1. Bei der Bewerberauswahl im Nachbesetzungsverfahren kann das praktizierte Richtlinienverfahren bei Psychotherapeuten ein zulässiger Aspekt sein.
2. Die Sicherstellung der Versorgung begründet einen Anordnungsgrund, wenn sonstige Interessen der Beteiligten nicht entgegenstehen.
Die sofortige Vollziehung des Beschlusses des Zulassungsausschusses vom 21. September 2023 (Bescheid vom 27.09.), Az.: XX1/2023, wird bis zur Entscheidung über den Widerspruch des Beigeladenen zu 8) angeordnet.
Der Antragsgegner sowie der Beigeladene zu 8) tragen die Gerichtskosten sowie die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin jeweils zur Hälfte.
Der Streitwert wird auf 5.000€ festgesetzt.
Gründe
I.
Gegenstand des Verfahrens ist ein Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Beschlusses des Zulassungsausschusses/Psychotherapie für eine vertragspsychotherapeutische Nachfolgezulassung, die vom Beigeladenen zu 8) im Wege des Drittwiderspruchs angegriffen wird.
Der Zulassungsausschuss hatte im vorliegenden Fall über die Wiederbesetzung des gem. § 103 Abs.4 SGB V ausgeschriebenen Vertragspsychotherapeutensitzes der Kinder- und Jugendlichen- Psychotherapeutin Dipl.-Päd. E. (Richtlinienverfahren tiefenpsychologisch-fundierte Psychotherapie), A-Stadt, D-Straße, zu entscheiden.
Um den Vertragsarztsitz haben sich neben der Antragstellerin der Beigeladene zu 8) zur Erhöhung des Arbeitszeitrahmens des bei ihm angestellten Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten, Dipl.- Theaterpädagoge (FH) M. und Herr K. beworben.
Folgende konkrete Anträge wurden hierbei gestellt:
Mit Schreiben vom 7. Juni 2023 beantragte der Beigeladene zu 8) die Erhöhung des Arbeitszeitrahmens des bei ihm angestellten Kinder- und Jugendlichen- Psychotherapeuten M. von Anrechnungsfaktor 0,5 auf Anrechnungsfaktor 1,0 zum 3. August 2023. Die Änderung des Arbeitsvertrages lag dem Zulassungsausschuss vor und wurde nicht beanstandet. Danach sollte der Psychotherapeut nunmehr mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden tätig werden, was einem Anrechnungsfaktor von 1,0 entsprach.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Zulassungsausschuss am 21. September 2023 trug der Beigeladene zu 8) ergänzend vor, dass man hier das Problem habe, dass die Wunschnachfolgerin bevorzugt werden solle und andere Bewerber bewusst ausgeschaltet werden sollten. Er habe sich beworben und Kontakt aufgenommen. Die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin Frau RAin Dr. B. habe z.B. eine Verschwiegenheitserklärung versenden wollen, die sie aber tatsächlich nie versendet habe und eine Woche vor der Sitzung gemeint habe, es sei zu spät. Man komme gar nicht in die Verhandlungen rein, das sei das Problem. Er sei auch bereit, die Praxis zu übernehmen, würde die Räume gerne anschauen, wenn es darauf ankäme, diese auch ungesehen übernehmen.
Die Antragstellerin beantragte mit am 26. Juni 2023 eingegangenen Schreiben die hälftige Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit zum 1. Oktober 2023 in A-Stadt, D-Straße.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Zulassungsausschuss erklärte sie, dass sie schon lange zusammen in der jüdisch- psychotherapeutischen Beratungsstelle arbeiten würde. Diese sei einmalig im Rhein-Main-Gebiet. Sie habe einen speziellen Zugang zu dieser Patientengruppe. Es habe schon eine Übernahme von Patienten gegeben, z.B. habe es Kurzzeittherapien gegeben und sie habe die Langzeittherapie fortgesetzt. Frau E. sei die Vermieterin der Räumlichkeiten und habe ihr zugesagt, dass sie diese im Falle der Übernahme mieten könne.
Herr K. beantragte mit Schreiben vom 8. August 2023 die hälftige Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit zum 1. Oktober 2023 in A-Stadt, D-Straße.
