1. Der Zugang einer E-Mail setzt voraus, dass sie auf dem E-Mail-Server des Empfängers oder des Providers eingegangen, das heißt abrufbar gespeichert ist.
2. Der Nachweis des Absendens einer E-Mail begründet keinen Anscheinsbeweis für deren Zugang.
3. Der Ausdruck einer E-Mail kann allein Beweis dafür erbringen, dass die E-Mail mit den dort aufgeführten Anhängen versandt worden ist, nicht aber für den Inhalt ihrer Anhänge.
I. Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 29. Juli 2017 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die endgültige Festsetzung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für den Leistungszeitraum von Juli 2016 bis Dezember 2016.
Der 1982 geborene Kläger zu 1 war im streitbefangenen Zeitraum als Inhaber der Firma X.... IT-Service und Veranstaltungstechnik selbstständig tätig und stand seit einigen Jahren im Leistungsbezug bei dem Beklagten.
Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 26. Mai 2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger zu 1 mit Bescheid vom 10. Juni 2016 für Juli 2016 bis Dezember 2016 vorläufig Leistungen in Höhe eines monatlichen Gesamtbetrags in Höhe von 531,89 EUR (= 370,14 EUR [Regelbedarf] + 161,75 EUR [Unterkunft und Heizung]). Die Entscheidung über die vorläufige Bewilligung beruhe auf § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 1 Satz 1 SGB des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III). Die Einnahmen beziehungsweise Ausgaben aus selbstständiger Tätigkeit im Bewilligungszeitraum seien aufgrund seiner Angaben zum voraussichtlichen Einkommen zunächst vorläufig festgesetzt worden. Eine abschließende Entscheidung sei erst möglich, wenn die tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben im Bewilligungszeitraum feststünden. Der Kläger zu 1 werde daher gebeten, hierzu den Vordruck „abschließende Angaben zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes“ zu verwenden.
Am 30. Juli 2016 heirateten der Kläger zu 1 und die 1986 geborene Klägerin zu 2, was der Kläger zu 1 mit Veränderungsmitteilung vom 29. Juli 2016 (Eingang bei dem Beklagten 3. August 2016) dem Beklagten mitteilte.
Nachdem die Kläger die Anlagen WEP [weitere Personen ab 15 Jahren in der Bedarfsgemeinschaft], EK [Feststellung der Einkommensverhältnisse einer in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Person ab 15 Jahren] und VM [Selbstauskunft zum Vermögen] eingereicht hatten, bewilligte der Beklagte den Klägern – nunmehr unter Berücksichtigung der Klägerin zu 2 als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft – mit Änderungsbescheid vom 8. September 2016 weiter vorläufig einen monatlichen Gesamtbetrag für September 2016 in Höhe von 283,10 EUR sowie für Oktober 2016 bis Dezember 2016 in Höhe von jeweils 200,26 EUR. Den bisher in diesem Zusammenhang ergangenen Bescheid vom 10. Juni 2016 hob sie insoweit auf.
Mit Schreiben vom 13. Dezember 2016 forderte der Beklagte die Kläger auf, bis zum 28. Februar 2017 für verschiedene Leistungszeiträume, darunter der Leistungszeitraum vom 1. Juli 2016 bis zum 31. Dezember 2016, folgende Unterlagen vorzulegen: Jeweils ein vollständig ausgefülltes und unterschriebenes Formular Anlage EKS [vorläufige oder abschließende Erklärung zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft im Bewilligungszeitraum], BWA [betriebswirtschaftliche Auswertung], Einnahme-Überschussrechnung oder Einnahme-Ausgabe-Übersichten mit Sachkonten, Summen- und Saldenlisten sowie Kassenbuch, jeweils monatlich entsprechend der Zu- und Abflüsse, alle Ausgangsrechnungen (Betriebseinnahmen) mit Nachweisen über den Erhalt der Zahlungen (lückenlose Kontoauszüge oder Quittungen), alle Belege zu den im Formular angegebenen Betriebsausgaben. Grundsätzlich seien alle Betriebseinnahmen und -ausgaben zu belegen. Für den Fall, dass sie ihrer Nachweispflicht nicht, nicht vollständig oder nicht fristgemäß nachkämen, werde er, der Beklagte, abschließend feststellen, dass ein Leistungsanspruch nicht bestanden habe und die vorläufig bewilligten Leistungen in vollem Umfang zurückzuerstatten seien. Eine erneute Abforderung des Beklagten der vorgenannten Unterlagen erfolgte mit Schreiben vom 10. Februar 2017 wiederum unter Fristsetzung bis zum 28. Februar 2017.
