L 11 R 1154/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 1656/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1154/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 02.03.2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1971 geborene Kläger hat den Beruf des Textilveredlers erlernt und ging zuletzt einer vollschichtigen Beschäftigung als Textilveredler nach. Seit dem 17.07.2018 ist er arbeitsunfähig. Mit Bescheid des Landratsamtes K1 vom 27.01.2005 wurde beim Kläger ein Grad der Behinderung von 30 festgestellt.

Der Kläger hat bisher fünfmal, zuletzt in der Zeit vom 06.06.2017 bis 04.07.2017 an einer Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation in der K2-Klinik (teilgenommen. Im Entlassungsbericht des letzten Aufenthalts sind die Diagnosen ängstlich (vermeidende) Persönlichkeitsstörung, rezidivierende depressive Störung (ohne psychotische Störung) und arterielle Hypertonie genannt. Die Entlassung sei arbeitsunfähig zur stufenweisen Wiedereingliederung erfolgt. Bezüglich der letzten beruflichen Tätigkeit als Maschinen- und Anlagenführer bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei der Kläger vollschichtig leistungsfähig für mittelschwere Arbeiten. Der Kläger sehe sich in der Lage, nach stufenweiser Wiedereingliederung die zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit wieder aufzunehmen. Im Entlassungsbericht wurde eine verhaltenstherapeutisch fundierte Psychotherapie im ambulanten Rahmen empfohlen.

Am 20.08.2019 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Beklagte holte daraufhin Befundberichte der behandelnden Ärzte ein und ließ den Kläger durch N1 begutachten. In seinem Gutachten vom 17.12.2019 stellte N1 fest, der Kläger leide unter einer Persönlichkeitsakzentuierung, Medikamentenabhängigkeit, einer vordiagnostizierten rezidivierenden depressiven Störung (Vollremission) und Adipositas. Hierbei sei der Kläger in der Lage, einer Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes für sechs Stunden und mehr nachzugehen. Mit Bescheid vom 13.01.2020 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Die medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung seien nicht erfüllt.

Hiergegen erhob der Kläger am 12.02.2020 Widerspruch und machte geltend, er könne nur langsam laufen und habe Albträume und Konzentrationsprobleme.

Nach Einholung einer erneuten Stellungnahme des N1 unter dem 18.02.2020 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.05.2020 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 05.06.2020 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, immer noch Schmerzen vom Po bis zum Knie zu haben und daher nicht arbeiten zu können. Auch leide er unter starken Konzentrationsstörungen. Er sei seit fast zwei Jahren zu Hause, habe aber immer noch Albträume wegen der Arbeit. Seit Ablehnung der Rente schlafe er noch schlechter und habe die Dosis der Antidepressiva eigenmächtig erhöhen müssen.

Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen befragt.

G1 hat in seinem Schreiben vom 24.08.2020 erklärt, den Kläger seit November 2013 zu behandeln. Er komme in den letzten fünf Jahren etwa einmal im Quartal. Im Jahr 2017 habe der Kläger ein erneutes Reha-Verfahren durchgeführt. In der Folgezeit habe ein unverändert stabiler Zustand bestanden. Der Kläger suche die Praxis nur auf, um sich ein Rezept für die antidepressiven und schlaffördernden Medikamente abzuholen. Im Dezember 2018 habe er über einen Tinnitus geklagt. Bei der neurologischen Untersuchung hätten keine krankhaften Auffälligkeiten bestanden. Die Dopplersonografie der hirnversorgenden Arterien sei unauffällig gewesen. Im Schädel-CT habe sich kein krankhafter Befund ergeben. Im April 2019 habe der Kläger über Muskelzuckungen beim Einschlafen berichtet, meist in den Oberschenkeln, die schon seit 20 Jahren so aufträten. Es bestünden keine Muskelschmerzen, keine Schwäche, keine Einbußen der Ausdauer. Es habe keine Veränderung des psychischen Befindens gegeben. Im Januar 2020 habe der Kläger erstmalig berichtet, schon seit Juli 2018 vom Hausarzt wegen Schmerzen, vor allem Hüftschmerzen und Erschöpfung, dauerhaft krankgeschrieben zu sein. Er habe einen Rentenantrag gestellt und sei auch bei einem Gutachter gewesen. Danach habe sich der Kläger noch zweimal kurz zum Rezeptabholen in der Praxis eingefunden. Er habe jedes Mal angegeben, alles sei stabil, es gehe ihm gut. Er, G1, halte den Kläger aktuell für sechs Stunden täglich beruflich belastbar im Rahmen einer Fünftagewoche für eine leichte körperliche Tätigkeit ohne psychische/emotionale Belastung oder erhebliche kognitive Anforderungen.

