der Abschläge. Der Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 20. Februar 2012 und 12. März 2012 mit, dass die Abschläge korrekt ermittelt seien. Der Abschlag nach § 130a Abs. 3a Satz 3 SGB V ergebe sich bei dem A-Pen mit 4 Spritzen aus der Differenz zwischen seinem ApU iHv. 1.340 Euro und dem Durchschnitt der am 1. August 2009 geltenden Preise des A-LL, des A-Set und des A-AV iHv. 1.225,50 Euro. Der Abschlag für die Packung mit 12 Stück ergebe sich aus der Differenz zwischen dem ApU dieser Packung von 4.020 Euro und dem der gleich großen Packung des A-LL iHv. 3.928,00 Euro. Bemühungen um eine einvernehmliche Lösung, auch unter Einschaltung des Bundesgesundheitsministeriums, führten nicht zu einer Beilegung des Streits, nach Auseinandersetzungen mit Apotheken und deren Androhung, die Abgabe des A-Pen einzustellen, zahlte die Klägerin an die abgebenden Apotheken den gelisteten Herstellerabschlag unter Vorbehalt.

 

Am 14. August 2015 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) München Klage erhoben. Sie hat die Ansicht vertreten, der Herstellerabschlag sei in rechtswidriger Weise berechnet worden, da mit Markteinführung des A-Pen keine Preiserhöhung erfolgt sei. Die vom Beklagten vorgegebene Berechnung sei nicht von § 130a Abs. 3a Satz 3 SGB V gedeckt, es fehle insoweit an einer Ermächtigungsgrundlage. Der Gesetzgeber habe lediglich einen Preisstopp und keine Preissenkung durchsetzen wollen. Es sei nur auf „ein“ Vergleichsarzneimittel abzustellen. Mit A-Pen tatbestandlich vergleichbar sei das Arzneimittel A-Set, da Wirkstoff, Darreichungsform, Wirkstärke und Mengeneinheit nicht nur vergleichbar, sondern identisch seien. Andere Arzneimittel kämen dem A-Pen nicht näher, sondern seien lediglich genauso vergleichbar. Der vom Beklagten ermittelte Preis sei nicht der Preis eines bestimmten Vergleichsarzneimittels, sondern eine fiktive Vergleichsgröße. Die Klägerin hat im Verfahren ein Gutachten der Frau Prof. Dr. M T vom Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker zur Vergleichbarkeit der genannten A Präparate vom 8. Dezember 2017 vorgelegt. Das Gutachten wurde im – mittlerweile ruhenden – Rechtsstreit der Klägerin gegen eine Krankenkasse vor dem Sozialgericht (SG) München (S 29 KR 1010/15) eingeholt, in welchem die Klägerin die Rückzahlung des Herstellerabschlags begehrt.

 

Zu Unrecht sehe der Beklagte in seinem Leitfaden die Bildung eines Durchschnittspreises vor, dies widerspreche dem Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Ermächtigungsnorm sowie der Gesetzesbegründung (Verweis auf BT-Drs. 17/2170, S. 37, Verweis auf Sozialgerichts Berlin, Urteil vom 23. Februar 2015 – S 211 KR 2196/12 [Rebif]). Dem Beklagten stehe kein Gestaltungsspielraum zu (Verweis auf SG Berlin, Urteil vom 26. Februar 2014 – S 28 KR 1051/11). Die Durchschnittsbildung verstoße zudem gegen den Gleichheitssatz und lasse unbeachtet, in welcher Gesamtstückzahl das Produkt in den Markt gegeben werde. Zudem habe der Beklagte den Abschlag auf einer falschen Tatsachengrundlage ermittelt, es handele sich nicht um eine „abgeteilte Darreichungsform“.

 

Die Rechtswidrigkeit der „Festsetzung“ des Beklagten ergebe sich auch daraus, dass für die Ermittlung des Preisstandes auch das Arzneimittel A-AV herangezogen worden sei. Die letzte in Verkehr gebrachte Charge des A-AV (PZN …) sei am 6. April 2007 hergestellt, am 1. August 2007 freigegeben und am 22. Oktober 2007 über den Logistikdienstleister in Verkehr gebracht worden. Aufgrund der Aufbrauchfrist von 18 Monaten sei die Haltbarkeit des Präparats weit vor August 2009 abgelaufen. Das letzte Ärztemuster des A-AV sei bereits am 24. November 2006 hergestellt, am 17. Februar 2007 freigegeben und am 15. Mai 2007 vom Logistiker verschickt worden. Auch dessen Haltbarkeit von 18 Monaten sei vor dem Stichtag abgelaufen. Daher sei das Präparat zum 1. August 2009 nicht mehr im Verkehr gewesen und von der Klägerin, von Großhändlern oder von Apotheken nicht angeboten worden. Es sei mit dem Zweck des Preismoratoriums nicht zu vereinbaren, bei der Ermittlung des Preisstandes nicht mehr vermarktete Präparate einzubeziehen, da diese den Preisstand zum 1. August 2009 nicht abbilden könnten. Die Einbeziehung der in der Lauer-Taxe mit „AV“ gekennzeichneten Präparate, nicht aber auch der nicht verkehrsfähigen und mit „NV“ oder der zurückgezogenen und mit „ZG“ gekennzeichneten Arzneimittel sei willkürlich. Sie müsse jedenfalls mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und nach dem Rechtsgedanken des § 894 BGB zur Grundbuchberichtigung so gestellt werden, als habe sie A-AV mit dem Abverkauf in der Lauer-Taxe löschen lassen.