Mit Bescheid vom 4. Juli 2017 über die abschließende Festsetzung des Anspruchs vom 1. Juli 2016 bis zum 31. Dezember 2016 setzte der Beklagte die Leistungen der Kläger für den vorgenannten Zeitraum auf 0,00 EUR fest. Die Kläger seien mehrfach aufgefordert worden, die abschließenden Angaben zum Einkommen aus der selbstständigen Tätigkeit mit den entsprechenden Nachweisen einzureichen, da davon auszugehen sei, dass die vorläufig bewilligte Leistung nicht der abschließend festzustellenden entspreche. Dieser Mitwirkungspflicht seien die Kläger bisher nicht nachgekommen. Es werde festgestellt, dass im Zeitraum vom 1. Juli 2016 bis zum 31. Dezember 2016 ein Leistungsanspruch nicht bestanden habe, da trotz angemessener Fristsetzung die geforderten Unterlagen zur abschließenden Einkommensermittlung aus selbstständiger Tätigkeit nicht vorgelegt worden seien.
Ferner stellte der Beklagte mit an den Kläger zu 1 adressierten Bescheid vom 4. Juli 2017 über die Erstattung von Leistungen bei endgültiger Festsetzung des Leistungsanspruches fest, dass der Kläger zu 1 in dem Zeitraum vom 1. Juli 2016 bis zum 31. Dezember 2016 insgesamt Leistungen in Höhe von 1.505,72 EUR erhalten habe, ohne dass hierauf ein Anspruch bestanden habe. Diesen Betrag müsse er auf der Grundlage der Vorschrift § 41a Abs. 6 SGB II erstatten. Mit an die Klägerin zu 2 adressierten Bescheid vom 4. Juli 2017 stellte der Beklagte fest, dass die Klägerin zu 2 in dem Zeitraum vom 1. September 2016 bis zum 31. Dezember 2016 insgesamt Leistungen in Höhe von 441,94 EUR erhalten habe, ohne dass hierauf ein Anspruch bestanden habe. Diesen Betrag müsse sie erstatten. In beiden Bescheiden sind die zu erstattenden Leistungen monatsweise nach Bedarfen für Unterkunft und Heizung aufgeschlüsselt.
Mit E-Mail vom 6. Juli 2017 legten die Kläger Widerspruch gegen die Bescheide vom 4. Juli 2017 ein und erklärten hierin wörtlich:
"Hiermit widersprechen wir Ihren Schreiben vom 04. Juli 2017 Erstattungen von Leistungsansprüchen Z.... und Y.... Jahr 2016 Ihre Zeichen: …. und ….. Sie setzen einfach die Leistungsansprüche ohne jegliche eindeutige Begründung in den Schreiben auf 0, obwohl ich Ihnen alle Unterlagen die gefordert waren, vom Steuerbüro, etc. bei Ihnen nachweislich eingereicht habe. (Im Anhang sind dazu die erforderlichen Unterlagen als Nachweis). Die Lohnscheine meiner Frau waren Ihnen ebenfalls bekannt. Wenn wir keine Unterlagen an Sie zugesandt, oder abgegeben hätten, hätten ich/wir für gültigen Zeitraum damals Sanktionen bekommen, das war nicht der Fall und Sie hätten damals nichts berechnen können, also haben Sie die Unterlagen erhalten. Wenn Sie trotz der bekannten Unterlagen falsche Berechnungen durchführen, so liegt dies nicht an uns. Das meine Frau Vollzeit arbeitet war Ihnen von Anfang an bekannt auch ihr Verdienst. Wir hatten auch schon persönlich deswegen beim Kundenreaktionsmanagement vorgesprochen. Uns wurde dort damals gesagt, dass es so in Ordnung sei. Wenn Hartz-IV-Leistungen falsch berechnet werden und zu hoch ausfallen, müssen sie nur dann erstattet werden, wenn der Empfänger den Fehler problemlos und leicht hätte feststellen können. Auf diese recht einfache Formel brachte es das Sozialgericht Dortmund (AZ: S 28 AS 228/08) in seinem Urteil vom 22. Juli 2009. Einen eindeutigen Fehler festzustellen, war uns hier nicht möglich. Ihre Forderungen sind damit rechtswidrig."
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 3. November 2017 als unbegründet zurück. Die mit Schreiben vom 25. Januar 2017 angeforderten Unterlagen seien nicht bei ihm eingegangen.
