Zu den Voraussetzungen für die Gewährung eines anteiligen (gekürzten) Pflegegeldes nach §§ 99, 103 Abs. 2 SGB IX i.V.m. §§ 64a Abs. 1, 63b Abs. 5 SGB XII bei einer bereits gewährten „24-Stunden-Pflege“ bzw. „24-Stunden-Assistenz“
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 17. November 2020 und der Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. April 2020 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ab 1. Januar 2020 ein anteiliges Pflegegeld in Höhe von 243,00 € monatlich zu gewähren.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung anteiligen (gekürzten) Pflegegeldes ab 1. Januar 2020.
Die 1982 geborene Klägerin ist schwerbehindert und als Sozialarbeiterin berufstätig. 2019 ohne den Monat Mai erzielte die Klägerin aus ihrer Beschäftigung ein Nettoeinkommen in Höhe von 21.055,86 €, 2020 in Höhe von 24.891,80 €, 2021 in Höhe von 26.229,21 € und 2022 in Höhe von 29.179,82 €. Bei ihr liegt eine beinbetonte spastische tetraplegische Cerebralparese, eine ausgeprägte Gang- und Standstörung, eine psychophysische Belastbarkeitsminderung und eine Inaktivitätsosteoporose vor. Bei insuffizienter Atemhilfsmuskulatur erfolgt seit April 2018 eine nächtliche CPAP-Beatmung. Dabei ist die Klägerin aufgrund der motorischen Einschränkungen nicht bzw. nur eingeschränkt in der Lage, das Beatmungsgerät zu bedienen. Zur Sicherung der Vitalfunktion Atmung benötigt sie Behandlungspflege in Interventionsbereitschaft. Sie erhält schon seit längerem zur ambulanten Pflege (Pflegegrad 4) Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach dem Elften Sozialgesetzbuch (SGB XI). Zur Sicherstellung einer Rund-um-die-Uhr-Assistenz werden diese von der Beklagten (im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen) ergänzt.
Den Antrag der Klägerin vom 13. Oktober 2018 auf Gewährung eines anteiligen Pflegegeldes gemäß § 63b Abs. 5 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) für die Zeit ab dem 1. Januar 2019 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16. September 2019 ab. Da die Klägerin (nur) Leistungen der Eingliederungshilfe erhalte, bestehe kein Anspruch auf Hilfe zur Pflege nach § 64a SGB XII. Somit komme auch die Zahlung eines (gekürzten) Pflegegeldes nach § 63b SGB XII nicht in Betracht, da keine Leistungskonkurrenz im Rahmen der Hilfe zur Pflege vorliege. Schließlich sei der Klägerin im Rahmen einer Einzelfallentscheidung für die Zeit vom 1. April 2013 bis 31. Dezember 2018 ein persönliches Budget zum Ausgleich gewährt worden (zuletzt monatlich 243,00 €). Damit der Klägerin im Vergleich zum pauschalierten Pflegegeld kein erhöhter Verwaltungsaufwand entstehe, sei davon abgesehen worden, für das persönliche Budget Verwendungsnachweise zu fordern. Damit bestehe kein zusätzlicher Anspruch auf Zahlung eines (gekürzten) Pflegegeldes.
Hiergegen erhob die Klägerin am 7. Oktober 2019 Widerspruch. Aufgrund ihrer Behinderung benötige sie zur selbstständigen Lebensführung rund um die Uhr eine professionelle pflegerische Betreuung. Da die hiermit verbundenen Kosten über die Sachleistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung hinausgingen und sie nicht in der Lage sei, die Differenz aus eigenen Mitteln aufzubringen, habe sie Anspruch auf Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII und zugleich auch auf Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII. Vor diesem Hintergrund sei es nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte davon ausgehe, dass keine Anspruchskonkurrenz zwischen den Leistungen der Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Pflege vorliege. Deshalb beanspruche sie im Rahmen einer gebundenen Entscheidung ein (gekürztes) Pflegegeld in Höhe von mindestens einem Drittel des Pflegegeldes der gesetzlichen Pflegeversicherung. Dies ergäbe sich aus § 64a i.V.m. § 63b Abs. 5 SGB XII. Die Beklagte könne nicht frei wählen, ob sie Eingliederungshilfe oder Hilfe zur Pflege erhalte. Im Übrigen erkenne die Beklagte den pflegerischen Hilfebedarf im Grunde genommen auch an, wenn sie die von ihr als „Eingliederungshilfe“ bezeichnete Leistung nur erbringe, soweit diese nicht durch Sachleistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung gedeckt werde. Nach einhelliger, seit beinahe zwei Jahrzehnten gefestigter Rechtsprechung zur Vorgängerregelung und der §§ 64a und 63b Abs. 5 SGB XII, welche ohne Weiteres auf die aktuelle Rechtslage zu übertragen sei, bestehe der Anspruch auf (gekürztes) Pflegegeld auch für den Fall einer jedenfalls nominellen Vollversorgung des Hilfesuchenden durch - vom Sozialhilfeträger finanzierte - professionelle (= entgeltlich tätige) Pflegeassistenz. Auch unter Berufung auf einen nur mutmaßlich fehlenden weiteren Pflege- bzw. Pflegebereitstellungsbedarf könne das Pflegegeld nicht verweigert werden. Nach gefestigter Rechtsprechung bestehe in einer solchen Situation ein Mindestanspruch auf ein Drittel des Pflegegeldes, um (trotz der Vollversorgung) die Hilfeleistung bei Notfällen finanziell honorieren zu können, planwidrige Versorgungslücken auszugleichen oder die Motivation der regulären Pflege- bzw. Assistenzkräfte zu erhalten oder zu fördern.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 2020 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Da weder die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft erforderlich sei, noch Verhinderungspflege oder gleichartige Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften bezogen würden, bestehe auf das um zwei Drittel gekürzte Pflegegeld kein Anspruch.
Im Herbst 2019 kamen die Beteiligten überein, die für die Klägerin bestimmten Leistungen ab 1. Januar 2020 in der Form eines persönlichen Budgets zu erbringen (diesbezügliche Zielvereinbarung vom 15. November 2019). Mit Bescheid vom 1. April 2020 gewährte die Beklagte ein trägerübergreifendes persönliches Budget nach §§ 29 und 105 Abs. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2020 setzte sich das trägerübergreifende Budget aus folgenden Teilbudgets zusammen: Kosten für Assistenzleistungen zur Deckung ihres Eingliederungshilfe- und häuslichen Pflegebedarfs als Leistungen zur sozialen Teilhabe nach §§ 113 i.V.m. 103 SGB IX (Assistenz zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und zur Teilhabe am Beruf in Form von 9,08 Stunden täglich, häusliche Pflege auf Grundlage des Pflegegrades 5 [gemeint wohl Pflegegrad 4 wie auch in der Begründung des Bescheides] im Umfang von 4,92 Stunden täglich) abzüglich der bereits durch die gesetzliche Pflegeversicherung gedeckten Leistungsbestandteile, insgesamt 9.250,00 € monatlich (1.), Kosten für häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) im Umfang von zehn Stunden täglich zur Sicherung der ärztlichen Behandlungen in Höhe von bis zu 7.500,00 € monatlich (2.), Pflegegeld entsprechend Pflegegrad 4 in Höhe von derzeit 728,00 € nach § 37 Abs. 1 SGB XI (3.). Ein Beitrag aus Einkommen oder Vermögen zu den Aufwendungen sei nicht aufzubringen. Das Gesamtbudget beliefe sich auf einen Betrag von 16.750,00 € monatlich.
