L 1 U 1005/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1.
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 1983/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 1005/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 17. März 2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Kosten des auf Antrag des Klägers erhobenen Gutachtens von M1 vom 26. Januar 2023 werden nicht auf die Staatskasse übernommen.


Tatbestand


Der Kläger begehrt von der Beklagten die dauerhafte Versorgung mit Krankengymnastik (KG), Lymphdrainage (LD) und medizinischer Fußpflege.

Er ist im Jahre 1975 geboren und wohnt im Inland. Er war in einer Beschäftigung als Druckinstrukteur bei einer Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagte) gesetzlich unfallversichert. Am 12. Dezember 2005 knickte er während der Arbeit beim Absteigen vom Fußtritt einer Druckmaschine mit dem Fuß um. Der R1 diagnostizierte in seinem H-Arzt-Bericht vom Unfalltag eine Distorsion des rechten Sprunggelenks. Später ergab sich außerdem eine Ruptur des vorderen Anteils des Außenbandapparats (Stellungnahme S1 vom 5. Dezember 2007).

Mit Bescheid vom 14. Dezember 2007 erkannte die Beklagte das Ereignis als Arbeitsunfall an und stellte als Unfallfolgen einen Riss des vorderen Anteils des Außenbandapparates mit Druckschmerz und Schwellneigung am rechten Sprunggelenk fest. Sie führte aus, es habe „über den 7. Dezember 2006 hinaus Behandlungsbedürftigkeit“ bestanden.

Die Gewährung einer Rente lehnte die Beklagte mehrfach ab, zuletzt mit Bescheid vom 12. Januar 2012 auf Grund des Gutachtens der K1 und S3 vom 29. November 2011. Dabei fasste sie die Unfallfolgen neu als „Aufhebung der Hebefähigkeit im oberen Sprunggelenk nach verheilter Außenbandzerreißung, beginnende arthrotische Veränderungen im Sprunggelenk und Schwellneigung im Bereich des Sprunggelenks“.

Über längere Zeiträume seit dem Unfall versorgte die Beklagte den Kläger regelmäßig mit KG und LD. Dem lagen nach Aktenlage Verordnungen (Dauerverordnungen) des K2 über jeweils 25 Einheiten zu Grunde. Nachdem dieser Arzt Ende 2016 nicht mehr als H-Arzt tätig war, stellte sich der Kläger bei den K3 und V1 vor. Diese teilten in dem Bericht vom 7. März 2016 mit, es beständen eine leichte Schwellung über der ventromedialen Kapsel des rechten oberen Sprunggelenks und eine vermehrte Beschwielung der Sohlen-/Fersenregion im Seitenvergleich, jedoch keine wesentliche Bewegungseinschränkung, kein Druckschmerz und keine Beeinträchtigungen der DMS (Durchblutung/Motorik/Sensibilität). Hierzu führte W1 ein Jahr später, am 21. März 2017, aus, auf Grund der Befunde seien die Verordnungen über LD und KG schwer nachzuvollziehen, daher solle der behandelnde Arzt bei der nächsten Verordnung einen ausführlichen Bericht erteilen. Die dann eingeholten Auskünfte von K3 (Dezember 2017) und K2 (11. September 2018) enthielten jedoch keine konkreten Indikationen. Die Beklagte bestellte den Kläger daraufhin zu einer Heilverfahrenskontrolle bei K3 ein. Dieser teilte unter dem 24./25. September 2019 mit, es beständen ein leicht humpelndes Gangbild und eine vermehrte Verhornung der rechten Ferse. Die Extension sei leicht eingeschränkt (Streckung/Beugung 20/0/30°). Im Seitenvergleich liege keine wesentliche Schwellung vor. Von der KG profitiere der Kläger subjektiv. LD sei nicht erforderlich oder zielführend. Nachdem der Kläger diesen Bericht erhalten hatte, beantragte er (vgl. E-Mail vom 18. Dezember 2019) die Weitergewährung der KG und der LD im bisherigen Umfang und zusätzlich die Versorgung mit „Fußpflege oder sonstigen Maßnahmen“ wegen der Verhornung.

Mit Bescheid vom 13. Februar 2020 entschied die Beklagte, die Kosten für eine regelmäßige LD nicht mehr zu übernehmen. Über die Verordnung konkreter einzelner Maßnahmen der KG habe streng befundabhängig ein Durchgangsarzt zu entscheiden. Die Verhornung, für die der Kläger Fußpflege beantragt habe, beruhe nicht auf Unfallfolgen.