Die Praxisabgeberin, Frau E. erklärte, dass sie mit der Antragstellerin seit sechs Jahren zusammenarbeite und gewartet habe, bis diese fertig sei. Sie hätten ein vertrauensvolles Verhältnis. Die Antragstellerin würde in ihren Räumen weiterarbeiten. Zuletzt sei sie Ausbildungsassistentin bei ihr gewesen.
Frau RAin Dr. B. erklärte, dass sie versucht hätte, mit allen Bewerbern zu sprechen. Der Beigeladene zu 8) habe sich erst eine Woche vor dem Termin des Zulassungsausschusses gemeldet. Herr K. würde die Praxis nicht fortführen, sondern den Versorgungsauftrag für sich verwenden und verlegen.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Zulassungsausschuss beantragte die Antragstellerin die Anordnung des Sofortvollzugs.
Mit Beschluss vom 21. September 2023 entschied der Zulassungsausschuss/Psychotherapie zugunsten der Antragstellerin und lehnte die Anträge der beiden weiteren Antragsteller ab.
Der Zulassungsausschuss begründete seine Entscheidung wie folgt: Herr Dipl.- Theaterpädagoge (FH) M. habe am 1. November 2019 die Approbation erhalten. In die Warteliste gem. § 103 Abs. 5 SGB V sei er seit dem 4. Juli eingetragen. Er verfüge über die Genehmigung zur Verhaltenstherapie bei Kindern und Jugendlichen als Einzeltherapie. Mit Schreiben vom 7. Juni 2023 habe sich der Beigeladene zu 8) zur Anstellung von Herrn Dipl.- Theaterpädagoge (FH) M. und zur Zahlung des Verkehrswertes der Praxis bereit erklärt.
Die Antragstellerin habe am 22. Mai 2023 die Approbation erhalten. In die Warteliste gem. § 103 Abs. 5 SGB V sei sie seit dem 14. Juni 2023 eingetragen. Sie verfüge über die Genehmigung zur tiefenpsychologisch fundierten und analytischen Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen. Mit Schreiben vom 29. März 2023 habe die Praxisabgeberin erklärt, dass die Antragstellerin ihre Wunschnachfolgerin sei.
Für die Antragstellerin spreche, dass sie das gleiche Richtlinienverfahren ausübe wie die Praxisabgeberin. Dadurch bleibe das Gepräge der Praxis erhalten und damit auch die Kontinuität der Versorgung. Dies werde auch dadurch gewährleistet, dass die Antragstellerin die Praxis am Standort fortführe und die Patient*innen übernehmen könne. Ferner spreche für sie, dass auch aufgrund ihrer Expertise und jahrelangen Arbeit im Bereich des speziellen Patientenstammes (Shoaüberlebende; Erfahrung mit der Arbeit mit Antisemitismus) die Versorgungskontinuität durch die Übernahme und Weiterbehandlung dieser Patienten gewährleistet sei. Schließlich habe der Zulassungsausschuss zugunsten der Antragstellerin berücksichtigt, dass sie von der Abgeberin als Wunschnachfolgerin benannt worden sei und ein zivilrechtlicher Übernahmevertrag geschlossen wurde.
Gegen die am 27. September 2023 ausgefertigte Entscheidung des Zulassungsausschusses/Psychotherapie legte der Beigeladene zu 8) mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2021 Widerspruch ein. Die Entscheidung des Zulassungsausschusses sei ermessensfehlerhaft. Sowohl das Approbationsalter als auch die Berufserfahrung sowie die Platzierung auf der Warteliste sprächen für ihn. Dem ausgeübten Therapieverfahren würde eine unzulässige Bedeutung beigemessen. Nach der Rechtsprechung gelte jeder als geeignet, der die gleiche Qualifikation wie der Praxisabgeber aufweise. Es sei also ausschließlich der Status als approbierter Psychologischer Psychotherapeut oder Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut maßgeblich. Die Praxisnachfolge dürfe deshalb nicht an einem unterschiedlichen psychotherapeutischen Verfahren scheitern.
Seine Praxis sei in der jüdischen Gemeinde bestens vernetzt und behandele ebenfalls viele Patienten mit jüdischer Religionszugehörigkeit. Dies gelte auch für Herrn M. Die Praxis arbeite auch mit mehreren näher benannten jüdischen Institutionen zusammen. Schließlich habe auch er den Willen bekundet, die bisherigen Praxisräume zu übernehmen. Das Gesetz könne und dürfe keine generelle Bevorzugung des Bewerbers/der Bewerberin vorsehen, der/die sich mit dem Praxisübergeber geeinigt habe.