Hiergegen erhob die Bevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 15. April 2020 Widerspruch. Im Bescheid vom 1. April 2020 werde zu Unrecht festgestellt, dass mit der bewilligten Budgetleistung der gesamte Bedarf im Bereich der Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege abgedeckt sei. Die in der Zielvereinbarung vom 15. November 2019 festgehaltene Budgetsumme von 16.750,00 € monatlich sei ausschließlich aus den Kosten des Arbeitgebermodells, also auch aus den Kosten der entgeltlichen personellen Unterstützung berechnet worden. Darüber hinaus seien keinerlei Beträge in die Berechnung dieser Budgetsumme eingeflossen. Mit diesem persönlichen Budget könnten deshalb keinerlei weiteren Ansprüche aus dem Bereich der Hilfe zur Pflege (etwa auf das sogenannte Garantiepflegegeld gemäß § 64a i.V.m. § 63b Abs. 5 SGB XII) für Aufwendungen im Zusammenhang mit der entgeltlichen Hilfe Dritter oder der Eingliederungshilfe (etwa Leistungen für Wohnraum) abgedeckt werden. Zu anderen Bedarfen/Kosten/Aufwendungen der Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege als denjenigen für die Kosten des Arbeitgebermodells seien in der Zielvereinbarung keinerlei Vereinbarungen getroffen worden. Da die Beklagte erklärtermaßen der Auffassung sei, dass ein Anspruch auf Leistungen nach § 64a, § 63b Abs. 5 SGB XII ab dem 1. Januar 2020 wegen einer Gesetzesänderung nicht mehr bestehe, könne es auch nicht ihre Absicht gewesen sein, einen betreffenden Anspruch mit der Zielvereinbarung abzubedingen. Während des Budgetverfahrens seien auch Rechtsmittelverfahren wegen Leistungen gemäß §§ 64a, 63b Abs. 5 SGB XII anhängig gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6. August 2020 wies die Beklagte diesen Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, in § 103 SGB IX fände sich seit 1. Januar 2020 in der Eingliederungshilfe die neue Regelung für Menschen mit Behinderungen und Pflegebedarf. Würden entsprechend § 103 Abs. 2 SGB IX Leistungen der Eingliederungshilfe außerhalb von Einrichtungen oder Räumlichkeiten im Sinne des § 43a SGB XI i.V.m.§ 71 Abs. 4 SGB XI erbracht, umfassten die Leistungen auch die Leistungen der häuslichen Pflege nach den §§ 64a bis 64f, 64i und 66 SGB XII, solange die Teilhabeziele nach Maßgabe des Gesamtplanes erreicht werden könnten. Das beanspruchte gekürzte Pflegegeld habe die gesetzliche Grundlage in § 63b Abs. 5 SGB XII. Einen Verweis hierauf gäbe es in § 103 Abs. 2 SGB IX nicht. Durch die Regelung in § 103 Abs. 2 SGB IX werde erreicht, dass leistungsberechtigte Personen, die sowohl Leistungen der Eingliederungshilfe bezögen als auch einen Anspruch auf Leistungen der Hilfe zur Pflege hätten, ihre Leistungen einheitlich aus den Händen der Eingliederungshilfe erhielten, wenn sie sich auch gleichzeitig im Erwerbsleben befänden. Durch die Leistungsgewährung der Hilfe zur Pflege nach den Regelungen des § 103 Abs. 2 SGB IX werde die Leistungsgewährung nach dem Siebten Kapitel des SGB XII durch den Träger der Hilfe zur Pflege daher ausgeschlossen. Da die Klägerin keinen Anspruch auf Hilfe zur Pflege nach den Vorschriften des SGB XII habe, könne dies auch nicht zu einer Erhöhung der Leistungen im Rahmen des persönlichen Budgets führen.
Mit (bestandskräftigem) Bescheid vom 25. Januar 2020 hatte die Beklagte der Klägerin im Rahmen der Kfz-Beihilfe die laufenden Unterhaltskosten ihres Kraftfahrzeuges mit einer Betriebskostenpauschale in Höhe von 50,00 € monatlich für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2021 als Leistung zur Mobilität gemäß § 113 Abs. 2 Nr. 7 i.V.m. § 114 SGB IX gewährt. Mit weiterem (bestandskräftigem) Bescheid vom 27. Januar 2020 hatte die Beklagte die Kosten für ein Assistenzzimmer in Höhe von 131,78 € monatlich als Leistung zur sozialen Teilhabe übernommen.
Den (weiteren) Antrag der Klägerin vom 30. November 2019 auf Gewährung eines (gekürzten) Pflegegeldes ab 1. Januar 2020 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11. Februar 2020 ab. Da weder die Heranziehung einer besonderen Pflegefachkraft erforderlich sei, noch Verhinderungspflege oder gleichartige Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften bezogen würden, bestehe auf das (gekürzte) Pflegegeld kein Anspruch. Den hiergegen mit (gleichlautender) Begründung der Bevollmächtigten der Klägerin erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1. April 2020, der in seiner Begründung gleichlautend war wie der Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 2020, zurück.
Bereits am 28. Februar 2020 hat die Klägerin gegen den Bescheid vom 16. September 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2020 Klage beim Sozialgericht (SG) Mannheim (S 9 SO 541/20) erhoben. Weiterhin hat die Klägerin am 17. April 2020 Klage zum SG gegen den Bescheid vom 11. Februar 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. April 2020 (S 9 SO 967/20) erhoben. Zur (gleichlautenden) Begründung hat sie vorgebracht, die seit 2019 im Rahmen des Fachleistungsprinzips eingesetzten Assistenten bzw. Pflegekräfte seien sowohl im Rahmen der Eingliederungshilfe als auch im Bereich der Pflege tätig geworden. Dabei habe es sich um besondere Pflegekräfte im Sinne von § 63b Abs. 5 SGB XII gehandelt. Ab dem 1. Januar 2020 beschäftige die Klägerin die Pflege- bzw. Assistenzkräfte, welche unverändert als besondere Pflegefachkräfte im Sinne von § 63b Abs. 5 SGB XII zu qualifizieren seien, im Rahmen des Arbeitgebermodells und erhalte hierfür ein (trägerübergreifendes) persönliches Budget von 16.750,00 €. Hierdurch stelle sie die notwendige Unterstützung in den Bereichen Assistenz, Pflege, Krankenpflege, hauswirtschaftliche Versorgung, selbstbestimmte Lebensführung und Teilhabe sowie Budgetassistenz sicher. Entgegen der Darstellung der Beklagten decke das persönliche Budget ihren Bedarf nicht allumfassend ab. Das persönliche Budget habe sie ausschließlich für die Kosten der entgeltlichen personellen Unterstützung im Rahmen des Arbeitgebermodells beantragt. Nur hierauf beziehe sich die Zielvereinbarung vom 15. November 2019. Weitergehende Ansprüche, insbesondere der streitige Anspruch auf das Garantiepflegegeld seien durch die Zielvereinbarung nicht abbedungen worden. Aus § 64a Abs. 1 Satz 2 SGB XII ergäbe sich kein Ausschlussgrund für den Fall der anderweitig sichergestellten „rundum-Betreuung“. Allenfalls scheide ein Anspruch auf das Pflegegeld aus, wenn eine Zweckverfehlung gegeben sei, wenn also das Pflegegeld nachweislich bestimmungswidrig verwendet werde oder die selbst organisierte Pflege mangelhaft sei. Ansonsten genüge es für den Pflegegeldanspruch, dass die Möglichkeit bestehe, dass der Pflegebedarf selbst in geeigneter Weise sichergestellt werden könne. Wenn - ab Januar 2020 - im Rahmen des Arbeitgebermodells die Assistenz- und Pflegekräfte selbst beschäftigt würden, bestehe nach einhelliger Rechtsprechung Anspruch auf mindestens ein Drittel des Pflegegeldes. Hiermit könnten bzw. sollten Hilfeleistungen in Notfällen oder planwidrige Versorgungslücken aufgefangen werden.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die Klägerin erhalte ab dem 1. Januar 2020 umfassende Assistenzleistungen in Form eines persönlichen Budgets. Der Anspruch auf das (gekürzte) Pflegegeld gemäß § 63b Abs. 5 SGB XII bestehe nur, wenn ein Anspruch auf Pflegegeld nach § 64a SGB XII gegeben sei. Dies sei nicht der Fall. Die für den streitigen Anspruch vorausgesetzte Leistungskonkurrenz scheide also aus.
