1. Bei dem Konsenspapier der MdE-Expertengruppe nach Überprüfung der MdE-Erfahrungswerte bei Gliedmaßenverlusten (MdE-Eckwerte) vom Oktober 2019 handelt es sich um tragfähige Erfahrungssätze für die MdE-Bemessung von unfallbedingten Gliedmaßenverlusten und/oder -einschränkungen.
2. In Wiedererkrankungsfällen beginnt die Verletztenrente mit dem ersten Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit und entsteht mit dem Beginn der Wiedererkrankung dann ein erneuter Anspruch auf Verletztengeld, das neben der Verletztenrente zu zahlen ist.
3. Wenn nach dem Wegfall des Verletztengeldes zunächst keine rentenberechtigende MdE besteht, diese aber im weiteren Verlauf infolge einer Verschlimmerung entsteht oder eine rentenberechtigende MdE rechtfertigende Befunde erst im weiteren Verlauf im Vollbeweis vorliegen, besteht der Anspruch auf Verletztenrente ab dem Tag, an dem erstmals eine rentenberechtigende MdE anzunehmen ist.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 15.10.2021 aufgehoben, der Bescheid der Beklagten vom 19.02.2020 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 17.03.2020 und des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2020 abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Verletztenrente nach einer MdE um 20 v. H. ab dem 01.12.2020 zu gewähren.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenrente streitig.
Die 1962 geborene und als Verwaltungsfachangestellte beim Ordnungsamt der Stadt M1 beschäftigte Klägerin erlitt am 27.12.2018 um circa 07:20 Uhr einen Arbeitsunfall, indem sie nach den Angaben in dem Wegeunfallbogen und in der Unfallanzeige, nachdem sie ihr Auto von ihrem Wohnort kommend in der Tiefgarage im Quadrat H6 in M1 abgestellt und sich von dort zu Fuß auf den zum Verwaltungsgebäude ihrer Arbeitgeberin in K7 in M1 aufgemacht hatte, stolperte, auf ihre Hände fiel und dabei mit der rechten Hand wegknickte, weswegen sie mit der rechten Gesichtshälfte auf den Asphalt prallte.
Die Klägerin stellte sich am Unfalltag um 08:44 Uhr beim R1 vor. Dieser führte in seinem hierüber erstellten Verlaufsbericht aus, die klinische Untersuchung habe am rechten Handgelenk eine oberflächliche Schürfung am Grundgelenk D5 ulnarseitig circa 5 mm, eine Prellmarke am Thenar im Sinne eines circa 5 mm großen Hämatoms sowie eine freie Beweglichkeit des Handgelenks und aller Finger bei intakter peripherer Durchblutung, Motorik und Sensibilität, am Schädel eine oberflächliche Schürfverletzung an der rechten Augenbraue lateral mit leichter Schwellung bei beidseits prompter und regelrechter Pupillenreaktion, regelrechter Augenmotorik sowie einen unauffälligen restlichen Bodycheck ergeben, und diagnostizierte eine Schädelprellung, eine Prellung der rechten Hand sowie eine Schürfwunde am rechten Handgelenk und an der rechten Hand. Nach einer sodann erfolgten Wiedervorstellung führte R1 in seinem Durchgangsarztbericht vom 03.01.2019 aus, die röntgenologische Untersuchung habe eine Sklerosierung und eine Osteophytenbildung am Daumensattelgelenk und keinen Frakturnachweis ergeben, und diagnostizierte weiterhin eine Schädelprellung, eine Prellung der rechten Hand sowie eine Schürfwunde am rechten Handgelenk und an der rechten Hand. Die am 09.01.2019 erfolgte Untersuchung bei S1 ergab ausweislich seines hierüber erstellten Augenarztberichts eine Platzwunde an der Augenbraue und ein Hämatom am Unterlid. Nach einer Wiedervorstellung am 25.01.2019 diagnostizierte R1 in seinem Durchgangsarztbericht eine Dislokation des rechten Daumens sowie eine Distorsion des rechten Daumengrundgelenks.
Am 31.01.2019 stellte sich die Klägerin in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L1 vor. In dem hierüber erstellten Befundbericht wurde ausgeführt, die am 22.01.2019 durchgeführte magnetresonanztomografische Untersuchung habe eine partielle Ruptur des ulnaren Daumenseitenbandes und die nun durchgeführte röntgenologische Untersuchung habe eine Rhizarthrose im Stadium 2 nach Eaton und Littler sowie eine Irregularität im Bereich des mittleren Scaphoiddrittels ergeben. In einem weiteren Verlaufsbericht wurde ausgeführt, die am 04.02.2019 durchgeführte computertomografische Untersuchung habe ein Scaphoid rechts sowie keinen Anhalt für eine Scaphoidfraktur ergeben. Zudem wurde ein Teilausriss des ulnaren Seitenbandes im rechten Metacarpophalangealgelenk 1 diagnostiziert.
R1 führte in seinem Durchgangsarztbericht vom 04.03.2019 aus, die klinische Untersuchung habe an der rechten Hand keinen Druckschmerz mehr sowie am Handgelenk eine freie Beweglichkeit und freie Daumenbeweglichkeit und einen leichten Druckschmerz über dem Daumensattelgelenk bei intakter peripherer Durchblutung, Motorik und Sensibilität ergeben, und diagnostizierte weiterhin eine Dislokation des rechten Daumens und eine Distorsion des rechten Daumengrundgelenks. Er ging von einer Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich zum 11.03.2019 aus.
Der Klägerin wurde während ihrer Arbeitsunfähigkeit vom 27.12.2018 bis zum 11.03.2019 Verletztengeld vom 08.02.2019 bis zum 11.03.2019 gezahlt.
In seiner Mitteilung vom 25.03.2019 führte R1 aus, die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage nach vorläufiger Schätzung über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus unter 10 vom Hundert (v. H.).
S2 führte in seinem Arztbrief aus, die am 11.11.2019 durchgeführte computertomografische Untersuchung habe ergeben, dass weiterhin von einer Instabilität des Daumensattelgelenks mit jetzt erheblichen subchondralen Veränderungen der begleitenden knöchernen Strukturen und zunehmendem Knochenmarködem auszugehen sei, wobei die Ursache der neu aufgetretenen Zyste im distalen „MT I“ unklar sei.
Die Klägerin stellte sich am 26.11.2019 erneut in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L1 vor. In dem hierüber erstellten Durchgangsarztbericht wurde ausgeführt, die Klägerin gebe aktuell starke Schmerzen auf Höhe des Daumensattelgelenks mit teilweise Parästhesien im dritten Strahl an. Im Befund wurde im Seitenvergleich eine Schwellung über dem Thenar, ein Druckschmerz über dem Daumensattelgelenk, ein positiver Grinding-Test, ebenso Schmerzen auf Zug, ein rechts positiver und links negativer Durkan-Test sowie im Seitenvergleich eine vermehrte Aufklappbarkeit des Metacarpophalangealgelenks 1 beschrieben. Röntgenologisch seien eine exophytäre Ausziehung am Metacarpophalangealgelenk 1, an der Gelenkfläche des Mittelhandknochens 1 und am Grundgelenk, eine Rhizarthrose im Stadium 2 nach Eaton und Littler, eine Zyste im distalen Scaphoidpol und kein Hinweis für eine frische Fraktur festgestellt worden. Diagnostiziert wurden eine Rhizarthrose rechts bei Verdacht auf ein Carpaltunnelsyndrom rechts. Es erfolgte eine Ruhigstellung in einer Rhizoloc-Orthese.
Am 11.12.2019 erfolgte eine weitere Vorstellung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L1. In dem dortigen Verlaufsbericht wurde ausgeführt, die durchgeführte neurologische Untersuchung habe im Bereich der rechten Hand keine Nervenverletzung ergeben, die durchgeführte klinische Untersuchung habe eine deutliche Instabilität des ulnaren Seitenbandes des Daumengrundgelenks ergeben, hier sei kein fester Anschlag provozierbar, es bestünden jedoch keine Schmerzen, allerdings liege ein deutlicher Kompressionsschmerz im Bereich des rechten Daumensattelgelenks vor, die röntgenologische Untersuchung habe eine Rhizarthrose im Stadium 3 nach Eaton und Littler rechts, eine subchondrale Sklerosierung, eine Gelenkspaltverschmälerung und eine Inkongruenz der Gelenkfläche im Bereich des Daumengrundgelenks als Anzeichen für eine Arthrose ergeben, und wurden eine Rhizarthrose sowie eine Verletzung des rechten ulnaren Seitenbandes diagnostiziert. Empfohlen wurde die Implantation einer Daumensattelgelenksprothese unter „Bereitschaft“ der Trapezektomie auf der rechten Seite zu Lasten der Krankenkasse. Im Anschluss an weiterhin sechs Monate lang bestehende Beschwerden solle im Bereich des Daumengrundgelenks eine Arthrodese in Erwägung gezogen werden.
Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 19.02.2020 den Unfall vom 27.12.2018 als Arbeitsunfall an, stellte als wesentliche Folgen des Arbeitsunfalls eine Verstauchung des rechten Daumengrundgelenks mit Teilausriss des Seitenbandes, eine Prellung des rechten Handgelenks, eine Schädelprellung sowie Schürfwunden an der rechten Hand und am rechten Handgelenk fest, erkannte als Folge des Arbeitsunfalls eine Arthrose im rechten Daumensattelgelenk nicht an, lehnte die Gewährung einer Verletztenrente ab, führte aus, ein Anspruch auf Heilbehandlung sowie unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit aufgrund der anerkannten Unfallfolgen bestünden bis einschließlich zum 05.03.2019, und lehnte einen Anspruch auf Heilbehandlung aufgrund der unfallunabhängig bestehenden Veränderungen, insbesondere der Implantation einer Daumensattelgelenksprothese, ab.