Die Kläger haben am 29. November 2017 Klage erhoben. Sie hätten die angeforderten Unterlagen bereits am 6. März 2017 per E-Mail an den Beklagten übersandt. Diese E-Mail sei in der Akte des Beklagten aber nicht auffindbar. Die Kläger haben einen Ausdruck der E-Mail vorgelegt, auf den Bezug genommen wird (Bl. 11 der Gerichtsakte). Der Beklagte hat erklärt, dass ihm die E-Mail vom 6. März 2017 nicht zugegangen sei.
Das Sozialgericht hat den Klägern mit gerichtlichem Schreiben vom 7. Februar 2019, zugestellt am 11. Februar 2019, unter Hinweis auf die Vorschrift des § 106a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) aufgegeben, bis zum 15. März 2019 Tatsachen anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung sie sich beschwert fühlen und Beweismittel für diese Tatsachen zu bezeichnen, sowie ihnen aufgegeben, bis zum 15. März 2019 einen vollständigen Ausdruck sämtlicher Anlagen der E-Mail vom 6. März 2017 vorzulegen. Die Kläger haben auf diese Aufforderung nicht reagiert.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 29. Juli 2019 die Klage abgewiesen. Die Kläger, die mit Schreiben des Beklagten vom 10. Februar 2017 mit Rechtsfolgenbelehrung unter Fristsetzung zur Vorlage von Unterlagen aufgefordert worden seien, hätten keinen Nachweis dafür erbracht, dass sie die erforderlichen Unterlagen bis zur abschließenden Entscheidung des Beklagten vorgelegt haben. Die von ihnen vorgelegten Ausdrucke der an den Beklagten gerichteten E-Mail vom 6. März 2017 ließen den Inhalt der Anlagen der E-Mail nicht erkennen. Die Nichterweislichkeit gehe zu Lasten der Kläger, die die objektive Beweislast trügen. Ob die E-Mail vom 6. März 2017 den Beklagten erreicht habe, könne dahinstehen, da der Inhalt der Anlagen der E-Mail weder in den Verwaltungsakten des Beklagten enthalten sei noch sich aus den im Klageverfahren vorgelegten Ausdrucken der E-Mail ergebe. Dahinstehen bleiben könne, ob die Nachreichung der Unterlagen auch noch im Klageverfahren möglich gewesen wäre, da hier innerhalb der den Klägern gesetzten Frist nach § 106a SGG bis zum 15. März 2019 keine Unterlagen nachgereicht worden seien.
Am 30. August 2019 haben die Kläger gegen den ihnen am 1. August 2019 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung (zunächst Az.: L 7 AS 1050/19) eingelegt. Aus der E-Mail vom 6. März 2017 sei ersichtlich, dass dieser zahlreichen Anlagen beigefügt gewesen seien. Der Beklagten sei daher aufzugeben, aus ihrem IT-Bereich die E-Mail-Eingänge einschließlich Anlagen vom 6. März 2017 vorzulegen.
Die Kläger beantragen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 29. Juli 2019 und die Bescheide des Beklagten vom 4. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2017 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Klägern für den Leistungszeitraum vom 1. Juli 2016 bis zum 31. Dezember 2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Kläger trügen die Beweislast für den Zugang der E-Mail. Der Beklagte habe keine Serverkapazität für die Aufbewahrung fünf Jahre alter E-Mails mit allen Anhängen. Das vom Kläger zu 1 im Klageverfahren als Ausdruck der E-Mail vom 6. März 2017 übersandte Dokument lasse erkennen, dass dies eine Kopie eines gehefteten Blattes sei, welches am 25. März 2017 erstellt worden, nicht aber, dass es dem Beklagten tatsächlich zugegangen sei. Auch sei nicht erkennbar, aus welchem Ordner des E-Mail-Accounts (Postausgang oder gesendete Objekte) es ausgedruckt worden sei.