Mit Beschluss vom 3. November 2020 hat das SG die beiden Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Mit Urteil vom 17. November 2020 (S 9 SO 541/20) hat das SG die Klagen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zahlung eines (gekürzten) Pflegegeldes in den Kalenderjahren 2019 und 2020. § 64a Abs. 1 Satz 2 SGB XII regele die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gewährung eines Pflegegeldes. §63b Abs. 5 SGB XII hingegen enthalte lediglich eine die Rechtsfolgenseite betreffende Kürzungsvorschrift. Gemäß § 64a Abs. 1 Satz 2 SGB XII sei tatbestandliche Voraussetzung für das Pflegegeld, dass die pflegebedürftige Person das Pflegegeld benötige, um die Pflege „selbst sicherzustellen“. Schon aufgrund des Wortlauts begegne es deshalb Bedenken, wenn in der Rechtsprechung davon ausgegangen werde, entscheidend sei lediglich, dass die Möglichkeit bestehe, dass der pflegerische Bedarf von der pflegebedürftigen Person selbst sichergestellt werden könne bzw. müsse. Vielmehr spräche der Gesetzeswortlaut dafür, dass ein Pflegebedarf bestehen müsse bzw. noch offen sei, für dessen tatsächliche Sicherstellung die pflegebedürftige Person ein Pflegegeld benötige. Wenn in diesem Zusammenhang weiter davon ausgegangen werde, dass der Anspruch auf Pflegegeld unter dem Gesichtspunkt der Zweckverfehlung nur dann entfiele, wenn im Ergebnis sicher feststehe, dass aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles keine Notwendigkeit bestehe, neben professionellen Pflegekräften auch private Pflegekräfte einzusetzen, sodass die Zahlung des Pflegegeldes auch bei 24-stündiger „Rund-und-um-die-Uhr-Betreuung“ durch einen Pflegedienst nur unter drastischen Voraussetzungen verweigert werden könne, da auch in einer solchen Situation ein noch offener, auf sonstige Weise zu deckender Pflegebedarf nicht ausgeschlossen werden könne, gehe dies über den Gesetzeswortlaut hinaus und verkenne, dass im Sozialrecht ein strenger Gesetzesvorbehalt gelte. Im Übrigen sprächen auch rechtssystematische Grundsätze gegen ein solches Ergebnis, das Sozialhilferecht werde grundlegend durch den Bedarfsdeckungsgrundsatz geprägt. Dies bedeute, dass die Sozialhilfe nur dann eintrete, wenn tatsächlich ein offener Bedarf vorliege; hypothetische Überlegungen begründeten keinen sozialhilferechtlichen Bedarf. Die Klägerin habe keinerlei konkrete Angaben gemacht, zu welchen besonderen Zwecken von der zusätzlich zu der ohnehin sichergestellten „24-Stunden-Pflege“ bzw. „24-Stunden-Assistenz“ noch ein Pflegegeld benötigt werde. Das diesbezügliche Vorbringen sei vage und offen. Die Kammer gehe unter bewusster Abweichung von der hierzu vorliegenden Rechtsprechung davon aus, bei einer 24-stündigen Betreuung durch professionelle Pflege- und Assistenzkräfte die Zahlung eines Pflegegeldes nach § 64a Abs. 1 Satz 2 SGB XII schon auf Tatbestandsseite nur in Frage komme, wenn tatsächlich noch ein offener, durch den Pflegedienst nicht abgedeckter „Pflegerest“ verbleibe. Die Argumentation, dass § 63b Abs. 5 SGB XII zeige, dass auch bei dem Einsatz professioneller Pflegekräfte ein um bis zu zwei Drittel gekürztes Pflegegeld beansprucht werden könne, überzeuge nicht. Zum einen stünden die oben angeführten rechtssystematischen Erwägungen entgegen. Zum anderen beschränke sich der Anwendungsbereich dieser Kürzungsvorschrift unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck bei teleologischer Auslegung auf Fallkonstellationen, in denen die Pflege im Rahmen eines „Mischmodells“ gleichzeitig sowohl durch professionelle Kräfte als auch durch private Kräfte erfolge. Denn nur dann sei es überhaupt denkbar, dass die pflegebedürftige Person das Pflegegeld zur (teilweisen) Sicherstellung der Pflege benötige. Für das Kalenderjahr 2020 sei weiterhin zu beachten, dass die Leistungen der Klägerin nunmehr im Rahmen eines persönlichen Budgets erbracht würden. Nach der Zielvereinbarung vom 15. November 2019 solle das persönliche Budget mit einem Monatsbetrag von 16.750,00 € der Klägerin eine umfassende Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, eine ausreichende häusliche Pflege und hauswirtschaftliche Versorgung sowie die notwendige Teilhabe am Arbeitsleben und eine individuelle Freizeitgestaltung ermöglichen. Hierzu solle die Klägerin aus dem persönlichen Budget selbst ausgesuchte Assistenten bzw. geeignetes Pflegepersonal finanzieren. Deshalb sei davon auszugehen, dass neben der Monatspauschale zusätzliche Leistungen bzw. Zahlungen, die die angeführten Bedarfslagen beträfen, ausgeschlossen seien. Zwar möge es so sein, dass die Klägerin das persönliche Budget ausschließlich für die entgeltlichen personellen Unterstützungen im Rahmen des Arbeitgebermodells beantragt habe. Eine derartige Begrenzung finde sich jedoch in der Zielvereinbarung vom 15. November 2019, welche den Charakter eines öffentlich-rechtlichen Vertrages habe, nicht. Im Rahmen einer objektiven, am Empfängerhorizont orientierten Auslegung der Zielvereinbarung ergäbe sich, dass neben der Budgetpauschale kein Raum für zweckidentische Einzelansprüche sein solle. Hiervon gehe auch die Beklagte aus, denn die monatliche Budgetpauschale schließe nach Ziff. 3 des Bescheides vom 1. April 2020 ausdrücklich ein (ungekürztes) monatliches Pflegegeld von 728,00 € ein. Dass daneben kein Anspruch auf ein gekürztes Pflegegeld nach § 63b Abs. 5 SGB XII bestehen könne, verstehe sich von selbst.