 

Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass der Herstellerabschlag für den A-Pen jeweils zutreffend ermittelt worden sei. Nach dem Gesetzeswortlaut seien zur Beurteilung einer Preiserhöhung der vollständige Markt zum 1. August 2009 und damit alle vergleichbaren Arzneimittel zu betrachten. Drei Arzneimittel stünden dem A-Pen bei Markteinführung gleich nahe. Soweit die Klägerin eine erzwungene Preissenkung behaupte, betrachte sie allein das teuerste Medikament. Diese Sichtweise lasse die günstigeren Vergleichsarzneimittel, gegenüber denen eine Preiserhöhung offensichtlich sei, außer Betracht. Daher sei gemäß dem Leitfaden eine Durchschnittsbildung geboten. Der Leitfaden sei mit allen maßgeblichen Verbänden der pharmazeutischen Unternehmer und dem Deutschen Apothekerverband gemeinsam erarbeitet und abgestimmt worden. Seine Regelungen seien verbindlich und wegen eines Gestaltungsspielraums nur eingeschränkt überprüfbar. Seine Regelungsbefugnis beziehe sich vor allem auf Abrechnungsfragen, die praktische Umsetzung und Handhabung der Abschlagspflicht (Verweis auf Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 30. September 2015 – B 3 KR 1/15 R, Rn. 27) und sei mit den Regelungen im Leitfaden nicht überschritten. Die Entscheidung des SG Berlin zum Arzneimittel Rebif sei nicht einschlägig, da in jenem Fall bei einer Packungsvergrößerung der Preis nur linear fortgeschrieben worden sei. Die Berechnung des Abschlags sei zutreffend nach den Bestimmungen zu „nicht abgeteilten Darreichungsformen“ des Leitfadens (Ziffer 5) erfolgt, da alle Flüssigkeiten – wie die Injektionslösungen der Klägerin und anders als Tabletten oder Kapseln – nach der Definition seines Leitfadens zu den „nicht abgeteilten Darreichungsformen“ gehören würden. Die Klägerin sei auch der zahlungspflichtige pharmazeutische Unternehmer.

 

Auch AV-Produkte seien einzubeziehen, was Ziffer 1.2. des Leitfadens ausdrücklich bestimme. Außer Vertrieb gesetzte Arzneimittel seien weiterhin verkehrsfähig und regulär im Markt verfügbar, damit pharmazeutische Unternehmer, Großhändler und Apotheken die Lagerbestände abverkaufen könnten. Sie gehörten wie andere verkehrsfähige Präparate zum „Preisstand am 1. August 2009“ i.S.v. § 130a Abs. 3a SGB V. Das Arzneimittel sei erst am 31. Oktober 2009 von der IFA-GmbH aus dem Verzeichnisdienst gelöscht worden. Es habe der Klägerin freigestanden, A-AV vor Ablauf der Regelfrist von 24 Monaten löschen zu lassen (Verweis auf Spiegelpunkt 4, Seite 3 der Richtlinie zum Artikelstatus und Statuswechsel der IFA-GmbH, Löschungsmöglichkeit nach 6 Monaten im AV-Status). Die von der Klägerin als ungerecht empfundene Einbeziehung von A-AV sei Ausfluss der gesetzlich bestimmten Stichtagsregelung und beruhe auf der Verbindlichkeit der Meldung nach § 131 Abs. 4 Satz 6 SGB V. Grundlage der Arzneimittelvergütung und der Arzneimittelabschläge sei nur, was den Systembeteiligten – in der Regel maschinenlesbar – aus den Meldedaten verfügbar sei (Verweis auf BSG B 1 KR 18/12 Rn. 28). Es sei nicht Aufgabe des Beklagten, Haltbarkeitsdaten zu ermitteln. Die Einbeziehung der AV-Produkte einerseits, nicht aber der NV- oder ZG-Produkte andererseits, sei sachgerecht, da erstere noch „im Verkehr“ seien, letztere aber nicht. Die Meldung zu A-AV an die IFA-GmbH und die Eintragung in der Lauer-Taxe sei im Jahr 2009 richtig gewesen, eine Korrektur komme nicht in Betracht, weil der Klägerin das Ergebnis bei Berechnung des Herstellerabschlags nicht gefalle. A-AV sei im Jahr 2009 noch in Apotheken abgegeben und gegenüber Krankenkassen abgerechnet worden.

 

Die Richtigkeit der rein mathematischen Ermittlung des Herstellerabschlages zum 1. Juli 2011 steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

 

Mit Beschluss vom 11. Januar 2016 hat das Sozialgericht München nach Anhörung der Beteiligten und gegen den Willen der Klägerin den Rechtsstreit an das von ihm nach § 57a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) für örtlich zuständig gehaltene Sozialgericht Berlin verwiesen.

 

In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 14. Februar 2018 haben die Beteiligten übereinstimmend erklärt, dass bei dem A-Pen, A-Set, A-LL und A-AV jeweils eine vergleichbare Darreichungsform bestehe, da der Umstand, dass A-Set vor der Injektion angerührt werden muss, keinen Einfluss auf die Darreichungsform als Injektionslösung habe.

 

Mit Urteil vom 11. April 2018 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Der berechnete Herstellerabschlag sei rechtmäßig. Die Klägerin habe als pharmazeutischer Unternehmer den A-Pen im Juli 2011 in den deutschen Markt eingeführt und schulde nach § 130a Abs. 3a SGB V einen Herstellerabschlag. Die Auslegung der Rechtsgrundlage ergebe, dass der Abschlag auch berechnet werden könne, wenn mehr als ein vergleichbares Arzneimittel in den Verkehr gebracht ist. Es gebe keinen sachlichen Grund, einen Hersteller von der Abschlagspflicht zu befreien, nur weil am Stichtag mehr als nur ein Vergleichsarzneimittel in den Verkehr gebracht worden sei.

 