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 8. Juli 2020 zurück.

Am 7. August 2020 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Mannheim erhoben. Er hat ausgeführt, die unfallunabhängigen Schäden, insbesondere der Hohl-/Senk-/Spreizfuß, hätten vor dem Unfall keine Beschwerden verursacht. Die Schwellung trete erst bei längerer Belastung oder längerem Stehen und nicht bloß bei einmaliger Begutachtung auf. Für die Erforderlichkeit der Fußpflege spreche, dass die Verhornung am rechten Fuß viel stärker ausgeprägt sei als links.

Die behandelnden Ärzte des Klägers, S2, W2 und D1, haben als sachverständige Zeugen keine wesentlichen Angaben zum rechten Fuß gemacht.

Von Amts wegen hat das SG den C1 zum Sachverständigen ernannt. Er hat in seinem Gutachten vom 21. Juni 2021 nebst ergänzender Stellungnahme vom 10. November 2021 ausgeführt, bei dem Kläger beständen eine O-Stellung des Rückfußes, ein im Seitenvergleich gering überhöhtes Fußlängsgewölbe, eine angedeutete X‑Stellung des Großzehenendgliedes, eine Krallenzehenstellung D2, eine verstärkte Verhornung und Beschwielung im Rückfußbereich sowie eine Einschränkung der Fußhebung. Nur die Bewegungseinschränkung beruhe auf dem Unfall, die übrigen Veränderungen nicht. Eine Schwellung habe bei der Untersuchung nicht vorgelegen, auch habe der Kläger keine Kompressionsstrümpfe getragen. Nach Aktenlage habe zuletzt K3 im März 2016 eine leichte Schwellung festgestellt. Es sei daher zwar eine „wiederkehrende Schwellneigung“ nicht ausgeschlossen, jedoch sei deswegen keine regelmäßige LD vonnöten. Auch KG wegen der Bewegungseinschränkung sei nicht indiziert. Die bei dem Kläger eingeschränkte Fußhebung werde bei jedem Schritt während des Gehens provoziert; dies sei als effektive Eigentherapie zu werten. Eine Fußpflege betreffe die Verhornung, die aber keine Unfallfolge sei.

Mit angekündigtem Gerichtsbescheid vom 17. März 2022 hat das SG die Klage abgewiesen. Sofern der Kläger Ansprüche auf Kostenerstattung für selbst beschaffte Behandlungen geltend mache, scheitere dies schon daran, dass keine Belege über selbst beschaffte Leistungen und die Aufwendungen dafür vorlägen. Auch auf weitere Behandlungen bestehe kein Anspruch. Eine KG auf Grund einer Dauerverordnung sei nicht wegen der auf den Unfall zurückzuführenden Einschränkung der Extension notwendig. LD sei nicht indiziert, weil keine dauerhafte Schwellneigung verzeichnet sei. Die Verhornung, für die der Kläger Fußpflege begehre, sei keine Unfallfolge. Zur Begründung hat das SG auf das Gutachten von C1, die Befundberichte von K3 und die beratungsärztlichen Stellungnahmen von W1 verwiesen.

Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger am 5. April 2022 Berufung erhoben. Er hat einen Überweisungsschein von K3 vom 16. Mai 2022 zur Durchführung eines MRT mit der Diagnose „Z.n. [Zustand nach] Sprunggelenksdistorsion rechts“ und Behandlungsberichte der A1 vom 5. Juli 2021 und M. vom 8. Juli 2022 vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 17. März 2022 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 13. Februar 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juli 2020 zu verurteilen, die Kosten für eine regelmäßige Krankengymnastik, eine regelmäßige Lymphdrainage und eine regelmäßige medizinische Fußpflege zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Berichterstatter des Senats hat den Kläger persönlich angehört und Hinweise zu den formalen Voraussetzungen eines etwaigen Anspruchs auf Kostenerstattung gegeben. Auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 21. Juli 2022 wird Bezug genommen.

Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat der Senat bei dem M1 das Gutachten vom 26. Januar 2023 erhoben.