Gegen das der Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 19. November 2020 zugestellte Urteil hat sie am 7. Dezember 2020 schriftlich zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung (ursprünglich Az.: L 2 SO 3877/20) eingelegt und unter Bezugnahme auf ihr bisheriges Vorbringen ergänzend vorgetragen, der Rechtsauffassung des SG stehe eine gefestigte einheitliche Rechtsprechung entgegen. Im Sinne der „Sicherstellung der Pflege“ gemäß § 64a SGB XII komme es danach nicht darauf an, ob die Klägerin den gesamten pflegerischen Bedarf mit dem Pflegegeld abdecken könne und faktisch auch abdecke. Entscheidend sei vielmehr, dass neben den übrigen Pflegeleistungen noch die Möglichkeit bestehe, den pflegerischen Bedarf selbst sicherstellen zu können und gegebenenfalls zu müssen; dies sei schon dann zu bejahen, wenn trotz der Einschaltung von Pflegekräften Nachbar- oder verwandtschaftliche Hilfe in Anspruch genommen werden müsse oder ein unvorhergesehener Pflegebedarf selbst sicherzustellen sei. Die Rechtsprechung gehe davon aus, dass ein “offener“ Pflegebedarf bei lebensnaher Betrachtung selbst (oder gerade) bei einer „Rund-um-die-Uhr-Versorgung“ durch professionelle Pflegekräfte so naheliegend sei, dass grundsätzlich von einem bestehenden „offenen“ Pflegebedarf ausgegangen werden könne und müsse, der im konkreten Einzelfall vom Sozialhilfeträger zu widerlegen wäre. Dies beispielsweise schon deshalb, weil in der Regel kein vernünftiger Zweifel daran bestehen könne, dass auch bei einer 24-Stunden-Versorgung durch professionelle Pflegekräfte diese unvorhergesehen ausfallen könnten und dann bei einer ambulanten Versorgung in der Regel nicht sofort eine professionelle Ersatzkraft bereitstehe und weil dann in der Regel kein vernünftiger Zweifel daran bestehen könne, dass eine Person, die so stark beeinträchtigt sei, dass sie rund um die Uhr auf (professionelle) Pflegekräfte angewiesen sei, in einem solchen Fall auch darauf angewiesen sei, dass Dritte ihr solange Hilfe unentgeltlich leisteten, bis wieder eine professionelle Pflegekraft einsatzbereit sei. Damit seien die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Anspruch der Klägerin auf das Pflegegeld gemäß § 64a SGB XII nach der gefestigten Rechtsprechung erfüllt. Bei der 24-stündigen Versorgung der Klägerin durch professionelle Pflegekräfte komme es auch tatsächlich vor, dass die diensthabende Assistentin so kurzfristig ausfalle, dass nicht mehr rechtzeitig eine professionelle Ersatzkraft organisiert werden könne. Dann müssten tatsächlich Freunde der Klägerin einspringen, um die Zeit zu überbrücken. Tatsächlich komme es vor, dass die Klägerin die Wohnung von Zeit zu Zeit wegen Krankheit, phasenweise wegen eines besonders gesteigerten Hilfebedarfs beim Abhusten oder bei der Beatmung oder wegen vermehrter plötzlich einschießender Spastiken nicht verlassen könne; dann könne sie mit einer Assistentin auch nicht zum Einkaufen gehen oder Besorgungen zur Aufrechterhaltung des Haushalts außerhalb der Wohnung erledigen. Dann müssten Freunde für die Klägerin einkaufen oder Besorgungen außer Haus erledigen, während die diensthabende Assistentin bei der Klägerin bleibe. Es komme vor, dass ein Transfer der Klägerin schiefgehe, sodass die Klägerin unvorhergesehen auf dem Boden zu liegen komme. Eine Assistentin allein sei dann nicht in der Lage, sie vom Boden aufzuheben; es müssten dann Nachbarn gebeten werden, zu helfen. Auch sei der Anspruch der Klägerin auf das Garantiepflegegeld ab 2020 nicht durch die am 15. November 2019 geschlossene Zielvereinbarung ausgeschlossen. Der verbindliche Inhalt einer Zielvereinbarung sei im Wege der Auslegung gemäß §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. § 61 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu ermitteln. Bei der Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont sei neben dem Wortlaut der Erklärung auch der mit dem Vertragsschluss verfolgte Zweck, die Interessenlage der Parteien und die sonstigen Begleitumstände zu beachten. Bei den Begleitumständen seien auch außerhalb der Erklärung liegende Umstände mit zu berücksichtigen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zuließen und dem Empfänger bekannt oder erkennbar gewesen seien. Am 15. November 2019 sei keine Zielvereinbarung über eine umfassende komplexe Leistung geschlossen worden. Dies sei schon daraus ersichtlich, dass die Beklagte über den in der Zielvereinbarung vom 15. November 2019 genannten Betrag hinaus mit gesonderten Bescheiden vom 25. Januar 2020 und 27. Januar 2020 weitere Leistungen zur Teilhabe bewilligt habe. Bei der Zielvereinbarung vom 15. November 2019 handele es sich demnach nicht um eine alle Hilfebedarfe der Klägerin umfassend regelnde Zielvereinbarung im Sinne von § 29 Abs. 4 SGB IX. Eine sachgerechte Auslegung der Zielvereinbarung vom 15. November 2019 könne nicht ergeben, dass die Klägerin und die Beklagte darin übereingekommen wären, dass kein Garantiepflegegeld erbracht werde. Ein solcher Ausschluss bzw. Verzicht sei aus dem Wortlaut des öffentlich-rechtlichen Vertrags nicht zu entnehmen und auch die übrigen beiden Parteien gleichermaßen bekannten Umstände der Antragstellung, der Vertragshandlungen und des Vertragsschlusses sprächen nicht dafür. Aus den zu dem Antragsverfahren vorliegenden Unterlagen gehe hervor, dass beide Vertragsparteien übereinstimmend davon ausgingen, dass Gegenstand der Zielvereinbarung allein die Kosten der entgeltlichen personellen Unterstützung seien. In die Berechnung der Geldleistung seien ausschließlich die Kosten des „Arbeitgebermodells“ eingeflossen. Die Beklagte sei - wie es aus ihrer streitgegenständlichen Entscheidung ersichtlich werde - der Auffassung, dass der Anspruch gemäß § 64 SGB XII für Hilfe zur Pflege für die Klägerin wegen § 103 SGB IX gar nicht in Betracht komme, weil die Klägerin Leistungen der Eingliederungshilfe erhalte, sodass für die Beklagte nicht einmal eine Prüfung der Anspruchsgrundlage des § 64a SGB XII, des darin geregelten Hilfebedarfs und der Konkurrenzregelung des § 63b Abs. 5 SGB XII in Betracht komme. Demnach könne es nicht die Absicht der Beklagten gewesen sein, einen Anspruch auf das Garantiepflegegeld auch noch durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag auszuschließen. Dass mit der Zielvereinbarung oder dem Bescheid vom 1. April 2020 der Anspruch der Klägerin auf das Garantiepflegegeld ausgeschlossen habe werden sollen, könne auch nicht daraus abgeleitet werden, dass die mit Bescheid vom 1. April 2020 ab 1. Januar 2020 bewilligte