Auf Nachfrage der Antragstellerin hat der Antragsgegner erklärt, erst am 13. März 2024 über den Widerspruch entscheiden zu können.
Am 21. November 2023 stellte die Antragstellerin beim Sozialgericht Marburg einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit dem Begehren, den Sofortvollzug des Beschlusses des Zulassungsausschusses/Psychotherapie vom 21. September 2023 bis zur Entscheidung über den Widerspruch anzuordnen.
Sie hält den Beschluss des Zulassungsausschusses für offensichtlich rechtmäßig. Nach § 86b Abs. 1 Nr.1 SGG sei deshalb keine besondere Eilbedürftigkeit im Sinne eines Anordnungsgrundes erforderlich (Sächsisches Landessozialgericht L 1 KA 4/20 B ER). Es genüge gemäß § 86 a Abs. 2 Nr. 5 SGG das überwiegende Interesse eines Beteiligten für die Anordnung der sofortigen Vollziehung.
Es bestehe auch ein Anordnungsinteresse, weil ein Zeitraum von sechs Monaten zwischen Beschluss des Zulassungsausschusses und der Entscheidung über den Widerspruch durch den Berufungsausschuss nicht zumutbar sei.
Die Antragstellerin sei auf die Tätigkeit wirtschaftlich angewiesen. Die Praxisabgeberin müsse mit zunehmendem Zeitablauf einen Wertverlust befürchten. Schließlich bestehe auch ein erhebliches Versorgungsinteresse.
In der Praxis der Abgeberin seien im Schnitt mit einer hälftigen Zulassung in den letzten Quartalen 10-14 gesetzlich versicherte und ergänzend 2 privat versicherte Patient*innen behandelt worden. Da es sich um analytische Verfahren handele, sei zu beachten, dass diese Patient*innen durchschnittlich jeweils 2-3 mal pro Woche gesehen würden. Hinzu kämen Elterngespräche, so dass sich ca. 25-35 Stunden/Woche im Durchschnitt ergäben. Die Antragstellerin habe in dem Zeitraum seit Entscheidung des Zulassungsausschusses bis zum Eingang des Widerspruchs (Oktober 2023) folgende Patient*innen behandelt:
Aktuelle analytische und tiefenpsychologisch fundierte Therapien im Setting 1-3 Sitzungen/Woche.
Gesetzlich versichert:
XA. 19 Jahre - in Behandlung seit April 2019
XB. 11 Jahre - in Behandlung seit Oktober 2021
XC. 10 Jahre - in Behandlung seit November 2020
XD. 6 Jahre - in Behandlung seit März 2022
XE. 9 Jahre - in Behandlung seit Februar 2022
XF. 15 Jahre - in Behandlung seit Juli 2022
XG. 8,4 Jahre - in Behandlung seit Januar 2023
XH. 18,9 Jahre - in Behandlung seit Januar 2023
XI. 4 Jahre - in Behandlung seit Februar 2023
XJ. 7,11 Jahre - in Behandlung seit März 2023
XK. 7,7 Jahre - in Behandlung seit März 2023
XL. 6,8 Jahre - in Behandlung seit Oktober 2023
Privat versichert:
XM. 9 Jahre - Erstdiagnostik im Oktober/November 2023
XN. 7 Jahre - Erstdiagnostik im Oktober/November 2023
XO. 10 Jahre - in Behandlung seit November 2023
XP. 16 Jahre - in Behandlung seit Oktober 2023
PatientInnen von Frau E. mit der Aussicht zur Übernahme bei Frau A.:
XQ. 15 Jahre - in Behandlung seit 2022
XR. 10 Jahre - in Behandlung seit 2021
XS. 7 Jahre - in Behandlung seit 2022
XT. 9 Jahre - in Behandlung seit 2021
Die eigenen Patient*innen der Antragstellerin begründeten einen Behandlungsaufwand von rund 25-35 Stunden/ Woche. Bereits kurz nach Beginn der Tätigkeit (vor Drittwiderspruch) sei die Antragstellerin mit einem Behandlungsumfang pro Woche im Oktober 2023 von 25-30h/Woche tätig geworden.
