L 3 U 168/19

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 98 U 287/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 168/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 16/24 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Hat ein Gericht eine auf gerichtliche Festellung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls gerichtete Klage eines Versicherten rechtskräftig abgewiesen, ist die Berufsgenossenschaft nicht mehr berechtigt, im Rahmen eines Verfahrens nach § 44 SGB X die Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls festzustellen.

 

Die Beteiligten sind, anders als bei einer Klage, die auf Verpflichtung der Berufsgenossenschaft zur Feststellung des Arbeitsunfalls gerichtet ist, (positiv und negativ) an die gerichtliche Feststellung gebunden.

 

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom

24. Juli 2019 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben auch für das Berufungsverfahren einander keine

Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

 

Der Kläger begehrt gegenüber der Beklagten die Feststellung eines weiteren, bei einem Arbeitsunfall am 11. Juli 1973 erlittenen Gesundheitserstschadens – konkret eines Wirbelkörperkompressionsbruchs im Bereich des Lendenwirbelkörpers 1 (LWK 1) - im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens.

Der am  1937 geborene Kläger erlitt am 11. Juli 1973 einen Unfall, als er zur Demontage bei einem Gittermast-Autokranausleger mit der linken Hand den letzten von vier Haltebolzen des bereits abgelegten Auslegers mit einem Hammer ausschlug. Der sodann herabfallende bzw. nachfedernde Ausleger traf den Kläger an der linken Körperhälfte.

Der Kläger befand sich vom 11. bis zum 27. Juli 1973 zur operativen Versorgung seiner Verletzungen in stationärer Behandlung des DRK Krankenhauses J in Berlin. Dem Befundbericht des Chefarztes der Chirurgischen Abteilung des DRK Krankenhauses Dr. R vom 19. Juli 1973 ist zu entnehmen: 36-jähriger vollorientierter Patient, schmerzhafte Bewegungseinschränkung des linken oberen Sprunggelenks mit ausgedehntem Hämatom, Schürfung und Hämatom linker Oberschenkel Streckseite, Schürfung unter dem linken Knie sowie Hämatom linker Oberarm. Die Röntgenuntersuchung ergab in Bezug auf den linken Oberschenkel keinen Anhalt für posttraumatische ossäre Veränderungen im Bereich des linken Femurs und in Bezug auf das linke Sprunggelenk eine Fraktur des Malleolus tibialis.

In der Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 12. Juli 1973 wird ausgeführt, dass bei dem Unfall das linke Bein, der Oberschenkel und das Sprunggelenk des Klägers durch einen Ausleger vom Autokran während dessen Demontage verletzt worden seien. Zum Hergang des Unfalls war angegeben: Nachfedern des Auslegers. Die Polizei befragte am 11. September 1973 den Kollegen H, der Zeuge des Unfalls war, zum Hergang. Er sagte aus, dass sich der Unfall beim Auseinandernehmen eines Auslegers beim Entfernen eines Bolzens ereignet habe. Dabei sei der linke Knöchel des Klägers verletzt worden. Der Unfall sei nicht durch einen Dritten verursacht worden. Der Kläger gab bei seiner Vernehmung durch die Polizei am 21. September 1973 an: „Bei Demontage eines Auslegers von einem Autokran, federte dieser nach und schlug gegen meinen linken Fuß." Als Unfallfolge gab der Kläger Verletzungen am linken Fuß und am linken Oberarm an.

 

Im Nachschaubericht vom 02. August 1973 führte Dr. Dr. H, dass der Kläger sich bei dem Unfall am 11. Juli 1973 neben einem Bluterguss am linken Oberarm, einer Schürfwunde und einer Prellung am linken Oberschenkel sowie am linken Knie, einen Bruch des linken Innenknöchels zugezogen habe. Es sei neben dem Bruch noch ein handflächengroßer Bluterguss an der Streckseite des linken Oberschenkels nachweisbar. Es bestünden eine derbe Induration des Fettgewebes und eine strichförmige Prellmarke. Dr. Dr. H stellte in seinem Ersten Rentengutachten vom 15. November 1973 als durch den Unfall verursachte Verletzungen einen stark verschobenen Bruch des linken Innenknöchels sowie Blutergüsse am linken Oberarm und am linken Oberschenkel fest, wobei die Röntgenaufnahme der oberen Sprunggelenke beiderseits auf der linken Seite einen vollständig achsengerecht und knöchern verheilten Innenknöchelbruch links zeigten. Der Gutachter gab die “Klagen des Verletzten“ wie folgt wieder: „Am li. Oberschenkel habe ich immer noch ein taubes Gefühl. Ferner habe ich Schmerzen am li. Fuß. Der Fuß schwillt etwas abends an. Morgens sind die Sprunggelenke steif. Ich muss mich dann erst einlaufen. Auf unebener Erde fühle ich mich unsicher.“ Als Angaben des Versicherten zur Ursache des Unfalls ist festgehalten: „Der Ausleger eines Autokrans stürzte herab. Er stürzte auf das linke Bein des Versicherten“. Die Unfallfolgen fasste Dr. Dr. H wie folgt zusammen; „Weichteilverdickung der Knöchelgabel links und Narbenbildung über dem Innenknöchel nach Innenknöchelbruch links vom 11.7.73. Reizlose Narbenbildung an der Streckseite des li. Oberschenkels. Bewegungsstörung im linken oberen Sprunggelenk. Verschmächtigung der Ober- und Unterschenkelweichteile links. Liegendes Osteosynthesematerial im Röntgenbefund. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätze er für den Zeitraum vom 01. Oktober 1973 bis zum 14. März 1974 mit 20 vom Hundert (v. H.) ein.

 

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten (Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltung) erkannte mit Bescheid vom 23. November 1973 den Unfall vom 11. Juli 1973 als Arbeitsunfall mit den Unfallfolgen „Nach Bruch des linken Innenknöchels und Prellung am linken Oberarm und am linken Oberschenkel: Weichteilverdickung der Knöchelgabel links, Narbenbildung über dem linken Innenknöchel, Einschränkung der Beweglichkeit im linken oberen Sprunggelenk, Narbenbildung an der Streckseite des linken Oberschenkels, Verschmächtigung der Ober- und Unterschenkelweichteile links“ an. Die Rechtsvorgängerin leistete dem Kläger wegen der Folgen dieses Unfalls zunächst als vorläufige Entschädigung eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H..

Der Kläger stellte sich bei Dr. Dr. H zu Nachuntersuchungen vor. Nach den hierzu gefertigten Nachschauberichten vom 17. Januar 1974, 20. Februar 1974 und vom 05. April 1974 wurden Beschwerden im Hinblick auf die Knöchelfraktur geklagt. Befunde zu Prellungen an anderen als den bereits dokumentierten Stellen oder zu Rückenbeschwerden finden sich darin nicht.

Das Osteosynthesematerial wurde im Rahmen einer stationären Behandlung im Februar 1974 entfernt. Zur aktuellen Einschätzung der Verletzungsfolgen erstattete Dr. Dr. H unter dem 13. Juni 1974 ein Zweites Rentengutachten. Die Beschwerden des Klägers werden darin wie folgt wiedergegeben: „Leider habe ich immer noch Beschwerden am li. Sprunggelenk. Ich hatte gedacht, dass nach der letzten Operation alles besser würde. Ich kann mich nicht richtig bücken. Auf dem li. Bein kann ich schlecht stehen. Auch Treppensteigen macht Beschwerden." Die noch bestehenden Unfallfolgen werden von Dr. Dr. H wie folgt beschrieben: anhaltende Weichteilverdickung der Knöchelgabel links mit Narbenbildung über dem Innenknöchel. Bewegungsstörung im li. oberen Sprunggelenk und Standunsicherheit des li. Beines. Verschmächtigung der Oberschenkelweichteile links. Reizlose Narbenbildung am li. Oberschenkel. Die MdE schätze der Gutachter weiterhin mit 20 v. H. ein.

Unter 03. Mai 1975 erstellte Dr. Dr. H erneut ein Rentengutachten im Auftrag der Beklagten und schätzte darin die fortbestehende MdE mit 10 v. H. ein. Als Beschwerdeschilderung des Klägers ist in diesem Gutachten festgehalten: „Ich habe immer noch Beschwerden beim Laufen und kann den linken Fuß nicht so gut beugen wie den rechten. Am Innenknöchel links habe ich noch Schmerzen." Die Röntgenaufnahme beider Sprunggelenke vom 03. Mai 1975 zeigte eine achsengerecht ausgeheilte Fraktur.

Mit Bescheid vom 27. Mai 1975 entzog die Rechtsvorgängerin der Beklagten dem Kläger mit Ablauf des Monats Juni 1975 die Rente als vorläufige Entschädigung und lehnte die Gewährung einer Verletztenrente auf Dauer ab.

Bei einer am 17. Oktober 1975 durchgeführten Röntgenuntersuchung der LWS des Klägers zeigte sich ein Wirbelkörperkompressionsbruch im Bereich des LWK 1. Hiervon erhielt die Beklagte zunächst keine Kenntnis. Über Behandlungen des Klägers auf Grund dieses Röntgenbefundes ist nichts bekannt.