monatliche Geldleistung nach Ziff. 3 des Bescheides „ausdrücklich ein monatliches Pflegegeld von 728,00 €“ einschließe. Bei diesem Betrag handele es sich ausdrücklich laut der Zielvereinbarung und des Bescheides um das Pflegegeld der Pflegeversicherung gemäß § 37 SGB XI und nicht um das Pflegegeld gemäß § 64a SGB XII. Der Auffassung der Beklagten, dass der Klägerin Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX bewilligt worden seien und keine Leistungen der Hilfe zur Pflege, weshalb auch ein Pflegegeld gemäß § 64a SGB XI nicht in Betracht komme, sei unzutreffend. Nicht nur die Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII, sondern mit § 103 Abs. 2 Satz 1 SGB IX ausdrücklich auch die Leistungen der ambulanten häuslichen Pflege nach den §§ 64a bis 64f, 64i und 66 SGB XII seien vom Gesetzgeber in den Teil 2 des SGB IX aufgenommen und damit in die sachliche Zuständigkeit des Eingliederungshilfeträgers überführt worden. Auch kämen für die Leistungen der ambulanten häuslichen Pflege nicht die Einkommens- und Vermögensschutzregelungen des SGB XII in Anwendung. Weder ergäbe sich aus dem Gesetzeswortlaut noch sei anderweitig ersichtlich, dass nach Teil 2 des SGB IX leistungsberechtigte Menschen mit Pflegebedarf und vor dem Rentenalter eingetretener Behinderung wegen ihres Anspruchs auf irgendeine der in §§ 103 Abs. 2 Satz 1 SGB IX benannten Leistungen der häuslichen Pflege den Regelungen des Elften Kapitels des SGB XII unterworfen werden sollten. Es sei aus dem Gesetz und den Gesetzesmaterialien auch nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Anwendung des § 63b SGB XII oder auch nur speziell des § 63b Abs. 5 SGB XII im Rahmen der Leistungen der Eingliederungshilfe gemäß § 103 Abs. 2 Satz 1 SGB IX ganz oder teilweise habe ausschließen wollen oder dass er dies im Hinblick auf § 103 Abs. 2 Satz 1 SGB IX in der am 1. Januar 2020 in Kraft getretenen Fassung versehentlich unterlassen hätte. Die Vorgehensweise der Beklagten, einen eingliederungshilfeberechtigten Menschen mit Pflegebedarf wegen seines Anspruchs auf eine der in §§ 103 Abs. 2 Satz 1 SGB IX genannten Leistungen der häuslichen Pflege den Regelungen des Elften Kapitels des SGB XII zu unterwerfen, sei vom Gesetzgeber seit dem 1. Januar 2020 offensichtlich nicht mehr vorgesehen. Alle Leistungen nach den §§ 64a bis 64f, 64i und 66 SGB XII für den pflegerischen Hilfebedarf eines nach Teil 2 des SGB IX Leistungsberechtigten seien vom Träger der Eingliederungshilfe zu erbringen, soweit der Leistungsberechtigte nicht auf den Einsatz seines Einkommens und Vermögens oberhalb der in Teil 2 Kap. 9 des SGB IX definierten Grenzen verwiesen werden könne.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 17. November 2020 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. April 2020 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin anteiliges Pflegegeld in Höhe von 243,00 € monatlich ab 1. Januar 2020 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
§ 103 SGB IX regele, dass die Leistungen der Eingliederungshilfe auch Pflegeleistungen umfassten. Die Prüfung der Bedarfsdeckung erfolge ausschließlich nach den Vorgaben des SGB IX. Die Bedürftigkeitsprüfung der Sozialhilfe - Hilfe zur Pflege - nach § 63a SGB XII entfalle für diesen Personenkreis. Vorliegend würden von der Beklagten somit keine Leistungen der Hilfe zur Pflege nach den Vorgaben des SGB XII gewährt. Der Bedarf der Klägerin sei umfassend im Rahmen der Gesamtplanung erhoben worden. Es sei die Anerkennung eines Bedarfs im Umfang von 24 Stunden erfolgt. Darüber hinaus könnten keine ungedeckten Bedarfe festgestellt werden, die mit einem zusätzlichen Pauschalbetrag hätten abgedeckt werden müssen. Auch aus der Zielvereinbarung ergäbe sich nichts Anderes. Der in der Zielvereinbarung verwendete Begriff „häusliche Pflege“ sei nicht identisch mit dem Begriff einer Pflegeleistung. Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII seien damit nicht gemeint. Gemäß § 103 Abs. 2 SGB IX werde durch die Leistungsgewährung der Hilfe zur Pflege nach dieser Vorschrift die Leistungsgewährung nach dem Siebten Kapitel des SGB XII durch den Träger der Hilfe zur Pflege ausgeschlossen. Eine Bedürftigkeitsprüfung nach dem SGB XII entfalle. Werde trotzdem davon ausgegangen, dass die gegenüber der Eingliederungshilfe nachrangigen Leistungen der Hilfe zur Pflege nach den Vorgaben des SGB XII neben den Leistungen der Eingliederungshilfe gewährt werden könnten, seien die Vorgaben des SGB XII zu prüfen; es habe dann insbesondere eine Bedürftigkeitsprüfung nach den Vorgaben des SGB XII zu erfolgen.
Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 12. Oktober 2021 haben die Beteiligten zur teilweisen Erledigung des Rechtsstreits (Az.: L 2 SO 3877/20) einen Vergleich geschlossen, wonach die Beklagte der Klägerin das anteilige Pflegegeld in Höhe von 243,00 € monatlich für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2019 gewährt.
Mit Beschluss vom 12. Oktober 2021 hat der erkennende Senat die verbundenen Verfahren S 9 SO 541/20 (betreffend Zeitraum 1. Januar 2019 bis 31. Dezember 2019) und S 9 SO 967/20 (betreffend die Zeit ab 1. Januar 2020) getrennt. Das abgetrennte Verfahren S 9 SO 967/20 wurde als Berufung nun unter dem Aktenzeichen L 2 SO 3211/21 weitergeführt.
Die Bevollmächtigte der Klägerin hat mit Schreiben vom 30. August 2023 und die Beklagte mit Schreiben vom 15. September 2023 einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl.§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Berufung der Klägerin hat Erfolg.
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist auch begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klägerin hat einen Anspruch auf „Weitergewährung“ anteiligen Pflegegeldes ab 1. Januar 2020.
Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. April 2020, mit dem die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 30. November 2019 auf Gewährung eines anteiligen Pflegegeldes ab 1. Januar 2020 abgelehnt hat. Nachdem mit Beschluss vom 12. Oktober 2021 die verbundenen Verfahren S 9 SO 541/20 und S 9 SO 967/20 getrennt worden sind und sich die Beklagte am 12. Oktober 2021 in dem Verfahren S 9 SO 541/20 verpflichtet hat, der Klägerin anteiliges Pflegegeld in Höhe von 243,00 € monatlich für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2019 zu gewähren ist (noch) die Gewährung des anteiligen Pflegegeldes ab 1. Januar 2020 im Streit. Dagegen geht die Klägerin mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage vor (§ 54 Abs. 1 und 4, § 56 SGG).