Aktuelle Anfragen seien derzeit folgende gestellt:
XU. 7 Jahre - Sprechstunden geplant
Jugendliche 16 Jahre
Jugendlicher 17 Jahre
Kind 5 Jahre
Kind 9 Jahre
Es kämen etwa 1-2 Anfragen pro Woche hinzu, welche im Moment komplett abgelehnt werden müssten.
Die Antragstellerin beantragt,
die sofortige Vollziehung des Beschlusses des Zulassungsausschusses vom 21. September 2023 (Bescheid vom 27.09.), Az.: XX1/2023 bis zur Entscheidung über den Widerspruch des Beigeladenen zu 8) durch den Berufungsausschuss für Psychotherapeuten bei der KV Hessen anzuordnen.
Der Antragsgegner sowie der Beigeladene zu 8) beantragen jeweils,
den Antrag abzulehnen.
Der Antragsgegner hält den Beschluss des Zulassungsausschusses nicht für offensichtlich rechtmäßig, so dass § 86b Abs. 1 Nr. 1 SGG als Anspruchsgrundlage ausscheide. Sowohl das Approbationsalter als auch die Dauer der fachärztlichen Tätigkeit sprächen vorliegend für eine Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen zu 8) bzw. dessen Angestellten. Demgegenüber könne die Antragstellerin für sich in Anspruch nehmen, dass sie tatsächlich die Fortführung der Praxis am bisherigen Standort mit dem bisherigen Patientenstamm intendiere. Ob und inwieweit dieses Argument stichhaltig sei, weil ursprünglich der Beigeladene zu 8) gleichgelagerte Absichten verfolgt haben will, könne im Rahmen des einstweilen Rechtsschutzverfahrens nicht abschließend geklärt werden.
Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens sei deshalb als offen anzusehen.
Im Hinblick auf § 86b Abs. 2 SGG sei demgegenüber ein Anordnungsanspruch zu bejahen, es fehle jedoch am Anordnungsgrund. Bei der insoweit erforderlichen Abwägung sei zu berücksichtigen, dass der eintretende Suspensiveffekt bei Einlegung von Rechtsmitteln den vom Gesetzgeber intendierten Regelfall darstelle, sodass der Ausnahmefall der Anordnung des Sofortvollzugs einer besonderen Rechtfertigung bedürfe, die aus dem öffentlichen Interesse oder dem Interesse der Beteiligten abgeleitet werden könne.
Im Hinblick auf das geschilderte Regel-Ausnahmeverhältnis müsse der Eintritt des Suspensiveffektes als besondere Härte bzw. Unbilligkeit gewertet werden können. Derart gewichtige Interessen seien vorliegend nicht erkennbar, sondern es sei der Antragstellerin zuzumuten, den Ausgang des Widerspruchsverfahrens abzuwarten.
Der Beigeladene zu 8) trägt drüber hinaus vor, dass aus seiner Sicht der Beschluss des Zulassungsausschusses offensichtlich rechtswidrig sei. Die vorzunehmende Abwägung hätte zu seinen Gunsten ausfallen müssen. Bei der Auswahl unter mehreren geeigneten Bewerbern könne der Zulassungsausschuss zwar nach seinem Ermessen entscheiden und bei der Abwägung einem oder auch mehreren der genannten Merkmale eine erheblich höhere Bedeutung zumessen als den übrigen. Da vorliegend beide Bewerber eine Praxisnachfolge intendierten, habe bei der Erteilung der Nachfolgezulassung eine Bewerberauswahl unter den gesetzlichen Kriterien des § 103 Abs. 4 SGB V zu erfolgen. Dabei sei das praktizierte Richtlinienverfahren jedoch kein zulässiger Abwägungsgrund.