Am 13. Dezember 1996 wurde der Kläger während der Ausübung einer versicherten Tätigkeit im Zuständigkeitsbereich der Großhandels- und Lagerei- Berufsgenossenschaft (GroLa BG) Opfer eines Überfalls, bei dem er tätlich angegriffen wurde. Die GroLa BG holte zur Feststellung der verbliebenen Unfallfolgen ein neurologisches Fachgutachten ein, das durch Prof. Dr. H und Dr. P am 16. Januar 2001 erstellt wurde. Dort wurden vom Kläger überwiegend Probleme mit dem rechten Unterarm angegeben, Beschwerden in Bezug auf die Wirbelsäule konkret nicht berichtet. Die GroLa BG erkannte mit Bescheid vom 23. Mai 2001 das Ereignis vom 13. Dezember 1996 als Arbeitsunfall und als dessen Folgen eine verheilte Schädelprellung und Prellung der Nase, eine verheilte Verdrehung beider Daumengrundgelenke sowie eine verheilte Schürfwunde im Bereich des linken Daumens an. Nicht als Unfallfolgen wurden unter anderem eine Fehlhaltung der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule mit wiederkehrenden Nervenwurzelreizungen im Bereich der Halswirbelsäule und ein Bandscheibenvorfall im Bereich der LWK 5/ S1 links anerkannt. Mit Bescheid vom 15. Mai 2003 gewährte die GroLa BG dem Kläger mit Wirkung ab dem 01. Februar 1997 wegen der verbliebenen Unfallfolge einer posttraumatischen Belastungsstörung eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H.

Bereits zuvor, mit Schreiben vom 11. April 2000, beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überprüfung des Bescheids vom 27. Mai 1975. Er trug vor, das linke Fußgelenk sei weiter versteift, beim Laufen und längerem Stehen schmerze der Knöchel und sei geschwollen. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Begutachtung durch den Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. K. In seinem Gutachten vom 24. Mai 2000 stellte Dr. K als Unfallfolgen eine leichte Konturverdickung am linken Sprunggelenk mit Narbenbildung an der Innenseite bei ausgeheiltem Innenknöchelbruch nach operativer Versorgung, eine geringgradige Bewegungsstörung im linken oberen Sprunggelenk mit zeitweise bestehenden belastungsabhängigen Beschwerden bei röntgenologisch sichtbarer umschriebener Verschleißerscheinung an der Gelenkfläche des Innenknöchels und eine verbliebene MdE von 10 v. H. fest. Als unfallunabhängige krankhafte Veränderungen sah er seit 1985 bestehende Wirbelsäulenbeschwerden unter ärztlicher Behandlung an. Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 30. Juni 2000 mit, dass wegen des Unfalls vom 11. Juli 1973 weiterhin eine MdE von 10 v. H. bestehe. Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 31. März 2003 erneut eine Unfallrente wegen der Beschwerden im linken oberen Sprunggelenk, woraufhin die Beklagte Dr. K mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens beauftragte. In seinem am 31. Oktober 2003 gefertigten Gutachten stellte Dr. K die selben Unfallfolgen wie in seinem früheren Gutachten fest, die MdE betrage weiterhin 10 v. H..

Mit Bescheid vom 18. Februar 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger auf Grund des Arbeitsunfalls vom 11. Juli 1973 eine Verletztenrente als Stützrente nach einer MdE von 10 v. H. ab dem 13. Dezember 1996. In dem Bescheid erkannte die Beklagte als Unfallfolgen an: „Nach verschobenem Bruch des linken Innenknöchels, eine diskrete Minderung der Oberschenkelmuskulatur links, leichte Sensibilitätsstörungen im Bereich der Narbenbildung, eine endgradige Bewegungseinschränkung des linken oberen und unteren Sprunggelenks sowie Verschleißerscheinungen an der Gelenkfläche des Innenknöchels links“. Als Folgen des Arbeitsunfalles erkannte sie nicht an: „Zustand der Folgen des Unfalls vom 13. Dezember 1996, entschädigt durch die GroLa BG, Fehlhaltung der Hals-, Brust-, Lendenwirbelsäule mit wiederkehrenden Nervenwurzelreizungen im Bereich der Wirbelsäule, Bandscheibenvorfall im Bereich der LWK 5/ S1 links, Endgliedverlust des 5. Fingers links, Senk-Spreizfußstellung beidseits“.

Mit Schreiben vom 05. September 2011 zeigte der Kläger gegenüber der Beklagten an, dass bei ihm anlässlich einer Begutachtung durch den Orthopäden Dr. E im Jahr 2010 eine lange zurückliegende Kompressionsfraktur des Wirbelkörpers LWK 1 festgestellt worden sei. Da er seit mehreren Jahrzehnten an Rückenschmerzen und Bewegungseinschränkungen leide, seien diese auf den Arbeitsunfall von 1973 zurückzuführen. Der Kläger begehrte von der Beklagten eine Anpassung der Unfallrente sowie die Gewährung weiterer Heilbehandlung.

Mit Bescheid vom 27. September 2011 lehnte die Beklagte die Feststellung einer Wirbelkörperkompressionsfraktur als Unfallfolge und insoweit die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab. Die am 20. Januar 2010 festgestellte Wirbelkörperkompressionsfraktur von LWK 1 sei keine Folge des Unfalls vom 11. Juli 1973. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der Kläger bei der Demontage eines Autokrans von dessen Hauptausleger an der linken Körperhälfte verletzt worden sei. Dabei habe er sich einen Querbruch des Schienbeinknöchels links, einen Bluterguss am linken Oberarm sowie eine Schürfung und Prellung am linken Oberschenkel zugezogen. Während der gesamten Akutbehandlung habe er zu keinem Zeitpunkt – auch nicht anlässlich der Begutachtungen vom 15. November 1973, vom 13. Juni 1974 und vom 03. Mai 1975 – Wirbelsäulenbeschwerden angegeben. Bei einer Begutachtung im Mai 2000 sei erstmals mitgeteilt worden, dass der Kläger sich seit 1985 wegen Wirbelsäulenbeschwerden in ärztlicher Behandlung befunden habe. Bereits mit Bescheid vom 18. Februar 2004 seien Fehlhaltungen der gesamten Wirbelsäule mit wiederkehrenden Nervenwurzelreizungen und einem Bandscheibenvorfall im Segment LWK 5/ S1 als unfallfremde Erkrankungen festgestellt worden.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass der Wirbelkörperkompressionsbruch bereits durch Röntgenbilder vom 17. Oktober 1975 belegt sei, nachdem er sich seit Januar 1975 wegen Rückenschmerzen bei Dr. G in ärztlicher Behandlung befunden habe. Der Sachverständige Prof. Dr. N habe bereits in einem Gutachten aus dem Jahr 1997 festgehalten, dass er seit 1975 an Wirbelsäulenbeschwerden mit Kribbelgefühl im Bereich beider Oberschenkel leide. Er habe bei allen Untersuchungen auf seine Rückenschmerzen hingewiesen, die jeweiligen Sachverständigen hätten jedoch mangels Vorstellung von einem Gittermast-Autokran fehlerhaft keine Verbindung mit dem Arbeitsunfall hergestellt. Auf Grund seines Schocks und der Gabe von Schmerzmitteln habe auch er zunächst keine Verbindung mit dem Unfall herstellen können. Die zeitliche Nähe zwischen Dokumentation und dem Unfall spreche für einen Zusammenhang.

Nach einem von einem Mitarbeiter der Beklagten gefertigten und in den Verwaltungsakten enthaltenen Vermerk schilderte der Kläger den Ablauf des Unfalls anlässlich einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten am 27. Oktober 2011 wie folgt.

„Um den Ausleger vom Kranarm zu trennen (die Trennstelle ist auf BI. 273 gelb markiert), musste er vier konisch geformte Haltebolzen mit einem Hammer herausschlagen. Die oberen Haltebolzen waren bereits entfernt, ebenso der untere linke Haltebolzen. Als er sich in gebückter Haltung auf der rechten Seite (die Fotos zeigen ausschließlich die linke Seite) neben der Trennstelle zwischen Kranarm und Ausleger befand und damit beschäftigt war, den letzten (unteren rechten) Haltebolzen herauszuschlagen, erhielt er von einem Kollegen infolge der engen Platzverhältnisse (Autoverkehr neben dem Kran) versehentlich einen "Schubs", der ihn aus dem Gleichgewicht brachte und ihn unter den Ausleger rutschen ließ. Gleichzeitig rutschte der Haltebolzen heraus, der nun "haltlose" Ausleger fiel auf ihn und traf seine linke Körperhälfte"

Der Kläger überreichte zudem Fotos eines mit dem „Unfallkran" identischen Autokrans und übergab neben weiteren bildgebenden Unterlagen einen Röntgenbefund vom 17. Oktober 1975 sowie Kopien aus dem Gutachten von Prof. Dr. N vom 06. März 1997. Nach der Auswertung des Röntgenbefundes vom 17. Oktober 1975 durch Prof. Dr. N war die linke Deckplattenhälfte des ersten Lendenwirbelkörpers leicht eingedellt und auf der bauchwärtigen Seite eine leichte Höhenabnahme durch vermehrte Eindellung zu erkennen. In seinem Gutachten führte Prof. Dr. N in der Altanamnese Wirbelsäulenbeschwerden und Kopfschmerzen seit 1975 auf, die er aber nicht als unfallbedingt, sondern degenerativ ansah.