T1 hat unter dem 26.10.2020 berichtet, der Kläger habe als im Vordergrund seiner Beschwerden stehend seine depressive Störung angegeben. Er sei seiner Meinung nach medikamentös gut eingestellt, darunter eine Vielzahl von Antidepressiva und Seditiva bei zusätzlich deutlichen Schlafstörungen, die ihn immer sehr beeinträchtigt hätten. Eine Veränderung/Reduktion der medikamentösen Therapie sei vom Kläger nicht erwünscht, weil seiner Einschätzung nach die Einstellung aktuell ganz stabil sei. Zuletzt habe er über seine chronischen Hüftbeschwerden, aktuell mehr rechts- als linksseitig, berichtet. Man habe die lange Zeit bestehende Bluthochdruck-Medikation umgestellt, EKG und 24-Stunden-Blutdruck-Messung durchgeführt. Aufgrund des Absetzens der Verapamil-Medikation sei es zu einer tachykarden Herzrhythmusstörung gekommen, die mit einem niedrigdosierten Betablocker behandelt worden sei. Unter der aktuellen Medikation bestehe eine gute Einstellung. Der psychische Zustand des Klägers sei schwer einzuschätzen. Sie halte den Kläger für eine zurückgezogen lebende Person, die versuche, vielem aus dem Weg zu gehen. Er wirke von seinem psychischen Zustand ohne Anforderungen eines kontinuierlichen beruflichen Alltags aktuell kompensiert. Eine ausreichende Belastbarkeit für eine Fünftagewoche sechs Stunden täglich sehe sie allerdings aktuell nicht. Das maßgebliche aktuelle Leiden betreffe das psychiatrische Fachgebiet. Stationäre Behandlungen hätten ihres Wissens in den letzten Jahren nicht stattgefunden. Der motivationale Aspekt müsse noch angegangen werden. Möglicherweise bestehe zudem ein deutlicherer Alkoholabusus als vermutet, der eruiert werden müsste. Als chronisches Leiden sollte die Behandlungsmöglichkeit der chronischen Hüftbeschwerden gegebenenfalls angegangen werden und möglich sein. Dadurch könnte eine schmerzhaft behindernde Komponente zum Teil behoben werden.

L1 hat in seinem am 16.12.2020 beim SG eingegangenen Schreiben ausgeführt, der Kläger habe in der Praxis seines Vorgängers vom 24.07.2018 bis 15.11.2018 in fachärztlicher Behandlung gestanden. Die Erstellung des Schreibens basiere auf der Dokumentation des Praxisvorgängers. Er könne die Leistungsfähigkeit des Klägers daher nicht beurteilen.

Herr B1 hat in seinem am 08.02.2021 beim SG eingegangenen Schreiben lediglich angegeben, der Kläger leide an einer Gelenksfunktionsstörung. Zudem hat er sechs Behandlungstermine im September und Oktober 2017 sowie sechs Behandlungstermine im Juli und August 2018 mitgeteilt.

Im Anschluss hieran hat das SG beim Facharzt S1 von Amts wegen ein Sachverständigengutachten eingeholt. In seinem Gutachten vom 02.08.2021 hat dieser angegeben, ein Anhalt für eine Erkrankung des neurologischen Fachgebietes bestünde nicht. Auf psychiatrischem Fachgebiet bestünden eine Persönlichkeitsakzentuierung, als sonstige Diagnosen ein Bluthochdruckleiden (medikamentös behandelt), eine Schilddrüsenstoffwechselstörung (medikamentös behandelt), Adipositas Grad I und Beschwerden des Bewegungs- und Haltungsapparates ohne relevantes neurologisches Defizit. Der Kläger könne zumindest leichte körperliche Arbeiten in verschiedenen Arbeitshaltungen verrichten. Es liege eine erhöhte seelische Vulnerabilität vor. Tätigkeiten unter Akkordbedingungen oder unter vermehrten Zeitdruck seien nicht leidensgerecht. Die Tätigkeiten sollten auch nicht in Nachtschicht als psychogener Stressor erfolgen. Wesentliche Einschränkungen der Sinnesorgane lägen nicht vor. Arbeiten mit unüblichen Publikumsverkehr seien vertretbar. Das geistige Leistungsvermögen sowie das Verantwortungsbewusstsein seien nicht eingeschränkt. Tätigkeiten mit vermehrt nervlichen Belastungen seien nicht leidensgerecht. Hierzu gehörten Tätigkeiten mit vermehrt emotionalen Belastungen oder mit einem erhöhten Konfliktpotenzial. Auch seien Arbeiten unter vermehrtem Lärm nicht vertretbar. Der Kläger könne leichte körperliche Tätigkeiten ohne vermehrt geistige und psychische Belastungen in Tagesschicht oder Früh-/Spätschicht verrichten.