Hiergegen legte die Klägerin am 25.02.2020 Widerspruch ein. Die empfohlene Schiene müsse sie weiterhin nutzen, um den Arbeitsalltag überhaupt meistern zu können. Zudem benötige sie bei einigen Tätigkeiten trotz Tragens der Schiene die Hilfe ihrer Kollegen, da sie nach wie vor durch das instabile Seitenband des Daumengrundgelenks kaum greifen beziehungsweise Gegenstände festhalten könne. Da umgehend nach dem Unfall das Seitenband nicht rekonstruiert beziehungsweise richtig behandelt worden sei und dies nun nach einem Jahr nicht sinnvoll erscheine, müsse sie nun mit diesen Schmerzen und der erheblichen Beeinträchtigung sowohl geschäftlich wie auch im Privaten zurechtkommen. Die Beschwerden und erheblichen Beeinträchtigungen des Arbeitsunfalls – die deutliche Instabilität des ulnaren Seitenbandes des Daumengrundgelenks – seien geblieben. Hinzugekommen sei eine Arthrose des Daumensattelgelenks.
R2 führte in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 03.03.2020 aus, die Arthrose sowie die Instabilität des rechten Daumensattelgelenks und die Zyste seien nicht auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Hier sei eindeutig bereits ein relevanter Vorschaden am Daumensattelgelenk dokumentiert. Es bestehe in den klinischen Befunden wiederholt dokumentiert eine schmerzfreie ulnare Aufklappbarkeit des Daumengrundgelenks bei Teilzerreißung des ulnaren Seitenbandes. Im Vordergrund stünden die Beschwerden des rechten Daumensattelgelenks. Eine Instabilität des Daumensattelgelenks sei die Folge der Gelenkveränderung durch einen arthrosebedingten Umbau des großen Vieleckbeines als Wiederlager zum Mittelhandknochen 1. Ein Anspruch auf Verletztenrente bestehe nicht. Eine MdE um 10 v. H. bestehe bei Belastungsdefizit des Daumengrundgelenks beziehungsweise nach Versteifung.
Auf telefonische Nachfrage teilte die Klägerin mit, sie habe sich nach Dezember 2019 nicht mehr in ärztlicher Behandlung befunden.
Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 17.03.2020 in Ergänzung zu ihrem Bescheid vom 19.02.2020 eine ellenseitige Seitenbandinstabilität mit funktionellem Defizit am rechten Daumengrundgelenk als Unfallfolge fest und führte mit weiterem Bescheid vom 17.03.2020 aus, unter teilweiser Abhilfe des Widerspruchs werde die Behandlungsbedürftigkeit infolge des Arbeitsunfalls über den 05.03.2019 hinaus anerkannt und es bestehe ein „Anspruch auf Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit“ über den 05.03.2019 hinaus.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2020 wies die Beklagte den Widerspruch im Übrigen zurück. Ein Anspruch auf eine Verletztenrente sei nicht gegeben, da keine rentenberechtigende MdE vorliege.
Hiergegen hat die Klägerin am 24.04.2020 Klage beim Sozialgericht (SG) Mannheim erhoben. Sie hat zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, nach den MdE-Tabellen sei bei einer alleinigen Verletzung im Daumengrundgelenk grundsätzlich von einer MdE um 20 v. H. auszugehen. Bei ihr sei nicht lediglich das Daumenendgelenk betroffen, wie die Beklagte meine. Die Arthrose des Daumensattelgelenks sei durch das streitgegenständliche Unfallereignis verursacht worden. Zuvor seien die Schmerzen in diesem Bereich geringer und die Beweglichkeit deutlich besser gewesen.
Im Rahmen der in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L1 vom 30.06.2020 bis zum 03.07.2020 durchgeführten stationären Behandlung ist ausweislich des Operationsberichts und des hierüber erstellten Arztbriefs, nach dem röntgenologisch eine Rhizarthrose im Stadium 3 bis 4 nach Eaton und Littler festgestellt und eine entsprechend massive Beschwerdehaftigkeit geklagt worden war, am 30.06.2020 wegen der diagnostizierten Rhizarthrose eine Implantation einer Daumensattelgelenksendoprothese erfolgt.
Die Klägerin hat sich in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L1 am 19.08.2020 erneut vorgestellt. In dem hierüber erstellten Verlaufsbericht ist ausgeführt worden, die Klägerin habe eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung am rechten Daumengrundgelenk angegeben. Bei der klinischen Untersuchung hätten sich reizlose Narben am rechten Daumensattelgelenk, eine regelrechte Beweglichkeit des Daumensattelgelenks, eine intakte periphere Durchblutung und Sensibilität am rechten Daumen, ein mäßiger Druckschmerz und eine aktive Bewegungseinschränkung am Daumengrundgelenk sowie eine im Seitenvergleich vermehrte Aufklappbarkeit des Daumengrundgelenks nach ulnar gezeigt. Röntgenologisch hätten sich eine regelrechte Lage der Daumensattelgelenksprothese ohne Anhalt auf Metallbruch oder Metalllockerung sowie arthrotische Veränderungen am Daumengrundgelenk im Sinne von Gelenkspaltverschmälerung, Osteophytenbildung und palmarer Subluxation gezeigt. Diagnostiziert worden sind eine Arthrose im rechten Daumengrundgelenk bei Zustand nach ulnarer Seitenbandverletzung und ein Zustand nach Daumensattelgelenksprothese. Bei Dauerschaden am Daumengrundgelenk und fortschreitenden arthrotischen Veränderungen ist eine am 14.01.2021 durchzuführende operative Versorgung durch eine Arthrodese des Daumengrundgelenks empfohlen worden.
Der Klägerin ist während ihrer Arbeitsunfähigkeit vom 30.06.2020 bis zum 11.09.2020 Verletztengeld vom 11.08.2020 bis zum 11.09.2020 gezahlt worden.
H1, Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L1, hat in ihrem auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin erstellten Gutachten vom 21.12.2020 ausgeführt, die Teilläsion des ulnaren Seitenbandes am Daumengrundgelenk sei durch das Unfallgeschehen verursacht worden und die Schmerzhaftigkeit am Daumensattelgelenk sei auf dem Boden der vorbestehenden Rhizarthrose entstanden. Dass diese zum Unfallzeitpunkt bereits vorgelegen habe, werde insbesondere durch die Röntgenaufnahmen vom Unfalltag bestätigt. Zudem seien im Bericht von R1 typische arthrotische Veränderungen mit einer Gelenkspaltverschmälerung und osteophytären Ausziehungen beschrieben worden. Die Verschlimmerung eines vorbestehenden Schadens bestätige sich durch den kernspintomografischen Befund vom 22.01.2019 mit einem deutlich sichtbaren intraossären Knochenmarksödem des Os trapezium und dem Nachweis einer Kapselläsion im Bereich des rechten Daumensattelgelenks. Diese Verschlimmerung des vorbestehenden Schadens könne für einen Zeitraum von etwa sechs Monaten anerkannt werden. Die zum Zeitpunkt des Unfallereignisses klinisch stumme Rhizarthrose sei durch das Unfallgeschehen aktiviert worden. Die am Tag ihrer gutachterlichen Untersuchung noch bestehenden Beschwerden des Daumengrundgelenks seien vollständig auf das Unfallereignis zurückzuführen. Die Klägerin habe über keinerlei Beschwerden mehr im bereits operierten Daumensattelgelenk berichtet. Die Funktion sei insoweit frei gewesen. Verblieben seien im Bereich der rechten Hand infolge der verursachten Teilläsion des ulnaren Seitenbandes am Daumengrundgelenk eine Schmerzhaftigkeit, eine Subluxationsstellung sowie eine Instabilität des Daumengrundgelenks, eine entsprechende radiologische Veränderung, ein Angewiesensein auf eine Schmerzmedikation, eine eingeschränkte Feinmotorik, eine Kraftminderung und eine Kälteempfindlichkeit sowie eine Bewegungseinschränkung für das rechte Handgelenk und für das rechte Daumengelenk sowie infolge der aktivierten Daumensattelgelenksarthrose für einen Zeitraum von etwa 6 Monaten nach dem Arbeitsunfall eine Schmerzhaftigkeit am Daumensattelgelenk. Ab dem Unfalltag habe für sechs Wochen eine Arbeitsunfähigkeit wegen der initiierten Ruhigstellung mittels einer Daumenschiene bestanden. Danach sei Arbeitsfähigkeit eingetreten. Aufgrund der Erhebungen am Tag der gutachterlichen Untersuchung betrage die MdE 20 v. H. Wie sie nach der noch zu erfolgenden operativen Versorgung mit einer Arthrodese einzuschätzen sei, müsse gesondert nach Ablauf der postoperativen Heilungsphase beurteilt werden.
Im Rahmen der in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L1 vom 14.01.2021 bis zum 15.01.2021 durchgeführten stationären Behandlung ist ausweislich des Operationsberichts und des Entlassungsberichts am 14.01.2021 wegen der diagnostizierten Daumengrundgelenksarthrose eine Arthrodese des rechten Daumengrundgelenks mit Zuggurtung erfolgt.