Die Höhe des berechneten Abschlags sei nicht zu beanstanden. Sie ergebe sich aus der Differenz zwischen dem Abgabepreis des neu eingeführten Arzneimittels und dem Preisstand am 1. August 2009 des am nächsten liegenden Vergleichsarzneimittels. Vorliegend kämen dem A-Pen drei Arzneimittel am nächsten, was sich aus den übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten und dem Gutachten der Frau Prof. Dr. T ergebe. Da § 130a Abs. 3a Satz 3 SGB V keine ausdrückliche Anordnung für diesen Fall enthalte, sei auf den Leitfaden des Beklagten, der vom Gesetzgeber mit der Regelung des Näheren beauftragt sei, zurückzugreifen. Der Leitfaden sei ermächtigungskonform, der Beklagte habe seine Regelungsbefugnis nicht überschritten (Verweis auf BSG, Urteil vom 30. September 2015 – B 3 KR 1/15 R). Die Vorgabe zur Bildung eines „Durchschnitts“ als arithmetischen Mittels folge gesetzlichen Vorgaben in Parallelvorschriften des SGB V. Da § 130a Abs. 3a SGB V – z.B. anders als § 130a Abs. 2 SGB V –ausdrücklich und ausschließlich auf den Preisstand zu einem Stichtag abstelle, habe der Gesetzgeber keine speziellen Ermittlungspflichten und Mitteilungspflichten angeordnet. Der Preisstand ergebe sich aus der Lauer-Taxe, für die eine Meldepflicht nach § 130a Abs. 6 Satz 2 SGB V bestehe. Der Rückgriff auf diese ermögliche eine schnelle und transparente Ermittlung und sei daher interessengerecht. Eine Gewichtung der Marktanteile individueller Arzneimittel sei nicht praktikabel, für Ermittlungen des Beklagten würden zudem Offenbarungspflichten der Unternehmen fehlen. Der „Preisstand“ beziehe sich auf das Kostenverhältnis des Vergleichsarzneimittels zum Stichtag. Nur wenn der Preis des neu eingeführten Arzneimittels dem Durchschnittspreis entspreche, bleibe das Kostenverhältnis erhalten. Die unternehmerische Freiheit der Klägerin sei durch diese Berechnung nicht verletzt. Durch § 130a Abs. 3a SGB V werde die Klägerin lediglich an der eigenen unternehmerischen Gestaltung des Preisstandes am 1. August 2009 festgehalten. Diese Auslegung der gesetzlichen Regelung sei unter Abwägung der wechselseitigen Belange interessengerecht, was sich aus der Zustimmung der Interessenverbände der pharmazeutischen Unternehmer zum Leitfaden des Beklagten ergebe.

 

Es begegne schließlich keinen Bedenken, A-AV in die Berechnung einzubeziehen. Dieses Arzneimittel sei am 1. August 2009 in den Verkehr gebracht gewesen und habe den Preisstand i.S.d. Vorschrift mit bestimmt. Ob ein Abverkauf noch erfolgte oder rechtlich noch zulässig war, sei unerheblich, da zur rechtlichen Beurteilung allein die von der Klägerin veranlassten, verbindlichen Angaben in der Lauer-Taxe maßgeblich seien (Verweis auf BSG, Urteil vom 2. Juli 2013 – B 1 KR 18/12 R). Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden auch insoweit nicht.

 

Nach Einfügung einer Dynamisierungsvorschrift als neuer Satz 2 in § 130a Abs. 3a SGB V hat der Beklagte die „Regelungen des GKV- Spitzenverbandes nach § 130a Abs. 3a Satz 11 SGB V zum Herstellerabschlag nach § 130a Abs. 3a SGB V vom 09.04.2018“ normiert (im Folgenden Leitfaden 2018).

 

Gegen das dem Klägervertreter am 25. Juli 2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10. August 2018 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für rechtswidrig. Unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens hat die Klägerin betont, dass bei Markteinführung des A-Pen keine Preiserhöhung erfolgt sei, eine Durchschnittsbildung von Vergleichspreisen im Gesetz nicht vorgesehen sei und die Vorgaben des Beklagten rechtlich verfehlt, willkürlich und verfassungswidrig seien. Damit habe der Beklagte das „Ob“ des Herstellerabschlages festgelegt. Mit der Regelung des § 130a Abs. 3a SGB V habe der Gesetzgeber nur die manipulative Umgehung des Preismoratoriums unterbinden wollen, was vorliegend nicht der Fall sei. Jedenfalls sei die Berücksichtigung des seit Ende 2008 nicht mehr im Markt verfügbaren A-AV rechtswidrig, da es an der Preisbildung nicht mehr teilgenommen habe. Fehler in der Lauer-Taxe würden nach der Rechtsprechung des BSG nur dann keinen Eingriff in die Berufsfreiheit darstellen, wenn sie mit Zukunftswirkung korrigiert werden könnten. Daher dürfte der historische Niedrigpreis eines AV-Produktes nicht unverändert für die Zukunft einen Abgabepreis bestimmen und verfälschen. Während der Gesetzgeber mit dem 2017 eingeführten § 130a Abs. 3a Satz 2 SGB V den Abschlag nach § 130a Abs. 3a Satz 1 SGB V dynamisiert habe, fehle eine solche Regelung in Satz 4 für neu eingeführte Produkte, so dass der Preisabschlag weiter eingefroren bleibe, wofür ein rechtfertigender Grund fehle. Dies stelle eine unzulässige Diskriminierung von neu eingeführten, innovativen Präparaten dar. Sie bestreite, dass die Angaben des Beklagten zur Abgabe des A-AV noch im Jahr 2009 richtig seien, es dürfte sich um Rückläufer und Fehlabrechnungen handeln.

 

Am 5. Dezember 2022 hat der Beklagte aus Anlass des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes vom 7. November 2022 nach Herstellung des Benehmens mit den pharmazeutischen Unternehmen den Leitfaden aktualisiert (im Folgenden Leitfaden 2022).

 

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat sich der Beklagte verpflichtet, für den Fall des rechtskräftigen Obsiegens der Klägerin im vorliegenden Verfahren Hilfestellung zur Korrektur der Meldedaten zu leisten und auf Antrag der Klägerin ein sogenanntes konsentiertes dezentrales Rückabwicklungsverfahren durchzuführen. Daraufhin haben die Beteiligten den Rechtsstreit in Bezug auf ein von der Klägerin für den Fall ihres Obsiegens geltend gemachtes Mitwirkungsbegehren übereinstimmend für erledigt erklärt.