Mit richterlichem Schreiben vom 19. Januar 2023 ist den Klägern unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 30. November 2022 (Az. B 4 AS 64/21 R) Gelegenheit gegeben worden, die Anlagen der E-Mail vom 6. März 2017 im Original nachzureichen. Der Kläger zu 1 hat daraufhin mitgeteilt, dass er keine Originale mehr habe, da diese dem Jobcenter übersandt worden seien. Ferner hat er verschiedene Unterlagen vorgelegt, auf die Bezug genommen wird (Bl. 68 ff. der Gerichtsakte). Mit richterlichem Schreiben vom 28. August 2023 ist der Kläger zu 1 aufgefordert worden, eine vorhandene Lese- oder Übermittlungsbestätigung der E-Mail vom 6. März 2017 zu übersenden und nachzuweisen, dass der Ausdruck der E-Mail aus dem Ordner "gesendete Objekte" erfolgte. Der Kläger hat daraufhin erklärt, dass er nur noch den Ausdruck aus dem "gesendeten Ordner", den er damals angefertigt habe, gefunden habe. Dass dieser Ausdruck aus dem "gesendeten" sei, erkenne man daran, dass die gesendeten Daten "oben drin" stehen würden. Bei einem Entwurf wäre dies bei "diesem System" nicht der Fall. Er habe vom Jobcenter keine Eingangsbestätigung erhalten.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der Leistungsakten des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Der Senat kann über die Berufung ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (vgl. § 153 Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 SGG).
II. Die zulässige Berufung der Kläger hat keinen Erfolg.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die erhobene kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 und 2, SGG –; vgl. BSG, Urteil vom 8. Februar 2017 – B 14 AS 22/16 R – NJW 2017, 2493 ff. = juris Rdnr. 10) ist unbegründet. Der Bescheid über die endgültige Festsetzung vom 4. Juli 2017 und die Erstattungsbescheide vom 4. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2017 sind rechtmäßig. Der Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass für die Zeit vom 1. Juli 2016 bis zum 31 Dezember 2016 ein Leistungsanspruch der Kläger nicht bestanden hat. Dementsprechend haben die Kläger für diesen Zeitraum keinen Anspruch auf Leistungen in Höhe der vorläufig bewilligten Leistungen. Auch die vom Beklagten für die Zeit 1. Juli 2016 bis zum 31. Dezember 2016 geltend gemachten Erstattungsforderungen begegnen keinen Bedenken.
1. Der Beklagte war zu der in den angefochtenen Bescheiden über die endgültige Festsetzung vom 4. Juli 2017 getroffenen Feststellung, dass ein Leistungsanspruch nicht bestanden habe, berechtigt und verpflichtet. Die Voraussetzungen des § 41a Abs. 3 Satz 4 SGB II lagen vor.
a) Gemäß § 41a Abs. 3 Satz 1 SGB II entscheiden die Leistungsträger abschließend über den monatlichen Leistungsanspruch, sofern die vorläufig bewilligte Leistung nicht der abschließend festzustellenden entspricht oder die leistungsberechtigte Person eine abschließende Entscheidung beantragt. Die leistungsberechtigte Person und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen sind nach Ablauf des Bewilligungszeitraums verpflichtet, die von den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende zum Erlass einer abschließenden Entscheidung geforderten leistungserheblichen Tatsachen nachzuweisen; die §§ 60, 61, 65 und 65a des Sozialgesetzbuches Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) gelten entsprechend (vgl. § 41a Abs. 3 Satz 2 SGB II). Kommen die leistungsberechtigte Person oder die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ihrer Nachweis- oder Auskunftspflicht bis zur abschließenden Entscheidung nicht, nicht vollständig oder trotz angemessener Fristsetzung und schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen nicht fristgemäß nach, setzen die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende den Leistungsanspruch für diejenigen Kalendermonate nur in der Höhe abschließend fest, in welcher seine Voraussetzungen ganz oder teilweise nachgewiesen wurden (vgl. § 41a Abs. 3 Satz 3 SGB II). Für die übrigen Kalendermonate wird festgestellt, dass ein Leistungsanspruch nicht bestand (vgl. § 41a Abs. 3 Satz 4 SGB II).
b) Diese Voraussetzungen für die abschließende Feststellung, dass ein Leistungsanspruch nicht bestand, liegen vor.
(1) Der Beklagte war gemäß § 41a Abs. 3 Satz 2 SGB II in Verbindung mit § 60 Abs. 1, § 65 Abs. 1 SGB I berechtigt, die Vorlage einer vollständig ausgefüllten, abschließenden Anlage EKS mit den entsprechenden Nachweisen über die gemachten Einnahmen und Ausgaben geordnet in Kopie (Rechnungen, Quittungen und vollständige Kontoauszüge) sowie eine Aufstellung sämtlicher Konten, für die die Kläger bevollmächtigt oder vertretungsbefugt sind, über die sie verfügen können oder wirtschaftlich berechtigt sind, zu verlangen. Hierbei handelt es sich um Daten und Unterlagen, die allein die Sphäre der Kläger betreffen, sodass dem Beklagten keine anderen, jedenfalls keine mit geringerem Aufwand verbundenen Ermittlungsmöglichkeiten zur Verfügung standen.