Die Weiterbehandlung ist bei R1 erfolgt, der am 29.01.2021 und am 08.03.2021 eine Kribbelparästhesie an den Fingerkuppen D1 und D2, eine intakte übrige Sensomotorik, eine Hypästhesie N2 und ein Nichterreichen der Fingerkuppe D2 beschrieben hat, sowie in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L1, die am 24.02.2021 im Bereich der Fingerkuppen des Daumens und Zeigefingers bei angelegter Schiene Kribbelparästhesien und am 26.04.2021 eine Störung der koordinierten Ansteuerung der Extensor pollicis longus- und Flexor pollicis Iongus-Funktion und der Opposition festgehalten hat, und bei B1, der am 22.04.2021 eine noch endgradig schmerzhafte Extension/Flexion, einen bis auf 1 cm inkompletten Faustschluss und eine mögliche aktive Flexion angegeben hat, erfolgt.
Die im Radiologie Zentrum M1 am 28.06.2021 durchgeführte computertomografische Untersuchung hat ausweislich des dortigen Arztbriefs eine vollständige Durchbauung des Daumengrundgelenks und einen Zustand nach Prothese des Daumensattelgelenks ohne Anhalt für Materiallockerung oder Materialbruch ergeben. R1 hat am 24.08.2021 eine endgradige Flexhemmung und ein mögliches Opponieren beschrieben. Die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik L1 hat am 07.07.2021 eine bis zur Mittelfingerkuppe gelingende Daumenopposition, ein eingeschränktes Bewegungsausmaß für die Extension/Flexion im Endgelenk und eine Ankolysierung des ehemaligen Daumengrundgelenks in circa 20°-Beugung festgehalten.
Sodann ist in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L1 am 03.09.2021 wegen störenden Osteosynthesematerials nach Arthrodese Metacarpale-1 rechts eine ambulant-operative Materialentfernung vorgenommen worden. R1 hat am 19.10.2021 eine leichte Hypästhesie beschrieben.
Das SG Mannheim hat mit Urteil vom 15.10.2021 die Klage abgewiesen. Der Arbeitsunfall habe zu Funktionsbeeinträchtigungen geführt, die mit keiner höheren MdE als 10 v. H. zu bewerten seien. Aus den von der Beklagten mit Bescheid vom 19.02.2020 anerkannten Unfallfolgen in Form einer Verstauchung des rechten Daumengrundgelenks mit einem Teilausriss des Seitenbandes, einer Prellung des rechten Handgelenks, einer Schädelprellung sowie von Schürfwunden an der rechten Hand und am rechten Handgelenk resultierten Funktionseinschränkungen in Form einer Kraftminderung und Bewegungseinschränkung. Aus den von der Sachverständigen H1 erhobenen Bewegungsmaßen lasse sich unter Berücksichtigung der unfallmedizinischen Literatur in Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage, S. 581 eine MdE um 10 v. H. ableiten, wie sie R3 in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme aus medizinischer Sicht eingeschätzt habe. Der Bewertung durch H1 sei nicht zu folgen. Denn erst eine Amputation des Daumens im Grundgelenk rechtfertige nach Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage, S. 605 den von ihr angenommenen Wert von 20 v. H. Im Vergleich dazu stehe die Klägerin besser. Denn hierdurch sei weiterhin die Fähigkeit erhalten, sich mit diesem Finger den anderen der jeweiligen Hand entgegenzurichten und ihn beim Halten und Greifen einzusetzen, wenn auch eingeschränkt. Eine weitere unfallbedingte Gesundheitsstörung, welche die Erwerbsfähigkeit über die 26. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus mindere, sei nicht eingetreten. Die Schädelprellung und die Schürfwunden seien folgenlos ausgeheilt. Mit Bescheid vom 19.02.2020 habe die Beklagte zudem bindend festgestellt, dass eine Arthrose im Daumensattelgelenk keine Unfallfolge sei. Gegen diese Regelung habe sich die anwaltlich vertretene Klägerin im Klageverfahren nicht gewandt. Demgegenüber habe sie sich darauf beschränkt, die negative Feststellung anzufechten, dass kein Recht auf eine Verletztenrente bestehe. Damit seien hieraus resultierenden Funktionsstörungen für die MdE nicht zu berücksichtigen.
Der Klägerin ist während ihrer Arbeitsunfähigkeit vom 14.01.2021 bis zum 14.11.2021 Verletztengeld vom 25.02.2021 bis zum 14.11.2021 gezahlt worden.
Gegen das ihr am 22.02.2022 zugestellte Urteil des SG Mannheim hat die Klägerin am 22.03.2022 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt.
Die Klägerin hat das für den Badischen Gemeinde-Versicherungsverband erstellte Gutachten des K1, Direktor an der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L1, vom 29.10.2021 vorgelegt. Der Gutachter hat ausgeführt, im Rahmen des Arbeitsunfalls habe sich die Klägerin eine partielle Ruptur des ulnaren Seitenbandes des Grundgelenks zugezogen. Die vorbestehende symptomfreie Rhizarthrose sei durch den Arbeitsunfall aktiviert worden. Zusammenfassend bestünden aufgrund des Arbeitsunfalls an Einschränkungen Schmerzen im Bereich des rechten Daumens in Ruhe sowie bei Belastung, eine Bewegungseinschränkung des rechten Daumens, eine deutliche Kraftminderung des rechten Daumens beim Pinch, eine deutliche Grobkraftminderung der rechten Hand, eine Druckschmerzhaftigkeit des ulnarseitigen ehemaligen Daumengrundgelenks und eine Asensibilität im Bereich des streckseitigen distalen Daumengrundgliedes und -endgliedes. Aufgrund des Arbeitsunfalls verbleibe hinsichtlich des rechten Daumens eine dauerhafte Einschränkung von zwei Fünfteln.
Die Klägerin hat zur Begründung ihrer Berufung ausgeführt, die medizinische Einschätzung der unfallbedingten MdE im Gutachten der H1 laute auf 20 v. H. Ferner gelange die Gutachterin zu der Feststellung, dass die vorbestehende Rhizarthrose im Daumensattelgelenk durch das Unfallereignis aktiviert worden sei. Zudem sei die Schmerz- und Beschwerdesituation durch das SG Mannheim nicht hinreichend gewürdigt worden. Insoweit werde auf das Gutachten des K1 vom 29.10.2021, das im Rahmen des Versicherungsfalls zwischen ihr und ihrer privaten Unfallversicherung eingeholt worden sei, verwiesen. Dieses Gutachten verhalte sich über den medizinischen Sachverhalt, der sich nach dem Gutachten der H1 durch die beiden weiteren Operationen am 14.01.2021 und 03.09.2021 darstelle. Aus diesem Gutachten gehe zudem hervor, dass es bei vorbestehender symptomfreier Rhizarthrose zu einer Aktivierung der Rhizarthrose durch den Unfall gekommen sei. Die gerichtliche Argumentation, dass die Ablehnung des Ursachenzusammenhangs diesbezüglich im Klageverfahren nicht weiterverfolgt worden wäre, gehe am klägerischen Vorbringen im Rahmen der Klageschrift, wonach anzunehmen sei, dass die Arthrose des Daumensattelgelenks durch den Arbeitsunfall (mit-)verursacht worden sei, vorbei. Ferner sei schon erstinstanzlich darauf hingewiesen worden, dass nach den sogenannten MdE-Tabellen die MdE allein bei alleiniger Daumenverletzung im Daumengrundgelenk grundsätzlich mit 20 v. H. zu bemessen sei und dass man, wenn gar das Daumensattelgelenk – wie vorliegend – mitbetroffen sei, schon grundsätzlich bei einer MdE um wenigstens 25 v. H. liege. Es sei dabei auf https://qutachten-hand-arm.de/erfahrunqswerte mde/daumen.htm hingewiesen worden. H1 sei in ihrem Gutachten insoweit zur fachmedizinischen Feststellung gelangt, dass im konkreten Sachverhalt bei Grundgelenksbetroffenheit mit (geringer) Restfunktionalität und betroffenem Sattelgelenk (aktivierte Rhizarthrose) in der Gesamtbewertung eine MdE um 20 v. H. anzunehmen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 15.10.2021 abzuändern, den Bescheid der Beklagten vom 19.02.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2020 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 27.12.2018 eine Verletztenrente nach einer MdE um wenigstens 20 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Klägerin sei zwar im Sinne einer Kraftminderung und Bewegungseinschränkung beeinträchtigt, jedoch nicht in rentenberechtigendem Grade.