Dieser Sachverständige hat mehrere Gesundheitsschäden an der Wirbelsäule, dem Becken und der Hüfte ebenso wie am rechten Fuß festgestellt. Auf den Unfall zurückzuführen seien davon das anteriore Impingement-Syndrom des oberen Sprunggelenks rechts mit biomechanischer Funktionsstörung, die chronische Instabilität des rechten Sprunggelenks bei Z.n. Grad-II-Außenband-Läsion und die beginnende posttraumatische OSG-Arthrose rechts mit biomechanischer Funktionsstörung. Bei der Fußfehlstellung rechtsseitig mit gestörtem Gangbild und daraus folgender Beschwielung/Verhornung im dorsalen und plantaren Fersenbereich mit lokal veränderter Hauttrophik sei zwischen unfallabhängigen und unfallunabhängigen Faktoren zu unterscheiden. Diese Fehlstellung sei nicht „ausschließlich“ den Unfallfolgen, sondern auch den Schäden an der Wirbelsäule, dem Becken und der Hüfte zuzuordnen. Die übrigen Veränderungen, vor allem an der Wirbelsäule, seien nicht unfallbedingt.

Zur Frage der Therapien hat M1 ausgeführt, eine LD sei aktuell nicht notwendig, da seit Jahren keine Schwellung festgestellt worden sei. Im Bereich der KG seien verschiedene Maßnahmen (klassische Massage, Thermotherapie, Hydro- und Balneotherapie, Elektrotherapie, Ultraschall, Phototherapie) denkbar, während die bislang durchgeführte manuelle Therapie offenkundig keinen Erfolg gehabt habe. Jedoch müsse hierfür, auch wegen der in der Vergangenheit nicht ausreichenden therapiebegründenden ärztliche Berichterstattung, eine befundabhängige und indikationsbezogene Verordnung erfolgen. Das gestörte Gangbild des Klägers, das die signifikanten Verhornungen an der rechten Ferse verursache, sei nicht mit Wahrscheinlichkeit „ausschließlich“ den Unfallfolgen am Fuß, sondern auch den Schäden an der Wirbelsäule, dem Becken und der Hüfte zuzuordnen. Insoweit habe die bisherige eigenständige Behandlung durch den Kläger keinen ausreichenden therapeutischen Effekt gezeigt. Daher sei eine medizinische Fußpflege mit einer zeitlich befristeten Anzahl von Therapiesitzungen zur Verbesserung des Lokalbefundes und zur Prävention einer erneuten vermehrten Hyperkeratose indiziert.

Wegen der Ausführungen der Beteiligten im Übrigen und der Ergebnisse der Beweisaufnahmen im Einzelnen wird auf die Akten, insbesondere die Berichte der behandelnden Ärzte, die Ausführungen in den beratungsärztlichen Stellungnahmen und die beiden Gutachten verwiesen.



Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist nach § 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 SGG statthaft. Insbesondere war sie nicht zulassungsbedürftig. Da der Kläger seine Ansprüche weder beschränkt noch zeitlich befristet hat, ist davon auszugehen, dass der Streitwert mehr als € 750,00 beträgt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) und Zeiträume von mehr als einem Jahr in Streit sind (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Auch im Übrigen ist die Berufung zulässig (§ 151 Abs. 1 SGG). Sie ist aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Dabei geht der Senat davon aus, dass der Kläger lediglich Sachleistungsansprüche für die Zukunft geltend macht, aber nicht die Erstattung von Aufwendungen für selbstbeschaffte Leistungen in der Vergangenheit verlangt. Ansprüche auf Heilbehandlung im Unfallversicherungsrecht sind grundsätzlich nur auf Sachleistungen gerichtet (§ 26 Abs. 4 Satz 2 SGB VII; vgl. BSG, Urteil vom 24. Februar 2000 - B 2 U 12/99 R -, Rn. 16, juris). Zwar sind die Anträge des Klägers in dieser Hinsicht undeutlich, denn wörtlich begehrt er eine „Kostenübernahme“. Außerdem erscheint es wegen der beiden vorgelegen Berichte seiner Physiotherapeutinnen möglich, dass er seit der Einstellung der Leistungen durch die Beklagte 2017 weiterhin KG oder LD in Anspruch genommen hat. Jedoch setzt ein Anspruch auf Kostenerstattung für selbstbeschaffte Leistungen (im Unfallversicherungsrecht analog § 13 Abs. 3 SGB V, vgl. BSG a.a.O., Rn. 17, juris) voraus, dass die Behandlungen konkret vorgetragen und die Kosten beziffert und auch belegt werden. Hierauf hatte schon das SG in dem angefochtenen Gerichtsbescheid hingewiesen. Aber weder darauf noch auf die erneuten Hinweise des Senats im Berufungsverfahren hat der Kläger vorgetragen (ggfs. hat auch seine Krankenkasse diese Maßnahmen geleistet).