Eine daraufhin von der Beklagten veranlasste radiologische Nachbefundung des medizinischen Bildmaterials durch das Institut für Radiologie des Unfallkrankenhauses B, Prof. Dr. M, vom 01. November 2011 ergab, dass in den Röntgenaufnahmen von 1975 ein trapezoid deformierter LWK 1 zu erkennen war. An dessen Deckplatte zeigten sich spondylophytäre Ausziehungen nach ventrokranial, während in den sonstigen Segmenten lediglich initiale spondylophytäre Ausziehungen nachweisbar waren. Insgesamt habe am 17. Oktober 1975 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr frischer/eher älterer Deckplattenbruch mit beginnenden Abstützreaktionen vorgelegen. Der Bruch passe zeitlich prinzipiell zum Arbeitsunfall aus 1973, wenngleich eine exakte zeitliche Zuordnung bildmorphologisch nicht möglich sei. Als Unfallmechanismus sei eine Stauchung mit Inklination im thorakolumbalen Übergang zu postulieren. Ein solcher Mechanismus sei in der am 27. Oktober 2011 erfassten Beschreibung des Unfalls so nicht angegeben.

Nachdem die Beklagte dem Kläger verschiedene Gutachter zur Auswahl gestellt hatte, holte sie von dem Facharzt für Orthopädie Dr. W-R ein Gutachten zur Zusammenhangsfrage vom 29. Februar 2012 ein. Dr. W-R kam zu dem Ergebnis, dass ein Unfallzusammenhang nicht wahrscheinlich sei. Nach den Schilderungen des Klägers während der Untersuchung sei am wahrscheinlichsten, dass es durch ein Anschubsen von rechts zu einem Fall auf die linke Körperseite gekommen sei. Eine direkte axiale Aufstauchung sei nicht sicher zu eruieren. Zum einen finde sich in den damaligen Behandlungsberichten keine Dokumentation einer Prellmarke, die eine direkte axiale Stauchung der Wirbelsäule belege. Nach Angaben des Klägers hätte er schon frühzeitig Rückenbeschwerden gehabt. Er sei Ende 1974 aus einer sitzenden Position plötzlich nicht mehr hochgekommen, er sei wie blockiert gewesen; im Anschluss habe er Heilbehandlung in Anspruch genommen. Soweit er sich erinnern könne, hätten sich die Schmerzen tief lumbal lokalisiert. In den ärztlichen Berichten vom 20. Februar 1974 und vom 05. April 1974 sei keine Rückensymptomatik erwähnt. Eine traumatisch bedingte Wirbelkörperfraktur impliziere jedoch im Allgemeinen eine erhebliche Schmerzhaftigkeit bis zu einem nahezu kompletten Funktionsverlust. Diese Symptome stellten sich sofort und nicht erst nach Wochen oder Jahren ein. Der Kläger habe bestätigt, dass während der letzten 40 Jahre Schmerzen konstant am lumbosakralen Übergang zu spüren gewesen seien. Somit stimmten auch Schmerz- und Schadensort nicht überein. Die vom Kläger geklagten tiefen Schmerzen und Hypästhesien entlang der Oberschenkel seien einem – u.a. 2003 dokumentierten – Bandscheibenvorfall im Segment L 3 zuzuordnen.

Der Kläger nahm unter dem 26. März 2012 zu dem Gutachten Stellung und meinte, dass es sich um ein Gefälligkeitsgutachten handele. Der Gutachter habe seine Beschwerden, die geschilderten Behandlungen und die Schilderung des Unfallhergangs nicht richtig aufgenommen und ihn immer wieder unterbrochen. Er habe den Hergang wie folgt geschildert:

„Ich stand in gebückter Haltung neben dem Kranausleger, mit dem Rücken zum Kranoberwagen (Blickrichtung Auslegerspitze) die Unterkante des Auslegers befand sich in ca. 1,50 m über der Straße, um mit der linken Hand den Haltebolzen des Auslegers mit einem 2,5 kg schweren Handhammer, mit einem Schlag, auszuschlagen. Durch den seitlichen Anstoß durch meinen Kollegen, auf Grund von beengten Straßenverhältnisse, wurde ich in dem Moment in dem ich den Schlag ausführte, unter den Kranausleger gestoßen, der Ausleger, der mich zuerst von hinten linksseitig an der Schulter traf, hat mich wie ein Taschenmesser, das man schließt, zusammenklappen lassen. Ich habe mich, halb sitzend/liegend nach vorn gebeugt unter dem Auslegerfuß auf der linken Körperhälfte unter dem Ausleger vom Autokran befunden. Die jetzt noch deutlichen vorhandenen Markierungen an der Innenseite vom linken Oberschenkel beweisen das.“

Bezüglich der Lokalisation der Rückenschmerzen durch den Gutachter trug der Kläger vor, dass er nur allgemein auf seinen Rücken gezeigt habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 03. Mai 2012 wies die Beklagte den Widerspruch unter Berufung auf die Ergebnisse des Gutachtens zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 11. Mai 2012 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Berlin, mit dem Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 27. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. Mai 2012 aufzuheben und festzustellen, dass der Bruch des LWK 1 Folge des Arbeitsunfalls vom 11. Juli 1973 sei. Die Klage wurde unter dem Aktenzeichen S 163 U 281/12 geführt. Der Kläger behauptete, der Ausleger habe ihn seinerzeit zuerst von hinten linksseitig an der Schulter getroffen und ihn wie ein Taschenmesser zusammenklappen lassen. Er sei mit dem Gesäß auf die Fahrbahn aufgeschlagen und habe sich halb sitzend, halb liegend auf der linken Körperhälfte unter dem Ausleger befunden. In gebückter Haltung sei er ins Krankenhaus gebracht worden. Dort sei seiner Ehefrau aufgefallen, dass er einen blauen „Hintern“ habe. Dies habe sie wahrgenommen, da das Krankenhaushemd hinten offen gewesen sei. Bei Stauchungsfrakturen der Wirbelsäule bestünden oftmals keine erheblichen Beschwerden, teilweise werde ein leichter Schmerz bemerkt, der bei Druck zunehme. Dass die Rückenschmerzen in den Gutachten bis zum 03. Mai 1975 nicht erwähnt wurden, erkläre sich dadurch, dass die Fraktur erstmals durch Röntgenbilder aus Oktober 1975 festgestellt worden sei. Mit Urteil vom 27. August 2013 wies das SG die Klage ab, ohne ein weiteres Gutachten einzuholen. Zur Begründung seiner Entscheidung verwies es im Wesentlichen darauf, dass es zur Überzeugung der Kammer nicht hinreichend wahrscheinlich sei, dass durch den Arbeitsunfall aus dem Jahr 1973 eine Kompressionsfraktur des LWK 1 rechtlich wesentlich verursacht worden sei. Nach dem Gutachten von Dr. W-R sei bereits die biomechanische Geeignetheit des Einwirkungsablaufes des Arbeitsunfalls zur Verursachung eines Wirbelkörperkompressionsbruches zweifelhaft. In dem nachfolgend vor dem Landessozialgericht (LSG) zum Aktenzeichen L 3 U 150/13 geführten Berufungsverfahren holte der Senat ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. S vom 23. Mai 2014 ein. Der Kläger schilderte gegenüber dem Sachverständigen unter Vorlage von Bildern eines entsprechenden Krans und ergänzend schriftlich den Unfallhergang. Er gab dabei an, von dem Ausleger zunächst von hinten linksseitig an der linken Schulter/Oberarm getroffen und danach wie ein Taschenmesser zusammengeklappt worden zu sein. Letztlich sei er auf die rechte Körperhälfte gefallen und habe unter dem Auslegerfuß gelegen. Auf dieser Grundlage stellte der Sachverständige fest, dass davon ausgegangen werden müsse, dass beim Unfall 1973 der Kranausleger den Kläger auf der linken Körperseite erfasst habe. Dieses Verletzungsmuster sei aus gutachterlicher Sicht nicht geeignet, eine Fraktur eines LWK hervorzurufen. Gesicherte Ursache eines Biegungsmechanismusses im Sinne einer Hyperflexion sei der Sturz aus großer Höhe, das Auftreten von schweren Kräften am Nacken oder im Bereich der Brustwirbelsäule, schwere Kollisionsverletzungen im PKW oder das plötzliche, ruckartige Anheben eines schweren Gegenstandes. Auch habe der Kläger während des stationären Aufenthaltes und der primären Nachbehandlung keine Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule angegeben. Erst 1975 sei eine entsprechende Röntgenaufnahme gefertigt worden. Der zwischen dem Unfall 1973 und dieser Röntgenaufnahme 1975 liegende Zeitraum bleibe daher unklar und sei durch medizinische Unterlagen nicht gesichert. Die jetzigen Beschwerden des Klägers seien durch die degenerativen Veränderungen bedingt. In Übereinstimmung mit dem Gutachten von Dr. WR und Prof. Dr. M sei ein ursächlicher Zusammenhang nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellbar. Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wurde ferner der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. Wa mit der Erstellung eines Gutachtens vom 18. Oktober 2014 beauftragt. Im Rahmen der Untersuchung habe der Kläger geschildert, der Ausleger habe ihn von hinten links zwischen Schulter und Hals getroffen. Eine Strebe des Auslegers habe ihn am Oberarm getroffen. Durch den Anprall an der linken Körperhälfte sei er zur Seite geschleudert worden und wie ein Taschenmesser, das man gleichzeitig schließt und dreht, zusammengeklappt. Dr. Wa legte in seinem Gutachten dar, dass der zeitliche Verlauf prinzipiell geeignet gewesen wäre, die Verletzung an der Wirbelsäule zu verursachen, da im Jahre 1975 radiologisch eine nicht mehr frische Fraktur am LWK 1 festgestellt worden sei. Die anamnestischen Angaben verwiesen darauf, dass nach dem Unfallereignis am 11. Juli 1973 Beschwerden an der Lendenwirbelsäule vorgelegen hätten, die jedoch in den Durchgangsarztberichten und Nachschauberichten nicht dokumentiert worden seien. Dies könne entweder ein Hinweis auf eine stumm eingetretene Fraktur sein oder auch einen Zusammenhang mit der Fraktur ausschließen. Es könne retrospektiv nicht mehr mit Sicherheit festgestellt werden, ob das angeschuldigte Unfallereignis tatsächlich die LWK 1-Fraktur hervorgerufen habe. Da jedoch keine konkurrierende Verletzung an der Wirbelsäule aufgetreten sei und auch nach Angaben des Versicherten das Krankheitsregister unauffällig gewesen sei, sei davon auszugehen, dass wahrscheinlich ein Zusammenhang zwischen dem angeschuldigten Unfallereignis und der Lendenwirbelkörperfraktur zu sehen sei. In seiner Stellungnahme vom 08. Dezember 2014 führte der Sachverständige Dr. St aus, dass Dr. W in seinem Gutachten nicht erläutert habe, aus welchem Grund er den Unfallhergang für biomechanisch ausreichend erachte. Nicht gesichert werden könne durch Dr. W auch der Zeitraum von fast zwei Jahren zwischen dem Unfall und dem ersten Röntgenbild. Es fänden sich keine plausiblen und sicheren Gründe für das primäre Nichterkennen einer Fraktur. Dr. W hielt in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 16. März 2015 weiter an seiner gutachterlichen Einschätzung fest.