Der Senat hat sodann von Amts wegen das Gutachten des K1 vom 10.03.2023 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, durch den Arbeitsunfall seien verursacht oder verschlimmert worden Schmerzen im Bereich des rechten Daumens in Ruhe sowie bei Belastung, eine Bewegungseinschränkung des rechten Daumens, eine deutliche Kraftminderung des rechten Daumens beim Pinch, eine deutliche Grobkraftminderung der rechten Hand, eine Druckschmerzhaftigkeit des ulnarseitigen ehemaligen Daumengrundgelenks und eine Asensibilität im Bereich des streckseitigen ulnaren distalen Daumengrundgliedes und -endgliedes. Als unfallunabhängige Gesundheitsstörung habe zum Unfallzeitpunkt bereits eine radiologisch gesicherte Daumensattelgelenksarthrose, die im Verlauf durch Implantation einer Prothese therapiert worden sei, bestanden. Zum Untersuchungszeitpunkt am 27.02.2023 habe die Klägerin explizit keinerlei Beschwerden im operierten Daumensattelgelenk angegeben. Die zwischenzeitlich anamnestisch vorhanden gewesenen Beschwerden im Bereich des Daumensattelgelenks bei aktivierter Rhizarthrose seien durch die operative Therapie vollständig behoben. Bei der Klägerin sei die Funktion des Daumensattelgelenks frei. Es werde ein Kapandji-Score von 7 erreicht. Die Daumenlänge sei wiederhergestellt. Bezugnehmend auf das Gutachten der H1 habe ab dem Unfalltag zunächst für sechs Wochen eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund der initiierten Ruhigstellung mittels Daumenschiene, im Anschluss wieder eine Arbeitsfähigkeit und im Rahmen der operativen Versorgung der Rhizarthrose dann erneut eine sechswöchige Arbeitsunfähigkeit zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung bestanden. Die MdE auf handchirurgischem Fachgebiet könne für den Zeitpunkt der Untersuchung durch H1 am 01.12.2020 mit 20 v. H. angegeben werden. Bis zur nächsten operativen Therapie zu Lasten der Beklagten sei keine Änderung des Befundes eingetreten, so dass die MdE vom 01.12.2020 bis zum 13.01.2021 ebenfalls 20 v. H. betragen habe. Die Klägerin sei vom 14.01.2021 bis zum 14.11.2021 arbeitsunfähig gewesen. Seit dem 15.11.2021 bestehe eine MdE um 20 v. H.
In seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 11.04.2023 hat K1 ausgeführt, seiner Einschätzung der MdE liege das im Oktober 2019 veröffentlichte und seit dem 01.11.2019 zur Anwendung kommende „Konsenspapier der MdE-Expertengruppe nach Überprüfung der MdE-Erfahrungswerte bei Gliedmaßenverlusten (MdE-Eckwerte)“ der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. (DGUV) zugrunde. Danach werde ein vollständiger Verlust des Daumens auf Höhe des Grundgelenks mit einer MdE um 30 v. H. bewertet. Bei der Klägerin lägen funktionell mit Auswirkung auf die Erwerbsfähigkeit und damit auf die Höhe der MdE Einschränkungen in der Bewegungsfreiheit des Daumens vor. Es handele sich dabei um eine aufgehobene Beweglichkeit des Daumengrundgelenks und eine reduzierte Beweglichkeit des Daumenendgelenks, um Einschränkungen in der sensiblen Empfindung, der Feinmotorik sowie insbesondere des Greifens mit deutlicher Reduktion der Griffkraft und Grobkraft und damit um Einschränkungen bei der Selbstversorgung, beim Schreiben und bei der PC-Handhabung. Im Gegensatz zu einer Amputation des Daumens auf Höhe des Grundglieds bestehe allerdings eine Sensibilität am palmaren Daumen sowie am dorsalen radialen Daumennerv. Allerdings bestünden auch deutliche Druckschmerzen im Bereich der Arthrodese. Zusammengefasst halte er hier eine MdE in Höhe von zwei Dritteln im Vergleich zu einem vollständigen Verlust auf Höhe des Daumengrundgelenks für angemessen. Als weiterer Bewertungshinweis dienten die „Workers‘ Compensation Guidelines for Determining lmpairment First Edition, November 22, 2017“, die eine Arthrodese im Daumengrundgelenk mit einem Funktionsverlust des Daumens um 75 % gleichsetzten. Hierbei wären 75 % der für den Daumenverlust angesetzten MdE um 30 v. H. mit einer solchen um 22,5 v. H. und damit sogar höher als die von ihm empfohlene MdE um 20 v. H. einzuschätzen.
T1, Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L1, hat in ihrer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 09.08.2023 die Einschätzung der MdE mit 20 v. H. weiter begründet.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
1. Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte, nach § 151 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist begründet. Denn die Klägerin hat gegen die Beklagte wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 27.12.2018 einen Anspruch auf Verletztenrente ab dem 01.12.2020.
2. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist unter sinngemäßer Auslegung des Berufungsantrags der Klägerin die Aufhebung des Urteils des SG Mannheim vom 15.10.2021, die Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 19.02.2020 in der Gestalt der nach § 86 SGG zum Gegenstand des Widerspruchverfahrens gewordenen Änderungsbescheide vom 17.03.2020 und des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2020 sowie die Verurteilung der Beklagten, der Klägerin eine Verletztenrente nach einer MdE um 20 v. H. zu gewähren. Dieses Ziel verfolgt die Klägerin mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
3. Rechtsgrundlage für die Gewährung einer Verletztenrente ist § 56 SGB VII.
Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Nach § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII richtet sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens.
Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII sind versicherte Tätigkeiten auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sind Folgen eines Versicherungsfalls auch Gesundheitsschäden oder der Tod von Versicherten infolge der Durchführung einer Heilbehandlung.
4. Eine Gesundheitsstörung ist Unfallfolge eines Versicherungsfalls im Sinne des § 8 SGB VII (im engeren Sinne), wenn sie durch den Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls wesentlich verursacht worden ist. Der Anspruch setzt grundsätzlich das „objektive“, das heißt aus der nachträglichen Sicht eines optimalen Beobachters, Vorliegen einer Gesundheitsstörung voraus, die spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls verursacht worden ist (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 06.09.2018 – B 2 U 16/17 R, juris Rn. 14). Ob ein Gesundheitsschaden dem Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls als Unfallfolge im engeren Sinn zuzurechnen ist (sogenannte haftungsausfüllende Kausalität), beurteilt sich nach der Zurechnungslehre der Theorie der wesentlichen Bedingung (BSG, Urteil vom 17.02.2009 – B 2 U 18/07 R, juris Rn. 12; BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R, juris Rn. 12 ff.). Die Zurechnung erfolgt danach in zwei Schritten:
Zunächst ist die Verursachung der weiteren Schädigung durch den Gesundheitserstschaden im naturwissenschaftlich-naturphilosophischen Sinne festzustellen. Ob die Ursache-Wirkung-Beziehung besteht, beurteilt sich nach der Bedingungstheorie. Nach ihr ist eine Bedingung dann notwendige Ursache einer Wirkung, wenn sie aus dem konkret vorliegenden Geschehensablauf nach dem jeweiligen Stand der einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse (Erfahrungssätze) nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine-qua-non). Ob die versicherte Verrichtung beziehungsweise der auf der Verrichtung kausal beruhende Gesundheitserstschaden Ursache für den (weiteren) Gesundheitsschaden ist und diesen objektiv (mit-)verursacht hat, ist eine rein tatsächliche Frage (BSG, Urteil vom 07.05.2019 – B 2 U 34/17 R, juris Rn. 23, 33). Sie muss aus der nachträglichen Sicht (ex post) nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand des Fach- und Erfahrungswissens über Kausalbeziehungen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten (gegebenenfalls unter Einholung von Sachverständigengutachten) beantwortet werden (BSG, Urteil vom 26.06.2014 – B 2 U 4/13 R, juris Rn. 25). Das schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen (BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R, juris Rn. 17).
Der je nach Fallgestaltung gegebenenfalls aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen muss als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden. Für die Feststellung des naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhangs genügt der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Dieser ist erfüllt, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht; allein die Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs genügt dagegen nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R, juris Rn. 20; BSG, Urteil vom 18.01.2011 – B 2 U 5/10 R, juris Rn. 20; BSG, Urteil vom 15.05.2012 – B 2 U 31/11 R, juris Rn. 34). Das Vorliegen eines Gesundheitserstschadens beziehungsweise eines Gesundheitsfolgeschadens (Unfallfolgen) muss hingegen im sogenannten Vollbeweis, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für das Gericht feststehen. Hierbei ist zwar eine völlige Gewissheit nicht zu fordern, die bloße Möglichkeit genügt andererseits jedoch nicht. Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (BSG, Urteil vom 17.04.2013 – B 9 V 1/12 R, juris Rn. 33; BSG, Urteil vom 24.11.2010 – B 11 AL 35/09 R, juris Rn. 21).
Es gelten die allgemeinen Regeln der materiellen Beweislast. Danach trägt derjenige, der ein Recht für sich beansprucht, nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Ermittlung die materielle Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen dieses Rechts (BSG, Urteil vom 31.01.2012 – B 2 U 2/11 R, juris, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 18.11.2008 – B 2 U 27/07 R, juris; BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R, juris).
Ist der Gesundheitserstschaden in diesem Sinne eine notwendige Bedingung des weiteren Gesundheitsschadens, wird dieser ihm aber nur dann zugerechnet, wenn er ihn wesentlich (ausreichend: mit-) verursacht hat. Bei dieser reinen Rechtsfrage nach der „Wesentlichkeit“ der versicherten Verrichtung für den Erfolg der Einwirkung muss entschieden werden, ob sich durch das versicherte Handeln ein Risiko verwirklicht hat, gegen das der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand gerade Schutz gewähren soll (BSG, Urteil vom 17.12.2015 – B 2 U 8/14 R, juris Rn. 20).
Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. „Wesentlich“ ist nicht gleichzusetzen mit „gleichwertig“ oder „annähernd gleichwertig“. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) „wesentlich“ und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als „wesentlich“ anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als „Gelegenheitsursache“ oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die „Auslösung“ akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R, juris Rn. 15; BSG, Urteil vom 05.07.2011 – B 2 U 17/10 R, juris Rn. 28 ff.).
5. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Klägerin einen Anspruch auf die Gewährung von Verletztenrente.
5.1 Die Klägerin hat am 27.12.2018 einen beim Zurücklegen des mit ihrer nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII als Verwaltungsfachangestellte beim Ordnungsamt der Stadt M1 versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach dem Ort der Tätigkeit nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versicherten Unfall und damit einen Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII erlitten, indem sie, nachdem sie ihr Auto von ihrem Wohnort kommend in der Tiefgarage im Quadrat H6 in M1 abgestellt und sich von dort zu Fuß auf den zum Verwaltungsgebäude ihrer Arbeitgeberin in K7 in M1 aufgemacht hatte, gestolpert, auf ihre Hände gefallen und dabei mit der rechten Hand weggeknickt ist, weswegen sie mit der rechten Gesichtshälfte auf den Asphalt geprallt ist.
5.2 Die Klägerin hat sich nach den zutreffenden Verlaufs- und Durchgangsarztberichten des R1 vom 27.12.2018 und 03.01.2019, die der Senat gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 415 ff. ZPO im Wege des Urkundenbeweises verwertet hat, und nach den überzeugenden Gutachten der H1 vom 21.12.2020 und des K1 vom 10.03.2023, die der Senat gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 402 ff. ZPO im Wege des Sachverständigenbeweises verwertet hat, infolge dieses Sturzes als Gesundheitserstschaden eine Schädelprellung sowie im Bereich der rechten Hand eine Prellung, eine Schürfwunde und am Daumengrundgelenk eine Teilläsion des ulnaren Seitenbandes sowie am Os trapezium beziehungsweise Daumensattelgelenk eine Kapselläsion und ein Knochenmarksödem im Sinne einer aktivierten Arthrose bei vorbestehender bis dahin stummer Rhizarthrose (= Daumensattelgelenksarthrose) zugezogen.
5.3 Nach dem Gutachten der H1 vom 21.12.2020 ist die durch den Arbeitsunfall verursachte Teilläsion des ulnaren Seitenbandes am Daumengrundgelenk zunächst leitliniengerecht mit einer Ruhigstellung in einer Rhizoloc-Schiene und die durch den Arbeitsunfall aktivierte Daumensattelgelenksarthrose mit einer Implantation einer Daumensattelgelenksprothese therapiert worden. Nach dem Gutachten der H1 vom 21.12.2020 sind als Gesundheitsdauerschaden im Bereich der rechten Hand infolge der verursachten Teilläsion des ulnaren Seitenbandes am Daumengrundgelenk eine Schmerzhaftigkeit, eine Subluxationsstellung sowie eine Instabilität des Daumengrundgelenks, eine entsprechende radiologische Veränderung, ein Angewiesensein auf eine Schmerzmedikation, eine eingeschränkte Feinmotorik, eine Kraftminderung und eine Kälteempfindlichkeit sowie eine Bewegungseinschränkung für das rechte Handgelenk und für das rechte Daumengelenk sowie infolge der aktivierten Daumensattelgelenksarthrose für einen Zeitraum von etwa 6 Monaten nach dem Arbeitsunfall eine Schmerzhaftigkeit am Daumensattelgelenk verblieben. Nach dem Gutachten des K1 vom 10.03.2023 sind, nachdem am 14.01.2021 eine operative Daumengrundgelenksarthrodese durchgeführt worden war, als Gesundheitsdauerschaden im Bereich der rechten Hand am Daumen Schmerzen in Ruhe sowie bei Belastung, eine Bewegungseinschränkung, eine deutliche Kraftminderung beim Pinch, eine Druckschmerzhaftigkeit des ulnarseitigen ehemaligen Daumengrundgelenks, eine Asensibilität im Bereich des streckseitigen ulnaren distalen Daumengrundgliedes und -endgliedes und eine deutliche Grobkraftminderung der rechten Hand verblieben.
5.4 Dieser unfallbedingte Gesundheitsdauerschaden bedingt über die 26. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus eine MdE um 20 v. H.
a. Nach dem Gutachten der H1 vom 21.12.2020 hat ab dem Arbeitsunfall am 27.12.2018 eine unfallbedingte sechswöchige Arbeitsunfähigkeit aufgrund der initiierten Ruhigstellung mittels Rhizoloc-Schiene, im Anschluss daran eine Arbeitsfähigkeit sowie ab der am 30.06.2020 erfolgten operativen Versorgung der Rhizarthrose eine nicht-unfallbedingte sechswöchige Arbeitsunfähigkeit bestanden und im Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung am 01.12.2020 die MdE 20 v. H. betragen. Dieser Einschätzung ist K1 in seinem Gutachten vom 10.03.2023 gefolgt. Für den nachfolgenden Zeitraum hat er dargelegt, dass bis zur nächsten unfallbedingten operativen Therapie keine Änderung des Befundes eingetreten ist, so dass die MdE vom 01.12.2020 bis zum 13.01.2021 ebenfalls 20 v. H. betragen hat, ab der am 14.01.2021 erfolgten operativen Versorgung der Daumengrundgelenksarthrose bis zum 14.11.2021 eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bestanden hat und seit dem 15.11.2021 die MdE 20 v. H. beträgt. Diese MdE-Einschätzung ist überzeugend. In ihren ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen haben K1 unter dem 11.04.2023 und T1 unter dem 09.08.2023 zutreffend dargelegt, dass und warum für die Bemessung der MdE das Konsenspapier der MdE-Expertengruppe nach Überprüfung der MdE-Erfahrungswerte bei Gliedmaßenverlusten (MdE-Eckwerte) vom Oktober 2019 zu Grunde zu legen ist und die unfallbedingten Funktionseinschränkungen der Klägerin danach mit einer MdE um 20 v. H. zu bewerten sind.
b. Die Bemessung des Grades der MdE ist eine Tatsachenfeststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG, Urteil vom 05.09.2006 – B 2 U 25/05 R, juris Rn. 10; vergleiche auch Kranig in Hauck/Noftz SGB VII, 4. Ergänzungslieferung 2023, § 56 Rn. 36b-36d).
Die MdE-Tabellenwerte sind allgemeine (generelle) Tatsachen, die für die Bestimmung des Inhalts einer Rechtsnorm – nämlich des in § 56 Abs. 2 SGB VII verwendeten Begriffs der MdE – und damit für eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle relevant sind. Bei einer Vielzahl von Unfallfolgen haben sich im Laufe der Zeit für die Schätzung der MdE Erfahrungswerte herausgebildet. Sie sind in Form von Rententabellen oder Empfehlungen zusammengefasst und dienen als Hilfsmittel für die MdE-Einschätzung im Einzelfall. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber als in sich stimmiges Beurteilungsgefüge die Grundlage für eine gleichförmige Bewertung der MdE, ohne dass hier eine exakte rechtsdogmatische Einordnung der MdE-Tabellen erforderlich wäre (BSG, Urteil vom 20.12.2016 – B 2 U 11/15 R, juris Rn. 18). MdE-Tabellen bezeichnen typisierend das Ausmaß der durch eine körperliche, geistige oder seelische Funktionsbeeinträchtigung hervorgerufenen Leistungseinschränkungen in Bezug auf das gesamte Erwerbsleben und ordnen körperliche oder geistige Funktionseinschränkungen einem Tabellenwert zu. Die in den Tabellen und Empfehlungen enthaltenen Richtwerte geben damit auch allgemeine Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher Beeinträchtigungen auf die Erwerbsfähigkeit aufgrund des Umfangs der den Verletzten versperrten Arbeitsmöglichkeiten wieder und gewährleisten, dass die Verletzten bei der medizinischen Begutachtung nach einheitlichen Kriterien beurteilt werden (BSG, Urteil vom 20.12.2016 – B 2 U 11/15 R, juris Rn. 19).
c. Der Senat legt der Beurteilung der MdE vorliegend nicht die Angaben in Schönberger/Mehrtens/Valentin, „Arbeitsunfall und Berufskrankheit“, 9. Auflage 2017, Nr. 8.7.8, S. 605, wonach der Verlust eines Daumens eine MdE um 20 v. H. bedingen soll, sondern die Angaben im Konsenspapier der MdE-Expertengruppe nach Überprüfung der MdE-Erfahrungswerte bei Gliedmaßenverlusten (MdE-Eckwerte) vom Oktober 2019, S. 32, wonach der Verlust des Daumens im Grundgelenk eine MdE um 30 v. H. bedingen soll, zu Grunde. Bei den MdE-Eckwerten handelt es sich nach der überzeugenden ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme des K1 vom 11.04.2023 um tragfähige Erfahrungssätze für die MdE-Bemessung von unfallbedingten Gliedmaßenverlusten und/oder -einschränkungen. Um der Forderung, dass MdE-Erfahrungswerte breite Akzeptanz finden und eine Gleichbehandlung von Versicherten mit vergleichbaren Funktionseinschränkungen gewährleisten sollen, nachzukommen, hat die DGUV ein unabhängiges, neutrales und ehrenamtlich tätiges Gremium multiprofessioneller Experten, bestehend aus Medizinern, Reha-Wissenschaftlern, Arbeitsmarktexperten und Juristen, einberufen, die von unterschiedlichen medizinischen Fachgesellschaften beziehungsweise Institutionen benannt worden sind, das die MdE-Eckwerte in einem interdisziplinären methodischen Ansatz systematisch und wissenschaftlich analysiert ermittelt hat. Die Expertengruppe hat ihre Beratungen im Sommer 2015 aufgenommen und unter anderem am 27.06.2018 einen vorläufigen Ergebnisbericht vorgelegt. Dieser ist über ein Jahr lang gemeinsam mit Sozialpartnern, den medizinischen Fachgesellschaften und Berufsverbänden, der Sozialgerichtsbarkeit sowie Betroffenenverbänden auf unterschiedlichsten Ebenen diskutiert und konsentiert worden. Mit den jetzigen Konsensempfehlungen im Rahmen einer Revision von teils über mehr als 100 Jahre unveränderten MdE-Werten will die gesetzliche Unfallversicherung den Grundsätzen der Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit auch in der heutigen Zeit gerecht werden. Die Ergebnisse der MdE-Expertengruppe sind zudem eine gute Basis für die Orientierung der MdE-Einschätzung bei anderen Verletzungsfolgen beziehungsweise bilden die Grundlagen für deren regelhafte Überprüfung (vergleiche zum Ganzen S. 4 und 10 des Konsenspapiers der MdE-Expertengruppe).
