Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
Gemäß § 193 Abs. 1 S. 3 SGG entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluss, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird.
Vorliegend wurde das Verfahren durch Erklärung des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 15.03.2022 beendet und ein entsprechender Kostenantrag gestellt.
Die Kostengrundentscheidung richtet sich unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen des Gerichts (Rechtsgedanke des § 91a ZPO und des § 161 Abs. 2 VwGO). Für die auf der Grundlage einer summarischen Prüfung des Sach- und Streitstandes im Zeitpunkt der Erledigung im Rahmen von § 193 Abs. 1 SGG nach sachgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung ist in erster Linie der vermutliche Verfahrensausgang von Bedeutung (BSG Beschl. v. 09.01.1997 – 4 RA 116/95, BeckRS 1997, 30766267, beck-online). Grundsätzlich sind die Verfahrenskosten demjenigen aufzuerlegen, der im Verfahren unterliegt.
Allerdings sind die Erfolgsaussichten sowie der tatsächliche Ausgang des Verfahrens keine alleinigen Kriterien für die Kostenentscheidung. Vielmehr hat das Gericht neben dem Ergebnis des Rechtsstreits billigerweise alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Ein möglicher Aspekt ist dabei das sog. Veranlassungsprinzip. Grundlage für die Heranziehung des sogenannten „Veranlassungsprinzips“ als Ermessensgesichtspunkt ist die Vorstellung, dass die Kosten des Gerichtsverfahrens demjenigen aufzuerlegen sind, der Anlass für den Rechtsstreit gegeben hat (vgl. HLSG, Beschl. v. 30. Januar 1996, Az. L 4 B 24/95, juris-Rn. 8; Beschl. v. 13. Mai 1996, Az. L 5 B 64/94, juris-Rn. 23; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 13. Auflage 2020, § 193, Rn. 12b). Es gilt also zu prüfen, ob es sich etwa um einen von vornherein vermeidbaren oder überflüssigen Prozess gehandelt hat und wem dieses ggf. zur Last zu legen ist. Insoweit kommt es insbesondere darauf an, ob im Verlaufe des Verwaltungsverfahrens der Leistungsträger seiner Amtsermittlungspflicht und der Leistungsberechtigte seiner Mitwirkungspflicht in hinreichendem Maße nachgekommen sind.
Das Gericht hält unter Beachtung dieser Grundsätze in Ausübung seines Ermessens eine Kostenübernahme durch Beklagten im Umfang von 100% für sachgerecht, da der Beklagte nach summarischer Prüfung vermutlich vollständig unterlegen wäre.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens waren der Entziehungsbescheid des Beklagten vom 13.08.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.08.2021 und der Versagungsbescheid des Beklagten vom 08.02.2021 in der Gestalt der beiden Widerspruchsbescheide vom 25.08.2021.
Die am 26.07.2021 erhobenen Widersprüche gegen den Entziehungsbescheid des Beklagten vom 13.08.2020 und den Versagungsbescheid vom 08.02.2021 waren aus Sicht der Kammer nicht verfristet.
Im Hinblick auf den Entziehungsbescheid vom 13.08.2020 kann der Beklagte sich nicht auf die Norm des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X berufen. Der Anwendungsbereich der Bekanntgabefiktion des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X ist erst eröffnet, wenn der Tag zur Aufgabe des Bescheides nachweisbar ist, was regelmäßig dadurch geschieht, dass die Behördenakten einen Vermerk über die Aufgabe zur Post enthalten, durch den der Zeitpunkt, an dem der Bescheid zur Post gegeben wurde, dokumentiert wird (Schütze/Engelmann, 9. Aufl. 2020, SGB X § 37 Rn. 29). Ein solcher Vermerk findet sich nicht auf dem Entziehungsbescheid vom 13.08.2020.
Insofern trägt der Beklagte nach den allgemeinen Grundsätzen die Beweislast für den Zeitpunkt des Zugangs des Entziehungsbescheides vom 13.08.2020 (BeckOGK/Mutschler, 1.3.2021, SGB X § 37 Rn. 37). Der Entziehungsbescheid war der Kläger jedenfalls am 26.07.2021 bekanntgegeben, da ausweislich eines Eingangsstempels der Prozessbevollmächtigten des Klägers, diese den Entziehungsbescheid vom 13.08.2020 am 26.07.2021 erhalten haben, so dass die Widerspruchsfrist des § 84 Abs. 1 S. 1 SGG am 26.07.2021 noch nicht abgelaufen gewesen war.
Im Hinblick auf den Versagungsbescheid vom 08.02.2021 war der am 26.07.2021 eingelegte Widerspruch ebenfalls nicht verfrisst, da aufgrund einer unzutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung gemäß §§ 84 Abs. 2 S. 3, 66 Abs. 2 S. 1 SGG gilt. Die im Versagungsbescheid vom 08.02.2021 enthalten Rechtsbehelfsbelehrung ist fehlerhaft, dass sie nicht auf die Möglichkeit einer elektronischen Einlegung des Widerspruchs nach § 84 Abs. 1 S. 1 SGG hinweist. Nach § 84 Abs. 1 S. 1 SGG in der seit dem 1. Januar 2018 gültigen Fassung des Gesetzes zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 (BGBl. I 2208) ist der Widerspruch schriftlich, in elektronischer Form nach § 36a Abs. 2 SGB I oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat.