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. April 2018 aufzuheben und zu erkennen:

 

Es wird festgestellt, dass das Arzneimittel A-Pen für die Packungen mit 4 und 12 Fertigspritzen (PZN … und PZN …) seit Juli 2011 nicht dem Herstellerabschlag nach § 130a Abs. 3a SGB V unterfällt,

 

hilfsweise

 

a) es wird festgestellt, dass der Herstellerabschlag nach § 130a Abs. 3a SGB V für das Arzneimittel A-Pen für die Packung mit 4 Fertigspritzen (PZN …) seit Juli 2011 ohne Berücksichtigung des Arzneimittels A-AV (PZN …) zu berechnen ist,

 

b) es wird festgestellt, dass der Herstellerabschlag für das Arzneimittel A-Pen für die Packungen mit 4 und 12 Fertigspritzen (PZN … und PZN …) seit Juli 2011 so berechnet werden muss, dass sich der Herstellerabschlag aus der Differenz des Durchschnittspreises der in die Berechnung eingestellten Vergleichsarzneimittel und dem Durchschnittspreis der Vergleichsarzneimittel zuzüglich des Preises des vom Herstellerabschlag betroffenen A-Pen ergibt.

 

Der Beklagte beantragt,

 

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Die Abschlagsberechnung verstoße nicht gegen die Verfassung und sei auf Grundlage des § 130a Abs. 3a SGB V rechtmäßig erfolgt. Zu Unrecht stelle die Klägerin allein auf das teuerste Vergleichsarzneimittel ab und lasse den Vergleichsmarkt außer Betracht. Ob und inwieweit die Klägerin ihren Verkaufspreis sanktionslos anheben könne, spiele für den Rechtsstreit keine Rolle. Das Arzneimittel A-Pen sei ausweislich der Daten nach § 84 Abs. 5 SGB V noch nach der AV-Meldung der Klägerin im Jahr 2008 100-mal und im Jahr 2009 achtmal abgerechnet worden, woraus sich eine Abgabe des A-AV ergebe.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte.

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

 

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere fristgerecht im Sinne des § 151 Abs. 1 SGG eingelegt. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die auf Feststellung der Abschlagsfreiheit für das Arzneimittel A-Pen und Verurteilung zur Information der Mitgliedskassen gerichtete Klage abgewiesen.

 

Streitgegenstand der Berufung ist neben der erstinstanzlichen Entscheidung vom 11. April 2018 die Herstellerabschlagspflicht für das Arzneimittel A-Pen ab Markteinführung am 1. Juli 2011. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass der A-Pen für die Packungen mit 4 und 12 Fertigspritzen seit Juli 2011 nicht dem Herstellerabschlag nach § 130a Abs. 3a SGB V unterliegt. Hilfsweise begehrt sie zum einen die Feststellung einer Berechnung einer Preiserhöhung ohne Berücksichtigung des Vergleichsarzneimittels A-AV und zum anderen die Feststellung, dass der ApU des neu eingeführten Arzneimittels bei Ermittlung des Preisstandes mit berücksichtigt wird.

 

Die Klage ist als Feststellungsklage zulässig (dazu 1.), jedoch unbegründet. Das mit der Verweisung örtlich zuständig gewordene Sozialgericht (dazu 2.) hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Arzneimittel A-Pen mit 4 und 12 Fertigspritzen unterliegt seit Juli 2011 dem Herstellerabschlag nach § 130a Abs. 3a SGB V, der zutreffend berechnet wurde (dazu 3.). Bei der Ermittlung des Herstellerrabattes ist das Arzneimittel A-AV einzubeziehen (dazu 4.). Die Bildung eines Durchschnitts zur Ermittlung des maßgeblichen Preisstandes hatte ohne Berücksichtigung des A-Pen bei Markteinführung zu erfolgen (dazu 5.). Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen nicht (dazu 6.)

 

1.
Zutreffend verfolgt die Klägerin ihr Begehren mit einer Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Die Feststellungsklage ist zulässig. Die Frage, ob der A-Pen dem Herstellerabschlag nach § 130a Abs. 3a SGB V unterliegt, betrifft ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten. Der Beklagte übernimmt für die gesetzliche Krankenversicherung die Aufgabe, alle relevanten Verfahrensregelungen zu treffen. Die Regelungsbefugnis nach § 130a Abs. 3a Satz 10 SGB V und die Kontrolltätigkeit des Beklagten (hier Schreiben vom 20. Februar 2012 und 12. März 2012), die sich auf die Preisfestsetzung und die Einkunftsmöglichkeiten der Klägerin auswirken, begründen zwischen den Beteiligten ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis (§ 69 Abs. 1 SGB V), das eine dem Feststellungsinteresse unterliegende Rechtsfrage aufwirft, die mit vorliegendem Rechtsstreit abschließend geklärt werden kann (ausführlich zum Rechtsverhältnis BSG, Urteil vom 30. September 2015 – B 3 KR 1/15 R –, juris Rn. 14 ff.).

 

Zutreffend begehrt die Klägerin die Feststellung ab Markteinführung des A-Pen ohne zeitliche Beschränkung. Denn die seit 1. Januar 2003 zunächst befristet geltende Pflicht zur Zahlung eines Herstellerabschlags wurde vom Gesetzgeber mehrfach – auch unter Vorgabe unterschiedlicher Abschlagssätze – verlängert, zuletzt bis zum 31. Dezember 2026 durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz vom 7. November 2022 (BGBl. I 1990 – Art. 1 Nr. 11 Buchst. c DBuchst. aa m.W.v. 12. November 2022). Eine Befreiung vom Herstellerabschlag für A-Pen wurde nach Einführung des § 130a Abs. 3c SGB V zum 12. November 2022 nicht erteilt.

 

2.
Es ist unerheblich, dass die Verweisung des SG München mit Beschluss vom 11. Januar 2016 an das SG Berlin unter Verstoß gegen § 57a Abs. 4 SGG erfolgte (hierzu SG Berlin, Beschluss vom 25. Juni 2019 – S 89 KR 4244/15 –, juris, mit Verweis auf BSG, Beschluss vom 4. Januar 2012 – B 12 SF 2/11 S – zur Vorgängerregelung). Der Verweisungsbeschluss des Sozialgerichts München wegen örtlicher Zuständigkeit war gemäß § 98 Abs. 1 SGG i.V.m. § 17a Abs. 2 GVG für das Sozialgericht Berlin bindend. Der Senat hat gemäß § 17 Abs. 5 GVG als Rechtsmittelgericht bei der Entscheidung in der Hauptsache nicht zu prüfen, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.

 

3.