Es ist vorliegend nicht erkennbar, dass die MdE-Eckwerte nicht dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand entsprechen und deshalb als wissenschaftlich unhaltbar der Rechtsfindung nicht zugrunde gelegt werden dürfen. Ein medizinischer Erfahrungssatz entspricht in der Regel dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand, wenn er von allen oder den meisten in dem entsprechenden Fachgebiet Kundigen vertreten wird. Er kann aber auch dann den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen, wenn er nicht von allen im jeweiligen Erkenntnissystem Handelnden geteilt wird und auch abweichende Auffassungen vertreten werden. Deshalb kann allein aus dem Vorliegen unterschiedlicher Auffassungen bei den im entsprechenden Fachgebiet Kundigen nicht geschlossen werden, dass ein Erfahrungssatz falsch ist oder nicht mehr dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand entspricht (BSG, Urteil vom 20.12.2016 – B 2 U 11/15 R, juris Rn. 21).
Der gegenteiligen Einschätzung der Beklagten in ihrem Schreiben vom 04.07.2023, die Begründung der Expertengruppe sei nicht gänzlich überzeugend, da aufgrund der zunehmenden Digitalisierung und maschinengestützter Arbeitsweisen ein wesentliches Gewicht der Handfunktion nicht erkannt werden könne, zumal sich anhand des technischen Fortschritts bereits eine Vielzahl an Kompensationsmöglichkeiten ergäben, folgt der Senat demgegenüber nicht. Insoweit hat T1 in ihrer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 09.08.2023 dargelegt, dass die Höhe der MdE die Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt widerspiegelt und dass es gerade keine Rolle spielt, welcher Beruf bisher ausgeübt worden ist, es also hierbei insbesondere um eine Einschätzung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt geht, so dass Kompensationsmöglichkeiten durch Digitalisierung und technischen Fortschritt hierbei nicht primär einbezogen sind. Auch die Argumentation der Beklagten in ihrem Schreiben vom 10.11.2023, die MdE-Eckwerte hätten keinen Eingang in die Standardwerke der unfallversicherungsrechtlichen und unfallmedizinischen Literatur erfahren, überzeugt nicht. Denn die MdE-Eckwerte haben in dem am 30.11.2016 erschienenen Werk von Schönberger/Mehrtens/Valentin, „Arbeitsunfall und Berufskrankheit“, 9. Auflage 2017, auf das sich die Beklagte für ihre MdE-Einschätzung stützt, keinen Eingang finden können, da sie erst im Oktober 2019 veröffentlicht worden sind. Im Übrigen haben die MdE-Eckwerte in das Werk von Mehrhoff/Ekkernkamp/Wich, „Unfallbegutachtung“, 14. Auflage 2019 Eingang gefunden (vergleiche dort Nr. 12.11.3, S. 177, wonach in die dort abgedruckten MdE-Tabellen und Schautafeln die im Rahmen der Konsensuskonferenz zur MdE-Neubewertung vom 27.06.2018 vorgestellten Werte Eingang gefunden haben, und Nr. 12.11.3, S. 177 sowie Nr. 12.11.4, Abbildung 12.3c, S. 182, wonach der Verlust eines Daumens mit einer MdE um 30 v. H. beurteilt wird). Dasselbe gilt für das Werk von Schiltenwolf/Hollo/Gaidzik, „Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane“, 7. Auflage 2020 (vergleiche dort Nr. 36.2, S. 801, wonach sich die dort vorgestellten Bewertungstabellen auf das Ergebnis der am 27.06.2018 der Öffentlichkeit vorgestellten MdE-Eckwerte stützen, und Tabelle 36.36, S. 802, wonach der Verlust eines Daumens mit einer MdE um 30 v. H. beurteilt wird).
d. Nach den MdE-Eckwerten wird für den Verlust des Daumens im Grundgelenk eine MdE um 30 v. H. vorgeschlagen (vergleiche S. 32 des Konsenspapiers der MdE-Expertengruppe). Es wird darin ausgeführt, dass die vorgeschlagenen MdE-Werte auf der anzustrebenden bestmöglichen Versorgung der versicherten Personen insbesondere im Hinblick auf funktionelle Kompensation und Rekonstruktion, Stumpfqualität, Muskelmantel, Nervenfunktionen, Narbenbildung und Hilfsmittelversorgung beruhen und die vorgeschlagenen MdE-Werte für Gliedmaßen-Amputationen als Eckwerte für sonstige, vergleichbare Schädigungsfolgen (zum Beispiel bei erhaltener Gliedmaße ohne Funktion) dienen. Andere Gliedmaßen-Funktionsstörungen sind danach bezüglich sämtlicher Funktionen in Vergleich zu setzen. Dabei ist im Einzelfall zu berücksichtigen, dass trotz erhaltener Gliedmaße die Funktionsstörung in Ausnahmefällen ungünstiger sein kann als der Verlust (vergleiche S. 26 ff. des Konsenspapiers der MdE-Expertengruppe). In diesem Zusammenhang ist nach den MdE-Eckwerten zu berücksichtigen, dass der Daumen für die Handfunktion von herausragender Bedeutung ist. Insbesondere die Oppositionsbewegung des Daumens ermöglicht es erst, bestimmte wichtige Greiffunktionen auszuführen (vergleiche S. 30 des Konsenspapiers der MdE-Expertengruppe).
e. Unter Zugrundelegung der MdE-Eckwerte haben H1, K1 und T1 für die bei der Klägerin vorliegenden funktionellen Einschränkungen die MdE zutreffend mit 20 v. H. eingeschätzt.
Nach dem Gutachten der H1 steht das Daumengrundgelenk dauerhaft in einer Subluxationsstellung von 30° Flexion sowie in einer leichten Radialduktion von 10°, hat eine Bewegungseinschränkung im rechten Handgelenk von handrücken-/handhohlwärts 65/0/60° gegenüber links 65/0/75° (Normalmaß 40-60/0/50-70°) sowie speichen-/ellenwärts von 25/0/15° gegenüber links 35/0/15° (Normalmaß 20-30/0/30-40°) und in den rechten Daumengelenken beim Strecken/Beugen im Grundgelenk von 0/25/50° gegenüber links 10/0/30° und im Endgelenk von 15/0/60° gegenüber links 10/0/40° bestanden, hat sich die Beweglichkeit des rechten Daumens neben einer nicht möglichen vollständigen Streckung des Grundgelenks mit einem nicht vorführbaren Spitzgriff und Pinzettengriff bei starker Schmerzhaftigkeit als deutlich eingeschränkt gezeigt, hat die Opposition den Kleinfinger nicht erreicht, hat eine Instabilität auf Seiten des ulnaren Seitenbandes mit entsprechender Schmerzhaftigkeit bestanden und hat die mit dem JAMAR-Dynamometer auf Stufe 2 gemessene Kraft bei dreimaliger Messung im Faustschluss rechts 16 kg gegenüber links 32 kg, im Dreifingergriff rechts 2 kg gegenüber links 9 kg und im Zweifingergriff rechts 1 kg gegenüber links 6 kg mit Schmerzen im Daumengrundgelenk betragen.
Nach dem Gutachten des K1 vom 29.10.2021, das der Senat gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 415 ff. ZPO im Wege des Urkundenbeweises verwertet hat, hat sich im Bereich des streckseitigen Daumengrundgelenks eine 3 cm messende, längsverlaufende weiche, blasse und reizlos abgeheilte Narbe gezeigt, hat ein Druckschmerz im Bereich des ulnarseitigen ehemaligen Daumengrundgelenks bestanden, ist die Sensibilität im Narbenbereich zwar regelrecht, distal davon und ulnarseitig die Zweipunktdiskrimination streckseitig jedoch komplett aufgehoben gewesen, hat eine komplette Asensibilität ab Höhe des mittleren streckseitigen Grundgliedes bestanden, hat eine Bewegungseinschränkung im rechten Handgelenk von handrücken-/handhohlwärts 65/0/60° gegenüber links 65/0/75° (Normalmaß 40-60/0/50-70°) sowie speichen-/ellenwärts von 25/0/15° gegenüber links 35/0/15° (Normalmaß 20-30/0/30-40°) und in den rechten Daumengelenken beim Strecken/Beugen im Grundgelenk von 0/20/20° gegenüber links 10/0/30° und im Endgelenk von 15/0/60° gegenüber links 10/0/40° bestanden, hat sich daneben die Beweglichkeit des rechten Daumens mit einem nicht durchführbaren Spitzgriff und Pinzettengriff als deutlich eingeschränkt gezeigt, hat die Opposition den Kleinfinger nicht erreicht und hat die mit dem JAMAR-Dynamometer auf Stufe 2 gemessene Grobkraft nach dreimaliger Messung im Faustschluss rechts 16 kg gegenüber links 32 kg und im Dreipunktgriff rechts 2 kg gegenüber links 9 kg betragen.
