Die Frage, ob Leistungen nach dem SGB II für Kosten gewährt werden können, die durch die Inanspruchnahme eines Buchhaltungsservices bei der Abgabe der Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts angefallen sind, hat keine grundsätzliche Bedeutung.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Halle vom 29. September 2023 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt die Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Sozialgerichts (SG) Halle. In der Sache geht es ihm um Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für Kosten, die im Zusammenhang mit der Abgabe einer Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts angefallen sind.
Der Kläger bewohnte eine in seinem Eigentum stehende Immobilie. Er bezog Arbeitslosengeld II vom Beklagten. Dieses war ihm zuletzt für die Zeit von Mai 2022 bis April 2023 bewilligt worden (Bescheid vom 29. März 2022). Mit Schreiben vom 28. Juli 2022 beantragte er beim Beklagten die Übernahme von Kosten, die angefallen waren, weil er für die Abgabe der Grundsteuer-Feststellungserklärung einen Buchhaltungsservice in Anspruch genommen hatte. Beigefügt war dessen Rechnung über 110,91 € für die Leistung „Hilfe bei der Erkl. GrStG Bund / Einfamilienhaus“.
Mit Bescheid vom 4. August 2022 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Bei der begehrten Leistung handele es sich nicht um eine solche nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und machte geltend, es liege ein Mehrbedarf im Sinne von § 21 SGB II vor. Er sei auf die Hilfe des Buchhaltungsservices angewiesen gewesen, weil die Erklärung elektronisch beim Finanzamt einzureichen gewesen sei und er selbst nicht über eine entsprechende Registrierung verfüge.
Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. Oktober 2022 als unbegründet zurück. Das SGB II sehe für den vorliegenden Fall keine Sonderleistung vor. Insbesondere komme § 21 Abs. 6 SGB II nicht als Anspruchsgrundlage in Betracht, weil es sich bei den geltend gemachten Kosten um eine einmalige, nicht um eine laufende Aufwendung handele. Zudem hätte der Kläger die fehlende Registrierung beantragen können. Bei fehlender technischer Ausstattung oder fehlenden Kenntnissen hätte er die Erklärung in Papierform abgeben können.
Am 15. November 2022 hat der Kläger beim SG Halle Klage erhoben. Er hat ausgeführt, dass ihm nicht bekannt gewesen sei, dass die in Rede stehende Erklärung in Ausnahmefällen auch in Papierform hätte abgegeben werden können. Darauf sei er nicht hingewiesen worden. Das Finanzamt habe ihn nur über die elektronische Einreichung informiert. Er sei aber im Umgang mit dem Internet nicht versiert. Zudem hätten ihm auch für eine Einreichung in Papierform die notwendigen Daten gefehlt, etwa der aktuelle Bodenrichtwert; diese habe der Buchhaltungsservice für ihn eingeholt. Weiter hat der Kläger klargestellt, dass es ihm nicht um ein Darlehen gehe, sondern ausschließlich um einen Zuschuss. Sein Anspruch ergebe sich aus § 24 SGB II. Es liege ein atypischer Bedarf vor. Auf ein Darlehen dürfe er nicht verwiesen werden.
Mit Urteil vom 29. September 2023 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, als Anspruchsgrundlage komme sowohl § 24 Abs. 1 als auch § 21 Abs. 6 SGB II in Betracht. Allerdings lägen die Voraussetzungen beider Vorschriften nicht vor. Beide Normen setzten voraus, dass der Bedarf „im Einzelfall“ bestehe, also eine atypische Bedarfslage gegeben sei. Daran fehle es, denn die Verpflichtung zur Abgabe von Feststellungserklärungen habe alle Grundstückseigentümer betroffen. Aus dem Selbsthilfegrundsatz des § 2 SGB II sei abzuleiten, dass alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen seien, die Kosten so gering wie möglich zu halten. Ebenso wie bei Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten oder bei Stromschulden seien Selbsthilfemöglichkeiten auszuschöpfen. Freunde, Bekannte und Nachbarn seien häufig in der gleichen Lage gewesen wie der Kläger. In vielen Medien sei thematisiert worden, wie die Feststellungserklärung zu erfolgen habe, so dass der Kläger sich habe informieren können. Auch eine Nachfrage beim Finanzamt wäre möglich gewesen. Letztlich habe der Kläger die zu übermittelnden Daten ohnehin selbst beschaffen müssen, so dass es vorrangig um eine Unterstützung bei der Übermittlung dieser Daten ans Finanzamt gegangen sei. Der Kläger sei zwar im Umgang mit Computern nicht erfahren gewesen, habe aber auch bislang die Verwaltung seines Grundbesitzes erfolgreich allein bewältigt. Da er kognitiv nicht beeinträchtigt gewesen sei, sei ihm die eigenständige Lösung dieser Aufgabe auch zumutbar gewesen. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen. Das Urteil ist der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 9. Oktober 2023 zugestellt worden.
Mit seiner am 27. Oktober 2023 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegten Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Berufung. Mit gerichtlichem Schreiben vom 1. November 2023 ist er aufgefordert worden, sein Rechtsmittel binnen eines Monats zu begründen. Eine Begründung ist nicht erfolgt.
Der Senat hat die Prozessakte des SG und die Verwaltungsakte des Beklagten für den Bewilligungszeitraum von Mai 2022 bis April 2023 beigezogen.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Die Beschwerde ist gem. § 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Das SG hat die Berufung nicht zugelassen. Die Berufung bedarf aber der Zulassung, weil der Wert des Beschwerdegegenstands 750 € nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) und sie auch nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Im Streit stehen einmalige Leistungen in Höhe von 110,91 €. Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht erhoben worden (§ 145 Abs. 1 Satz 2 SGG).