Mit Urteil vom 18. Juni 2015 wies das LSG die gegen das Urteil des SG gerichtete Berufung des Klägers zurück. Die Feststellungsklage sei gemäß § 55 Abs. 1 Hs. 1 Nr. 3 SGG statthaft; das erforderliche Feststellungsinteresse gemäß § 55 Abs. 1 Hs. 2 SGG sei zu bejahen. Die Klage sei aber unbegründet, der Senat sei nicht im nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG erforderlichen Maße überzeugt, dass die Wirbelkörperkompressionsfraktur bei LWK 1 mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Wesentlichen auf das Unfallereignis vom 11. Juli 1973 zurückzuführen sei. Der Senat schließe sich ohne Einschränkungen den Ausführungen von Dr. S sowie im Ergebnis auch den Ausführungen von Dr. WR an. Beide Sachverständige hätten nachvollziehbar unter Zugrundelegung der unfallmedizinischen Standardliteratur ausgeführt, dass der vom Kläger bei den Begutachtungen geschilderte Unfallmechanismus nicht geeignet war, die Fraktur eines Wirbelkörpers zu verursachen. Dabei gehe der Senat nach allen möglichen Varianten des Unfallgeschehens sicher davon aus, dass der Kranausleger den Kläger auf der linken Körperseite erfasst hat. Hierbei habe sich der Kläger Prellungen am linken Oberarm, am linken Oberschenkel mit Schürfung und eine Innenknöchelfraktur links zugezogen. Bei keiner Unfallschilderung, auch nicht bei der zum Tag der Begutachtung, sei vom Kläger angegeben worden, dass der Ausleger an der Wirbelsäule angeprallt sei. Vielmehr habe er angegeben, dass der Oberkörper nach vorne zusammengeklappt sei. Anhand der Behandlungsunterlagen sei keine Prellmarke im Bereich des Körperstammes festgestellt worden, ein Hämatom sei (lediglich) am linken Oberarm dokumentiert. Der zwischen dem Unfall 1973 und der Röntgenaufnahme 1975 liegende mögliche Beschwerdezeitraum bleibe unklar und werde nicht durch medizinische Unterlagen, die über eine Wirbelsäulensymptomatik Aufschluss geben, belegt. Demgegenüber vermöge der Sachverständige Dr. Wmit seinen Erwägungen zur Zusammenhangsfrage nicht zu überzeugen. Er lasse eine wissenschaftliche Erörterung zur Biomechanik des Unfallhergangs vermissen. Soweit er einen Kausalzusammenhang dadurch gegeben sehe, dass der Nachweis einer Vorschädigung der LWS vor dem Unfall und das Hinzutreten eines weiteren Unfalls im Zeitraum zwischen dem 11. Juli 1973 und 1975 fehlten, vermöge der Senat dem nicht zu folgen. Hier sei noch einmal zu betonen, dass ein geeigneter Unfallmechanismus nicht darstellbar sei sowie anlässlich der unfallnahen Untersuchungen und auch bis zur erstmaligen radiologischen Sicherung der alten Wirbelkörperfraktur 1975 keine LWS-Beschwerden und kein Hämatom/Prellmarke am Stamm-/Oberkörper dokumentiert worden seien. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wurde durch Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 15. Oktober 2015 (Aktenzeichen B 2 U 191/15 B) als unzulässig verworfen.

Nachdem der Kläger parallel zu dem gerichtlichen Verfahren am 29. Mai 2012 einen Verschlimmerungsantrag bei der Beklagten gestellt hatte, beauftragte diese nach Einholung von Befundberichten behandelnder Ärzte auf entsprechenden Vorschlag des Klägers Prof. Dr. E mit der Erstellung eines Zusammenhanggutachtens. Dieser führte in seinem Gutachten vom 31. Oktober 2012 aus, dass sich für den Bereich des linken Sprunggelenkes keine wesentlichen Veränderungen der bereits im Jahr 2000 erhobenen Befunde ergäben. Ohne weitere Begründung führte er die Keilwirbelbildung des LWK 1 als eine vom Unfall unabhängige vermutlich posttraumatische krankhafte Veränderung an. Mit Bescheid vom 21. Februar 2013 lehnte die Beklagte die Erhöhung der dem Kläger gewährten Stützrente in Höhe einer MdE von 10 v. H. ab, da sich die Verhältnisse nicht wesentlich verschlechtert hätten. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. April 2013 zurück.

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 05. August 2016, den Bescheid vom 27. September 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. Mai 2012 nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu überprüfen und die Kompressionsfraktur des LWK 1 als Folge des Arbeitsunfalls vom 11. Juli 1973 anzuerkennen. Die bisherigen Gutachter Dr. med. W und Dr. med. S seien fachlich nicht in der Lage gewesen, in ihren Gutachten die Biomechanik des Unfallhergangs zu erkennen oder fachlich zu beurteilen. Daher habe er ein medizinisch-traumabiomechanisches Gutachten von Dr. H eingeholt. In dem Gutachten vom 06. Juli 2016 werde durch eine rechnergestützte Simulation des Unfallablaufs der Beweis erbracht, dass die von außen auf den Körper einwirkenden Kräfte (Unfallmechanismus) den angezeigten Gesundheitsschaden, einen Wirbelkörperkompressionsbruch im Bereich LWK 1, verursacht hätten. Dem Schreiben war das Gutachten des Dr. H vom 06. Juli 2016 beigefügt. Danach sei die Fraktur des LWK 1 als „A.1.- Fraktur“ zu klassifizieren. Bei einer solchen Fraktur seien initial Schmerzen zu erkennen. Die beim Kläger bestehende Kyphose könne Folge einer konservativ behandelten Kompressionsfraktur sein. Kompressionsfrakturen im thorakolumbalen Übergangsbereich könnten zu vorauseilenden umformenden Bandscheibenveränderungen führen, es seien relevante Veränderungen in der Statik und Geometrie der Wirbelsäule anzunehmen. Die Computersimulation zum Unfallhergang zeige axiale Krafteinwirkungen, die geeignet seien, eine Deckenplattenkompressionsfraktur herbeizuführen. Zu einer entsprechenden Verletzung passe die Röntgenaufnahme von 1975. Zum Teil verlaufe eine solche Fraktur klinisch stumm, insbesondere bei Polytraumen. Die in dem Gutachten von Dr. H angenommene Unfallsimulation legte eine Unfallschilderung des Klägers zu Grunde, nach der er nach dem Entfernen des letzten Bolzens von dem herabfallenden noch am Kran befindlichen Teil des Auslegers zunächst zwischen Hals und linker Schulter getroffen worden und dadurch auf den Boden unter den Ausleger auf seine rechte Seite gefallen sei. Dr. H führte aus, dass Kompressionsfrakturen typisch für den thorakolumbalen Übergang seien und durch eine axiale Stauchung der Wirbelsäule entstünden. Die axiale Kraft als primäre Komponente sei mit unterschiedlich starken Beugungen kombiniert. Er errechnete eine axiale d. h. senkrecht zum LWK 1 wirkende Kraft in Höhe von 3.500 bis 9.500 N. Er führte weiter aus, dass nach elektrohydraulischen Tests eine axiale Krafteinwirkung im Bereich von 2.800 bis 12.400 N geeignet sei, eine Kompressionsfraktur hervorzurufen. Dies korreliere mit der erstmalig 1975 erfolgten röntgenologischen Feststellung der Fraktur. Kompressionsfrakturen könnten insbesondere bei Polytraumen klinisch stumm verlaufen. Die seit 1973 bestehende Fehlstatik habe zweifelsfrei zu einer Veränderung der Geometrie der Lendenwirbelsäule geführt, was den Verschleiß der LWK erhöht habe.