Nach dem Gutachten des K1 vom 10.03.2023 hat sich im Bereich des streckseitigen Daumengrundgelenks eine 3 cm messende, längsverlaufende weiche, blasse und reizlos abgeheilte Narbe gezeigt, hat ein deutlicher Druckschmerz im Bereich des ulnarseitigen ehemaligen Daumengrundgelenks bestanden, ist die Sensibilität im Narbenbereich zwar regelrecht, distal davon und ulnarseitig die Zweipunktdiskrimination streckseitig jedoch komplett aufgehoben gewesen, hat eine komplette Asensibilität ab Höhe des mittleren streckseitigen Grundgliedes bestanden, hat eine Bewegungseinschränkung im rechten Handgelenk von handrücken-/handhohlwärts 50/0/50° gegenüber links 65/0/75° (Normalmaß 40-60/0/50-70°) sowie speichen-/ellenwärts von 25/0/15° gegenüber links 35/0/15° (Normalmaß 20-30/0/30-40°) und in den rechten Daumengelenken beim Strecken/Beugen im Grundgelenk von 0/20/20° gegenüber links 10/0/30° und im Endgelenk von 0/0/40° gegenüber links 10/0/80° bestanden, hat sich daneben die Beweglichkeit des rechten Daumens mit einem nicht durchführbaren Spitzgriff und Pinzettengriff als deutlich eingeschränkt gezeigt, ist bei der Opposition des Daumens ein Kapandji-Score von 7 erreicht worden und hat die mit dem JAMAR-Dynamometer auf Stufe 2 gemessene Grobkraft nach dreimaliger Messung im Faustschluss rechts 10/8/8 kg gegenüber links 27/26/22 kg und im Dreipunktgriff rechts 1,0/0,5/0,5 kg gegenüber links 4,0/4,5/4,5 kg betragen.
Hieraus ergibt sich neben der Subluxationsstellung und Instabilität des rechten Daumengrundgelenks, der entsprechenden radiologischen Veränderung und dem Angewiesensein auf eine Schmerzmedikation an dauerhaften zu einer eingeschränkten Feinmotorik führenden funktionellen Einschränkungen eine deutliche Grobkraftminderung der rechten Hand, eine deutliche Bewegungseinschränkung und eine deutliche Kraftminderung des rechten Daumens, eine Druckschmerzhaftigkeit des ulnarseitigen ehemaligen Daumengrundgelenks, Schmerzen im Bereich des rechten Daumens in Ruhe sowie bei Belastung sowie eine Asensibilität im Bereich des streckseitigen ulnaren distalen Daumengrundgliedes und -endgliedes. Da die Klägerin nach den gutachterlichen Ausführungen keinerlei Einschränkungen in Bezug auf das rechte Daumensattelgelenk hat, sondern alle Einschränkungen auf die unfallbedingte Verletzung des Daumengrundgelenks zurückzuführen sind, sind die oben beschriebenen dauerhaften funktionellen Einschränkungen in ihrer Gesamtheit unfallbedingt.
Diese funktionellen Einschränkungen bedingen nach der überzeugenden Einschätzung von H1, K1 und T1 eine MdE um 20 v. H. K1 hat ausführlich dargelegt, dass im Falle der Klägerin eine MdE in Höhe von zwei Dritteln im Vergleich zu einem vollständigen Verlust auf Höhe des Daumengrundgelenks und damit eine MdE um 30 x 2/3 = 20 v. H. angemessen ist, und hat ergänzend darauf hingewiesen, dass nach den „Workers‘ Compensation Guidelines for Determining lmpairment First Edition, November 22, 2017“ eine Arthrodese im Daumengrundgelenk mit einem Funktionsverlust des Daumens um 75 % gleichzusetzen ist.
f. Der Einschätzung der Beklagten in ihrer Stellungnahme vom 14.06.2023, dass eine wesentliche und erhebliche Einschränkung der Greiffunktion den festgestellten funktionellen Einschränkungen nicht zu entnehmen sei, folgt der Senat demgegenüber nicht. Diese verkennt, dass neben den beschriebenen Bewegungseinschränkungen – wie oben dargelegt – insbesondere eine deutliche Grobkraftminderung der rechten Hand, eine deutliche Kraftminderung des rechten Daumens beim Pinch, eine Druckschmerzhaftigkeit des ulnarseitigen ehemaligen Daumengrundgelenks sowie eine Asensibilität im Bereich des streckseitigen ulnaren distalen Daumengrundgliedes und -endgliedes vorliegen. Ferner hat die Klägerin nach den Beobachtungen des K1 bei der Entkleidung den rechten Daumen komplett aus dem Bewegungsmuster ausgeklammert, so dass mithin eben im Alltag doch eine erhebliche Einschränkung der Greiffunktion vorliegt. In Bezug auf die Stellungnahme der Beklagten vom 23.03.2023 wird darauf hingewiesen, dass diese zu Unrecht noch von einer MdE um 20 v. H. für den Verlust des Daumens im Grundgelenk ausgegangen ist, so dass die darin angenommene Besserstellung des Funktionszustandes der rechten Hand der Klägerin eine MdE von unter 20 v. H. gerade nicht rechtfertigt.
g. Die gegen die Beurteilung der MdE mit 20 v. H. vorgebrachten Einwände der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 04.07.2023 hat T1 in ihrer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 09.08.2023 überzeugend widerlegt.
Zum einen hat sie in Erwiderung auf den Einwand, der von der Klägerin erreichte Kapandji-Score von 7 belege keine erhebliche Einschränkung sämtlicher Greiffunktionen, sehr gut nachvollziehbar dargelegt, dass der Kapandji-Score von 7 als Maß für die im Daumensattelgelenk und nicht im Daumengrundgelenk stattfindende Oppositionsfähigkeit des Daumens lediglich belegt, dass die Versorgung des Daumensattelgelenks mit einer Daumensattelgelenksprothese zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu einer sehr guten Oppositionsfähigkeit geführt hat und dass die im Bereich des Daumens bestehende Beeinträchtigung der Klägerin nicht auf unfallunabhängige Beeinträchtigungen zurückzuführen ist. Sie hat ferner in sich widerspruchsfrei dargelegt, dass der Kapandji-Score keinerlei Auskunft über die Greiffunktion gibt und nur, weil eine Fingerkuppe erreicht werden kann, dies nicht bedeutet, dass ein kräftiger Griff durchgeführt werden kann. Um die Greiffunktion des Zweipunktgriffes besser zu bewerten, ist nach den Ausführungen von T1 die Griffkraft gemessen worden, wobei – wie oben dargelegt – nach dem Gutachten des K1 vom 10.03.2023 die mit dem JAMAR-Dynamometer auf Stufe 2 im Dreipunktgriff gemessene Kraft nach dreimaliger Messung rechts 1,0/0,5/0,5 kg und links 4,0/4,5/4,5 kg ergeben und damit auf der vom Arbeitsunfall betroffenen rechten Seite bei nur 25 % der Gegenseite gelegen hat, was eine deutliche Beeinträchtigung zeigt.
Im Hinblick auf den Einwand der Beklagten, ein vollständiges Ausklammern des rechten Daumens beim Entkleiden sei nicht beschrieben worden, vielmehr habe die Klägerin beide Hände eingesetzt, hat T1 ferner zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin nach der gutachterlichen Beschreibung zur Entkleidung beide Hände eingesetzt hat, wobei trotz Rechtshändigkeit ein deutliches Überwiegen der Nutzung der linken Hand aufgefallen ist, und dass eine Mitnutzung der rechten Hand für beidhändige Tätigkeiten und beispielsweise ein Gegenhalten der Kleidung über einen Faustschluss ohne Funktionseinschränkungen im Bereich des rechten Daumens keinesfalls ausschließen, vielmehr im Gegenteil bei einer Rechtshänderin eine Entkleidung mit der dominierenden rechten Hand zu erwarten gewesen wäre.