Das Feststellungsbegehren ist im Hauptantrag unbegründet. Der A-Pen unterliegt seit dem 1. Juli 2011 dem Herstellerabschlag. Rechtsgrundlage hierfür ist § 130a Abs. 3a SGB V (dazu a.). Die Voraussetzungen für einen Herstellerabschlag sind erfüllt, da die Klägerin pharmazeutischer Unternehmer ist (dazu b.) und sich der Abgabepreis für den A-Pen gegenüber dem Preisstand am 1. August 2009 erhöht hat (dazu c.). Einer ausdrücklichen Einbeziehung der hier streitigen Regelung in die Dynamisierungsbestimmung des seit 2017 geltenden Satz 2 bedurfte es nicht (dazu d.). Ausnahmeregelungen sind nicht einschlägig (dazu e.).

 

a.
Gemäß § 130a Abs. 1 Satz 1 SGB V erhalten die Krankenkassen seit 1. Januar 2003 von Apotheken für zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel einen Abschlag vom Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers. Nach § 130a Abs. 1 Satz 3 SGB V sind pharmazeutische Unternehmer verpflichtet, den Apotheken den Abschlag zu erstatten.

 

Damit der Herstellerabschlag nicht durch Preiserhöhungen der Hersteller ausgeglichen werden kann, wurde m.W.z. 1. Mai 2006 § 130a Abs. 3a SGB V eingeführt und nachfolgend mehrfach geändert. Die Vorschrift hatte m.W.z. 1. Januar 2011 auszugsweise folgende Fassung:

 

 

Durch Einführung einer Dynamisierungsregelung als neuer Satz 2 sind jeweils mit Wirkung zum 13. Mai 2017 die Regelung des Satz 2 in Satz 3 und die Regelung des Satz 3 in Satz 4 verortet (Zitierung im Folgenden in der bis 12. Mai 2017 geltenden Fassung als „Satz 3“).

 

b.
Die Klägerin ist pharmazeutischer Unternehmer i.S.v. § 130a SGB V und damit Adressat der Vorschrift. Nach § 4 Abs. 18 Satz 2 Arzneimittelgesetz (AMG) ist pharmazeutischer Unternehmer, wer Arzneimittel (in der Fassung ab 29. Juli 2017 ergänzt um:im Parallelvertrieb oder sonst“) unter seinem Namen in den Verkehr bringt, außer in den Fällen des § 9 Abs. 1 Satz 2 AMG für Arzneimittel, die zur klinischen Prüfung bestimmt sind. Die Klägerin bringt den A-Pen, der nicht für klinische Prüfungen bestimmt ist, unter eigenem Namen in Verkehr. Inverkehrbringen ist nach § 4 Abs. 17 AMG das Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe, das Feilhalten, das Feilbieten und die Abgabe an andere. Die Klägerin bringt den A-Pen seit 2011 in diesem Sinne unter eigenem Namen in Verkehr, was zwischen den Beteiligten mittlerweile unstreitig ist.

 

c.
Der ApU für den A-Pen mit 4  Stück und mit 12 Stück hat sich jeweils gegenüber dem Preisstand am 1. August 2009 erhöht. Für die Beurteilung einer Erhöhung ist der Abgabepreis des A-Pen bei Neueinführung mit dem Preisstand am 1. August 2009 abzugleichen.

 

aa.

Der ApU „bei Neueinführung“ ist der Preis des neu in den Verkehr gebrachten Arzneimittels bei Markteinführung. Unter „Neueinführung“ ist die Aufnahme einer neuen PZN in das IFA-Verzeichnis gemäß der Meldung des pharmazeutischen Unternehmers bei erstmaliger Markteinführung zu verstehen. Dies erfolgte beim A-Pen zum 1. Juli 2011. Unerheblich ist, dass es sich um ein Arzneimittel mit demselben Wirkstoff und vergleichbarer Darreichungsform wie A-Set handelt, denn dies ist Voraussetzung für die Anwendung des § 130a Abs. 3a Satz 3 SGB V und kann ihr daher nicht entgegen stehen.

 

bb.
Der „Preisstand“ bezieht sich auf den ApU des bzw. der Vergleichsarzneimittel.

 

Das maßgebliche Datum des Preisstandes der Vergleichsarzneimittel ist der 1. August 2009. Dieser zeitliche Anknüpfungspunkt in § 130a Abs. 3a Satz 1 SGB V wurde mit Gesetz vom 24. Juli 2010 (BGBl. I 983) auf einen Termin in der Vergangenheit bestimmt, damit Preiserhöhungen ausgeglichen werden, die seit diesem Zeitpunkt bis zum Inkrafttreten der Änderung vorgenommen worden waren (Gesetzesbegründung BT-Drs. 17/2170, S. 37 zu Buchst. b).

 

Nicht maßgeblich ist der Preisstand bei Markteinführung des A-Pen am 1. Juli 2011. Zwar regelt § 130a Abs. 3a Satz 2 SGB V, dass für nach dem 1. August 2010 neu eingeführte Arzneimittel der Preisstand bei Markteinführung gelten soll. Satz 2 wird jedoch durch die speziellere Regelung des Satz 3 verdrängt. Dies ergibt sich aus der historischen Auslegung des Gesetzes. Denn Abs. 3a wurde mit Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung vom 26. April 2006 (BGBl. I 984) eingeführt und benannte als Stichtag für den erstmals ab 1. April 2006 geltenden Herstellerabschlag rückwirkend den 1. November 2005. Mit dem zugleich eingeführten (damaligen) Satz 2 wurde die Geltung des Herstellerabschlages auf neu eingeführte Arzneimittel ab 1. April 2006 mit der Maßgabe erstreckt, dass Preiserhöhungen nach Markteinführung vom Abschlag erfasst werden. Mit dem Gesetz zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften vom 29. Juli 2010 wurde die Vorschrift jedoch um einen Satz 3 ergänzt, der den Fall der Neueinführung eines Arzneimittels regelt, für welches bereits zuvor ein Vergleichsarzneimittel in Verkehr gebracht war. Durch diese Regelung wollte der Gesetzgeber verhindern, dass pharmazeutische Unternehmen das Preismoratorium durch Neueinführung von Arzneimitteln mit geänderter Packungsgröße oder Wirkstärke umgehen können (vgl. BT-Drs. 17/2170, S. 37 zu Buchst b). Würde in einem solchen Fall der Neueinführung eines Arzneimittels als Stichtag nach Satz 2 der Tag der Neueinführung gelten, würden vom Herstellerabschlag nur spätere Preiserhöhungen erfasst und würde daher Satz 3 leerlaufen. Die vom Gesetzgeber gewollte Beseitigung von Umgehungslösungen könnte nicht erreicht werden. Nach Einführung des Satz 3 (heute Satz 4) beschränkt sich der Regelungsgehalt des Satz 2 (heute Satz 3) daher auf die Einführung eines Präparats ohne Vergleichsarzneimittel und ggf. – was hier keiner Entscheidung bedarf – auf nach dem 1. August 2010 eingeführte Vergleichsarzneimittel. Im vorliegenden Fall waren alle in Betracht kommenden Vergleichsarzneimittel am 1. August 2009 bereits eingeführt, so dass weiter auf diesen Stichtag abzustellen ist.

