§ 275d Abs. 2 SGB V begründet für Krankenhäuser, die vor dem Jahr 2022 Leistungen erbracht haben, für die ab dem Jahr 2022 eine Bescheinigung nach § 275d Abs. 2 SGB V erforderlich ist, im Jahr 2022 einen Bestandsschutz, der bis zur Rechtskraft einerr ablehnenden Entscheidung des Medizinischen Dienstes besteht. Diese Krankenhäuser waren im Jahr 2022 bis zur Bestandskraft des Bescheids berechtigt, Leistungen nach dem OPS 8-98f abzurechnen. In Rechnung gestellte Beträge waren fällig und auch zu verzinsen.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20.06.2023 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 958,86 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten (noch) über Zinsen für zunächst aufgrund negativer Strukturprüfung nicht gezahlte Vergütungen für Krankenhausbehandlungen von Mitgliedern der Beklagten.
Der Kläger ist Träger von zur Behandlung gesetzlich Versicherter nach § 108 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassener Krankenhäuser: des O1 Klinikums O2 und des O1 Klinikums L1. Dort wurden im Februar, März und April 2022 neun Mitglieder der Beklagten vollstationär behandelt (jeweils u.a. OPS 8-98f: Aufwendige intensivmedizinische Komplexbehandlung) und hierfür zwischen dem 06.04. und 10.05.2022 Vergütungen berechnet.
Die vorgerichtlich übersandten Rechnungen für diese Behandlungen beglich die Beklagte zunächst nicht, weil der Kläger zur Abrechnung der Leistungen nicht berechtigt sei. Denn mit jeweils einem Bescheid vom 11.03.2022 hatte der Medizinische Dienst Baden-Württemberg (MD) die am 30.06.2021 gestellten Anträge auf Erteilung der Bescheinigung über die Einhaltung der Strukturmerkmale gemäß § 275d Abs. 2 SGB V für beide Krankenhäuser abgelehnt, wogegen der Kläger unter dem 08.04.2022 Widerspruch erhoben hatte.
Am 12.05.2022 hat der Kläger zum Sozialgericht Freiburg (SG) Klage bzgl. der offenen Rechnungsbeträge erhoben und geltend gemacht, dass er bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Nichterfüllung der Strukturvoraussetzungen berechtigt sei, die streitbefangenen OPS-Kodes zu vereinbaren und abzurechnen. Rechtskraft sei aufgrund der Widersprüche, die aufschiebende Wirkung entfalteten, nicht eingetreten.
Mit Bescheiden vom 20.06.2022 und 22.06.2022 half der MD den Widersprüchen ab und erteilte die begehrten Bescheinigungen mit Gültigkeit vom 01.01.2022 bis zum 31.12.2022. Die Beklagte bezahlte anschließend die Rechnungen wie folgt: 2.141,92 Euro am 23.06.2022, 39.594,54 Euro am 28.06.2022, 4.656,82 Euro am 20.06.2022, 56.367,70 Euro am 24.06.2022, 20.676,36 Euro am 24.06.2022, 17.506,59 Euro am 04.08.2022, 11.934,53 Euro am 15.06.2022, 15.800,86 Euro am 28.06.2022 und 16.740,24 Euro am 18.06.2022.
Die Beteiligten haben den Rechtsstreit insoweit bzgl. der Hauptforderung (i.H.v. 185.419,56 Euro) übereinstimmend für erledigt erklärt.
Der Kläger hat im Klageverfahren noch die Zahlung von Zinsen seit Rechtshängigkeit mit der Begründung begehrt, die Vergütungen seien zum Zeitpunkt der Klageerhebung fällig gewesen. Die Beklagte ist der Klage insoweit entgegengetreten und hat ausgeführt, ein Zinsanspruch bestehe nicht, weil die Vergütungen nicht fällig gewesen seien. Der Widerspruch gegen den Strukturprüfungsbescheid habe jeweils keine aufschiebende Wirkung entfaltet.