Die Klage richtet sich gegen die richtige Beklagte, da diese den Bescheid erlassen hat.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf anteiliges (gekürztes) Pflegegeld ist § 99 SGB IX i.V.m. § 103 Abs. 2 SGB IX.
Die Klägerin gehört unzweifelhaft und nach übereinstimmender Ansicht der Beteiligten zum Personenkreis der Leistungsberechtigten auf Eingliederungshilfe nach §§ 90, 99 SGB IX i.V.m. § 53 Abs. 1 und 2 SGB XII und den §§ 1 bis 3 Eingliederungshilfe-Verordnung in der bis zum 31. Dezember 2019 gültigen Fassung. Die Klägerin leidet an einer beinbetonten spastischen tetraplegischen Cerebralparese, einer ausgeprägten Stand- und Gangstörung, einer psychophysischen Belastbarkeitsminderung und einer Inaktivitätsosteoporose. Seit Geburt liegt bei der Klägerin eine spastische tetraplegische Cerebralparese vor. Sie ist motorisch deutlich eingeschränkt; seit April 2018 erfolgt bei einer insuffizienten Atemwegsmuskulatur eine nächtliche CPAP-Beatmung. Ebenso ist der Anspruch der Klägerin auf Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der sozialen Teilhabe gemäß §§ 103 Abs. 1 Nr. 4, 113 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, 78 SGB IX und in Form der häuslichen Pflege nach § 103 Abs. 2 SGB IX i.V.m. § 64b Abs. 1 und Abs. 2 SGB XII als pflegerische Betreuungsmaßnahmen und Hilfen bei der Haushaltsführung gegeben; dies ist zwischen den Beteiligten ebenfalls unstrittig. Im Herbst 2019 sind die Beteiligten übereingekommen, die für die Klägerin bestimmten Leistungen ab 1. Januar 2020 in Form eines persönlichen trägerübergreifenden Budgets zu erbringen (diesbezügliche Zielvereinbarung vom 15. November 2019). Mit Bescheid vom 1. April 2020 hat die Beklagte der Klägerin ein trägerübergreifendes persönliches Budget ab 1. Januar 2020 nach §§ 29 und 105 Abs. 4 SGB IX gewährt. Dies setzt sich u. a. aus folgenden Teilbudgets zusammen: Kosten für Assistenzleistungen zur Deckung des Eingliederungshilfe- und häuslichen Pflegebedarfs als Leistung zur sozialen Teilhabe nach §§ 113 i.V.m. 103 SGB IX (Assistenz zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und zur Teilhabe am Beruf in Form von 9,08 Stunden täglich, häusliche Pflege auf Grundlage des Pflegegrades 4 im Umfang von 4,92 Stunden täglich).
Nach diesen Vorschriften umfassen Leistungen der Eingliederungshilfe auch Leistungen der sozialen Teilhabe - in Form von Assistenzleistungen -, die dazu dienen, den behinderten Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern und den Leistungsberechtigten zu einer möglichst selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung im eigenen Wohnraum sowie in seinem Sozialraum zu befähigen oder ihn hierbei zu unterstützen, soweit solche Leistungen nicht nach den Kap. 3 bis 5 des SGB IX erbracht werden. Zur selbstbestimmten und eigenständigen Bewältigung des Alltages einschließlich der Tagesstrukturierung werden Leistungen für Assistenz erbracht. Sie umfassen insbesondere Leistungen für die allgemeinen Erledigungen des Alltags wie die Haushaltsführung, Gestaltung sozialer Beziehungen, die persönliche Lebensplanung, die Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben sowie auch die Teilhabe am Beruf.
Werden - wie vorliegend - Leistungen der Eingliederungshilfe außerhalb von Einrichtungen und Räumlichkeiten im Sinne des § 43a SGB XI i.V.m. § 71 Abs. 4 SGB XI erbracht - die Klägerin lebt (selbstständig) in einer eigenen Wohnung -, umfasst die Leistung auch die Leistungen der häuslichen Pflege nach den §§ 64a bis 64f, 64i und 66 SGB XII, solange die Teilhabeziele nach Maßgabe des Gesamtplans (§ 121 SGB IX) erreicht werden können, es sei denn, der Leistungsberechtigte hat vor Vollendung des für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) erforderlichen Lebensjahres keine Leistung und Eingliederungshilfe erhalten (§ 103 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Nach § 64b Abs. 1 und 2 SGB XII haben Pflegebedürftige der Pflegegrade 2, 3, 4 oder 5 Anspruch auf körperbezogene Pflegemaßnahmen und pflegerische Betreuungsmaßnahmen sowie auf Hilfen bei der Haushaltsführung als Pflegesachleistung (häusliche Pflegehilfe), soweit die häusliche Pflege nach § 64 SGB XII nicht sichergestellt werden kann. Die Leistungen der häuslichen Pflege nach den §§ 64a bis 64f, 64i und 66 SGB XII umfassen dabei nur die entsprechenden Pflegeleistungen, die sich aus dem Recht der gesetzlichen Pflegeversicherung nach dem SGB XI ergeben. Diesen aufgeführten Vorschriften entsprechend hat die Beklagte mit Bescheid vom 1. April 2020 die Leistungen der sozialen Teilhabe und der häuslichen Pflegehilfe entsprechend § 64b SGB XII gewährt.
Darüber hinaus besteht jedoch auch ein Anspruch auf die Gewährung von Leistungen der häuslichen Pflege nach § 103 Abs. 2 SGB IX als Hilfe zur Pflege in Form von (gekürztem) Pflegegeld entsprechend § 64a Abs. 1 i.V.m. § 63b Abs. 5 SGB XII.
Werden Eingliederungshilfeleistungen außerhalb von Einrichtungen und Räumlichkeiten im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI erbracht - also wie vorliegend bei der Klägerin im häuslichen Bereich -, so umfassen diese auch die Leistungen der häuslichen Pflege nach §§ 64a bis 64f, 64i und 66 SGB XII, solange die im Gesamtplan festgelegten Teilhabeziele noch erreicht werden können. Im Einzelnen handelt es sich dabei um das Pflegegeld (§ 64a SGB XII), die - von der Beklagten bereits ab 1. Januar 2020 gewährte - häusliche Pflegehilfe (§ 64b SGB XII), Verhinderungspflege (§ 64c SGB XII), Pflegehilfsmittel (§ 64d SGB XII), Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes (§ 64e SGB XII), andere Leistungen (§ 64f SGB XII), den Entlastungsbetrag nach Pflegegrad 2 bis 5 (§ 64i SGB XII) und den Entlastungsbetrag bei Pflegegrad 1. Gemäß § 103 Abs. 2 Satz 1 SGB IX „umfassen“ Leistungen der Eingliederungshilfe auch die Leistungen der genannten häuslichen Pflege. Die aufgeführten Leistungen sind in Gestalt eines auftragsähnlichen Verhältnisses vom Eingliederungshilfeträger zu erbringen; seit dem 1. Januar 2020 werden demnach die Pflegehilfen des SGB XII unter bestimmten Prämissen zu Eingliederungshilfeleistung (vgl. Eicher in JM 2022, S. 242 ff.). Der Senat hält deshalb die Auffassung der Beklagten, § 103 SGB IX regele, dass die Leistungen der Eingliederungshilfe auch Pflegeleistungen umfassten, die Bedürftigkeitsprüfung der Sozialhilfe nach § 63a SGB XII für diesen Personenkreis somit entfalle und die Beklagte vorliegend somit keine Leistungen der Hilfe zur Pflege nach den Vorgaben des SGB XII gewähre, für nicht zutreffend. Sie findet eine Grundlage weder im Wortlaut des §103 Abs. 2 SGB IX noch in den von der Beklagten selbst in ihrem Schriftsatz vom 21. Juli 2022 zitierten Gesetzesmotiven mit Bezugnahme auf BT-Drucks. 18/9522, S. 278 f. Die Eingliederungshilfe nach dem SGB IX umfasst nach dem klaren Wortlaut des § 103 Abs. 2 SGB IX die genannten Leistungen der häuslichen Hilfe zur Pflege des SGB XII, und damit auch das Pflegegeld gemäß § 64a SGB XII. Die Beklagte hat daher - weil auch die weiteren Voraussetzungen für die Gewährung eines gekürzten Pflegegeldes gegeben sind - der Klägerin dieses zu gewähren.