 

cc.

Der bei Markteinführung des A-Pen am 1. Juli 2011 von der Klägerin festgelegte ApU für die Packungsgröße mit 4 Spritzen (PZN …) betrug 1.340 Euro. Der zutreffend ermittelte und vom Beklagten im Schreiben vom 20. Februar 2012 bestätigte Preisstand zum 1. August 2009 (dazu sogleich) beziffert sich nur auf 1.225,50 Euro. Damit liegt eine Preiserhöhung vor.

 

Auch der bei Markteinführung für den A-Pen mit 12 Stück festgelegte ApU hat sich gegenüber dem Preisstand am 1. August 2009 erhöht. Am 1. Juli 2011 lag der ApU für die Packungsgröße mit 12 Spritzen (PZN …) bei 4.020 Euro, der zutreffend ermittelte und vom Beklagten bestätigte Preisstand zum 1. August 2009 beziffert sich nur auf 3.928,00 Euro. Auch insoweit liegt eine Preiserhöhung vor.

 

dd.
Der jeweilige Preisstand wurde nach § 130a Abs. 3a Satz 3 SGB V zutreffend bestimmt.

 

Bei Neueinführung des A-Pen hatte die Klägerin im Sinne von § 130a Abs. 3a Satz 3 SGB V bereits weitere Arzneimittel mit gleichem Wirkstoff und vergleichbarer Darreichungsform in Verkehr gebracht. Die Arzneimittel A-Set, A-LL und A-AV enthalten den identischen Wirkstoff I. Auch die Wirkstärke der jeweils herangezogenen Vergleichsarzneimittel ist identisch. Ihre Darreichungsform (Injektion in den Körper) ist vergleichbar, da sich die Präparate nur im verwendeten Medizinprodukt unterscheiden. Bei dem A-Pen handelt es sich um einen Fertigpen, beim A-LL um Fertigspritzen, bei A-Set um eine Glas-Fertigspritze. Für die Patienten ist die Anwendungsform jedoch gleich. Vorstehendes ergibt sich jeweils aus den nachvollziehbaren und schlüssigen Angaben im Gutachten der Frau Prof. Dr.  T vom 8. Dezember 2017. Auf das Gutachten wird Bezug genommen. Deren Feststellung ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

 

Die Anwendung des § 130a Abs. 3a Satz 3 SGB V auf den A-Pen in der Packung mit 4 Stück scheidet nicht deswegen aus, weil mehr als „ein“ Vergleichsprodukt zum Stichtag in den Markt eingeführt war. Zutreffend führt das Sozialgericht aus, dass die Auslegung der Vorschrift ergibt, dass mit dem Wort „ein“ ein unbestimmter Artikel verwendet wurde und nicht im Sinne von „ein einziges“ zu verstehen ist. Anderenfalls würden ohne sachlichen Grund und entgegen dem gesetzgeberischen Willen Arzneimittel danach differenziert, ob ein oder mehrere Vergleichsarzneimittel in den Verkehr gebracht waren. Mit der Einführung des Satz 3 sollten „alle“ Fälle der Neueinführung eines Arzneimittels mit zuvor in Verkehr gebrachten Vergleichsarzneimitteln erfasst werden. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit auf die Entscheidungsgründe der erstinstanzlichen Entscheidung.

 

Für A-Pen in der Packung mit 12 Stück liegt nur ein einziges Vergleichsarzneimittel vor, A-LL mit einer Packungsgröße von ebenfalls 12 Stück, so dass die Frage der Anwendung des § 130a Abs. 3a Satz 3 SGB V insoweit keiner Diskussion bedarf.

 

Nach der Regelung in § 130a Abs. 3a Satz 3 SGB V ist der Abschlag auf Grundlage des Preises je Mengeneinheit der Packung zu berechnen, die dem neuen Arzneimittel in Bezug auf die Packungsgröße unter Berücksichtigung der Wirkstärke am nächsten kommt. Der Gesetzgeber hat mit dieser Vorgabe die Auswahl des Vergleichsarzneimittels konkretisiert, da Arzneimittel in unterschiedlichen Mengeneinheiten und Wirkstärken auf den Markt gebracht werden können. Vorliegend führt der gesetzlich vorgegebene Filter nicht zu einer Beschränkung der Vergleichsarzneimittel für die Packung des A-Pen mit 4 Stück, da ihm A-Set, A-LL und A-AV in gleicher Weise, d.h. unterschiedslos am nächsten kommen. Auch dies schlussfolgert der Senat aus den nachvollziehbaren und schlüssigen Angaben im Gutachten der Prof. Dr.  T vom 8. Dezember 2017, auf welches Bezug genommen wird, und ist zwischen den Beteiligten ebenso nicht streitig.