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 20.06.2023 hat das SG der Klage, soweit sie noch anhängig war, stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.05.2022 zu zahlen wie folgt: auf 2.141,92 Euro bis zum 22.06.2022, auf 39.594,54 Euro bis zum 27.06.2022, auf 4.656,82 Euro bis zum 19.06.2022, auf 56.367,70 Euro bis zum 23.06.2022, auf 20.676,36 Euro bis zum 23.06.2022, auf 17.506,59 Euro bis zum 03.08.2022, auf 11.934,53 Euro bis zum 14.06.2022, auf 15.800,86 Euro bis zum 27.06.2022, auf 16.740,24 Euro bis zum 17.06.2022.
Zur Begründung hat das SG ausgeführt, der Kläger habe gegen die Beklagte Anspruch auf Verzinsung ihrer Forderungen jedenfalls wie beantragt seit Rechtshängigkeit bis zum Zahlungsvortag. Der Anspruch auf Rechtshängigkeitszinsen bestehe seit dem 13.05.2022 als dem auf den Klageeingang folgenden Tag aufgrund § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. §§ 291, 288 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sowie §§ 94, 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und § 187 Abs. 1 BGB analog. Die Rechnungen seien bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung fällig gewesen. Der Kläger habe die gegenständlichen Behandlungen vereinbaren, erbringen und abrechnen dürfen. Zwar dürften Krankenhäuser, die die strukturellen Voraussetzungen nach § 275d Abs. 1 SGB V nicht erfüllten, diese Leistungen ab dem Jahr 2022 nicht vereinbaren und nicht abrechnen (§ 275d Abs. 4 Satz 1 SGB V). Soweit Krankenhäusern die Bescheinigung über die Einhaltung der Strukturmerkmale nach § 275d Abs. 2 SGB V allerdings aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen erst nach dem 31.12.2021 vorliege, könnten diese Krankenhäuser im Jahr 2022 bis zum Abschluss einer Strukturprüfung bislang erbrachte Leistungen weiterhin vereinbaren und abrechnen (§ 275d Abs. 4 Satz 2 SGB V). Diese Vorschrift begründe damit für Krankenhäuser, die vor dem Jahr 2022 Leistungen erbracht hätten, für die ab dem Jahr 2022 eine Bescheinigung nach § 275d Abs. 2 SGB V erforderlich sei, einen Bestandsschutz, der bis zur Rechtskraft einer ablehnenden Entscheidung des MD bestehe. Dieser Bestandsschutz entspreche einer Statusentscheidung zugunsten des Krankenhauses, die nur mit Wirkung für die Zukunft und nicht rückwirkend beseitigt werden könne. Der Kläger habe Leistungen wie die hier gegenständlichen bereits vor dem Jahr 2022 erbracht, welche ab dem Jahr 2022 eine Bescheinigung nach § 275d Abs. 2 SGB V voraussetzten. Die Ablehnung der Bescheinigung in den Bescheiden vom 11.03.2022 sei nicht in Rechtskraft erwachsen, weil der Kläger dagegen form- und fristgerecht Widerspruch erhoben habe. Dessen Folge sei das Bestehen aufschiebender Wirkung, was ausdrücklich auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten gelte (§ 86a Abs. 1 SGG). Da ein Entfallen der aufschiebenden Wirkung weder gesetzlich noch behördlich angeordnet gewesen sei, hätten für den Kläger somit aus den angefochtenen Bescheiden keine negativen Folgen gezogen werden dürfen. Der Bestandschutz mit der Wirkung einer Statusentscheidung zugunsten der Krankenhäuser habe mithin fortbestanden. Dieser Bestandsschutz sei lediglich dann zu verwehren gewesen, wenn das Nichtvorliegen der Bescheinigungen von dem Kläger zu vertreten gewesen wäre. Denn Voraussetzung für die Zuerkennung des Bestandsschutzes sei, dass die Entscheidung des MD aus vom Krankenhaus nicht zu vertretenden Gründen erst nach dem 31.12.2021 ergehe. Erbringe das Krankenhaus ab dem 01.01.2022 ohne Bescheinigung weiterhin Leistungen und werde später festgestellt, dass die (positive oder negative) Entscheidung des MD aus vom Krankenhaus zu vertretenden Gründen erst nach dem 31.12.2021 ergehen habe können, bestehe keine Abrechnungsbefugnis des Krankenhauses. Dass die von dem Kläger rechtzeitig am 30.06.2021 beantragten Strukturprüfungen aus von ihr zu vertretenden Gründen nicht bis zum 31.12.2021 abgeschlossen werden hätten können, habe die Beklagte allerdings weder substantiiert vorgetragen noch seien sonst Anhaltspunkte dafür ersichtlich. Der Bestandsschutz sei daher nicht zu verwehren; die gegenständlichen Leistungen hätten (weiter) vereinbart, erbracht und abgerechnet werden dürfen. Die Rechnungsbeträge seien daher jedenfalls zum Zeitpunkt der Klageerhebung fällig gewesen, sodass sie auch zu verzinsen seien.