Das SG hat zunächst eine mündliche Verhandlung am 08.12.2021 anberaumt. Ausweislich des Protokolls über diese mündliche Verhandlung hat der Kläger mitgeteilt, aktuell Fieber zu haben. Daraufhin ist die mündliche Verhandlung vertagt worden. Mit Schreiben vom 30.12.2021 hat das SG nach erneuter Prüfung des Sachverhalts darauf hingewiesen, die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid als gegeben anzusehen. Hierzu ist den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

Mit Gerichtsbescheid vom 02.03.2022 hat das SG die Klage abgewiesen. Die beim Kläger bestehenden Erkrankungen führten nicht zur Einschränkung seines arbeitstäglichen quantitativen Leistungsvermögens für den allgemeinen Arbeitsmarkt. Die im Rahmen der gerichtlichen Beweisaufnahme ermittelten Gesundheitsstörungen mit Schwerpunkt auf psychiatrischem, internistischem und orthopädischem Fachgebiet schränkten das qualitative Leistungsvermögen des Klägers ein, berührten aber seine quantitative körperliche und geistige Leistungsfähigkeit für die Verrichtung leichter Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht. Das SG hat sich auf die Ausführungen des S1 und des G1 gestützt und das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten des N1 im Wege des Urkundsbeweises verwertet. Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 12.03.2022 mit Postzustellungsurkunde zugestellt worden.

Hiergegen richtet sich die am 12.04.2022 beim SG eingelegte Berufung, die dieses an das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) weitergeleitet hat. Nach dem Gutachten des S1 sei er ein Simulant. Er bezweifle die Fähigkeit der Kammervorsitzenden des SG als Richterin. Warum habe diese geglaubt, er habe in der mündlichen Verhandlung Fieber gehabt und sei somit verhandlungsunfähig gewesen? Sie hätte einen Arzt rufen müssen. Er hätte heute fast einen Feuerwehreinsatz ausgelöst, da er das Essen auf dem Herd vergessen habe. Da würde sich jeder Arbeitgeber freuen, wenn dies am Arbeitsplatz passiere.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 02.03.2022 und den Bescheid der Beklagten vom 13.01.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2020 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ab 01.08.2019 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren sowie auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid verwiesen.

Am 26.07.2022 hat die ehemalige Berichterstatterin des Senats den Rechtsstreit mit den Beteiligten erörtert und auf die fehlenden Erfolgsaussichten der Berufung hingewiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Verfahrensakten des SG und des Senats Be-zug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

1. Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegte Berufung ist form- und fristgerecht sowie im Übrigen statthaft.

2. Den Gegenstand des Rechtsstreits bildet der Bescheid vom 13.01.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.05.2020 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt hat. Dagegen wendet sich der Kläger statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 und 4, 56 SGG) und begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab 01.08.2019 (Monat der Rentenantragstellung).

3. Die Berufung des Klägers ist aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 13.01.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.05.2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 SGB VI in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl. I, 554). Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3).

Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt.

Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger noch leichte körperliche Tätigkeiten ohne vermehrt geistige und psychische Belastungen in Tagesschicht oder Früh-/Spätschicht mindestens sechs Stunden pro Tag im Rahmen einer Fünftagewoche verrichten kann. Der Senat stützt sich bei der Einschätzung des Leistungsvermögens auf das schlüssige und nachvollziehbare Gutachten des S1 und das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten des N1, welches der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet, sowie auf die Angaben des den Kläger behandelnden Arztes G1.

Der Kläger leidet unter Gesundheitsstörungen auf orthopädischem und nervenärztlichem Fachgebiet.