2. Die Beschwerde ist aber unbegründet. Das SG hat die Berufung zu Recht nicht zugelassen. Es liegt kein Zulassungsgrund i.S.v. § 144 Abs. 2 SGG vor.
a) Der Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG ist nicht gegeben, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Grundsätzliche Bedeutung liegt vor, wenn die Sache eine bisher nicht geklärte, aber klärungsbedürftige und -fähige Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage 2023, § 144 Rn. 28). Klärungsbedürftigkeit ist nicht gegeben, wenn sich die Rechtsfrage unmittelbar aus dem Gesetz beantworten lässt oder nur eine Anwendung schon entwickelter höchstrichterlicher Rechtssätze auf den Einzelfall erfordert. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur, wenn sie konkret für die Lösung des Falles erheblich ist. Solche ungeklärten, aber entscheidungserheblichen Rechtsfragen wirft der Rechtsstreit nicht auf.
Für Mehrbedarfe im Sinne von § 21 Abs. 6 SGB II ergibt sich unmittelbar aus Satz 1 der Vorschrift, dass diese nicht nur besonders, sondern auch unabweisbar sein müssen, um einen Leistungsanspruch zu begründen. Unabweisbar ist ein Mehrbedarf, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht (Satz 2). An der Unabweisbarkeit fehlt es deshalb u.a. dann, wenn dem Leistungsberechtigten zumutbare Handlungsalternativen offenstehen (vgl. Knickrehm in: Luik/Harich, SGB II, 6. Auflage 2024, § 21 Rn. 72). Dies erfordert eine Würdigung des Einzelfalls. Das SG hat insoweit im Rahmen einer Rechtsanwendung im Einzelfall nachvollziehbar darauf abgestellt, dass der Kläger nicht alle zumutbaren Selbsthilfemöglichkeiten genutzt habe.
Soweit der Kläger seinen Anspruch auf § 24 SGB II stützt, wirft dies ebenfalls keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Abgesehen davon, dass § 24 Abs. 1 SGB II ohnehin nur einen Anspruch auf ein – vom Kläger ausdrücklich nicht begehrtes – Darlehen eröffnet, setzt auch diese Regelung einen unabweisbaren Bedarf voraus (zum Verhältnis von § 21 Abs. 6 und § 24 SGB II vgl. etwa Blüggel in: Luik/Harich, a.a.O., § 24 Rn. 30 ff.).
Grundsätzliche Bedeutung hat die Sache auch nicht unter dem Aspekt, ob es sich bei der im Streit stehenden Ausgabe, die im Zusammenhang mit der Grundsteuer für ein Eigenheim steht, möglicherweise um Kosten der Unterkunft und Heizung im Sinne von § 22 Abs. 1 SGB II handelt. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist geklärt, dass zu den grundsätzlich berücksichtigungsfähigen Aufwendungen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II für die Unterkunft in Eigenheimen auch die Nebenkosten gehören, zu denen u.a. Grundsteuern zählen. Wird ein Eigenheim bewohnt, zählen danach zu den Kosten der Unterkunft die Aufwendungen, die der Leistungsberechtigte als mit dem Eigentum unmittelbar verbundene Lasten zu tragen hat. Insoweit ist es aber erforderlich, diejenigen Kosten zu bestimmen, die tatsächlich und untrennbar mit der Nutzung der Immobilie anfallen. Das BSG stellt darauf ab, ob es sich um für den Eigentümer unvermeidbare und unmittelbar mit der Nutzung des Grundstücks verbundene Lasten handelt (vgl. BSG, Urteil vom 24. Februar 2011 – B 14 AS 61/10 R – juris Rn. 14 f.). Es kann dahinstehen, ob die Kosten, die der Kläger für die Abgabe der Feststellungserklärung aufgewendet hat, in diesem Sinne in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Nutzung seines Grundstücks stehen. Das SG hat jedenfalls im Rahmen der Rechtsanwendung im Einzelfall überzeugend festgestellt, dass die hier angefallenen Kosten nicht unvermeidbar waren.
b) Es besteht auch keine Divergenz zu einer Entscheidung des LSG, des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG). Divergenz in diesem Sinne meint einen Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zu Grunde gelegt worden sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn ein Urteil nicht den Kriterien entspricht, die die genannten Gerichte aufgestellt haben, sondern erst, wenn das SG diesen Kriterien widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat (vgl. BSG, Beschluss vom 22. April 2021 – B 4 AS 16/21 B – juris Rn. 6). Das Urteil des SG muss auf dieser Abweichung beruhen, d.h. die angefochtene Entscheidung hätte bei Zugrundelegung des Rechtssatzes, von dem abgewichen worden ist, anders ausfallen müssen. Einen solchen abweichenden Rechtssatz hat das SG im angegriffenen Urteil nicht aufgestellt.
c) Schließlich ist die Berufung auch nicht wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG). Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Dabei bezieht sich der Mangel nicht auf den sachlichen Inhalt des Urteils, sondern auf das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, a.a.O., § 144 Rn. 32). Für die Geltendmachung des Verfahrensmangels müssen die Tatsachen, die den Mangel ergeben sollen, angegeben werden, und aus den Tatsachen muss sich schlüssig ergeben, welcher Mangel gerügt werden soll (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, a.a.O., § 144 Rn. 36). Erst dann ist überhaupt zu prüfen, ob ein solcher Fehler tatsächlich vorgelegen hat. Der Kläger hat keinen Verfahrensmangel gerügt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 SGG.
4. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).