Gegen das der Beklagten am 26.06.2023 zugestellte Urteil hat diese am 18.07.2023 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass entgegen der Auffassung des SG der Vergütungsanspruch des Klägers bei Rechtshängigkeit nicht fällig gewesen sei. Die Fälligkeit einer Vergütungsforderung für stationäre Behandlung im Land Baden-Württemberg trete grundsätzlich 12 Tage nach Rechnungseingang ein, § 17 Abs. 1 des Landesvertrages nach § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V. Voraussetzung sei die Abrechenbarkeit der Leistung im Zeitpunkt der Rechnungslegung. Das SG gehe in seiner Entscheidung fehlerhaft davon aus, dass der Widerspruch des Klägers gegen die ablehnenden Bescheide aufschiebende Wirkung gehabt habe und der Kläger insofern weiterhin berechtigt gewesen sei, Leistungen nach dem OPS 8-98f abzurechnen. § 275d Abs. 1 S. 1 SGB V mache ganz eindeutig das Vorliegen eines positiven Gutachtens zur Voraussetzung der Abrechnung. Dieses habe erst mit den entsprechenden Abhilfebescheiden des MD vom 20./22.06.2022 vorgelegen. Gemäß § 275d Abs. 2 S.1 SGB V werde die Strukturprüfung durch einen Bescheid abgeschlossen. Das Gesetz stelle an dieser Stelle gerade nicht etwa auf einen rechtskräftigen oder bestandskräftigen Bescheid ab, sondern lediglich den Bescheid als solchen. Die Krankenhäuser würden vom MD in schriftlicher oder elektronischer Form das Gutachten (§ 275d Abs. 2 S. 2 SGB V) erhalten. Dieser Bescheid habe am 11.03.2022 vorgelegen. Ab diesem Zeitpunkt habe mithin der Kläger - zumindest vorläufig - die Leistungen nicht mehr abrechnen dürfen. Der Kläger hätte den Erlass einer einstweiligen Anordnung erwirken müssen mit dem Ziel, den MD zur Erteilung einer vorläufigen Bescheinigung über die Einhaltung der Strukturmerkmale zu verpflichten, die das Krankenhaus entsprechend § 275d Abs. 2 SGB V gegenüber den Kostenträgern einstweilig zur Abrechnung des Prozedurenschlüssels 8-98f berechtige. Aus einer an Sinn und Zweck von § 275d SGB V orientierten Auslegung ergebe sich zwangsläufig der Schluss, dass die Vorschrift Krankenhäuser lediglich davor schützen solle, eine Leistung allein deshalb nicht mehr abrechnen zu können, weil die Strukturprüfung nicht fristgerecht abgeschlossen worden sei. § 275d SGB V sei zwischenzeitlich durch eine Klarstellung angepasst worden. Gemäß § 275d Abs.2 SGB V sei in der [ab 29.12.2022 geltenden] Neufassung die Strukturprüfung durch einen Bescheid, in dem der MD dem Krankenhaus das Ergebnis seiner Prüfung mitteile, abgeschlossen. Hätte der Widerspruch gegen den Bescheid des MD tatsächlich aufschiebende Wirkung, liefe das dem Zweck dieser Klarstellung zuwider. Dass gerade dies nicht gewollt war, stelle der Gesetzgeber in der Folge wie folgt klar: „Die Änderung in [§ 275d Abs. 4] Satz 2 dient der Klarstellung, dass die Regelung eine zeitlich begrenzte Ausnahmeregelung für das Jahr 2022 als erstem Jahr der Einführung der Prüfungen nach § 275d darstellt“ (Bundestagsdrucksache <BT-Drs.> 20/3876, S. 53).