Die Klägerin hat einen entsprechenden Pflegebedarf im Sinne des § 61a SGB XII. Bei der Klägerin ist seitens der Pflegekasse Pflegegrad 4 festgestellt. Gemäß § 62a SGB XII ist die Entscheidung der Pflegekasse über den Pflegegrad auch für die Beklagte als Eingliederungshilfeträger bindend.
Gem. § 64a Abs. 1 S. 1 SGB XII haben Pflegebedürftige der Pflegegrade 2, 3, 4 oder 5 bei häuslicher Pflege Anspruch auf Pflegegeld in Höhe des Pflegegeldes nach § 37 Abs. 1 SGB XI. Weitere Voraussetzung ist gem. § 64a Abs. 1 S. 2 SGB XII, dass die Pflegebedürftigen die erforderliche Pflege mit dem Pflegegeld in geeigneter Weise selbst sicherstellen. § 64a Abs. 1 S. 2 SGB XII steht einem Anspruch auf Pflegegeld auch nicht entgegen, wenn der Pflegebedürftige ausschließlich von professionellen Pflegekräften versorgt wird, selbst wenn dies "rund-um-die-Uhr" erfolgt (H. Schellhorn, in: Schellhorn/Hohm/Scheider/Legros, SGB XII, 20. Aufl. 2020, § 64a Rn. 7; BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 - 5 C 7/02 - juris Rn. 13 ff.). Denn dies führt nicht ohne weiteres zu der Annahme, dass keinerlei Pflegebedarf mehr in Eigenverantwortung abgedeckt wird. Entscheidend ist lediglich, dass die Möglichkeit besteht, dass pflegerischer Bedarf selbst sichergestellt werden kann und muss. Diese Voraussetzung ist aber auch schon dann zu bejahen, wenn in verbleibenden Zeiträumen bei Nichtanwesenheit einer Pflegefachkraft nachbar-
oder verwandtschaftliche Hilfe in Anspruch genommen werden muss oder aber ein unvorhergesehener Pflegebedarf von der Klägerin selbst sicherzustellen ist. Daher können trotz professioneller Pflege Zwischenräume verbleiben, in denen Pflege auch noch selbst zu organisieren ist. Schon für diese müssen der pflegebedürftigen Person die finanziellen Anreize durch das Pflegegeld zur Verfügung stehen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich Pflege durch Verwandte oder Nachbarn in Anspruch genommen wird. Es muss lediglich immer wieder die Möglichkeit dafür bestehen (vgl. BSG, Urteil vom 25. April 2013 - B 8 SO 8/12 R -, juris Rn. 16/17; Sächsisches LSG, Beschluss vom 10. November 2020 - L 8 SO 67/20 B ER -, juris Rn. 29; Meßling in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 64a SGB XII Rn. 22). Diese Regelung dient dazu, eine Zweckverfehlung der Pflegegeldgewährung etwa infolge bestimmungswidriger Verwendung des Pflegegeldes oder bei Mängeln der selbst organisierten Pflege zu verhindern; die Zwecksetzung des Pflegegeldes selbst bleibt hiervon hingegen unberührt (BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 - 5 C 7/02 -, Rn. 14).
Vorliegend besteht bei der Klägerin über die ihr gewährte professionelle Hilfe seitens der von ihr im „Arbeitgebermodell“ beschäftigten Assistenzkräfte hinaus auch ein weiterer pflegerischer Bedarf, der von ihr sichergestellt werden könnte oder müsste. Die Klägerin hat überzeugend immer wieder auftretende weitere pflegerische Bedarfe auch über die „Rund-um-die-Uhr-Versorgung“ hinaus benannt, die sie mit dem gekürzten Pflegegeld abdecken könnte. Die Klägerin hat überzeugend vorgetragen, dass beispielsweise die Situation auftritt, dass sich angesichts der vorliegenden Atmungsschwierigkeiten, welche immer wieder auftreten bzw. auftreten können, eine Assistenzkraft ständig in ihrer unmittelbaren Nähe aufhalten muss, weshalb beispielsweise Verrichtungen der hauswirtschaftlichen Versorgung wie Einkäufe etc. von dieser Assistenzkraft nicht vorgenommen werden können. Diese Verrichtungen würden dann „Dritte“ übernehmen. Die Klägerin verschafft sich seit 1. Januar 2020 die erforderliche Betreuung und Pflege im “Arbeitgebermodell“ durch von ihr beschäftigte Assistenz-und Pflegekräfte. Es kommt vor bzw. kann vorkommen, dass kurzfristig die von ihr beschäftigte „Betreuungsperson“ ausfällt und „ad hoc“ eine andere von ihr beschäftigte „Betreuungsperson“ nicht einspringen kann. In diesem “Notfall“ ist die Klägerin auf die Hilfe Dritter angewiesen. Somit steht für den Senat fest, dass auch angesichts der „Rund-um-die-Uhr-Versorgung“ im „Arbeitgebermodell“ ein weiterer pflegerischer Bedarf für die Klägerin besteht. Die Voraussetzung für Pflegegeld, also, dass die pflegebedürftige Person die häusliche Pflege „in geeigneter Weise selbst sicherstellen“ kann, liegt vor.
