Die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen einen ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der im Termin nicht erschienen ist und sich auch nicht rechtzeitig entschuldigt hat, ist gleichwohl rechtswidrig, wenn sich der Zeuge nachträglich entschuldigt und von der Schuldlosigkeit der verspätet mitgeteilten erheblichen Hinderungsgründe auszugehen ist. Dies ist zB der Fall, wenn der betroffene Zeuge eine zeitlich längere und auch erhebliche Erkrankung glaubhaft macht (zB stationärer Krankenhausaufenhalt).
Der Ordnungsgeldbeschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 6. April 2011 wird aufgehoben.
Die Staatskasse hat dem Beschwerdeführer die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Im Übrigen werden keine Kosten erhoben.
Gründe:
l.
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Verhängung von Ordnungsgeld gegen einen nicht erschienenen Zeugen in einem Schwerbehindertenverfahren. In dem Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) M. den Beschwerdeführer als Zeugen zur Feststellung von Behinderungsgraden zu einem Termin zur Beweisaufnahme und zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 6. April 2011 geladen. Ausweislich der Postzustellungsurkunde ist der Beschwerdeführer am 26. Februar 2011 ordnungsgemäß zu diesem Termin geladen worden und in der Ladung auf die Folgen des unentschuldigten Ausbleibens hingewiesen worden.
In der Sitzung vom 6. April 2011 hat das SG mit Beschluss gegen den nicht erschienen Beschwerdeführer ein Ordnungsgeld in Höhe von 250,- €, ersatzweise Ordnungshaft, festgesetzt. Diesen Beschluss hat das Gericht dem Beschwerdeführer am 11. April 2011 zugestellt. Am selben Tag hat der Beschwerdeführer gegenüber dem SG eingewendet, die Unterlagen bereits dem ärztlichen Dienst der Arbeitsagentur übersandt zu haben. Er befinde sich seit dem 28. März 2011 wegen Folgen einer schweren Operation im Krankenstand. Das Sozialgericht hat das Verfahren dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt am 20. April 2011 zur Entscheidung vorlegt.
Auf Nachfrage des Berichterstatters hat der Beschwerdeführer einen Entlassungsbrief der S. O.-Klinik, Klinik für Urologie, über eine stationäre Behandlung vom 28. März 2011 bis 5. April 2011 sowie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Gemeinschaftspraxis Dr. R./B. für den Zeitraum vom 6. April 2011 bis 11. April 2011 und vom 4. Mai 2011 bis 6. Mai 2011 vorgelegt. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer eine Entlassungsmitteilung der Klinik W. über eine Behandlung vom 12. April 2011 bis 3. Mai 2011 zur Akte gereicht. Das SG hat am 25. Mai 2011 auf Nachfrage erklärt, die geforderten medizinischen Unterlagen vom Beschwerdeführer am 18. April 2011 erhalten zu haben.
II.
Die nach §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige und statthafte Beschwerde ist begründet.
Nach § 118 SGG i. V. m. § 380 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) sind einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, die durch das Ausbleiben verursachten Kosten aufzuerlegen und zugleich ein Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festzusetzen. Nach § 381 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann die Festsetzung von Ordnungsgeld unterbleiben, wenn der Zeuge sein Ausbleiben rechtzeitig und genügend entschuldigt. Der Beschwerdeführer wurde bereits am 26. Februar 2011 ordnungsgemäß vom SG zum Termin am 6. April 2011 geladen. Eine rechtzeitige Entschuldigung bis zum 6. April 2011 hat von ihm nicht vorgelegen, da der Beschwerdeführer weder telephonisch noch auf sonstige Weise gegenüber dem Gericht Hinderungsgründe mitgeteilt hat, um eine mögliche Abladung oder Verlegung seines Termins zu erreichen. Gemäß § 381 Abs. 1 Satz 2, 3 ZPO kann auch eine verspätete Entschuldigung eines nicht erschienenen Zeugen ausnahmsweise genügen, wenn darin die Schuldlosigkeit der verspätet mitgeteilten erheblichen Hinderungsgründe, glaubhaft gemacht werden. (§ 294 ZPO). Hiervon ist auszugehen. Nach den von dem Beschwerdeführer am 11. April 2011 vorgetragenen und am 19. Mai 2011 vorgelegten Unterlagen befand er sich bis zum 5. April 2011 in stationärer Behandlung und war anschließend, d.h. auch am 6. April 2011, noch arbeitsunfähig. Die damit nachgewiesene, zeitlich längere und auch erhebliche Erkrankung haben es ihm unzumutbar gemacht, dem SG bis zum Terminstag am 6. April 2011 seine Hinderungsgründe noch rechtzeitig mitzuteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 197 a SGG. Der Beschwerdeführer gehört nicht zum begünstigten Personenkreis des § 183 SGG, nach dem nur Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger von den Gerichtskosten befreit sind, wenn sie als Kläger oder Beklagte an einem Rechtsstreit vor dem Sozialgericht beteiligt sind. Als Zeuge gehört der Beschwerdeführer nicht zu diesem Personenkreis (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 176 Rn. 5 mit weiteren Nachweisen). Die Beschwerde ist in vollem Umfang erfolgreich. Entsprechend hat die Staatskasse dem Beschwerdeführer die außergerichtlichen Kosten, sofern solche angefallen sind, zu erstatten. Der Senat wendet für die Durchführung einer erfolgreichen Beschwerde § 467 Abs. 1 Strafprozessordnung und § 46 Abs. 1 Ordnungswidrigkeitengesetz entsprechend an. Von der Erhebung von Gerichtskosten war gemäß § 22 Gerichtskostengesetz abzusehen (ebenso mit überzeugender Begründung, Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 20. Dezember 2010, L 2 AS 708/10 B, zitiert nach juris).
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.