 

§ 130a Abs. 3a enthält keine weitere Bestimmung, wie der Abschlag in einem solchen Fall zu bestimmen ist. Nach § 130a Abs. 3 Satz 10 SGB V ist der Beklagte berufen, „das Nähere“ zu regeln. die Dem Auftrag ist der Beklagte mit Erlass des Leitfadens vom 22. Oktober 2010 nachgekommen. Verfahrens- oder Formfehler bei Erlass oder Fortschreibung des Leitfadens in den Jahren 2018 und 2022 sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

 

Die Vorgehensweise bei Zusammentreffen mehrerer Vergleichsarzneimittel ist im Leitfaden unter Ziffer II. 1.d (sowie wortgleich unter Ziffer 7.1 Abs. 2 Leitfaden 2018 und Leitfaden 2022) geregelt:

 

 

Die Durchschnittsbildung gilt gleichermaßen für abgeteilte Darreichungsformen (z.B. Tabletten, Hartkapseln, Suppositorien) wie für nicht abgeteilte Darreichungsformen (z.B. Tropfen, Lösungen, Injektions- und Infusionslösungen), so dass eine Unterscheidung vorliegend nicht erforderlich ist.

 

Der Beklagte hat sich mit seinem Leitfaden diesbezüglich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung gehalten. Bezüglich der materiellen Voraussetzungen der Abschlagspflicht kann der Beklagte lediglich die gesetzlichen Vorgaben nachzeichnen, der für jede Normsetzung kennzeichnende Gestaltungsspielraum des Normgebers kommt ihm bei der Auslegung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale nicht zu (BSG, Urteil vom 30. September 2015 – B 3 KR 1/15 R –, juris Rn. 27).

 

Die vom Beklagten im Leitfaden getroffene Regelung, insbesondere die Vorgabe zur Bildung eines arithmetischen Mittels, betrifft nicht die materiellen Voraussetzungen der Abschlagspflicht, sondern nur die praktische Umsetzung und Handhabung der Abschlagspflicht. Der Beklagte hat – entgegen der Ansicht der Klägerin – nicht das „Ob“ der Abschlagspflicht normiert, sondern lediglich den Rechenweg bei Zusammentreffen von mehreren, nach den gesetzlichen Vorgaben bestimmten Vergleichsarzneimitteln.

 

Die Vorgabe des Beklagten in Ziffer II. 1.d sowie wortgleich unter Ziffer 7.1 Abs. 2 Leitfaden 2018 und Leitfaden 2022 ist ermächtigungskonform und entspricht systematischen Zusammenhängen, wie das Sozialgericht zutreffend ausführt. Der Gesetzgeber regelt auch in anderen Bereichen das Zusammentreffen gleichrangiger Preise, vgl. §§ 129 Abs. 5, 130a Abs. 2 SGB V. Wenn andere Maßstäbe als das arithmetische Mittel angewandt werden sollen, benennt der Gesetzgeber des SGB V zusätzliche Kriterien für die Bildung eines Durchschnitts, z.B. in § 130a Abs. 2 SGB V. § 130a Abs. 3a SGB V stellt hingegen schlicht auf den Preisstand ab, so dass die Berücksichtigung von anderen Faktoren als des Preises vom Gesetzgeber nicht als erforderlich angesehen werden. Die Bildung eines Durchschnitts berücksichtigt alle Vergleichsarzneimittel, mithin den gesamten Preisstand und nicht nur das günstigste Vergleichsarzneimittel. Soweit die Klägerin eine gesetzliche Regelung einer Durchschnittsbildung fordert, verlangt sie eine Detailtiefe, derer es mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz nicht bedarf. Die von der Klägerin alternativ gewünschte Berücksichtigung des Marktanteils der Vergleichsarzneimittel würde der gesetzlichen Intention zuwider laufen. Sie würde langwierige Ermittlungen erfordern und könnte wegen fehlender Offenbarungspflichten der pharmazeutischen Unternehmer eine Gleichbehandlung aller Berechnungsfälle nicht sicherstellen. Die ApU der Vergleichsarzneimittel können hingegen taggenau bestimmt und transparent nachvollzogen werden. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auch insoweit auf die Entscheidungsgründe der erstinstanzlichen Entscheidung.

 

Zutreffend hat der Beklagte daher bei Bestimmung des Herstellerabschlages für A-Pen mit 4 Stück den Preisstand durch Bildung eines arithmetischen Mittels aus den ApU der Arzneimittel A-Set, A-LL und A-AV ermittelt. Insbesondere die Berücksichtigung von A-AV begegnet keinen Bedenken (dazu 4.). Die mathematische Berechnung des arithmetischen Mittels erfolgte zutreffend, was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist.

 

Die von der Klägerin gewünschte Anknüpfung nur an das teuerste Vergleichsarzneimittel A-Set entspricht nicht den Regelungsvorgaben sowie nicht Sinn und Zweck des § 130a Abs. 3a SGB V und dient in willkürlicher Weise allein den wirtschaftlichen Interessen der Klägerin. Die unternehmerische Freiheit der Klägerin wird jedoch nicht verletzt. Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, wird ihre unternehmerische Entscheidung, verschiedene Arzneimittel mit identischen Wirkstoffen, identischen Wirkstärken und vergleichbaren Darreichungsformen zu unterschiedlichen Preisen anzubieten, in ihrer Gesamtheit berücksichtigt und hieraus der Preisstand zum Stichtag abgeleitet, ohne eines oder einzelne der Produkte herauszugreifen oder zu bevorzugen.

 

Wie das Sozialgericht sieht auch der Senat bei Abwägung der Interessen der Klägerin und der gesetzlichen Krankenversicherung in der Bildung eines Durchschnitts keine Benachteiligung der pharmazeutischen Unternehmer, was sich auch am Konsens zwischen den maßgeblichen Verbänden und dem Beklagten zu dieser Regelung im Leitfaden sowie den Folgeregelungen 2018 und 2022 zeigt, welche die identische Regelung zur Durchschnittsbildung jeweils fortgeschrieben haben.

 

d.
Es begegnet keinen Bedenken, dass der Gesetzgeber mit dem 2017 eingeführten § 130a Abs. 3a Satz 2 SGB V den Abschlag nach § 130a Abs. 3a Satz 1 SGB V dynamisiert hat, ohne ausdrücklich die Regelung in Satz 4 einzubeziehen. Dies ist nicht erforderlich. Denn auch in den Fällen der Neueinführung von Arzneimitteln, zu denen zum Stichtag Vergleichsarzneimittel vom pharmazeutischen Unternehmer in den Verkehr gebracht waren, ändert sich der Preisstand entsprechend der Dynamisierung nach Satz 2.