Ferner begeht der Kläger eine „dauerhafte“ Versorgung mit LD, KG und Fußpflege. Dies hat er mit seinen Anträgen im Berufungsverfahren, die Beklagte zu „regelmäßigen“ Leistungen zu verurteilen, nochmals deutlich gemacht. Er meint damit offenkundig eine Versorgung über längere Zeiträume oder mit einer größeren Anzahl an Therapiesitzungen als üblich, möglicherweise mit jeweils 25 Sitzungen, wie ihm bis 2016 K2 verordnet hatte. Dieser Antrag entspricht auch den Ausführungen der Beklagten sowohl in dem angegriffenen Bescheid vom 13. Februar 2020 als auch später während des Klage- und Berufungsverfahrens: Zumindest im Hinblick auf LD und KG hat die Beklagte nur eine Dauerversorgung abgelehnt. Sie ist aber weiterhin bereit, bei Vorliegen befundorientierter einzelner Verordnungen im Rahmen der Vorgaben der Heilmittelrichtlinie (
HeilM-RL) zu leisten. Nur eine medizinische Fußpflege hat sie dem Grunde nach abgelehnt, weil sie meint, die Verhornungen an der rechten Ferse seien keine Unfallfolgen.

Vor diesem Hintergrund sind die Anträge des Klägers sinnvollerweise als Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) auszulegen, und zwar gerichtet auf eine Neubescheidung (§ 131 Abs. 3 SGG). Der Kläger begehrt zwar bestimmte Leistungen der Heilbehandlung (LD, KG, Fußpflege), macht jedoch keine konkreten Angaben dazu, wie viele Behandlungen in welchen Zeiträumen die Beklagte jeweils leisten soll. Daher scheidet eine Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) auf bestimmte Maßnahmen aus. Auch eine Leistungsklage, gerichtet auf ein Urteil dem Grunde nach, ist nicht anzunehmen: Nach § 130 Abs. 1 SGG können Grundurteile nur über gebundene Ansprüche auf Geldleistungen ergehen, während Maßnahmen der Heilbehandlung im Unfallversicherungsrecht, wie ausgeführt, Sachleistungen sind und außerdem nach § 26 Abs. 5 SGB VII im Ermessen des Leistungsträgers stehen (BSG, Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 35/03 -, Rn. 12, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. März 2016 - L 6 U 4796/13 -, Rn. 30, juris). Wegen dieses Ermessens scheidet auch eine Verpflichtungsklage auf Bewilligung bestimmter Leistungen (§ 131 Abs. 2 Satz 1 SGG) aus, denn die Sache ist nicht spruchreif, nachdem der Kläger seine Anträge nicht präzisiert hat.

Mit diesem Inhalt ist die Klage des Klägers zulässig. Seine Klagebefugnis folgt aus § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG. Die Beklagte hat auch in den angefochtenen Bescheiden über die drei geltend gemachten Maßnahmen der Heilbehandlung entschieden, das nach § 78 Abs. 1 SGG notwendige Vorverfahren ist durchgeführt worden.

Die Klage ist aber nicht begründet. Der Bescheid vom 13. Februar 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juli 2020 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Neubescheidung seiner Anträge auf Gewährung „regelmäßiger“, also dauerhafter LD, KG und Fußpflege. Die Beklagte hat diese Anträge zu Recht abgelehnt.

Auch Ansprüche auf Heilbehandlung, hier auf Versorgung mit einem Heilmittel (§ 27 Abs. 1 Nr. 4, § 30 SGB VII) bestehen gegen einen Träger der Unfallversicherung nur in Bezug auf die gesundheitlichen Folgen eines Versicherungsfalls, hier eines Arbeitsunfalls (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 4. Mai 2017 - L 6 U 207/17 -, Rn. 42, juris). Gleichwohl kann der Senat bei seiner Entscheidung die Frage offenlassen, ob die drei geltend gemachten Funktionsstörungen, deren Behandlung der Kläger begehrt (Schwellungen, Bewegungseinschränkungen des oSG, Verhornungen) Folgen des Arbeitsunfalls vom 12. Dezember 2005 sind oder nicht. Den Anträgen des Klägers, so wie sie gestellt sind, stehen bereits rechtliche Gründe entgegen. Es ist daher nicht zu entscheiden, ob die Bewegungseinschränkung und die „Schwellneigung“ zu Recht als Unfallfolgen festgestellt worden sind (allerdings besteht z.Z. insoweit die Bindung nach § 77 SGG) und ob das unsaubere Gangbild, das zu den Verhornungen an der rechten Ferse geführt hat, ausschließlich auf den unfallunabhängigen Gesundheitsschäden beruht (wie C1 meint) oder auch die Unfallfolgen am oSG einen - ggfs. wesentlichen - Ursachenbeitrag geleistet haben (was der Ansicht von M1 entsprechen dürfte).