In Bezug auf die von der Beklagten bezweifelte Schmerzsymptomatik, nämlich dass eine außergewöhnliche Schmerzsymptomatik nicht anzunehmen sei, da eine extreme Schmerzbelastung bei Belastung mit der Notwendigkeit der Einnahme von Schmerzmedikation und dauerhaftem Gebrauch einer Orthese dem aktuellem Beschwerdevortrag nicht entnommen werden könne, hat T1 zu Recht ausgeführt, dass die Klägerin nach dem Inhalt des Gutachtens des K1 vom 10.03.2023 im Bereich des rechten Daumengrundgelenks ulnarseitig weiterhin Schmerzen, teilweise sowohl in Ruhe bis zu 5 und bei Belastung von 6 bis 7 auf der visuellen Analogskala von 1 bis 10 angegeben hat und deswegen zeitweise bei starker Belastung eine Handgelenksmanschette mit Daumeneinschluss trägt, sowie über vor allem nachts auftretende Schmerzen, weswegen sie schlecht schlafen kann, über teilweise sich wie ein Brennen am Daumen manifestierende Gefühlsstörungen am streckseitigen Daumen und ein vollständiges Fehlen des Gefühls am ulnaren streckseitigen Daumen berichtet hat. Sie hat ferner darauf hingewiesen, dass die Klägerin nach deren Angaben mit der rechten Hand Passbilder nicht mehr ausstanzen und Schilder nicht mehr entsiegeln kann, einen Aktenordner nicht aus dem Regal nehmen und sicher greifen kann, kein Schraubglas und keine Wasserflasche öffnen kann, beim Schreiben Hilfsmittel am Kugelschreiber anwenden muss, eine spezielle Maus, auf die der Daumen aufliegen kann, sowie eine spezielle Tastatur benutzen muss und für einige Tätigkeiten die Hilfe ihrer Kollegen benötigt. Hieraus hat T1 nachvollziehbar den Schluss gezogen, dass die geschilderten Ruhe- und Belastungsschmerzen durchaus als extreme Schmerzbelastung zu werten sind, eine fehlende dauerhafte Einnahme von Schmerzmitteln zur Reduktion dieser starken Schmerzen nicht mit einem Nichtvorhandensein der Beschwerden gleichgesetzt werden kann und die Ausweichstrategie mit Nutzung der nicht dominanten Gegenseite anstatt der dauerhaften Einnahme von Schmerzmitteln und dauerhaften Nutzung der Orthese als gleichwertig gesehen werden kann.
Soweit die Beklagte die Ansicht vertritt, dass nur eine hälftige Bewegungseinschränkung im Daumenendgelenk und nur eine dieses Gelenk betreffende Kraftminderung beim Pinch vorliege, hat T1 ausgeführt, dass die hälftige Bewegungseinschränkung im rechten Daumenendgelenk durch die lange postoperative Ruhigstellung und die postoperativen Verklebungen im Bereich der langen Strecksehne (Extensor pollicis longus) und langen Beugesehne (Flexor pollicis longus) des Daumens verursacht worden ist und daher als Unfallfolge zu betrachten ist. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Bewegungseinschränkung nicht isoliert betrachtet werden kann, sondern die oben dargelegten weiteren Einschränkungen in Form einer deutlichen Grobkraftminderung der rechten Hand, einer deutlichen Kraftminderung des rechten Daumens beim Pinch, einer Druckschmerzhaftigkeit des ulnarseitigen ehemaligen Daumengrundgelenks sowie einer Asensibilität im Bereich des streckseitigen ulnaren distalen Daumengrundgliedes und -endgliedes hinzukommen.
Ebenfalls ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der mit Bescheid vom 19.02.2020 erfolgten Rentenablehnung weder ein Gutachten noch eine beratungsärztliche Stellungnahme vorausgegangen ist und der mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2020 erfolgten Widerspruchszurückweisung lediglich die beratungsärztliche Stellungnahme des R3 vom 03.03.2020 zu Grunde gelegen hat, in der die Einschätzung der MdE mit nur 10 v. H. nicht begründet worden ist. Eine Auseinandersetzung mit den bereits im Oktober 2019 veröffentlichten MdE-Eckwerten ist während des gesamten Verwaltungs-, Klage- und Berufungsverfahrens bis zu der Stellungnahme der Beklagten vom 14.06.2023 nicht erfolgt. Wenn auch die Einschätzung der MdE letztlich eine juristische Aufgabe ist, hätte es sich angeboten, dass für den Fall, dass einer kompetenten MdE-Beurteilung von gerichtlichen Sachverständigen nicht gefolgt wird, der abweichenden Einschätzung beklagtenseits eine beratungsärztliche oder gutachterliche Stellungnahme zu Grunde gelegt würde, was vorliegend aber nicht der Fall gewesen ist.
Nach alledem ist in Bezug auf den Arbeitsunfall vom 27.12.2018 eine MdE um 20 v. H. gegeben, weswegen die Klägerin einen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente hat.
5.5 Die von der Klägerin zu beanspruchende Verletztenrente beginnt am 01.12.2020.
Nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII werden Renten an Versicherte von dem Tag an gezahlt, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld endet. Zwar beginnt in Wiedererkrankungsfällen die Rente mit dem ersten Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit und entsteht mit dem Beginn der Wiedererkrankung dann ein erneuter Anspruch auf Verletztengeld, das neben der Verletztenrente zu zahlen ist (Plum in „Der Unfallsachbearbeiter“, 3. Auflage, US/Lfg. 2/22, Kennzahl 480, S. 14), so dass vorliegend für die Klägerin, die während ihrer Arbeitsunfähigkeit vom 27.12.2018 bis zum 11.03.2019 Verletztengeld vom 08.02.2019 bis zum 11.03.2019, während ihrer Arbeitsunfähigkeit vom 30.06.2020 bis zum 11.09.2020 Verletztengeld vom 11.08.2020 bis zum 11.09.2020 und während ihrer Arbeitsunfähigkeit vom 14.01.2021 bis zum 14.11.2021 Verletztengeld vom 25.02.2021 bis zum 14.11.2021 erhalten hat, ein Anspruch auf Verletztenrente bereits ab dem 12.03.2019 in Betracht käme, wenn bereits ab diesem Zeitpunkt und dauerhaft eine MdE um 20 v. H. vorgelegen hätte.
Vorliegend haben aber H1 und K1 – letzterer im Übrigen vom Senat- danach befragt, ob und bejahendenfalls in welchen Zeiträumen eine unfallbedingte MdE in welcher Höhe, bestanden habe beziehungsweise bestehe – die unfallbedingte MdE mit 20 v. H. erst ab dem 01.12.2020 eingeschätzt. Dies ist für den Senat überzeugend, da sich aus den aktenkundigen Verlaufs- und Durchgangsarztberichten des R1 und der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L1 für die Zeit vor dem 01.12.2020 keine Bewegungsmaße und Kraftwerte ergeben, die einen zweifelsfreien Rückschluss auf die Höhe der unfallbedingten MdE geben könnten. Während am 27.12.2018, 03.01.2019 und 04.03.2019 das Handgelenk und alle Finger als frei beweglich beschrieben worden sind, ist zwar am 04.02.2019 ein Druckschmerz am ulnaren Seitenband, am 11.12.2019 eine Instabilität des ulnaren Seitenbandes und am 19.08.2020 ein mäßiger Druckschmerz sowie eine aktive Bewegungseinschränkung am Daumengrundgelenk angegeben worden. Diese rudimentären Befunde lassen es aber nicht zu, die Höhe der MdE für die Zeit vor dem 01.12.2020 zweifelsfrei einzuschätzen.
Liegen aber keine ausreichenden ärztlichen Befunde vor, die eine Einschätzung der MdE erlauben, kann der für die Feststellung der Funktionseinschränkungen erforderliche Vollbeweis nicht erbracht werden. Nach den allgemeinen Regeln der materiellen Beweislast trägt dann die versicherte Person die Folgen der verbleibenden Ungewissheit über den Grad der MdE (Plum in „Der Unfallsachbearbeiter“, 3. Auflage, US/Lfg. 1/23, Kennzahl 480, S. 16c).
Mithin hat die Klägerin einen Anspruch auf Verletztenrente ab dem 01.12.2020. Wenn nach dem Wegfall des Verletztengeldes – wie vorliegend nach dem 11.03.2019 – zunächst keine rentenberechtigende MdE besteht, diese aber im weiteren Verlauf infolge einer Verschlimmerung entsteht, besteht der Rentenanspruch in Anwendung des § 40 Abs. 1 SGB I, wonach Ansprüche auf Sozialleistungen entstehen, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen, und des § 41 SGB I, wonach Ansprüche auf Sozialleistungen mit ihrem Entstehen fällig werden, soweit die besonderen Teile des SGB keine Regelung enthalten, ab dem Tag, an dem erstmals eine rentenberechtigende MdE anzunehmen ist (Plum in „Der Unfallsachbearbeiter“, 3. Auflage, US/Lfg. 1/23, Kennzahl 480, S. 16c; Ricke in beck-online.Großkommentar [Kasseler Kommentar], Rolfs/Körner/Krasney/Mutschler, Stand: 15.08.2023, § 72 Rn. 9, 10; Ziegler in Becker/Franke/Molkentin, SGB VII, 5. Auflage 2018, § 72 Rn. 4; für einen Rentenbeginn erst nach dem Tag des Eintritts der rentenberechtigenden MdE dagegen: Holtstraeter in Knickrehm/Roßbach/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 8. Auflage 2023, § 72 Rn. 3; Kranig in Hauck/Noftz SGB VII, 4. Ergänzungslieferung 2023, § 72 Rn. 13). Dasselbe gilt, wenn nach dem Wegfall des Verletztengeldes – wie vorliegend vor dem 01.12.2020 – eine rentenberechtigende MdE rechtfertigende Befunde nicht im Vollbeweis vorliegen.
Nach alledem war auf die Berufung der Klägerin das Urteil des SG Mannheim vom 15.10.2021 aufzuheben, der Bescheid der Beklagten vom 19.02.2020 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 17.03.2020 und des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2020 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Verletztenrente nach einer MdE um 20 v. H. ab dem 01.12.2020 zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.