 

e.
Schließlich greift die Ausnahmeregelung des § 130a Abs. 3a Satz 1 Halbsatz 2 SGB V nicht. Für den A-Pen wurde kein Festbetrag festgesetzt. Bei dem A-Pen handelt es sich zudem nicht um die Neueinführung eines Immunglobulins menschlicher Herkunft (vgl. § 130a Abs. 3a Satz 4 2. Halbsatz SGB V in der seit 29. Dezember 2022 geltenden Fassung).

 

4.
Auch der erste Hilfsantrag der Klägerin ist unbegründet. Sie hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, dass der Durchschnittspreis ohne Berücksichtigung von A-AV zu bilden ist. Bei der Ermittlung des Herstellerrabattes für den A-Pen ist das Arzneimittel A-AV einzubeziehen.

 

Zutreffend und ermächtigungskonform bestimmt der Leitfaden als Voraussetzung für die Einbeziehung als Vergleichsarzneimittel den Status als verkehrsfähig unter Einschluss der zum Vergleichsdatum verkehrsfähigen AV-Produkte (Ziffer 2 Leitfaden, Ziffer 5.2 Leitfaden 2018 und 2022). A-AV war zum Stichtag am 1. August 2009 verkehrsfähig und mit einem ApU gelistet. Die Meldung an die IFA-GmbH war richtig, ebenso die Listung in der Lauer-Taxe, so dass es keiner Diskussion um einen Berichtigungsanspruch bedarf. Die sich für die Klägerin ergebenden wirtschaftlichen Folgen sind eine zulässige und verfassungsgemäße Folge der gesetzgeberisch vorgesehenen Stichtagsregelung. Es kommt nicht darauf an, ob und in welchem Umfang A-AV noch oder nicht mehr vertrieben wurde. Nicht entscheidungserheblich war auch, ob die Klägerin für den A-Pen den Status als nicht verkehrsfähig mit „NV“ oder als zurückgezogen mit „ZG“ hätte melden können. Maßgebend war allein, dass der A-Pen zum Stichtag noch verkehrsfähig gelistet war.

 

Der vorliegende Rechtsstreit, mit welchem die Klägerin nachvollziehbar die Berücksichtigung vom Einzelfallumständen fordert, zeigt anschaulich, wie wichtig und notwendig die Ermittlung des Abschlages nach § 130a Abs. 3a SGB V ausschließlich anhand der Meldungen der pharmazeutischen Unternehmer und der Veröffentlichung in der Lauer-Taxe für eine zügige und transparente, aber auch gleichbehandelnde Berechnung ist. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit auch auf die Entscheidungsgründe der erstinstanzlichen Entscheidung unter II.

 

5.
Der zulässigerweise, weil sachdienlich im Wege der Klageänderung im Verhandlungstermin gestellte zweite Hilfsantrag der Klägerin ist ebenfalls unbegründet. Sie hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass ein Durchschnitt unter Berücksichtigung des Preises des A-Pen bei Markteinführung zu bilden war.

 

Wie dargelegt, ist für die Beurteilung einer Preiserhöhung nach den gesetzlichen Vorgaben der Abgabepreis des A-Pen bei Neueinführung mit dem Preisstand am 1. August 2009 abzugleichen. Bei der danach vorzunehmenden Subtraktion bildet der neue ApU bei Markteinführung den Minuenden, der Preisstand zum Stichtag den Subtrahenden (ggf. mittels Durchschnittsbildung zu bestimmen; d.h. Preiserhöhung = ApU bei Markteinführung minus Preisstand zum Stichtag). Denklogisch können den Preisstand zum Stichtag nur Arzneimittel abbilden, die zu diesem Zeitpunkt bereits verkehrsfähig am Markt verfügbar waren. Das schließt es aus, bei Ermittlung des Preisstandes einen Durchschnitt unter Einbeziehung des neu auf den Markt gebrachten Arzneimittels zu bilden. Zudem hätte es der pharmazeutische Unternehmer bei einem solchen Vorgehen in der Hand, durch Einführung mehrerer teurer Arzneimittel den Preisstand nachträglich zu beeinflussen.

 

6.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Abschlagspflicht bestehen nicht. Die Festlegung eines zwangsweise zu gewährenden Preisabschlags zugunsten der gesetzlichen Krankenkassen greift zwar in die Berufsfreiheit der betroffenen pharmazeutischen Unternehmen ein, ist jedoch durch einen vernünftigen Grund des Gemeinwohls gerechtfertigt (Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 15. Mai 2007 – 1 BvR 866/07 –, juris) Der Abschlag dient dem Ziel der Sicherung der finanziellen Stabilität der GKV und ist für die betroffenen Unternehmen – hier für die Klägerin – nicht unzumutbar (zum Generikaabschlag auch BSG, Urteil vom 30. September 2015 – B 3 KR 1/15 R –, juris Rn. 42). Ebenso liegt keine unzulässige Ungleichbehandlung der Klägerin vor. Bei der Prüfung, ob für eine Ungleichbehandlung auf dem Gebiet des Sozialrechts rechtfertigende Gründe von hinreichendem Gewicht vorliegen, ist der besonders weite Gestaltungsspielraum zu berücksichtigen, der dem Gesetzgeber auf diesem Gebiet zusteht (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15. Mai 2007 – 1 BvR 866/07 –, juris). Insbesondere die Festlegung des Stichtags für die Ermittlung des Preisstandes ist durch diesen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt. Die Vorschrift des Satz 3 (heute Satz 4) bezweckt eine weitgehende Gleichstellung der Unternehmen, um Umgehungsmöglichkeiten auszuschließen.

 

7.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. Verwaltungsgerichtsordnung und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens.

 

8.
Die Revision wird zugelassen, weil die Frage der Durchschnittsbildung zur Bestimmung des Preisstandes nach § 130a Abs. 3a SGG grundsätzliche Bedeutung hat, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.

 

9.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache für die Klägerin, §§ 197a Abs. 1 SGG, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz.

 

 

 

 

 

Rechtskraft
Aus
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