Sofern sich die Antragstellerin auf das erhebliche Versorgungsinteresse berufe, da die Abgeberin bisher überwiegend jüdische Patient*innen versorgt habe und die Antragstellerin als Nachfolgerin diesen Schwerpunkt weiterführe und insbesondere aufgrund des aktuellen Israel-Konflikt die Antragstellerin und die Abgeberin derzeit täglich Anfragen von jüdischen Mitbürger*innen erhielten, könne auch der Beigeladene zu 8) die erhöhte Nachfrage in seiner Praxis bestätigen. Der Bedarf in diesem Bereich sei groß und die Versorgung der betroffenen Menschen jüdischen Glaubens werde in der Praxis des Beigeladenen zu 8) auch durch seinen Angestellten Herrn Dipl.-Theaterpädagoge (FH) M. erfolgreich praktiziert. Seine Praxis arbeite seit Jahren u.a. mit vielen jüdischen Institutionen eng zusammen, wie z.B: Jüdische D., E-Straße, A-Stadt; Jüdisches H., F-Straße, A-Stadt; G. e.V., G-Straße, A-Stadt und Jüdische L., H-Straße, A-Stadt. Einer der Praxisgründer, Prof. Dr. S., habe zum Thema „Jüdische Existenz in Deutschland heute - Probleme des Wandels der Jüdischen Gemeinden in der Bundesrepublik Deutschland infolge der Zuwanderung russischer Juden nach 1989 (R. Verlag)“ promoviert und gemeinsam mit dem Beigeladenen zu 8) jahrelang Weiterbildung für die G. e.V. gemacht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte des Antragsgegners sowie die Prozessakte verwiesen, die bei der Beschlussfassung vorgelegen haben.
II.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist zulässig.
Der Antrag ist gegen den Berufungsausschuss gerichtet. Die Kammer hat das Rubrum entsprechend berichtigt, nachdem in der Antragsschrift zunächst der Zulassungsausschuss als Antragsgegner genannt worden war. Aufgrund des gegen die Entscheidung des Zulassungsausschusses für Psychotherapeuten eingelegten Widerspruchs ist zwischenzeitlich funktional ausschließlich der Berufungsausschuss/Psychotherapie zuständig geworden. Es handelt sich insoweit nicht um einen gewillkürten Parteiwechsel auf Beklagtenseite im Sinne einer Klageänderung nach § 99 Abs. 1 und 2 SGG, sondern nur um eine schlichte Berichtigung des Passivrubrums im Verhältnis von Widerspruchs- und Ausgangsbehörde, die auch noch nach Ablauf der Klagefrist zulässig ist (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2011, B 3 P 1/10 sowie Urteil vom 3. Juli 2012 - B 1 KR 23/11 R; vgl. auch Schmidt in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 13. Auflage 2020, § 99 Rn. 6a).
Der Antrag ist auch begründet.
Die sofortige Vollziehung des Beschlusses des Zulassungsausschusses war anzuordnen.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen.
Der Anfechtungswiderspruch des Beigeladenen zu 8) hat aufschiebende Wirkung (§ 86a Abs. 1 Satz 1 SGG), so dass zur Aufhebung des Suspensiveffektes ein Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung erforderlich ist. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn eine umfassende Abwägung aller öffentlichen und privaten Belange zum Ergebnis kommt, dass das Vollziehungsinteresse überwiegt. Auch kann der Sofortvollzug bei einem öffentlichen Interesse angeordnet werden. Bei der Abwägung ist von Bedeutung, ob der Rechtsbehelf des Beigeladenen Aussicht auf Erfolg hat oder nicht. Bei offensichtlicher Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes wäre der Antrag auf Anordnung des Sofortvollzugs abzuweisen, bei offensichtlicher Rechtmäßigkeit dem Antrag stattzugeben. Ist das Ergebnis offen, hat eine allgemeine Interessenabwägung stattzufinden.
Vorliegend schätzt die Kammer die Erfolgsaussichten des Widerspruchs des Beigeladenen zu 8) als offen ein.
Die Auswahl des Praxisnachfolgers richtet sich nach § 103 Abs. 4 Satz 4 ff. sowie Abs. 5 Satz 3 SGB V. Der Zulassungsausschuss hat unter mehreren Bewerbern, die die ausgeschriebene Praxis als Nachfolger des bisherigen Vertragsarztes fortführen wollen, den Nachfolger nach pflichtgemäßem Ermessen auszuwählen (§ 103 Abs. 4 Satz 4 SGB V). Bei der Auswahl der Bewerber sind die in § 103 Abs. 4 Satz 5 SGB V gelisteten Auswahlkriterien zu berücksichtigen. Zusätzlich bestimmt § 103 Abs. 5 Satz 3 SGB V, dass die Dauer der Eintragung in die Warteliste zu berücksichtigen ist.