Auch im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung setzt die Erbringung von Heilmitteln nach § 27 Abs. 1 Nr. 4 SGB VII ausdrücklich eine entsprechende ärztliche Verordnung voraus, die - grundsätzlich - nur der Durchgangsarzt erteilen kann, andere Ärzte können dies unter weiteren Voraussetzungen mit vorheriger Zustimmung des Unfallversicherungsträgers (vgl. zu den Einzelheiten Stähler in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 3. Aufl., § 30 SGB VII, Stand: 15. Januar 2022, Rn. 12). Eine solche Verordnung unterliegt der nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und Abs. 6 SGB V vom Gemeinsamen Bundesausschuss erlassenen Heilmittel-Richtlinie (HeilM-RL). Dies gilt gerade auch im Unfallversicherungsrecht (vgl. Köhler in: Hauck/Noftz, SGB VII, § 30 Heilmittel, Rn. 9). Die Vorschriften der HeilM-RL sehen neben der genannten besonderen, befundorientierten konkreten Verordnung nach einer Untersuchung des Versicherten durch den Arzt (§ 3 Abs. 3, § 6a HeilM-RL) eine für die gesamte Behandlung prognostisch zu bestimmende orientierende Behandlungsmenge (§ 7 Abs. 2 bis 4 HeilM-RL) sowie Höchstmengen je Verordnung (§ 7 Abs. 5 HeilM-RL) vor. Das sind z.B. für die manuelle Lymphdrainage bei leichtgradigen Schwellungen an einem Körperteil je Verordnung 6 Behandlungen zu je 30 Minuten, vgl. § 18 Abs. 2 Nr. 7 i.V.m. Teil II Abschnitt I Nr. 3 Diagnosegruppe LY
HeilM-RL). Selbst bei einem längerfristigen Bedarf an Heilmitten können zwar die einzelnen Höchstmengen überschritten werden, aber auch in diesem Fall darf die Verordnung nur die für höchstens 12 Wochen voraussichtlich notwendigen Behandlungseinheiten umfassen (§ 7 Abs. 6 HeilM-RL).

Schon aus diesen Gründen durfte es die Beklagte ablehnen, dem Kläger - wie früher - jeweils 25 Einheiten KG und LD für jeweils ein Jahr zu bewilligen. Seit 2017 fehlt es an entsprechenden Verordnungen eines dafür zuständigen Arztes. Ferner verstieße eine Dauerverordnung in dem Umfang, wie sie möglicherweise K2 erteilt hatte, gegen die Vorgaben der
HeilM-RL.

Ferner durfte die Beklagte im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung nach § 26 Abs. 5 SGB VII eine dauerhafte Versorgung des Klägers mit diesen beiden Heilmitteln aus inhaltlichen Gründen ablehnen.

Dabei steht einem Anspruch auf LD zurzeit bereits entgegen, dass kein behandlungsbedürftiger Zustand besteht. Weder C1 noch M1 haben bei ihren Begutachtungen akute Schwellungen feststellen können. Die letzten aktenkundigen Schwellungen des Klägers lagen nach ihren Feststellungen Jahre zurück. Gegen akute Schwellungen spricht auch, worauf insbesondere C1 hingewiesen hat, dass der Kläger keinen Kompressionsstrumpf trägt. Gestützt wird diese Einschätzung durch die Ergebnisse der Heilverfahrenskontrolle bei K3 (Bericht vom 25. September 2019).