(2) Der Beklagte belehrte die Kläger auch hinreichend im Sinne des § 41a Abs. 3 Satz 3 SGB II über die Rechtsfolgen mangelhafter Mitwirkung. Die Belehrung muss die notwendige Bestimmtheit aufweisen, damit der zur Mitwirkung Aufgeforderte eindeutig erkennen kann, was ihm bei Unterlassung der Mitwirkung droht (vgl. BSG, Urteil vom 12. Oktober 2018 – B 9 SB 1/17 R – SozR 4-1200 § 66 Nr. 8 = juris, jeweils Rdnr. 27 f., m. w. N.). Daher darf sich der Hinweis nicht auf eine allgemeine Belehrung oder Wiedergabe des Gesetzeswortlauts beschränken, sondern muss unmissverständlich und konkret die Entscheidung bezeichnen, die im Einzelfall beabsichtigt ist, wenn der Betroffene dem Mitwirkungsverlangen innerhalb der gesetzten Frist nicht nachkommt.
Die den Klägern mit Aufforderungsschreiben vom 13. Dezember 2016 und 10. Februar 2017 erteilten Rechtsfolgenbelehrungen genügen diesen Anforderungen. Denn in ihnen wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Beklagte feststellen müsse, dass kein Leistungsanspruch bestand, soweit die Kläger ihrer Nachweis- und Auskunftspflicht nicht innerhalb der gesetzten Frist nachkommen und die erforderlichen Unterlagen nicht oder nicht vollständig einreichen.
(3) Die Kläger haben die angeforderten Unterlagen weder im Verwaltungs- noch im Widerspruchs- oder Klageverfahren vorgelegt. Der Zugang der E-Mail vom 6. März 2017, mit dem die Kläger die Unterlagen übersandt haben wollen und für den sie die objektive Beweislast tragen, lässt sich nicht nachweisen.
(3.1.) Eine Übermittlung der Unterlagen per E-Mail war nicht ausgeschlossen. Denn der Beklagte hatte einen Zugang für die Kommunikation per E-Mail eröffnet (vgl. hierzu § 36a Abs. 1 SGB I) und es gibt keine Vorschrift, die für die Übermittlung der Unterlagen eine bestimmte Form vorschreibt. In diesem Fall gilt der allgemeine Grundsatz der Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens (vgl. BSG, Urteil vom 11. Juli 2019 – B 14 AS 51/18 R – SozR 4-4200 § 37 Nr. 9 = juris, jeweils Rdnr. 16).
(3.2) Der Senat kann sich vom Zugang der E-Mail vom 6. März 2017 nicht überzeugen. Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), der auf Erklärungen gegenüber einer Behörde gemäß § 130 Abs. 3 BGB Anwendung findet, wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Ob eine empfangsbedürftige Willenserklärung zugegangen ist, hat das Gericht im Einzelfall nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden, weil es sich um eine Frage der Beweiswürdigung handelt (vgl. § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG; BSG, Urteil vom 29. Januar 1990 – 5 BJ 361/89 – juris Rdnr. 11). Diese Grundsätze gelten auch für den Eingang einer E-Mail (vgl. BSG, Urteil vom 11. Juli 2019, a. a. O., Rdnr. 16).
Der Zugang einer E-Mail setzt voraus, dass sie auf dem E-Mail-Server des Empfängers oder des Providers eingegangen, das heißt abrufbar gespeichert ist (vgl. BSG, Urteil vom 11. Juli 2019, a. a. O., Rdnr. 30; vgl. auch Reichold, in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB [10. Aufl., 2023], § 130 BGB Rdnr. 24). Übermittlungs-, Eingangs- oder Lesebestätigungen begründen einen Anscheinsbeweis für den Zugang der E-Mail (vgl. Reichold, a. a. O., Rdnr. 65; Mankowski, NJW 2004, 1901 [1907]).
Die Kläger können sich nicht auf einen Anscheinsbeweis für den Zugang der E-Mail berufen, da sie keine Übermittlungs-, Eingangs- oder Lesebestätigung für die E-Mail vom 6. März 2017 vorlegen konnten.