Der Kläger hat wiederholt auf seit 2018 bestehende Hüftbeschwerden hingewiesen. Auf orthopädischem Fachgebiet ergibt sich diesbezüglich jedoch kein zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen. Die letzte orthopädische Behandlung liegt bereits mehr als vier Jahre zurück. L1 hat lediglich von einer Behandlung in der Zeit vom 24.07.2018 bis 15.11.2018 berichtet, nachfolgende Behandlungen nach Befragung der behandelnden Ärzte durch das SG hat der Kläger nicht geltend gemacht. L1 hat in dieser Zeit lediglich einen Hartspann scapulär und thorakal, eine schmerzhafte Spondylgelenksdysfunktion thorakal, eine Blockade S1 rechts, ein Engpasssyndrom Beugesehne D4 Tendovaginitis stenosans und eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren festgestellt. T1 gab bei ihrer Befragung durch das SG im Jahr 2020 an, erst im letzten berichteten Aufenthalt (also am 08.10.2020) durch Schilderungen des Klägers auf die Hüftbeschwerden aufmerksam geworden zu sein. Diese müssten abgeklärt werden. Eine Klärung hat der Kläger offensichtlich nicht für notwendig erachtet, obwohl die letzte orthopädische Vorstellung bereits zwei Jahre zurücklag. Von einem erheblichen Leidensdruck kann daher nicht ausgegangen werden. Dass der Kläger wegen der Hüftbeschwerden weniger als drei Stunden arbeiten könnte, hat auch T1 nicht behauptet, sie hat die zeitlich reduzierte Leistungsfähigkeit lediglich im Zusammenhang mit psychischen Beschwerden erwähnt. Im Übrigen hat der Kläger wiederholt geltend gemacht, dass die Beeinträchtigung von Seiten der Hüfte psychisch bedingt sei. Dafür, dass der Kläger eine Unterarmgehstütze links bei der Untersuchung durch S1 benutzt hat, konnte der Gutachter jedoch keinen medizinischen Grund feststellen. Im Übrigen war der durch S1 und N1 jeweils festgestellte körperliche und neurologische Untersuchungsbefund weitgehend unauffällig; Anhaltspunkte für eine belangvolle somatische Erkrankung ergeben sich daraus nicht. Der Senat ist daher der Überzeugung, dass auf orthopädischem Fachgebiet keine quantitative Leistungseinschränkung besteht.

Aber auch die Beeinträchtigungen auf nervenärztlichem Fachgebiet führen nicht zu einem Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Beim Kläger besteht auf nervenärztlichem Fachgebiet eine Persönlichkeitsakzentuierung. Dies entnimmt der Senat den ausführlichen und schlüssigen Gutachten des S1 und des N1. Die damit verbundene psychische Vulnerabilität führt dazu, dass Tätigkeiten unter Akkordbedingungen oder unter vermehrtem Zeitdruck nicht leidensgerecht sind. Die Tätigkeiten sollten auch nicht in Nachtschicht als psychogener Stressor ausgeübt werden. Tätigkeiten mit vermehrt nervlichen Belastungen sind nicht leidensgerecht. Hierzu gehören Tätigkeiten mit vermehrt emotionalen Belastungen oder mit einem erhöhten Konfliktpotential. Auch sind Arbeiten unter vermehrtem Lärm nicht zumutbar. Insoweit folgt der Senat ebenfalls der Einschätzung von S1, der dies nachvollziehbar begründet hat. Bei Beachtung dieser Einschränkungen ist der Kläger jedoch noch in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes an fünf Tagen in der Woche jeweils sechs Stunden täglich auszuüben.

Sonstige schwerere Gesundheitsstörungen, die zu einem zeitlich eingeschränkten Leistungsvermögen führen, können nicht festgestellt werden. Die von N1 und S1 durchgeführten neurologischen Untersuchungen erbrachten keinen auffälligen Befund. Auch auf psychiatrischem Fachgebiet ergaben sich keine Anhaltspunkte für eine schwerere Störung. Insbesondere die im Entlassungsbericht über die vom 06.06.2017 bis 04.07.2017 diagnostizierte rezidivierende depressive Störung hat sich gebessert und konnte so im Laufe des weiteren Verfahrens nicht mehr festgestellt werden. Der Senat stützt sich auf die Gutachten des S1 und des N1, die den Kläger jeweils untersucht und nachvollziehbar dargelegt haben, dass keine schwereren Erkrankungen festgestellt werden konnten.