Die Bewerberauswahl ist eine Ermessensentscheidung (§ 103 Abs. 4 Satz 4 SGB V). Die Zulassungsgremien haben das ihnen eingeräumte Ermessen nicht nur dann auszuüben, wenn sich gleich geeignete Bewerber gegenüberstehen. Vielmehr haben sie stets eine Ermessensentscheidung zu treffen, die - unter Berücksichtigung der gesetzlichen Kriterien - die Bewerberlage wertend beurteilt, im Übrigen aber nur durch die der Ermessensausübung innewohnenden Schranken eingegrenzt wird. Aus dem Charakter der Auswahlentscheidung als Ermessensentscheidung (hierzu LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.11.2005 - L 10 KA 29/05 -) folgt, dass die gerichtliche Überprüfung darauf beschränkt ist, ob das Ermessen fehlerhaft ausgeübt wurde und der Beigeladene zu 8) durch den Ermessensfehler beschwert ist. Den Zulassungsgremien ist ein Entscheidungsspielraum eröffnet, den die Gerichte zu respektieren haben. Die gerichtliche Rechtskontrolle ist auf die Überprüfung beschränkt, ob die Behörde von einem vollständigen und richtigen Sachverhalt ausgegangen ist, die rechtlichen Grenzen ihres Ermessensspielraums eingehalten und von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Eine danach rechtsfehlerfreie Auswahlentscheidung muss das Gericht hinnehmen; es ist nicht befugt, an Stelle der Zulassungsinstanzen eine eigene Auswahlentscheidung zu treffen. Die Zulassungsgremien haben das ihr bei der Auswahlentscheidung zustehende Ermessen allerdings nicht nur "pflichtgemäß", sondern auch unter Berücksichtigung der in § 103 Abs. 4 SGB V normierten gesetzlichen Vorgaben auszuüben. Ein Vorrang einzelner der zu berücksichtigenden Kriterien lässt sich dabei weder aus dem Gesetzeswortlaut herleiten (so schon LSG Thüringen, Beschluss vom 13.06.2000 - L 4 KA 29/97 -; Schallen, Ärzte-ZV, 8. Auflage, 2012, § 16b Rn. 102) noch entspräche dies dem Willen des Gesetzgebers. Dieser hat im Zusammenhang mit den durch das GKV-VStG vorgenommenen Änderungen in § 103 Abs. 4 SGB V ausdrücklich betont, dass § 103 Abs. 4 Satz 5 SGB V "wie bisher keine Rangfolge der im Rahmen des Nachbesetzungsverfahrens zu berücksichtigenden Faktoren" enthält, sondern deren Gewichtung im pflichtgemäßen Ermessen des Zulassungsausschusses liegt (RegE GKV-VStG, BT-Drucks 17/6906, S. 75 zu Nr. 36 a) cc)). Infolgedessen obliegt es den Zulassungsgremien, die Kriterien im Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen gegeneinander abzuwägen (LSG Thüringen, Beschluss vom 13.06.2000 - L 4 KA 29/97); dies ermöglicht eine an den besonderen Umständen jedes Einzelfalls orientierte Beurteilung (BSG, Urteil vom 20. März 2013, B 6 KA 19/12 R).
