Nach § 240 ZPO ist das Verfahren von Gesetzes wegen unterbrochen, wenn d a s Verfahren die Insolvenzmasse betrifft. Bei einem Verfahren nach § 60 Abs. 1 SGG iVm § 42 ZPO (Antrag auf Ablehnung eines Richterin/eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit) besteht weder ein unmittelbarer, noch ein mittelbarer Zusammenhang mit der Insolvenzmasse, so dass die Voraussetzungen für eine Unterbrechung nicht vorliegen.
Das Ablehnungsgesuch vom 16.05.2023 gegen die Vorsitzende der 55. Kammer des Sozialgerichts München zum Verfahren unter dem Aktenzeichen S 55 KR 1401/19 wird abgewiesen.
G r ü n d e :
I.
Mit Schriftsatz vom 16.05.2023 erhob der Antragsteller gegen die Vorsitzende der 55. Kammer des Sozialgerichts München einen Befangenheitsantrag. Zur Begründung führte er aus, es habe eine Anhörung zum Gerichtsbescheid nach § 105 SGG stattgefunden. Diesbezüglich habe es sich um eine formularmäßige Anhörung gehandelt, was rechtswidrig sei. Insofern sei das Verfahrensgrundrecht auf rechtliches Gehör in Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 6 EMRK verletzt worden. Es sei offenkundig, dass es der Beklagten mit der ihr eigenen rechtsfeindlichen Gesinnung allein darum gehe, "die Klägerin manipulativ contra legem aus dem Versicherungsschutz zu drängen". Das Anhörungsschreiben vom 02.05.2023 sei außerdem nur an die Klägerin zu 2, nicht aber an ihn in seiner Eigenschaft als Kläger zu 1 und Prozessbevollmächtigter der Klägerin zu 2 gerichtet worden. Abgesehen davon sei das Schreiben erst am 13.05.2023 zugestellt worden (Anm.: Der Antragsteller übersandte dem Gericht eine Kopie eines Zustellnachweises mit dem Datum 13.05.2023), sodass er lediglich zwei Tage Zeit gehabt habe, sich zu äußern. Die Vorsitzende der 55. Kammer des Sozialgerichts München habe sich dafür entschieden, ihn zu übergehen und zu missachten. Es handle sich um eine jahrelange und bewusste Verschleppung, die das Gericht zu vertreten habe.
Hierzu äußerte sich die Vorsitzende der 55. Kammer in ihrer dienstlichen Stellungnahme (ohne Datum), die dem Antragsteller übersandt wurde.
Nachdem der Antragsteller auf ein laufendes Insolvenzverfahren hinwies und geltend machte, das Verfahren sei somit gemäß § 240 ZPO unterbrochen, und der Antragsteller trotz der Bitte des Gerichts, den Beschluss des Insolvenzgerichts zu übersenden, nicht nachkam, wurde das A. um Amtshilfe gebeten. Dieses übersandte dem Sozialgericht München den Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom 17.08.2018. Dem Antragsteller wurde dies dann mit Schriftsatz vom 14.08.2023 mitgeteilt und gleichzeitig wurden Zweifel geäußert, ob die Voraussetzungen für eine Unterbrechung nach § 240 ZPO vorlägen.
Dem folgte der Schriftsatz des Antragstellers vom 09.09.2023, in dem dieser betonte, entgegen der Auffassung des Gerichts gehöre das hiesige Verfahren zur Insolvenzmasse. Zugleich wurde der Vorsitzende der 38. Kammer des Sozialgerichts München wegen Besorgnis der Befangenheit ebenfalls abgelehnt. Hierüber entschied der Vorsitzende der 7. Kammer des Sozialgerichts München unter dem Aktenzeichen S 7 SF 319/23 AB mit Beschluss vom 15.11.2023. Das Ablehnungsgesuch wurde zurückgewiesen. Unter anderem wurde ausgeführt, der Vorsitzende der 38. Kammer sei im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass das Verfahren nicht unterbrochen ist. Denn die vom Antragsteller zu 1 im Verfahren S 55 KR 1401/19 geltend gemachte Familienversicherung der Ehegatten gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB V sei kein Teil der Insolvenzmasse. Schließlich habe die Familienversicherung der Ehegatten für die Insolvenzgläubiger keinen wirtschaftlichen Wert, der einer Befriedigung ihrer Forderung dienen könnte. Auch aus den weiteren, vom Antragsteller geltend gemachten Befangenheitsgründen könne keine Befangenheit des Vorsitzenden der 38. Kammer abgeleitet werden.