 

Die Beklagte holte daraufhin eine beratungsärztliche Stellungnahme des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. med. B ein. Dieser teilte mit Schreiben vom 27. November 2016 mit, dass das Gutachten neue bislang nicht beachtete Argumente bezüglich des Unfallhergangs erbringe. Aus seiner Sicht spreche für den Zusammenhang, dass der Unfallhergang entsprechend dem Gutachten geeignet sei, die Fraktur hervorzurufen, die morphologischen Veränderungen im Bereich des LWK 1 zu einer am Unfalltag erlittenen Fraktur passten und konkurrierende Ursachen nicht dokumentiert seien. Gegen den Zusammenhang spreche das lange Intervall bis zur Diagnosestellung. Die MdE schätze er auf 10 v. H. ab dem 17. Oktober 1975, dem Zeitpunkt der Röntgenuntersuchung, da ab diesem Tag offenkundig Beschwerden vorgelegen hätten. In seiner von der Beklagten eingeholten weiteren Stellungnahme vom 10. Dezember 2016 verwies Dr. W zunächst auf sein Gutachten vom 29. Februar 2012. Die Unfallanalyse des Dr. H sei akribisch und umfassend durchgeführt worden. Das Gutachten spreche jedoch von einer gewissen Bandbreite, welche abhängig von der Ausgangsstellung des Klägers sei und somit auch ein anderer als der dargestellte Ablauf denkbar sei. Dr. W verwies ferner darauf, dass der Unfallschaden in der gesetzlichen Unfallversicherung im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen werden müsse. Hierzu zähle nicht nur, eine geeignete Biomechanik aufzuzeigen, es müsse auch das eigentliche Schadensbild zeitnah dokumentiert werden. Neben der morphologischen Schädigung seien eine behandlungsbedürftige Krankheit und damit verbundene Schmerzen und Funktionsstörungen zu fordern. Ihm sei nicht bekannt, dass leicht eingestauchte Grund- und Deckplattenfrakturen des LWK 1 stumm verlaufen könnten. Bei einer Fraktur einer Wirbelkörperdeckplatte handele es sich um ein massives Ereignis mit ausgeprägter Schmerzhaftigkeit; ein blander Verlauf ohne wesentliche Beschwerden sei eine Ausnahme. Dr. B hielt demgegenüber in seiner Stellungnahme vom 28. Januar 2017 an seiner Bewertung zur Ursächlichkeit fest. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.

 

Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 16. Februar 2017 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheids vom 27. September 2011 nach § 44 SGB X ab. Die Kompressionsfraktur des LWK 1 sei keine Folge des Arbeitsunfalls vom 11. Juli 1973. Widerspruch, Klage und Berufung gegen den Bescheid seien ohne Erfolg geblieben, damit sei der Bescheid vom 27. September 2011 bindend geworden. Entgegen der Stellungnahme des Beratungsarztes Dr. B verbleibe sie bei der rechtlichen Wertung, dass ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und dem Kompressionsbruch von LWK 1 nicht gegeben sei. Erstmals finde sich ein Hinweis auf Beschwerden der Lendenwirbelsäule in einem Gutachten aus dem Jahr 1997, damals seien diese aber noch nicht in Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall gesehen worden. Nach seinen in 2014 erfolgten Angaben sei der Kläger bereits seit 1973 wegen Rückenschmerzen in Behandlung gewesen. Es sei jedoch nicht nachzuvollziehen, weshalb erstmals 38 Jahre nach dem Arbeitsunfall ein Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall gesehen worden sei. Nach der Beschreibung des Klägers seien die Schmerzen zudem im unteren Bereich der Lendenwirbelsäule und damit nicht an der Stelle der Kompressionsfraktur verortet. Die Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule und die Behandlungsbedürftigkeit seien plausibler mit degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule zu erklären. Selbst wenn man die Kausalität annehme, habe dies keine Erhöhung der MdE zur Folge. Es liege ein stabil ausgeheilter Deckplattenimpressionsbruch des LWK 1 ohne Bandscheibenbeteiligung vor. Eine Instabilität des Segments BWS12/LWS1 liege nicht vor, daher seien die Ausführungen von Dr. H, dass der Bruch Auswirkungen auf die tieferen Segmente habe, nicht nachzuvollziehen.

 

Im Rahmen des hiergegen geführten Widerspruchsverfahrens reichte der Kläger eine ergänzende Stellungnahme des Dr. H vom 11. April 2017 ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2017 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung verwies die Beklagte insbesondere auf das Gutachten und die Stellungnahme von Dr. W.

 

Mit seiner am 14. Juli 2017 vor dem SG Berlin erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren auf Aufhebung des Bescheides vom 16. Februar 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2017 und letztlich der Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung des Bescheides vom 27. September 2011 und zur Anerkennung des Kompressionsbruchs des LWK 1 als Unfallfolge weiterverfolgt. Er hat insbesondere auf das Gutachten von Dr. H nebst Stellungnahmen verwiesen. Die von der Beklagten bzw. vom Gericht zuvor beauftragten Gutachter Dr. W und Dr. S seien fachlich nicht in der Lage gewesen, die biomechanischen Zusammenhänge zu beurteilen. Dies habe auch der im Berufungsverfahren vor dem LSG nach § 109 SGG beauftragte Gutachter Dr. Wa bemängelt. Der Beratungsarzt der Beklagten, Dr. B, habe sich der Einschätzung von Dr. H angeschlossen. Mit dem Gutachten von Dr. H sei nunmehr das erforderliche Maß an Wahrscheinlichkeit erbracht.

 

Nachdem das Gericht mit Schreiben vom 12. Dezember 2018 darauf hingewiesen hat, dass nach dem im Gutachten von Dr. H dokumentierten Unfallhergang weitere Prellmarken im Bereich zwischen Schulter und Kopf zu erwarten gewesen, jedoch im Gegensatz zu anderen Verletzungen nicht dokumentiert seien, hat der Kläger eine weitere Stellungnahme des Dr. H und Dr. Ba vom 21. Juni 2019 eingereicht. Darin wird ausgeführt, dass bei einem Anprall im Schulterbereich auf Grund der Drehbewegung unter dem Ausleger nicht zwingend von einer Prellmarke auszugehen sei. Ferner sei bereits im Gutachten darauf hingewiesen worden, dass sich je nach Ausgangsposition des Klägers eine gewisse Bandbreite ergebe und somit auch ein etwas anderer als der in der Simulation dargestellte Ablauf denkbar sei. Das Fehlen einer Prellmarke auf der linken Schulter sage noch nichts darüber aus, dass eine Deckenplattenkompressionsfraktur am LWK 1 nicht dennoch plausibel sei. Es handele sich bei dieser Verletzung um eine indirekte durch Klappmessereffekt auftretende Überbelastung der Wirbelsäule am Wirbelsäulenknick BWK 12/ LWK 1. Vorliegend erscheine eine solche Verletzung sowohl durch axiale Kräfte von oben als auch von unten denkbar. Gerade, weil prinzipiell auch eine Belastung von unten einen Bruch des LWK 1 verursachen könne, sei auch die Abwesenheit einer Prellmarke erklärbar.