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20.06.2023 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er stützt sich auf die Entscheidungsründe des SG und verweist auf § 86a Abs. 1 SGG. Die aufschiebende Wirkung der Rechtsbehelfe bestehe von Gesetzes wegen. Während des Bestehens der aufschiebenden Wirkung sei der Kläger weiterhin berechtigt, den streitgegenständlichen OPS abzurechnen. Der Kläger verweist auf die BT-Drs. 19/14871 (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit [14. Ausschuss] zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung bezüglich des Entwurfs eines Gesetzes für bessere und unabhängige Prüfungen [MDK-Reformgesetz]), der auszugsweise wie folgt laute: „Sofern ein Krankenhaus gegen das Prüfergebnis des Medizinischen Dienstes klagt, kann es aufgrund der aufschiebenden Wirkung der Klage die entsprechenden Leistungen weiterhin vereinbaren und abrechnen; der Ausschluss nach § 275d Abs. 4 S. 1 gilt insofern erst ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung, die die Nichterfüllung der Strukturvoraussetzungen ausweist.“ (BT-Drs. 19/14871, S. 106).
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat nach §§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 SGG im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist statthaft und zulässig, aber in der Sache unbegründet. Die Zinsforderung, welche sich aus dem Tenor des angegriffenen Urteils ergibt, beläuft sich auf 958,86 €.
Das SG hat zu Recht die Beklagte zur Zahlung von Zinsen wie sie sich aus dem Tenor ergeben verurteilt. Der Senat sieht von einer weiteren eingehenden Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG). Nur ergänzend weist er auf Folgendes hin:
Die Argumente der Beklagten in der Berufungsbegründung führen zu keinem anderen Ergebnis. Für den vorliegenden Rechtsstreit unerheblich sind die zum 29.12.2022 vom Gesetzgeber vorgenommenen Gesetzesänderungen. Die streitgegenständlichen Behandlungen und Abrechnungen liegen sämtlich in 2022, so dass die Voraussetzung für die Ausnahmeregelung in § 275d Abs. 4 Satz 2 SGB V n.F. erfüllt sind. Deshalb lässt sich auch aus der von der Beklagten zitierten Gesetzesbegründung das von der Beklagten gewünschte Auslegungsergebnis nicht ableiten. Diese Gesetzesbegründung (BT-Drs. 20/3876, S. 53) verhält sich nicht zur Frage, ob ein Widerspruch gegen einen die Bescheinigung der Einhaltung der Strukturmerkmale nicht erteilenden Bescheid des MD aufschiebende Wirkung hat und ob eine ausnahmsweise Erlaubnis, im Jahr 2022 bis zum Abschluss der Strukturprüfung erbrachte Leistungen vereinbaren und abrechnen zu dürfen, nur bis zum Erlass des Bescheides nach § 275d Abs. 2 Satz 1 SGB V n.F. gilt. Zudem ist die Ansicht der Beklagten, dass, hätte der Widerspruch gegen den Bescheid des MD tatsächlich aufschiebende Wirkung, das dem Zweck der Klarstellung, dass die Strukturprüfung durch Bescheid abgeschlossen wird, zuwiderlaufe, weil dann zwangsläufig die Prüfung erst nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens und einer ggf. sich anschließenden Klage abgeschlossen wäre, nicht zwingend. Vielmehr sprechen bessere Argumente dafür, dass der Gesetzgeber lediglich die Rechtsform der Entscheidung als Verwaltungsakt (Bescheid) festgelegt hat. So kann auch die Gesetzesbegründung hierzu verstanden werden, die wie folgt lautet: „Die Änderung dient der Klarstellung, dass die Prüfung nach § 275d durch einen Bescheid abgeschlossen wird.“