II.
Nach § 60 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 42 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, welcher geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist nur dann der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln. Das Misstrauen muss aus der Sicht eines ruhig und vernünftig denkenden Prozessbeteiligten verständlich sein.
Der Vorsitzende der 38. Kammer ist durch das noch laufende Insolvenzverfahren nicht nach § 240 ZPO gehindert, über den Befangenheitsantrag gegen die Vorsitzende der 55. Kammer zu entscheiden. Denn die Voraussetzungen für eine Unterbrechung nach § 240 ZPO liegen aus mehreren Gründen nicht vor. Nach § 240 ZPO ist das Verfahren von Gesetzes wegen unterbrochen, wenn d a s Verfahren die Insolvenzmasse betrifft. Gegenstand d i e s e s Verfahrens unter dem Aktenzeichen S 38 SF 209/23 AB ist das gegen die Vorsitzende der 55. Kammer gerichtete Ablehnungsgesuch. Somit besteht in diesem Verfahren weder ein unmittelbarer, noch ein mittelbarer Zusammenhang mit der Insolvenzmasse. Der Wortlaut von § 240 ZPO ist eindeutig.
Selbst wenn das Befangenheitsverfahren nicht isoliert zu betrachten und auch hier auf das Hauptsacheverfahren abzustellen wäre, betrifft auch das Hauptsacheverfahren nicht die Insolvenzmasse. Hierzu wird auf die Entscheidungsgründe im Verfahren S 7 SF 319/23 AB Bezug genommen. Unabhängig davon ist für eine Unterbrechung nach § 240 ZPO Voraussetzung, dass das Insolvenzverfahren nach Klagezustellung eröffnet sein muss (vgl Thomas/Putzo, Kommentar zur ZPO, Rn. 2 zu § 240). Dies ist hier nicht der Fall. Das Insolvenzverfahren wurde am 17.08.2018 eröffnet, das Klageverfahren trägt das Datum 13.05.2019 und das Befangenheitsverfahren das Datum vom 18.05.2023.
Die vorgetragenen Befangenheitsgründe führen nicht zu einer Voreingenommenheit der Vorsitzenden der 55. Kammer.
Der Antragsteller trägt vor, die Anhörung zum Gerichtsbescheid nach § 105 SGG sei formularmäßig erfolgt. Diesbezüglich weist das Gericht darauf hin, dass eine Form des Anhörungsschreibens vom Gesetzgeber nicht vorgesehen ist. Soweit der Antragsteller unter Berufung auf die Kommentierung ausführt, die Anhörung müsse konkret und fallbezogen sein, ansonsten werde das rechtliche Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, bedeutet dies aber nicht, dass anzukündigen ist, wie zu entscheiden beabsichtigt ist. Eine Berufung auf die viele Jahre zurückliegende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.08.1981 (Az 4 C 6/81), auf die sich die vom Antragsteller zitierte Kommentierung stützt, ist nicht möglich. Denn dort ging es darum, dass lediglich formularmäßig darauf hingewiesen wurde, über die Berufung könne gegebenenfalls auch ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Die Vorsitzende der 55. Kammer hat aber in dem gerichtlichen Schreiben vom 02.05.2023 mitgeteilt, es sei beabsichtigt, im Wege eines Gerichtsbescheides nach § 105 SGG zu entscheiden. Dem Antragsteller wurde darüber hinaus Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Insofern erfolgte die Anhörung anders als in der genannten Entscheidung des Eufach0000000001es konkret und einzelfallbezogen. Einer Ankündigung, wie das Gericht voraussichtlich zu entscheiden gedenkt, bedarf es nicht, auch wenn diese wünschenswert sein mag (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, Rn. 10 zu § 105). Eine Verletzung des Rechtes auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG ist nicht ersichtlich.