Ein Anspruch der Klägerin auf anteiliges Pflegegeld gemäß § 103 Abs. 2 SGB IX i.V.m. §§ 64a, 63b Abs. 5 SGBXII ist auch nicht durch die am 15. November 2019 geschlossene Zielvereinbarung zwischen den Beteiligten bzw. durch den diese Zielvereinbarung umsetzenden Bescheid vom 1. April 2020 über die Gewährung eines trägerübergreifenden persönlichen Budgets ab 1. Januar 2020 ausgeschlossen. Der Zielvereinbarung vom 15. November 2019 und dem nachfolgenden und sie umsetzenden Bescheid vom 1. April 2020 kann nicht entnommen werden, dass mit dieser Leistungsgewährung der Bedarf der Klägerin „umfassend im Rahmen der Gesamtplanung“ erhoben und erfüllt wird. Dies wird schon dadurch deutlich, dass die Beklagte selbst mit weiteren (bestandskräftigen) Bescheiden vom 25. Januar 2020 über die Gewährung einer Kfz-Beihilfe (Übernahme der laufenden Unterhaltskosten des Kraftfahrzeugs mit einer Betriebskostenpauschale) und vom 27. Januar 2020 (Übernahme der Kosten für ein Assistenzzimmer) weitere Bedarfe der Klägerin festgestellt und dafür Leistungen der Eingliederungshilfe gewährt hat. Eine am Maßstab des § 61 Satz 2 SGB X i.V.m. §§ 133, 157 BGB vorzunehmende Auslegung des öffentlich-rechtlichen Vertrages Zielvereinbarung vom 15. November 2019 ergibt nicht, dass die Beteiligten mit dieser Zielvereinbarung darin übereingekommen wären, dass kein anteiliges Pflegegeld zu gewähren ist bzw. die Gewährung eines anteiligen Pflegegeldes (rechtlich) ausgeschlossen ist. Der Senat folgt der Ansicht der Klägerin, dass mit Blick auf den Inhalt der Zielvereinbarung vom 15. November 2019 die beteiligten Vertragsparteien übereinstimmend davon ausgegangen sind, dass Gegenstand der Zielvereinbarung allein die Kosten der entgeltlichen personellen Unterstützung der Klägerin waren. Die Klägerin hatte nur eine Geldleistung für die Kosten des Arbeitgebermodells anstelle der Sachleistung für den ambulanten Dienst beantragt. Zum Antrag wurden nur Unterlagen über die Kosten der entgeltlichen Versorgung im Rahmen des Arbeitgebermodells vorgelegt und seitens der Beklagten geprüft. Im Übrigen war die Beklagte zum damaligen Zeitpunkt und ist immer noch der Auffassung, dass ein Anspruch der Klägerin auf Leistungen der Hilfe zur Pflege (auch Pflegegeld) gem. § 103 SGB IX rechtlich gar nicht in Betracht komme, da die Klägerin Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zweiten Teil des SGB IX erhalte. Es wäre nicht nachvollziehbar, dass es dann Absicht der Beklagten hätte sein sollen, einen solchen von ihr schon verneinten Leistungsanspruch (nochmals) durch die Zielvereinbarung vom 15. November 2019 bzw. durch den diese umsetzenden Bewilligungsbescheid vom 1. April 2020 abzubedingen. Offenkundig ist auch, dass die Klägerin nicht den Willen gehabt hat, ihren bis dahin geltend gemachten Anspruch auf Gewährung eines anteiligen Pflegegeldes mit Abschluss der Zielvereinbarung vom 15. November 2019 aufzugeben. Zum damaligen Zeitpunkt führte die Klägerin bereits ein Widerspruchsverfahren gegen die Ablehnung des von ihr begehrten anteiligen Pflegegeldes durch (Ablehnungsbescheid vom 16. September 2019, Widerspruchserhebung dagegen am 7. Oktober 2019). Diesen Anspruch hat die Klägerin auch mit entsprechender Klage und Berufung weiterverfolgt.
Die Klägerin ist auch bezüglich der begehrten Eingliederungshilfeleistung in Form von anteiligem Pflegegeld bedürftig. Bei den in § 103 Abs.2 SGB IX genannten und als Eingliederungshilfeleistung zu erbringenden Leistungen der häuslichen Pflege gilt gemäß § 92 SGB IX, dass zu den Leistungen der Eingliederungshilfe nach Maßgabe des Kapitels 9 ein Beitrag aufzubringen ist. Dies bedeutet, dass die Auffassung der Beklagten unzutreffend ist, bei einer Gewährung der Leistungen häuslicher Pflege im Sinne des SGB XII, wenn dem Leistungsberechtigten „vorrangige“ Eingliederungshilfeleistungen nach dem SGB IX zu gewähren sind, müsse (dennoch) eine Einkommens- und Vermögensprüfung nach den Regelungen des SGB XII durchgeführt werden. Die Eingliederungshilfe umfasst die Leistungen der genannten häuslichen Pflege (auch Pflegegeld) bei dem Personenkreis, der schon vor Vollendung der Regelaltersgrenze im Sinne des § 235 SGB VI außerhalb von Einrichtungen und Räumlichkeiten Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten hat. Somit ist für Pflegeleistungen der Träger der Eingliederungshilfe verantwortlich mit der Folge, dass in diesem Fall die Bedürftigkeitsprüfung nach dem SGB XII entfällt (vgl. juris-Praxiskommentar, SGB IX, § 103 Rn. 20). Da dieser Personenkreis in der Regel aufgrund seiner Behinderung nicht in der Lage ist, bis zum Eintritt der Regelaltersgrenze eine adäquate Risikovorsorge zu treffen, soll er durch die Regelung privilegiert werden (vgl. Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 18/10523, S. 61). Die Rechtsauffassung der Beklagten würde also darauf hinauslaufen, dass die vom Gesetzgeber ausdrücklich gewünschte Privilegierung von Personen wie der Klägerin bezüglich der Einkommens- und Vermögensprüfung nicht greifen würde.
Gemäß § 136 Abs. 1 SGB IX ist bei den Leistungen der Eingliederungshilfe ein Beitrag zu den Aufwendungen aufzubringen, wenn das Einkommen im Sinne des § 135 SGB IX der Antragsteller in Person sowie bei minderjährigen Personen der im Haushalt lebenden Eltern oder des im Haushalt lebenden Elternteils die Beträge nach Abs. 2 übersteigt. Gemäß § 135 Abs. 1 SGB IX ist maßgeblich für die Ermittlung des Beitrages nach § 136 SGB IX die Summe der Einkünfte des Vorjahres nach § 2 Abs. 2 des Einkommenssteuergesetzes sowie bei Renteneinkünften die Bruttorente des Vorjahres. Gemäß § 136 Abs. 2 SGB IX ist ein Beitrag zu den Aufwendungen aufzubringen, wenn das Einkommen im Sinne des § 135 SGB IX überwiegend aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit erzielt wird und 85% der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 des Vierten Buches übersteigt (Nr. 1). Die Klägerin ist versicherungspflichtig beschäftigt. Sie hat im Jahre 2019 ohne den Monat Mai ein nach den genannten Vorschriften zu berücksichtigendes (netto)-Einkommen in Höhe von 21.055,86 €, 2020 in Höhe von 24.891,80 €, 2021 in Höhe von 26.229,21 €, 2022 in Höhe von 29.179,82 € und 2023 bis einschließlich Juli (bislang) in Höhe von 11.532,86 € erzielt. Daneben hat sie vom 15. Mai bis 2. Juni 2023 Übergangsgeld in Höhe von 1.051,27 € und im Zeitraum 3. Juni bis 6. August 2023 Krankengeld in Höhe von 4.120,80 € bezogen. Damit hat sie die gemäß § 136 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX maßgebliche Einkommensgrenze jeweils nicht überschritten. Denn im Jahre 2020 lag der diesbezügliche Grenzwert für das zu berücksichtigende Einkommen aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung bei 32.487,00 €, 2021 und 2022 bei 33.558,00 € und 2023 liegt der Grenzwert bei 34.629,00 €. Einen Einkommensbeitrag zu den begehrten Eingliederungshilfeleistungen (Pflegegeld) hat die Klägerin somit nicht zu leisten.
Nach alledem steht der Klägerin ab 1. Januar 2020 gegen die Beklagte ein Anspruch auf das gemäß § 63b Abs. 5 SGB XII um 2/3 gekürzte Pflegegeld in Höhe von 243,00 € monatlich zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.