 

Mit Urteil vom 24. Juli 2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Aufhebung des bestandskräftig gewordenen Bescheides vom 27. September 2011 nach § 44 SGB X und Anerkennung des Kompressionsbruchs des LWK 1 als Folge des Arbeitsunfalls vom 11. Juli 1973. Zur Überzeugung der Kammer sei zwar mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen, dass beim Kläger ein Kompressionsbruch des LWK 1 vorliege. Dieser sei aber nicht überwiegend wahrscheinlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Hieran verblieben ernsthafte Zweifel. Für einen Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall aus dem Jahr 1973 spreche die Feststellung von Prof. Dr. M in der radiologischen Zusatzbegutachtung, wonach der Bruch prinzipiell zeitlich zu dem Unfall vom 11. Juli 1973 passe. Allerdings schränke Prof. Dr. M seine Bewertung dahingehend ein, dass eine exakte zeitliche Zuordnung allein bildmorphologisch nicht möglich sei. Dies bedeute, eine präzise zeitliche Verortung der Verletzung sei hiernach ausdrücklich nicht möglich. Dieser Wertung hätten sich alle anderen Mediziner angeschlossen. Indes beschränke sich die Bewertung des Ursachenzusammenhangs nicht auf die bildgebenden Befunde, vielmehr müssten alle Umstände umfassend berücksichtigt und gegeneinander abgewogen werden. Gegen einen Ursachenzusammenhang spreche, dass der Kompressionsbruch des LWK 1 beim Kläger über einen Zeitraum von 38 Jahren keine Beschwerden verursacht habe, welche mit der Verletzung bzw. dem Arbeitsunfall in Zusammenhang gebracht worden seien. In den drei von Dr. Dr. H in den Jahren 1973, 1974 und 1975 gefertigten Gutachten finde sich kein Hinweis auf damals bestehende Beschwerden der Lendenwirbelsäule, auch nicht bei den darin dokumentierten unfallfremden Verletzungen. Allenfalls finde sich in dem zweiten Rentengutachten vom 13. Juni 1974 ein dezenter und bestenfalls mittelbarer Hinweis auf Rückenschmerzen, da der Kläger als Beschwerden dort unter anderem äußerte, dass er sich nicht bücken könne. Dies müsse aber nicht zwingend auf Rückenschmerzen zurückzuführen sein. Ebenso fehle in dem Überprüfungsantrag des Klägers vom 11. April 2000 jeder Hinweis auf bei ihm bestehende Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule. Erstmals seien allgemein seit 1985 bestehende Wirbelsäulenbeschwerden und eine diesbezügliche ärztliche Behandlung in dem Gutachten von Dr. med. K vom 24. Mai 2000 nachrichtlich erwähnt worden. Die Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule seien nicht in Verbindung mit dem Arbeitsunfall im Juli 1973 genannt worden. Seinen Antrag vom 31. März 2003 habe der Kläger ebenfalls ausschließlich damit begründet, dass sein (Sprung)Gelenk versteift sei und der Knöchel beim Laufen und bei längerem Stehen schmerze. Auch in dem vom Kläger in Auszügen überreichten Gutachten von Prof. Dr. N seien zwar Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule erwähnt, aber ausschließlich die Bewegungseinschränkung (des Sprunggelenkes) mit dem Arbeitsunfall in Verbindung gebracht worden. Prof. Dr. N bringe die Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule ausschließlich mit dem links-mediolateralen Bandscheibenvorfall im Segment LWK 5/ S1, nicht aber mit der Keilwirbelbildung im Bereich des LWK 1 in Verbindung und beschreibe degenerative Prozesse im Bereich der Wirbelsäule. Er stelle ausdrücklich fest, dass die anamnestisch beklagten Schmerzzustände im Bereich der unteren Extremitäten durch den Bandscheibenvorfall im Segment LWK 5/ S1 erklärbar seien. Das Gutachten von Dr. W vom 29. Februar 2012 nebst ergänzender Stellungnahme zeige ebenfalls auf, dass beim Kläger keine Beschwerden aufgetreten seien, die im Zusammenhang mit der Keilwirbelbildung beim LWK 1 gestanden hätten. Dr. W gehe ausführlich auf die Beschwerden des Klägers ein. Dass der Kläger an Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule gelitten habe, sei wahrscheinlich, da es schließlich im Jahr 1975 zu der Röntgenuntersuchung der Lendenwirbelsäule gekommen sei. Nach dem Gutachten von Dr. W habe der Kläger aber einen Schmerz beschrieben, der sich auf den unteren Bereich der Lendenwirbelsäule und damit nicht auf den Bereich des LWK 1 konzentriere. Das im Überprüfungsverfahren von Dr. E eingeholte Gutachten sei hinsichtlich der Bewertung des Ursachenzusammenhangs unergiebig Dr. E setze sich hierin ausschließlich mit den als Folge des Arbeitsunfalls anerkannten Beschwerden im Bereich des Sprunggelenks auseinander und zähle ohne weitere Begründung bei den unfallunabhängigen Beschwerden „Chronische Rückenschmerzen bei degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule mit Keilwirbelbildung LWK 1" mit dem Zusatz „vermutlich posttraumatisch" auf. Weitere Ausführungen dazu fänden sich nicht, es liege allerdings nahe, dass er diese auf den späteren Arbeitsunfall aus dem Jahre 1996 bezog, da er diesen unmittelbar davor erwähnt habe. Der im Berufungsverfahren L 3 U 150/13 vom LSG beauftragte Dr. S habe ebenfalls festgestellt, dass der Kläger Beschwerden vor allem im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule angebe, wo sich deutliche degenerative Veränderungen im Sinne einer Spondylosteochondrose LWK 5/ S1 fänden. Die Deckplattenimpression des LWK 1 sei so nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückzuführen. In seiner ergänzenden Stellungnahme betone Dr. S, dass die Schmerzen und Bewegungseinschränkungen auf die deutlichen degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule zurückzuführen seien. Dr. Wa, der vom LSG nach § 109 SGG als Gutachter beauftragt worden sei, stelle ebenfalls fest, dass sich aus den Aktenunterlagen und Gutachten keine entsprechende Beschwerdesymptomatik ergebe. Soweit er ferner in seinem Gutachten darlege, dass der Bewegungsablauf prinzipiell geeignet gewesen sei, einen Bruch des LWK 1 herbeizuführen und ein solcher Bruch bei weiteren Verletzungen stumm verlaufen könne, zeige er zwar Gesichtspunkte auf, die einen Ursachenzusammenhang möglich erscheinen lassen. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit könne auf dieser Tatsachengrundlage aber nicht angenommen werden. So falle auf, dass er einerseits auf Seite 24 seines Gutachtens feststelle, dass es bei dem angeschuldigten Ereignis vom 11. Juli 1973 zu der LWK 1-Verletzung gekommen sei, meine aber auch, mit absoluter Sicherheit (lasse) sich dies jedoch nicht mehr anhand der Aktenlage feststellen. Seine Annahme einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit begründe er allein damit, dass kein konkurrierendes Unfallereignis ersichtlich sei (S. 25 des Gutachtens). Ob es zutreffe, dass ein durch einen Unfall bedingter Kompressionsbruch in jedem Fall unmittelbar Schmerzen verursacht hätte, sei zwischen den Gutachtern umstritten. Dr. W habe sich in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10. Dezember 2016 dahingehend festgelegt, dass es sich bei dem angenommenen Unfallhergang um ein massives Ereignis mit ausgeprägter Schmerzhaftigkeit handele, ein blander bzw. stummer Verlauf sei nach seiner Erfahrung die absolute Ausnahme. Soweit Dr. Sund Dr. H einen stummen Verlauf in Betracht zögen, hielten sie diesen dagegen nur für möglich. Auch in diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass bei der Feststellung des Ursachenzusammenhangs die überwiegende Wahrscheinlichkeit dargetan werden müsse. Es genüge nicht, dass eine bloße Möglichkeit bestanden habe. Zur Überzeugung der Kammer spreche der Umstand, dass über lange Zeit nach dem Arbeitsunfall keine entsprechenden Symptome dokumentiert worden seien und der Kläger auch heute im Wesentlichen Symptome schildere, die auf die degenerativen Veränderungen im Bereich des Segmentes LWK 5/ S1 zurückzuführen seien, entscheidend gegen einen Ursachenzusammenhang. Auch das Gutachten von Dr. H und dessen ergänzende Stellungnahmen änderten nichts daran, dass die Verletzung des LWK 1 nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sei. Ausgehend von einem bestimmten Unfallhergang rekonstruiere es die Belastungen, denen der Kläger durch das Aufprallen des Krans ausgesetzt gewesen sei. Kern des Gutachtens sei die rechnergestützte Simulation des Unfallablaufs (S. 40 ff.). Dort werde der Unfallablauf in mehreren Schritten über einen Zeitraum von insgesamt 1,2 Sekunden rekonstruiert. In der textlichen Umschreibung heiße es dabei wörtlich: „Als er nun den letzten verbleibenden Bolzen herausschlug, konnte er sich auf Grund des den engen Platzverhältnissen geschuldeten unbeabsichtigten Stoßes von einem Helfer nicht rechtzeitig vom herabfallenden Auslegerfuß entfernen, sondern nur noch teilweise vom Auslegerfuß wegdrehen. Dieser fiel somit auf seinen Oberkörper zwischen linker Schulter und Hals. Im weiteren Verlauf traf der Auslegerfuß den linken Oberarm, den linken Oberschenkel schließlich auf den linken Knöchel." Diese Rekonstruktion möge - ausgehend von den zu Grunde gelegten Tatsachen - in sich schlüssig und folgerichtig sein. Das Ergebnis des Gutachtens hänge allerdings maßgeblich von der Qualität der zu Grunde gelegten Tatsachen, insbesondere der genauen Position des Klägers ab. Der dem Gutachten im Wesentlichen zu Grunde gelegte Unfallhergang sei in dieser Form indes erstmals bei der Vorsprache des Klägers bei der Beklagten am 27. Oktober 2011 - mithin mehr als 28 Jahre später - wie folgt geschildert worden: „Um den Ausleger vom Kranarm zu trennen (die Trennstelle ist auf BI. 273 gelb markiert), musste er vier konisch geformte Haltebolzen mit einem Hammer herausschlagen. Die oberen Haltebolzen waren bereits entfernt, ebenso der untere linke Haltebolzen. Als er sich in gebückter Haltung auf der rechten Seite (die Fotos zeigen ausschließlich die linke Seite) neben der Trennstelle zwischen Kranarm und Ausleger befand und damit beschäftigt war, den letzten (unteren rechten) Haltebolzen herauszuschlagen, erhielt er von einem Kollegen infolge der engen Platzverhältnisse (Autoverkehr neben dem Kran) versehentlich einen "Schubs", der ihn aus dem Gleichgewicht brachte und ihn unter den Ausleger rutschen ließ. Gleichzeitig rutschte der Haltebolzen heraus, der nun "haltlose" Ausleger fiel auf ihn und traf seine linke Körperhälfte". Gegenüber der Polizei habe der Kläger im Jahr 1973 den Unfallhergang noch wie folgt geschildert: „Bei der Demontage eines Auslegers von einem Autokran, federte dieser nach und schlug gegen meinen linken Fuß." Auch in der Unfallanzeige des Arbeitgebers werde ausdrücklich das Nachfedern des Auslegers erwähnt. Es falle auf, dass das sowohl in der Unfallanzeige des Arbeitgebers als auch bei der Schilderung des Klägers gegenüber der Polizei erwähnte Nachfedern nicht mehr vorkomme. Ebenso fehle in den frühen Schilderungen jeweils der Umstand, dass der Kläger von einem Kollegen geschubst worden sei. Die Kammer verkenne nicht, dass die frühen Schilderungen des Arbeitsunfalls sehr knapp waren und nach dem Befundbericht vom 19. Juli 1973 der Ausleger nicht nur gegen den Fuß, sondern auch gegen den linken Oberarm, das linke Knie und den linken Oberschenkel geprallt sein müsse, da sich dort jeweils Schürfungen bzw. Hämatome gefunden hätten. Gleichwohl erkläre dies nicht die Veränderungen der Schilderung, welche ernsthafte Zweifel an deren Richtigkeit rechtfertigten. Entscheidend sei aber, dass in dem Befundbericht des den Kläger erstbehandelnden Krankenhauses als Verletzungen ausschließlich „Schmerzhafte Bewegungseinschränkung linkes oberes Sprunggelenk mit ausgedehntem Haematom. Schürfung und Haematom linker Oberschenkel Streckseite. Schürfung unter dem II. Knie. Haematom li.Oberarm" dokumentiert seien. Danach fehle - und dies spreche maßgeblich gegen den durch das Gutachten ermittelten Unfallhergang - eine Prellmarke, ein Hämatom oder eine Schürfung zwischen der linken Schulter und dem Kopf des Klägers. Dort solle der Aufleger zuerst mit voller Wucht aufgeschlagen sein. Es sei schlechterdings nicht vorstellbar, dass dieser Vorgang kein Hämatom und keine Schürfmarke hinterlassen habe. Auch Dr. W betone in seinem Gutachten - dort allerdings von einem direkten Anprall des Auslegers an die Wirbelsäule ausgehend - dass dieser entsprechende Prellmarken hätte hinterlassen müssen. Auch wenn ein solcher Befundbericht keine absolute Sicherheit biete, spreche einiges dafür, dass bei einer Behandlung im berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren die Unfallfolgen präzise erfasst und beschrieben worden seien. Soweit Dr. H in seiner ergänzenden Stellungnahme ausführe, dass bei einem Aufprall im Schulterbereich auf Grund der Drehbewegung unter dem Auslieger heraus nicht zwingend von einer Prellmarke auszugehen sei, vermöge dies angesichts der im Gutachten beschriebenen Wucht der Einwirkung auf den Oberkörper des Klägers nicht zu überzeugen. Die Variante, dass der Kläger zur Seite gefallen ist und es so überhaupt nicht oder zumindest in deutlich geringerem Umfang zu einer axialen Stauchung gekommen sei, berücksichtige das Gutachten nicht. Auch in der ergänzenden Stellungnahme führe Dr. H aus, dass der dargestellte Unfallablauf in Mehrkörpersimulation eine gewisse Bandbreite ergebe, so dass auch ein etwas anderer als der dargestellte Ablauf denkbar wäre. Dieser Vorbehalt vermöge die grundlegende Schwäche des Gutachtens jedoch nicht zu beheben, sondern zeige diese im Gegenteil deutlich auf. Auch die ergänzende Stellungnahme gehe von einer indirekten, durch Klappmessereffekt auftretenden (Über-)Belastung der LWK am Wirbelsäulenknick BWK 12/ LWK 1 aus. Mit der von ihm angenommenen „KIappmesserposition" unterstelle Dr. H in seinem Gutachten den vom Kläger geschilderten Unfallhergang als zutreffend. Ein Unfallhergang, wie ihn Dr. W bereits in seinem ersten Gutachten vom 29. Februar 2012 angenommen habe, nämlich ein seitliches Verkippen des Klägers nach dem Anprall des Kranauslegers, werde in den Gutachten von vornherein nicht in Betracht gezogen. Dies wiege umso schwerer, als dieser Unfallhergang mit den bei der Erstbehandlung