Bei der Untersuchung durch N1 war der Kläger wach, bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten (Ort, Zeit, Person und Situation) gut orientiert. Die Auffassungsgabe war unbeeinträchtigt, die Konzentrationsleistungen ließen im Rahmen der mehrstündigen Untersuchung nicht nach. Der Kläger zeigte ein gutes Durchhaltevermögen. Auch die Testfragen wurden in adäquater Zeit beantwortet. Es ergaben sich keine Störungen von Merkfähigkeit und Gedächtnis. Es waren keine Angsterkrankungen feststellbar. Der Kläger schilderte lediglich anlassbezogene Ängste z.B. auf Untersuchungstermine, ohne dass dies jedoch zu Vermeidungsverhalten oder vegetativen Symptomen wie Zittern, Schwitzen oder innere Unruhe führen würde. Zwänge im Sinne von Zwangsgedanken oder -handlungen waren nicht feststellbar. Der Kläger war gut affektiv schwingungsfähig und gut affizierbar. N1 konnte keine erhöhte Ängstlichkeit, keinen Interessenverlust, keinen Antriebsmangel, keine Grübelneigung, keine Hoffnungslosigkeit und keine Schuldgefühle feststellen. Eine psychomotorische oder innerliche Unruhe waren ebenfalls nicht zu konstatieren. Der Kläger ist normintelligent und verfügt nach Angaben von N1 über ein hinreichendes Überblicksvermögen, Störungen des planerischen Handelns ergaben sich nicht. Hiermit übereinstimmend stellte sich der Kläger auch in der Untersuchungssituation bei S1 dar. Der Kläger war gepflegt gekleidet. Die Gestik und Mimik waren angemessen, durchaus lebhaft. In der Untersuchungssituation war er auskunftsbereit. Es lagen keine Störungen des Bewusstseins, der Orientierung, der Auffassung und der Konzentration vor. Ebenso ließen sich in der Gutachtensituation keine Gedächtnisstörungen nachweisen. Für eine hirnorganisch bedingte psychische Symptomatik ergab sich kein Anhalt. Im Antrieb war der Kläger sogar lebhaft und konnte anschaulich berichten. In der Grundstimmung war er ausgeglichen. Die affektive Resonanzfähigkeit war nicht eingeschränkt. Er konnte durchaus spontan lächeln und lachen. Das formale Denken war nicht verlangsamt, sondern folgerichtig. Es bestanden keine inhaltlichen Denkstörungen, keine Sinnestäuschungen, Ich-Störungen oder dissoziative Störungen. Berichtet wurden Schlafstörungen, ansonsten ergab sich kein Anhalt für eine relevante Somatisierung. Eine endogene circadiane Rhythmik der Stimmungslage wurde so nicht angegeben. In dem psychischen Befund zeigte sich keine Antriebsminderung oder gar psychomotorische Hemmung. Der Kläger war geistig sehr gut flexibel. Kognitive oder mnestische Defizite relevanten Ausmaßes konnten nicht erhoben werden. Bei S1 hat der Kläger angegeben, seine Stimmung sei seit der Rentenablehnung entsprechend schlecht. Dies rechtfertigt allerdings keine Rentengewährung, zumal sich dies auch nach Angaben des S1 nicht mit anderen „freudigen“ Schilderungen z.B. über die Fan-Club-Aktivitäten deckt.

Eine Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit konnten beide Gutachter ebenfalls nicht feststellen. Der Kläger hat bei N1 über eine gute soziale Teilhabe berichtet. Er ist im Vorstand eines Fanclubs, ist viel unterwegs, geht auf große Konzerte und fühlt sich dort auch wohl, unternimmt viele Städtereisen und ist viel mit Freunden unterwegs. Er unterhält soziale Kontakte über das Internet. Er kümmert sich um die Vermietung seiner Immobilien. Zudem ist er in Lage, seinen Haushalt zu bewältigen. Dies deckt sich auch mit Angaben des Klägers in der Untersuchung bei S1. Der Kläger hat dort berichtet, Leiter von fünf Fan-Clubs von Fernsehsendungen zu sein, was ihm Spaß macht. Er ist in den sozialen Medien unterwegs. Der Kläger macht ein- bis zweimal pro Woche leichtes Joggen und hat gute soziale Kontakte.

Der Kläger selbst hat zwar bei N1 auf Nachfrage zu seiner Stimmung angegeben, dass es ihm miserabel gehe, wenn er einen Begutachtungstermin habe, sonst aber nicht. Hinterher gehe es ihm sofort wieder gut. Eine relevante Angsterkrankung kann daher nicht festgestellt werden.