Ähnliches gilt im Ergebnis für weitere Maßnahmen der KG. Insoweit besteht zwar ein pathologischer Zustand, weil die Hebung des oberen Sprunggelenks des Klägers weiterhin eingeschränkt ist. Es erscheint jedoch überzeugend, wenn C1 dar­auf hingewiesen hat, dass die Fußhebung bei jedem Schritt während des Gangablaufes provoziert wird und daher Gehen als effektive Eigentherapie zu werten ist. Dies führt dazu, dass aus Gründen der Erforderlichkeit bzw. Wirtschaftlichkeit nicht zusätzlich Heilmittel zu diesem Zweck zu erbringen sind (§ 26 Abs. 1 SGB VII). Auch das Gutachten von M1 hat nichts wesentlich Anderes ergeben. Er hat zwar mehrere - andere - Maßnahmen der physikalischen Therapie für möglicherweise sinnvoll gehalten, aber auch darauf hingewiesen, dass die bislang durchgeführten manuellen Maßnahmen keine weitergehenden Erfolge erreicht haben. Deshalb ist auch aus seiner Sicht eine streng befundabhängige konkrete Verordnung spezifischer Maßnahmen nötig, aber keine Dauerverordnung der bisherigen KG.

Aus den gleichen Erwägungen scheitert auch der Anspruch des Klägers auf dauerhafte Versorgung mit medizinischer Fußpflege. Es fehlt an entsprechenden Verordnungen. Ferner erscheint es zweifelhaft, ob eine medizinische Fußpflege angesichts des Erkrankungsbildes des Klägers überhaupt verordnungsfähig wäre: Nach § 27 Abs. 1 Nr. 2
HeilM-RL müssten insoweit „dem diabetischen Fußsyndrom vergleichbare Schädigungen der Haut und der Zehennägel bei nachweisbaren Gefühlsstörungen der Füße mit oder ohne Durchblutungsstörungen“ vorliegen, z.B. wegen einer sensiblen oder sensomotorischen Neuropathie. Und selbst wenn das Erkrankungsbild des Klägers unter diese Anforderung fällt, so kommt als konkrete podologische Maßnahme zwar eine Hornhautabtragung wegen Hypokeratose in Betracht, jedoch beträgt die Höchstmenge je Verordnung auch hier 6 Behandlungen in einer (empfohlenen) Frequenz von 4 bis 6 Wochen (Anhang II Nr. 1 Diagnosegruppe NF [S. 74] HeilM-RL).

Mit seinem Begehren auf Versorgung mit medizinischer Fußpflege kann der Kläger auch nicht deshalb obsiegen, weil die Beklagte diesen Antrag generell mit der Begründung abgelehnt hat, die Verhornungen an der Ferse seien keine Unfallfolge. Zum einen führt diese Erwägung, auch wenn der angefochtene Bescheid bestandskräftig werden sollte, nicht zu einer bindenden Feststellung, dass keine Unfallfolge vorliegt. Abgelehnt wurde lediglich eine Dauerversorgung. Die Ausführungen der Beklagten zum Ursachenzusammenhang sind lediglich ein Begründungselement. Zum anderen liegt kein Ermessensfehler darin, dass die Beklagte den Antrag mit dieser Begründung abgelehnt hat, nämlich schon die Voraussetzungen eines Anspruchs dem Grunde nach verneint hat. Zwar mögen die Vorgaben der HeilM-RL, soweit sie Art und Umfang der Maßnahme der Heilbehandlung (vgl. § 26 Abs. 5 SGB VII) regeln, ermessensausfüllenden Charakter haben. Das Erfordernis einer - befundorientierten - Verordnung an sich ist jedoch eine Tatbestandsvoraussetzung eines Anspruchs auf ein Heilmittel (§ 30 Satz 1 SGB VII). Da diese Voraussetzung hier nicht erfüllt war, bestand für die Beklagte insoweit gar kein Ermessensspielraum, selbst wenn die Verhornungen behandlungsbedürftig sein sollten und die begehrte Maßnahme geeignet und erforderlich ist, sie zu beseitigen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Der Senat entscheidet von Amts wegen ferner über die Übernahme der Kosten des Wahlgutachtens von M1 auf die Staatskasse (§ 109 Abs. 1 SGG). Diese Übernahme ist abzulehnen. Wie ausgeführt, hat dieses Gutachten den Rechtsstreit nicht wesentlich gefördert, insbesondere nicht zu einem Erfolg für den Kläger geführt und auch keine weiteren Beweiserhebungen notwendig gemacht.

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.


 

Rechtskraft
Aus
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