Soweit der Antragsgegner geltend macht, er habe den elektronischen Zugang nicht eröffnet, lässt sich der für die Einlegung des Widerspruchs maßgeblichen Vorschrift des § 84 Abs. 1 S. 1 SGG die Möglichkeit einer derartigen Beschränkung nicht entnehmen. Vielmehr nimmt diese Vorschrift nur auf § 36a Abs. 2 SGB I und damit auf die dort geregelten Anforderungen an die elektronische Form Bezug, nicht aber auf § 36a Abs. 1 SGB I, wonach die Übermittlung elektronischer Dokumente nur zulässig ist, wenn der Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet. Es steht nicht zur Disposition der Behörde, ob sie einen Zugang für die elektronische Übermittlung des Widerspruchs eröffnet (so auch B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt, SGG, § 84 Rn. 3, LSG Niedersachsen-Bremen Beschl. v. 09.09.2021 – L 13 AS 345/21 B ER, BeckRS 2021, 25714 Rn. 7, beck-online). Dies berücksichtigen diejenigen Entscheidungen, die für die Zulässigkeit der Einreichung des Widerspruchs in elektronischer Form darauf abstellen, ob die betreffende Behörde hierfür einen Zugang eröffnet hat, nicht (so auch: LSG Niedersachsen-Bremen Beschl. v. 09.09.2021 – L 13 AS 345/21 B ER, BeckRS 2021, 25714 Rn. 7, beck-online).
Der Entziehungsbescheid vom 13.08.2020 und der Versagungsbescheid vom 08.02.2021 waren aus Sicht der Kammer nach summarischer Prüfung auch rechtswidrig.
Betreffend den Entziehungsbescheid vom 13.08.2020 war das Mitwirkungsschreiben vom 25. Juni 2020 unzureichend, weil nur auf die Möglichkeit der Versagung nicht jedoch der Entziehung hingewiesen wird. Im (weiteren) Mitwirkungsschreiben vom 20.07.2020 ist dann zwar die Möglichkeit der Entziehung angesprochen. Nach § 66 Abs. 3 SGB II dürfen Sozialleistungen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist. Der vorherige schriftliche Hinweis auf die mögliche(n) Rechtsfolge(n) fehlender Mitwirkung nach § 66 Abs. 3 SGB I soll sicherstellen, dass der Betroffene in Kenntnis der ihm drohenden Rechtsfolgen seine Haltung auf seinen Einzelfall bezogen überdenken kann, um nicht von einer späteren ganz oder teilweisen Leistungsversagung oder -entziehung nach § 66 Abs. 1 SGB I überrascht zu werden. Daher darf sich der Hinweis nicht auf eine allgemeine Belehrung oder Wiedergabe des Gesetzeswortlauts beschränken, sondern muss anhand der dem Leistungsträger durch § 66 Abs. 1 SGB I eingeräumten Entscheidungsalternativen unmissverständlich und konkret die Entscheidung bezeichnen, die im Einzelfall beabsichtigt ist, wenn der Betroffene dem Mitwirkungsverlangen innerhalb der gesetzten Frist nicht nachkommt (BSG Urt. v. 12.10.2018 – B 9 SB 1/17 R, BeckRS 2018, 31898 Rn. 27, beck-online, (LSG Bayern Urt. v. 11.4.2019 – L 7 AS 582/16, BeckRS 2019, 24657 Rn. 53, beck-online). Diesen Anforderungen genügt die Aufforderung zur Mitwirkung des Beklagten 20.07.2020 nicht, da nicht ausgeführt ist, welche konkrete Entscheidung der Beklagte beabsichtigt ist, wenn der Kläger die geforderte Mitwirkungshandlung nicht vornimmt.
Der Versagungsbescheid vom 08.02.2021 war aus Sicht der Kammer ebenfalls rechtswidrig. Im diesbezügliche Mitwirkungsschreiben vom 30.09.2020 hat der Beklagte den Kläger darauf hingewiesen, dass Leistungen nach dem SGB II versagt werden, wenn Leistungen nach dem SGB III aufgrund fehlender Mitwirkung bestandskräftig versagt werden. Zwar ist im Hinblick auf die Leistungen nach dem SGB III unter der 23.09.2020 ein Versagungsbescheid der Agentur für Arbeit ergangen. Diesbezüglich ist jedoch seit dem 14.01.2021 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen S 15 AL 40/21 eine Klage anhängig, so dass am 08.02.2021 kein bestandskräftiger Versagungsbescheid im Hinblick auf Leistungen nach dem SGB III vorlag.
Die Kammer übt ihr Ermessen daher dahingehend aus, dass der Beklagte die vollen notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen hat. Gründe aus Veranlassungsgesichtspunkten hiervon abzuweichen, sieht die Kammer nicht.
Die Beschwerde gegen diesen Beschluss ist ausgeschlossen § 172 Abs. 3 SGG.