Auch der behandelnde G1 sieht keinen Grund für ein zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen. Der Kläger hat dort angegeben, dass er sich mit der seit Jahren erfolgten Medikation stabil fühlt und es ihm gut geht. Der Kläger sucht die Praxis nur auf, um Rezepte für seine antidepressiven und schlaffördernden Medikamente abzuholen. In der hausärztlichen Praxis B2 hat der Kläger zwar eine depressive Störung als im Vordergrund stehend angegeben, jedoch ebenfalls verbunden mit dem Hinweis, gut eingestellt zu sein. Eine Veränderung der Medikation war nicht erwünscht. Bei G1 wird der Kläger einmal im Quartal vorstellig. Im Wesentlichen beschränken sich die Kontakte auf die Ausstellung von Rezepten. Eine Psychotherapie fand in den letzten Jahren nicht statt, obwohl dem Kläger bei der Entlassung aus der Reha im Jahr 2017 unter anderem eine verhaltenstherapeutisch fundierte Psychotherapie empfohlen wurde. Der Kläger sah offenbar keine Notwendigkeit, diesem Rat nachzukommen, sodass nicht von einem erheblichen Leidensdruck ausgegangen werden kann. Vor diesem Hintergrund ist es für den Senat auch nicht nachvollziehbar, dass T1 in ihrer Auskunft angegeben hat, keine ausreichende Belastbarkeit für eine Tätigkeit sechs Stunden pro Tag im Rahmen einer Fünftagewoche zu sehen.

Der Senat konnte sich daher nicht davon überzeugen, dass die bei dem Kläger zu berücksichtigenden Gesundheitsstörungen zu einem Absinken des tatsächlichen Restleistungsvermögens auf ein unter sechsstündiges Maß geführt haben, sondern folgt der nachvollziehbaren Einschätzung der Gutachter, wonach keine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens vorliegt. Dabei berücksichtigt der Senat auch, dass der von N1 durchgeführte Beschwerdevalidierungstest einen deutlich erhöhten Punktwert erbrachte, der für eine ungewöhnliche Häufung ungewöhnlicher Beschwerden spricht und vor dem Hintergrund der Untersuchungsbefunde, der Angaben des Klägers in der Untersuchung und des klinischen Eindrucks auf eine negative Antwortverzerrung schließen lässt. Bei S1 stand der Kläger zu Beginn der Anamneseerhebung gehäuft auf. Dies wirkte nach den Feststellungen des S1 forciert. Hinzu kommt, dass bei der Untersuchung durch N1 die antidepressiven Medikamente Amitriptylin und Mirtazapin sowie Melperon und Promethazin als sedierende Substanzen im Blut nur unterhalb des therapeutischen Bereichs nachweisbar waren. Insofern ergeben sich erhebliche Zweifel, dass die Beschwerden so stark sind wie vom Kläger behauptet. Dies hat der Kläger auch letztlich gegenüber N1 zugegeben. Zu früheren Depressionen befragt, konnte er keine Eingrenzung angeben oder von Episoden berichten. Er gab vielmehr an, halt immer etwas erzählt zu haben, alle hätten ihm geglaubt. Ferner hat er angegeben, noch gut arbeiten zu können, nur nicht beim bisherigen Arbeitgeber.

Sofern der Kläger nun auch eine erhebliche Schmerzsymptomatik (u.a. der Hüfte) geltend macht, lässt sich hieraus ein zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen jedenfalls nicht ableiten. Bei N1 hat der Kläger berichtet, seit eineinhalb Jahren keine Schmerzmedikamente zu benötigen. Er hat sich mit Schwimmen, Spazierengehen, Ausflügen und viel körperlicher Bewegung beholfen, womit er beschwerdefrei war. Bei S1 hat er hingegen im August 2021 angegeben, dass er die Schmerzen auf einer visuellen Analogskala von 0 bis 10 als mittendrin einstuft und es ihm seit drei Jahren so ginge wie jetzt. Indes war er nicht einmal zwei Jahre zuvor bei N1, bei dem er eine Beschwerdefreiheit angegeben hat. Es ergeben sich daher insgesamt Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussagen, zumal der Kläger bei N1 bereits erläutert hat, dass er im Hinblick auf Depressionen früher immer irgendetwas erzählt habe, was ihm geglaubt worden sei. Es entsteht für den Senat hier der Eindruck, dass der Kläger auch im Hinblick auf die Schmerzen nicht wahrheitsgemäß antwortet. Darüber hinaus hat der Kläger offenbar keine weiteren Schritte in Bezug auf die Behandlung der Schmerzen in Angriff genommen, sodass nicht von einem erheblichen Leidensdruck auszugehen ist.