Der Antragsteller benennt als weiteren Befangenheitsgrund, die Vorsitzende der 55. Kammer habe das Anhörungsschreiben nicht an ihn in seiner Eigenschaft als Kläger zu 1 und Prozessbevollmächtigter der Klägerin zu 2 zugestellt. Insofern habe die Vorsitzende ihn missachtet und übergangen. Auch dies trifft aber ausweislich der in den Akten befindlichen Postzustellungsurkunde nicht zu, die an den Antragsteller adressiert war und sich auf insgesamt fünf Verfahren, darunter das Verfahren unter dem Aktenzeichen S 55 KR 1401/19 bezog. Nach der Postzustellungsurkunde wurde das Schriftstück in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten am 06.05.2023 eingelegt. Es ist nicht nachvollziehbar, dass laut der vom Antragsteller übersandten Kopie die förmliche Zustellung an die Klägerin zu 2 erst am 13.05.2023 erfolgt sein soll.
Klärungsbedürftig erscheint allerdings, ob grundsätzlich, aber auch im Hinblick auf die nicht nachvollziehbaren Umstände im Zusammenhang mit der Zustellung die Anhörungsfrist als angemessen anzusehen ist. Die Rechtsprechung erachtet eine Frist von 14 Tagen und mehr als angemessen. Es könnte sich um einen Verfahrensfehler handeln, der allerdings grundsätzlich erst dann einen Befangenheitsgrund darstellt, wenn andere Umstände hinzutreten, die in Gesamtschau Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Vorsitzenden der 55. Kammer aufkommen ließen. Nach gefestigter Rechtsprechung stellt ein Ablehnungsgesuch grundsätzlich kein geeignetes Mittel darstellt, sich gegen aus Sicht des Antragstellers fehlerhafte Verfahrenshandlungen und Entscheidungen zu wehren. Rechtsfehler können im Rahmen eines nachfolgenden Rechtsmittelverfahrens geltend gemacht werden. Etwas Anderes könnte nur dann gelten, wenn Anzeichen vorhanden sind, dass die Fehlerhaftigkeit auf fehlender Objektivität oder Willkür der Eufach0000000004in beruhen könnte. Dann wäre auch das Misstrauen aus der Sicht eines ruhig und vernünftig denkenden Prozessbeteiligten - nur darauf kommt es an - verständlich (vgl. BayLSG, Beschluss vom 20.5.2010, Az.: L 5 SF 89/10 AB). Dafür gibt es aber keinerlei Anhaltspunkte. Bedauerlich, aber vom Gericht nicht zu verantworten ist, wenn Zustellungsprobleme auftreten. Kommt es dazu, dass die Frist dann faktisch als unangemessen kurz anzusehen ist, hat der Adressat des Anhörungsschreibens die Möglichkeit, eine Verlängerung der Frist zu beantragen, wovon der Antragsteller in seinem Schreiben vom 16.05.2023 auch Gebrauch gemacht hat. Bei der Anhörungsfrist handelt es sich um eine richterliche Frist, deren Verlängerung ohne weiteres möglich ist.
Gänzlich fehl geht der Hinweis des Antragstellers, die Vorsitzende habe das Verfahren jahrelang verschleppt. Denn, wie die Vorsitzende der 55. Kammer in ihrer dienstlichen Stellungnahme ausführt, war sie erst ab 01.02.2023 mit der Wahrnehmung der Geschäfte der 55. Kammer betraut.
Aus den genannten Gründen war der Antrag auf Ablehnung der Vorsitzenden der 55. Kammer wegen Besorgnis der Befangenheit abzuweisen.
Diese Falls Ihnen die Kürzung nicht gerechtfertigt erscheint, können Sie unter Darlegung Ihrer Gründe die richterliche Festsetzung der Vergütung bzw. Entschädigung gemäß § 4 Abs.1 JVEG beantragen. Der Antrag kann beim Sozialgericht München, Richelstraße 11, 80634 München, schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Sozialgericht München in elektronischer Form gestellt werden. Rechtsanwälte, Behörden oder juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse müssen ab 1. Januar 2022 vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument übermitteln (§ 65d Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Gleiches gilt für die nach dem SGG vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d Satz 2 SGG).
Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist oder
- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.
Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung.
Entscheidung ist nach § 172 Abs. 2 SGG unanfechtbar.