festgestellten Verletzungen - Schürfung und Hämatom linker Oberschenkel, Schürfung unter dem linken Knie und ein Hämatom am linken Oberarm sowie die Fraktur des Sprunggelenks - sehr viel besser in Einklang zu bringen sei. Letztlich räume der Verfasser des Gutachtens dessen eingeschränkte Aussagekraft selbst ein. Zum anderen komme das Gutachten lediglich zu dem Ergebnis, dass die ermittelten Belastungswerte „als nachvollziehbar" einzustufen seien. Erst in der im gerichtlichen Verfahren abgegebenen weiteren Stellungnahme ziehe Dr. H den Schluss, dass an einer unfallkausalen Frakturentstehung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine begründeten Zweifel bestünden, ohne dass ersichtlich werde, weshalb sich die Gewissheit später so verfestigte. Bei der Feststellung des Ursachenzusammenhangs im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung genüge indes nicht die bloße Möglichkeit oder Nachvollziehbarkeit, es müsse vielmehr eine hinreichende Wahrscheinlichkeit vorliegen. Da Dr. B in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme im Wesentlichen auf den von Dr. H dargelegten Unfallmechanismus abstelle und sich nicht mit den Schwächen, die sich insbesondere durch die unzureichende Ermittlung des Unfallhergangs ergäben, auseinandersetze, leide seine Stellungnahme unter denselben Schwächen wie das Gutachten selbst. Weitere Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhaltes bestünden für das Gericht nicht.

 

Der Kläger hat gegen das seiner Prozessbevollmächtigten am 26. August 2019 zugestellte Urteil am 30. August 2019 Berufung beim LSG eingelegt. Das Vorliegen eines Arbeitsunfalls sei genauso unstreitig wie das Vorliegen einer Kompressionsfraktur des LWK 1. Streitig sei allein, ob die Fraktur auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sei. Die Zweifel des SGs an der Verursachung der Fraktur durch den Unfall seien nicht begründet. Der Kläger habe den Unfall bereits im Jahr 2011 gegenüber der Beklagten ausführlich geschildert. Soweit an anderer Stelle von einem Nachfedern des Kranauslegers die Rede gewesen sei, sei damit Folgendes gemeint: Nach Ablegen des Auslegers entstehe auf Grund der Unebenheiten des Untergrundes auf einer Baustelle eine Spannung zwischen dem Ausleger und dem Kraftfahrzeug. Beim Herausschlagen der Haltebolzen werde die Spannung zwischen Kraftfahrzeug und Ausleger gelöst. Es entstünden zwei unabhängige Teile: zum einen der Kranwagen mit dem 6 m langen Auslegerfuß und der restliche 28 m lange Ausleger. Beide Teile bewegten sich auf Grund ihres Gewichtes mehr oder weniger schnell mit umfangreichen Bewegungen in eine neutrale Position. Der längere Teil des Auslegers unterliege dabei mehreren Bewegungen, bevor er auf dem unebenen Baustellenboden ein Endlager erreiche. Gleiches gelte für den Auslegerfuß. In Abhängigkeit von der Position des Kranfahrzeuges bewege sich der Auslegerfuß nach unten, oben und seitlich. Dies werde als Nachfedern bezeichnet. Auch spreche die Beschwerdefreiheit nicht gegen die Kausalität. Es sei schon nicht nachvollziehbar, warum die Beschwerdefreiheit einen Ursachenzusammenhang ausschließen können solle. Die Fraktur habe doch zweifelsfrei vorgelegen. Nach Auffassung des Klägers erschließe sich auch nicht, warum der Unfallzusammenhang auf Grund des Umstandes, dass er Beschwerden geäußert habe, die nicht mit dem Schaden des LWK 1 in Übereinstimmung zu bringen seien, in Zweifel gezogen werde. Das Vorliegen der Fraktur an sich sei unstreitig. Zudem sei er auch 1973 nicht beschwerdefrei gewesen. Er habe sich bereits Ende des Jahres 1973 wegen Rückenschmerzen in Behandlung bei einem Orthopäden gegeben. Als eine physiotherapeutische Behandlung keine Besserung brachte, habe man sich für die Erstellung der Röntgenaufnahme vom 17. Oktober 1975 entschieden. Ob Beschwerden vorgelegen haben, sei jedoch für die Kausalitätsfrage nicht relevant. Zwischen den Sachverständigen sei es unstreitig, dass eine Impressionsfraktur des LWK 1 nicht in jedem Fall Schmerzen verursachen müsse. Entgegen den Ausführungen des SGs weiche die dem Gutachten des Dr. H zugrundeliegende Sachverhaltsschilderung nicht von seinen Schilderungen ab. Soweit das SG moniere, dass früher von einem Nachfedern die Rede gewesen sei, später hingegen nicht mehr, und dass nun von einem Schubs durch den Kollegen berichtet werde, der vorher nicht angegeben worden sei, sei deutlich zu sagen, dass hierin kein Widerspruch liege. Soweit das Gericht dem Gutachten nicht folgen wolle, hätte es ein Obergutachten einholen müssen. Der Sachverhalt lasse sich auch nicht beliebig variieren. Insoweit habe Dr. H zwar von einer gewissen Bandbreite des Unfallhergangs gesprochen, habe diese Varianten aber dahingehend konkretisiert, dass sich eine Krafteinwirkung im Bereich von 3.500 bis 9.500 N errechnen lasse. Danach sei zweifelsfrei von einer unfallkausal erfolgten Kompressionsfraktur auszugehen. Die Sachverhaltsvarianten (etwas weiter nach vorne gebeugt oder aufrechter) änderten nichts an dem Ergebnis. Soweit das SG weiter ausführe, dass ein Ursachenzusammenhang unwahrscheinlich sei, weil eine Prellmarke, ein Hämatom oder eine Schürfung zwischen der linken Schulter und dem Kopf des Klägers nicht beschrieben seien, ändere dies nichts daran, dass die Fraktur durch den Unfall verursacht worden sei. Dr. H habe hierzu umfassend ausgeführt, dass ein solches unmittelbares Unfallmerkmal am LWK 1 auf Grund des Unfallhergangs nicht zu erwarten sei. Der Kläger sei nämlich durch den Kranausleger in der Drehbewegung wie ein Klappmesser zusammengedrückt worden. Der Aufprall des tonnenschweren Kranauslegers sei am Oberarm des Klägers erfolgt. Hier sei ein Hämatom dokumentiert. Das SG setze sich insoweit über die medizinische Facheinschätzung des Dr. H hinweg, maße sich in unzulässiger Weise medizinisches und biomechanisches und damit fachfremdes Wissen an. Mangels Alternativursachen spreche bereits die Einschätzung von Prof. Dr. M für einen Zusammenhang zwischen dem Unfall und der LWK 1-Fraktur.