Der Verweis der Beklagten auf den Sinn und Zweck des § 275d Abs. 4 SGB V, Krankenhäuser davor zu schützen, eine Leistung allein deshalb nicht mehr abrechnen zu können, weil die Strukturprüfung nicht fristgerecht abgeschlossen wurde, ist zutreffend, führt aber jedenfalls für das Jahr 2022 ebenfalls nicht zu dem von der Beklagten gewünschten Auslegungsergebnis. Vielmehr hätte die Annahme, schon nach Erlass des negativen Bescheides des MD sei eine Vereinbarung und Abrechnung nicht mehr möglich, eine nicht gerechtfertigte Rechtsschutzverkürzung zur Folge. Das Krankenhaus hätte auch bei einer offensichtlich rechtswidrigen Entscheidung des MD Leistungen nicht mehr vereinbaren und abrechnen dürfen, obwohl ihm der Gesetzgeber eine Übergangsfrist für 2022 gewähren wollte. Dies wäre nicht hinnehmbar. Der Gesetzgeber ging offensichtlich schon vor der Einfügung des § 275d Abs. 2 Satz 1 SGB V n.F. zum 29.12.2022 davon aus, dass der MD die Strukturprüfung mittels Verwaltungsakt (Bescheid) abschließt. Ansonsten wäre der Hinweis des Gesetzgebers in der Gesetzesbegründung (siehe oben) nicht verständlich. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber aber keine Regelung getroffen, wonach ein Widerspruch bzw. eine Klage gegen diesen Bescheid ausnahmsweise keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Es gilt deshalb im Fall des § 275d Abs. 4 Satz 2 SGB V die Regelung in § 86a Abs. 1 SGG. Ein Sofortvollzug nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG war nicht angeordnet. Die Auffassung des Senats deckt sich mit den von beiden Beteiligten zitierten Ausführungen in der Gesetzesbegründung zu § 275d Abs. 4 SGB V, wonach der Ausschluss nach § 275d Abs. 4 Satz 1 SGB V insofern erst ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung, die die Nichterfüllung der Strukturvoraussetzungen ausweist, gelte. Diese Gesetzesbegründung wurde auch in der Begründung der Neufassung zum 29.12.2022 nicht in Frage gestellt, vielmehr wurde dort nur noch einmal klargestellt, dass „die Regelung eine zeitlich begrenzte Ausnahmeregelung für das Jahr 2022 als erstem Jahr der Einführung der Prüfungen nach § 275d darstellt“ (BT-Drs. 20/3876, S. 53). Die Auffassung der Beklagten, der Kläger hätte statt der Erhebung eines Widerspruchs ggf. einen Antrag im einstweiligen Rechtsschutz erwirken müssen, ist angesichts obiger Ausführungen nicht begründet.
Der Senat befindet sich mit seiner hier dargestellten Rechtsauffassung im Einklang mit der weit überwiegenden Meinung in der Literatur (vgl. Krauskopf/Knittel, 119. EL Juni 2023, SGB V § 275d Rn. 15; Böhland in: Remmert/Gokel, GKV-Kommentar SGB V, 62. Lieferung, 9/2023, 6. Vereinbarungs- und Abrechnungsausschluss, Rn. 28; Becker/Kingreen/Seifert, 8. Aufl. 2022, SGB V § 275d Rn. 6; BeckOK KHR/Gerlach, 5. Ed. 01.09.2023, SGB V § 275d Rn. 5 a.E., 16, 21; a.A. wohl BeckOK SozR/Heberlein, 70. Ed. 1.9.2023, SGB V § 275d Rn. 13).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen. Dabei berücksichtigt der Senat auch, dass sich der Rechtsstreit und die hierfür maßgeblichen Rechtsvorschriften nur auf das Jahr 2022 beziehen und insoweit nur die Vergangenheit betreffen. Für die Jahre ab 2023 stellen sich obige Rechtsfragen im Ergebnis nicht.
Die endgültige Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 3 Satz 1, § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).