Ob - wie von N1 angenommen - eine Medikamentenabhängigkeit besteht, bedarf keiner Entscheidung, denn ein zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen ergibt sich hieraus nicht. Der Kläger hat insoweit selbst keine Einschränkungen geltend gemacht.

Die erwähnte Adipositas bedingt keine zeitliche Reduzierung des Leistungsvermögens. Dies gilt auch für den Bluthochdruck. Dieser ist nach den Angaben der T1 (Praxis B3) gut eingestellt. Eine Schilddrüsenstoffwechselstörung wird ebenfalls medikamentös behandelt. Diese Gesundheitsstörungen hat der Kläger im Übrigen auch nicht beklagt.

T1 hat geäußert, dass ein Alkoholabusus möglicherweise stärker als vermutet vorliegt. Hierfür gab es jedoch keine sicheren Anhaltspunkte. Darüber hinaus würde auch dies nicht zu einem zeitlich eingeschränkten Leistungsvermögen führen.

In der Zusammenschau aller Erkrankungen und Beeinträchtigungen ergibt sich für den Senat ebenfalls keine rentenrelevante Reduzierung des Leistungsvermögens.

Soweit die Leistungsfähigkeit des Klägers von der behandelnden Ärztin T1 negativer eingeschätzt wird als von N1 und insbesondere auch S1, folgt der Senat - wie bereits dargelegt - deren Leistungsbeurteilung nicht. Der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch gerichtliche Sachverständige kommt nach ständiger Rechtsprechung des Senats grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als der Einschätzung der behandelnden Ärzte. Bei der Untersuchung von Patienten unter therapeutischen Gesichtspunkten spielt die Frage nach der Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens in der Regel keine Rolle. Dagegen ist es die Aufgabe des Sachverständigen, die Untersuchung gerade im Hinblick darauf vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beschwerden zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens führen. In diesem Zusammenhang muss der Sachverständige auch die Beschwerdeangaben eines Versicherten danach überprüfen, ob und inwieweit sie sich mit dem klinischen Befund erklären lassen.

Der Kläger ist auch wegefähig im rentenrechtlichen Sinne. Da eine Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich ist, gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (BSG 09.08.2001, B 10 LW 18/00 R, juris m.w.N.; 28.08.2002, B 5 RJ 12/02 R, juris Rn. 14 ff.). Das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität ist deshalb Teil des nach § 43 SGB VI versicherten Risikos (BSG 17.12.1991, 13/5 RJ 73/90; 09.08.2001, B 10 LW 18/00 R; 14.03.2002, B 13 RJ 25/01 R, alle bei juris); das Defizit führt zur vollen Erwerbsminderung. Hat der Versicherte keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht konkret angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm - auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs - möglich sein muss, nach einem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt. Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel und vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege zurücklegen muss. Erwerbsfähigkeit setzt danach grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, viermal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Metern mit zumutbarem Zeitaufwand (ca. 20 Minuten) zu Fuß bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z.B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (BSG 17.12.1991, 13/5 RJ 73/90, juris; 30.01.2002, B 5 RJ 36/01 R, juris m.w.N.). Es sind keine Gründe ersichtlich, die für eine Einschränkung der Wegefähigkeit sprechen. Vielmehr hat der Kläger bei N1 von Städtetouren berichtet. Der Kläger ist insbesondere in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Zu den Gutachtens- und Gerichtsterminen ist er mit öffentlichen Verkehrsmitteln angereist.

Es besteht auch weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen noch eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung.

Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt vor, wenn bereits eine schwerwiegende Behinderung ein weites Feld von Verweisungstätigkeiten versperrt (BSG 09.05.2012, B 5 R 68/11 R, juris Rn. 28). Da es jedoch für die Bejahung einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung keinen konkreten Beurteilungsmaßstab gibt, können auch für die tatrichterliche Begründung und die dazu nötigen Tatsachenfeststellungen keine allgemeingültigen Anforderungen aufgestellt werden. Auch der jeweilige Begründungsaufwand richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere hängt er von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter muss das Tatsachengericht seine Entscheidung zur Frage einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung begründen (BSG 09.05.2012, B 5 R 68/11 R, juris Rn. 26). Einer geringeren Prüfungsintensität bedarf es in den Fällen, bei denen das verbliebene positive Leistungsvermögen die relativ "schnelle" Zuordnung von Arbeitsfeldern, die nur mit körperlich leichten Belastungen einhergehen (z.B. Sortier- und Montiertätigkeiten, Boten- und Bürodienste) - oder ggf. sogar die (hilfsweise und überobligatorische) Benennung einer geeigneten Verweisungstätigkeit - erlaubt und damit Zweifel an der Einsetzbarkeit von Versicherten beseitigt werden. Insoweit ist zunächst darauf abzustellen, ob das Restleistungsvermögen dem Versicherten typische Verrichtungen wie z.B. Bedienen von Maschinen oder das Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen, einfache Bürotätigkeiten ermöglicht. Die Aufzählung der Arbeitsfelder und Verrichtungen ist nicht abschließend; sie kann erweitert werden. Im Hinblick auf die zunehmende Automatisierung von Prozessen können z.B. auch Verrichtungen wie das Messen, Prüfen, Überwachen und die (Qualitäts-)Kontrolle von Produktionsvorgängen in Betracht gezogen werden. Eine eingehende Auseinandersetzung mit der Art der Leistungseinschränkungen ist in Fällen eines noch ausreichenden positiven Leistungsvermögens regelmäßig nicht erforderlich (BSG 11.12.2019, B 13 R 7/18 R, BSGE 129, 274-290, juris Rn. 32). Je weniger solche geeigneten Arbeitsfelder und Verrichtungen für den Versicherten in Betracht kommen, desto eingehender ist das Vorliegen eines Ausnahmefalls zu prüfen und das Ergebnis zu begründen. Die Prüfungsintensität ist umso höher, je mehr die qualitativen Leistungseinschränkungen geeignet erscheinen, typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren (BSG 11.12.2019, a.a.O., Rn. 33). Die in der Person des Klägers vorliegenden qualitativen Leistungseinschränkungen stehen der Ausübung dieser Tätigkeiten nicht entgegen.

Auch besteht keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen. Voraussetzung ist, dass (mindestens) zwei Leistungseinschränkungen vorliegen, die ihrer Art bzw. Schwere nach (z.B. Wechselrhythmus in 20 bis 30 Minuten mit einigen Minuten dauerndem Wechsel; keine schnellen Arm- und Handbewegungen) jeweils für sich genommen schon eine erhebliche Einschränkung auf dem Arbeitsmarkt mit sich bringen und sich insgesamt „ungewöhnlich“ auswirken (BSG 11.12.2019, a.a.O., juris Rn. 36 f.). Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen liegt vor, wenn eine Mehrzahl von Einschränkungen, die jeweils nur einzelne Verrichtungen und Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen - ohne im Einzelnen oder auf den ersten Blick ungewöhnlich zu sein - das noch mögliche Arbeitsfeld in erheblichem Umfang zusätzlich einengen können. Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall.

Schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSG 30.11.1983, 5a RKn 28/82, BSGE 56, 64; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996, BSGE 80, 24; siehe auch BSG 05.10.2005, B 5 RJ 6/05 R, juris Rn. 18). Die zur früheren Rechtslage entwickelten Grundsätze sind auch für Ansprüche auf Rente wegen Erwerbsminderung nach dem ab 01.01.2001 geltenden Recht weiter anzuwenden (BSG 11.12.2019, B 13 R 7/18 R, BSGE 129, 274-290). Vom praktisch gänzlichen Fehlen von Arbeitsplätzen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, die nur mit leichten körperlichen und geistigen Anforderungen verknüpft sind, kann derzeit nicht ausgegangen werden, auch nicht aufgrund der Digitalisierung oder anderer wirtschaftlicher Entwicklungen (BSG 11.12.2019, a.a.O., juris Rn. 27).

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist gemäß § 240 SGB VI, dass er vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist. Da der Kläger 1971 und damit nach dem Stichtag geboren wurde, kommt dieser Anspruch von vornherein nicht in Betracht.

Der Sachverhalt ist in medizinischer Hinsicht vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Gutachten bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Die vorliegenden Gutachten des N1 und des S1 haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 Zivilprozessordnung). Die Gutachten gehen von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthalten keine unlösbaren inhaltlichen Widersprüche und geben auch keinen Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Gutachter zu zweifeln; weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig. Schließlich ergeben sich auch aus dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung dem Senat vorgelegten Attest der T1 vom 27.02.2023 keine Anhaltspunkte für eine richtungsweise Verschlechterung seines Gesundheitszustandes, da dort lediglich über einen vorübergehenden grippalen Infekt mit Bronchitis und Kehlkopfentzündung berichtet wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.



 

Rechtskraft
Aus
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