Unter Würdigung des Ausdruckes der E-Mail vom 6. März 2017 konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass die E-Mail überhaupt abgesandt worden ist. Der Kläger zu 1 hat insoweit lediglich einen Ausdruck vorgelegt, aus dem nicht hervorgeht, dass die auf dem Ausdruck wiedergegebene E-Mail abgesandt worden ist. Die Behauptung des Klägers, dass bei einem Entwurf keine Dateien angefügt wären, ist durch nichts belegt und beweist nicht, dass die auf dem Ausdruck wiedergegebene E-Mail abgesandt worden ist.
Unabhängig hiervon begründet der Nachweis des Absendens der E-Mail keinen Anscheinsbeweis für den Zugang. Die Versendung bietet nämlich keine Gewähr dafür, dass die Nachricht den Empfänger auch wirklich erreicht (vgl. Reichold, a. a. O., Rdnr. 65). Es kann dahinstehen, ob in diesem Fall die zu dem Sendevermerk bei Faxgeräten entwickelte Rechtsprechung, dass der Empfänger bei Vorlage eines sogenannten "OK-Vermerks" nachweisen muss, dass das Eingangsjournal keinen entsprechenden Eingang aufweist, zu übertragen ist (vgl. hierzu Reichold, a. a. O., Rdnr. 64 f.) oder eine Beweislastumkehr wegen Beweisvereitlung zu prüfen ist (vgl. hierzu LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. September 2017 – L 19 AS 360/17 – ZFSH/SGB 2018, 52 ff. = juris Rdnr.38). In Anbetracht der begrenzten Speicherkapazität der Server und der üblichen regelmäßigen Bereinigung der E-Mail-Postfächer und der zur Verfügung stehenden Mittel der Übermittlungs- oder Lesebestätigung kann ein entsprechender Nachweis nur in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang zu dem behaupteten Versand der E-Mail gefordert werden. Hier haben die Kläger erstmalig im Klageverfahren und damit mehr als neun Monate nach der behaupteten Versendung der E-Mail vorgetragen, eine entsprechende E-Mail versandt zu haben. Im Widerspruchsverfahren hatten sie dagegen weder den Ausdruck vorgelegt noch überhaupt die Übermittlung per E-Mail behauptet.
(3.3) Selbst, wenn der Ausdruck der E-Mail vom 6. März 2017 als geeignetes Beweismittel für den Eingang angesehen würde, ergäbe sich für die Kläger kein günstigeres Ergebnis. Denn auch dann wäre bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens nicht nachgewiesen, dass die von dem Beklagten angeforderten Unterlagen vollständig, zumindest aber in dem für die Prüfung der Hilfebedürftigkeit erforderlichen Umfange, eingegangen sind.
Grundsätzlich sind auch im Widerspruchs- und im gerichtlichen Verfahren noch nachgereichte Unterlagen zu berücksichtigen, weil § 41a Abs. 3 Sätze 2 bis 4 SGB II keine materielle Präklusionswirkung entfaltet (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2022 – B 4 AS 64/21 R – SGb 2023, 444 ff. = ZFSH/SGB 2023, 331 ff. = juris Rdnr. 28 ff.). Die Kläger haben jedoch zu keinem Zeitpunkt den Inhalt der in dem Ausdruck genannten Dateien nachgewiesen. Der von ihnen vorgelegte Ausdruck der E-Mail könnte allein Beweis dafür erbringen, dass der Kläger zu 1 die E-Mail mit den dort aufgeführten Anhängen versandt hat, nicht aber für den Inhalt ihrer Anhänge. Die Kläger haben auch auf entsprechende Hinweise des Sozialgerichts und des Senates weder einen Nachweis über den Inhalt der übersandten Anlagen erbracht noch andere Unterlagen vorgelegt, die ihre Hilfebedürftigkeit im streitigen Zeitraum belegen könnten. Die mit Schriftsatz vom 27. März 2023 übersandten Unterlagen belegen diese ebenfalls nicht.
2. Der Beklagte hat auch zu Recht mit an die Kläger gerichteten, hinreichend bestimmten Bescheiden vom 4. Juli 2017 auf der Grundlage von § 41a Abs. 6 Satz 3 und 4 SGB II die Erstattung der erbrachten Leistungen geltend gemacht und dabei den Erstattungsbetrag jeweils zutreffend ermittelt. Der Erstattungsbetrag beträgt für den Kläger zu 1 für den Zeitraum vom 1. Juli 2016 bis zum 31. Dezember 2016 1.505,72 EUR und für die Klägerin zu 2 für den Zeitraum vom 1. September 2016 bis zum 31. Dezember 2016 441,94 EUR.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193, 183 SGG.
IV. Gründe für die Zulassung der Revision (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.