Vorliegend sprechen für den Beigeladenen zu 8) das Approbationsalter seines Angestellten M., dessen überlegene Berufserfahrung sowie die Warteliste. Demgegenüber spricht für die Antragstellerin, dass sie schon seit längerer Zeit in der Praxis der Praxisabgeberin als Ausbildungsassistentin tätig war und deren Wunschnachfolgerin ist. Darüber hinaus spricht für die Berücksichtigung der Antragstellerin, dass diese die Praxisräume übernehmen würde. Dies erscheint für den Beigeladenen zu 8) insbesondere deshalb offen, weil die Praxisabgeberin auch die Vermieterin der Räumlichkeiten ist und diese zivilrechtlich nicht verpflichtet werden kann, die Räume auch an den Beigeladenen zu 8) zu vermieten. Darüber hinaus folgt die Kammer nicht der von dem Beigeladenen zu 8) dargelegten Argumentation, aus der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 14. Juli 1993, 6 RKa 71/91) ergebe sich, dass allein der Status als approbierter Psychologischer Psychotherapeut oder Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut maßgeblich sei und bei der Auswahlentscheidung deshalb eine Differenzierung nach Therapierichtungen rechtsfehlerhaft sei. Dies kann die Kammer der zitierten Entscheidung nicht entnehmen, die zum Thema der Bedarfsermittlung bei Ermächtigungen für das Fachgebiet der Internisten mit unterschiedlicher Teilgebietsbezeichnung ergangen ist. Bei der Bedarfsplanung wird grundsätzlich nur der Status berücksichtigt. Das BSG hat in der zitierten Entscheidung ausgeführt, dass die vom Kläger geforderte weitere Untergliederung der Bedarfsplanung nach Teilgebieten nicht geboten sei, weil die Ärzte, die eine Gebietsbezeichnung führten, alle Leistungen dieses Gebietes erbringen könnten. Dies gilt bei Psychotherapeuten jedoch gerade nicht. Sie können nicht Sitzungen nach anderen Richtlinienverfahren, für die Sie nicht zugelassen sind, erbringen. Zwar findet auch in diesem Bereich eine Beplanung nach Therapierichtungen nicht statt. Dies bedeutet jedoch im Umkehrschluss nicht, dass für eine Auswahlentscheidung im Nachbesetzungsverfahren nicht der Versorgungskontinuität insoweit Rechnung getragen werden darf, dass die Identität des Richtlinienverfahrens bei Abgeber*in und Nachfolger*in ein gewichtiges Argument für die berufliche Eignung und damit für die Nachbesetzungsentscheidung sein kann. In der Gesamtabwägung erscheint dem Gericht nach summarischer Prüfung im Hinblick auf den nicht gravierenden Unterschied bei Wartezeit, Approbationsalter und Berufserfahrung die vom Zulassungsausschuss vorgenommene Abwägung nicht als ermessensfehlerhaft.
Darüber hinaus besteht zur Überzeugung der Kammer auch ein Anordnungsgrund. Die Kammer folgt dem Antragsgegner ausdrücklich nicht in der Einschätzung, dass es auf 10 Wochen psychotherapeutischer Tätigkeit nicht ankomme. Es ist gerichtsbekannt, dass die psychotherapeutische Versorgungslage insbesondere in den Ballungsräumen extrem angespannt ist. Dies gilt in ganz besonderem Maße für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Dem Gericht sind Wartezeiten von mehreren Monaten bis zu einem Jahr für einen Therapieplatz bekannt. Den erhöhten Bedarf – insbesondere für jüdische Mitbürger*innen – hat auch der Beigeladene zu 8) bestätigt. Zudem konnte die Antragstellerin Patient*innen, die von der Praxisabgeberin nicht fertig therapiert werden konnten, sofort übernehmen. Diesen ist eine weitere Therapieunterbrechung nicht zuzumuten. Das Risiko, dass ggf. nach dem 13. März 2023 ein erneuter Therapeutenwechsel anstehen könnte, erscheint demgegenüber als hinnehmbar. Schließlich kann ein Interesse des Beigeladenen zu 8) daran, dass bis zum 13. März 2024 überhaupt keine Patient*innen versorgt werden, nicht erkannt werden. Er würde auch bei Beibehaltung des Suspensiveffekts keinerlei Vorteil erlangen.
Ohne die Nutzung der Zulassung ist das Versorgungsangebot unzweifelhaft gemindert. Um den Status quo wiederherzustellen, ist der Sofortvollzug aus Sicherstellungsgründen jedenfalls dringend erforderlich (so auch Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19. Mai 2014; L 11 KA 99/13 B ER).
Nach alledem musste der Antrag Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 VwGO. Da der Beigeladene zu 8) einen Antrag gestellt hat, war auch er an den Kosten des Verfahrens zu beteiligten, § 154 Abs. 3 VwGO.
Als Streitwert wären grundsätzlich die voraussichtlichen Honorareinahmen im Zeitraum zwischen dem Zulassungsbeschluss bis zur positiven gerichtlichen Entscheidung (SG Marburg, 10. November 2011, S 12 KA 790/11 ER) zugrunde zu legen. Da es insoweit nicht vorliegender Kalkulationen bedürfte, für die hypothetische Verläufe ersonnen werden müssten und darüber hinaus der Zeitraum vom 21. September 2023 bis zu dieser Entscheidung als höchst überschaubar eingeschätzt wird, hält es die Kammer im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens für angemessen, den Regelstreitwert anzusetzen.