 

Der Kläger beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Juli 2019 und den Bescheid der Beklagten vom 16. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihren Bescheid vom 27. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. Mai 2012 aufzuheben und als weiteren Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls vom 11. Juli 1973 einen Kompressionsbruch des Lendenwirbelkörpers 1 festzustellen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Die Beklagte sieht weiterhin einen Anspruch auf Feststellung der Kompressionsfraktur des LWK 1 als Folge des Unfalls vom 11. Juli 1973 nicht gegeben. Eine exakte zeitliche Zuordnung der Veränderungen des Lendenwirbelkörpers sei in Anbetracht des Zeitablaufs nicht mehr möglich. Derartige Gesundheitsstörungen könnten zudem auch ohne ein in Erinnerung gebliebenes Unfallereignis, wie z.B. beim ruckartigen Anheben eines schweren Gegenstandes infolge großer Kraftanstrengung, eintreten. Das Abstellen auf eine fehlende konkurrierende Ursache und die subjektiven Angaben des Klägers erst mehrere Jahre nach dem Unfallgeschehen, sei nicht statthaft.

 

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines weiteren Zusammenhangsgutachtens von dem Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. Sch. Nach körperlicher Untersuchung des Klägers am 08. November 2021 hat Dr. Sch sein Gutachten unter dem 13. Dezember 2021 sowie ergänzende Stellungnahmen unter dem 14. Januar 2022 und dem 05. Januar 2023 verfasst. Er hat darin ausgeführt, dass die Röntgenaufnahme vom 17. Oktober 1975 einen konsolidierten Bruch des LWK 1 mit Deckenplatteneinbruch und Höhenminderung sowie einen Zustand nach Impression mit Höhenminderung der Vorderkante des LWK 2 zeige. Da vor und nach dem 11. Juli 1973 keine konkurrierenden Verletzungen festzustellen seien, die die Fraktur der LWK 1 und 2 hätten verursachen können, sei davon auszugehen, dass diese im Rahmen des Ereignisses vom 11. Juli 1973 bei der Demontage des Kranfahrzeuges entstanden sei. Nach der eigenen langjährigen Erfahrung als Unfallchirurg sei davon auszugehen, dass die durch die weitgehend unverschobenen Kompressionsfrakturen verursachten Schmerzen von den übrigen Verletzungen mit Prellungen und der Sprunggelenksfraktur überdeckt worden seien. In der Folge seien z. B. durch Dr. K zwar die Angabe von Rückenschmerzen und eine schmerzhafte Einschränkung der Beugebeweglichkeit dokumentiert, aber nicht zum Anlass für weitere Diagnostik genommen worden. Nach den vorliegenden Unterlagen und gutachterlichen Beurteilungen seien die Frakturen an den Lendenwirbelkörpern mit hoher Wahrscheinlichkeit auf das Ereignis vom 11. Juli 1973 zurückzuführen. Für einen Zusammenhang würden die fehlenden konkurrierenden Ursachen, die biomechanischen Messergebnisse, passenden morphologischen Veränderungen an den Lendenwirbelkörpern im Verlauf nach dem Frakturereignis sowie die subjektive Symptomatik über mehrere Jahre mit ärztlichen Behandlungsmaßnahmen sprechen. Gegen den Zusammenhang spreche das lange Intervall bis zur Diagnosestellung. Dr. Sch hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 05. Januar 2023 weiter ausgeführt, dass nach seiner Kenntnis die linke Schulter nach dem Unfallereignis nicht weiter untersucht worden sei. Dass ein Hämatom oder eine sonstige Verletzung an der linken Schulter vorgelegen habe, sei daher weder belegt noch ausgeschlossen. Interpretiere man die Feststellungen und Berechnungen des Dr. H müsse das schwere Metallteil über die linke Körperhälfte abgerutscht sein. Eine lokale Schulterprellung ohne wesentliche Verletzungen sei danach denkbar.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten zum vorliegenden Verfahren sowie des Sozialgerichts Berlin zu den Aktenzeichen S 163 U 281/12 (L 3 U 150/13),  S 14 R 725/96, S 25 U 406/13, S 163 U 76/14 und S 69 U 700/01 und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, der BGHW zum Unfall vom 12./13. Dezember 1996 und des Versorgungsamtes (Aktenzeichen D02 1163423), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

 

 

Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhobene und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Das angegriffene Urteil des SG Berlin erweist sich als rechtmäßig.

 

I. Zulässiger Gegenstand des vorliegenden Klage- und Berufungsverfahrens ist das letztendlich vom Kläger verfolgte Begehren, den im Rahmen des Überprüfungsverfahrens ergangenen Bescheid vom 16. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 27. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. Mai 2012 einen Kompressionsbruch des LWK 1 als weiteren Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls vom 11. Juli 1973 festzustellen.

 

Der Kläger verfolgt sein Begehren in statthafter Weise mit einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage. Mit dem Bescheid vom 27. September 2011 hatte der Beklagte erstmals über die vom Kläger begehrte Feststellung, dass auch eine Wirbelsäulenverletzung Folge des Unfalls vom 11. Juli 1973 sei, entschieden. Eine Abänderung dieser insoweit erstmalig ergangenen und nach Erlass des Urteils des LSG vom 18. Juni 2015 (Aktenzeichen L 3 U 150/13) rechtskräftig gewordenen Entscheidung kann prozessual nur im Wege der Aufhebung des die Abänderung im Wege des § 44 SGB X ablehnenden Bescheides vom 16. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2017 – insoweit Anfechtungsantrag nach § 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative SGG – kombiniert mit der Verpflichtung der Beklagten, den Bescheid vom 27. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. Mai 2012 aufzuheben und die Wirbelsäulenverletzung als weiteren Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls festzustellen – insoweit (doppelter) Verpflichtungsantrag § 54 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative SGG – erreicht werden.

 

II. Die Klage ist aber unbegründet. Der Bescheid vom 16. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2017 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

 

1. Als für die mit dem angegriffenen Bescheid abgelehnte und vom Kläger letztlich begehrte Aufhebung des Bescheides vom 27. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. Mai 2012, mit dem die Beklagte die Feststellung des Kompressionsbruchs des LWK 1 als weitere Unfallfolge abgelehnt hat, kommt nur § 44 SGB X in Betracht. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

 

§ 44 SGB X findet dabei nicht nur auf Verwaltungsakte Anwendung, die direkt eine Sozialleistung gewähren oder versagen. Die Norm gilt auch für feststellende Verwaltungsakte (Merten in: Hauck/Noftz, SGB X, 3. Ergänzungslieferung 2023, § 44 Rn. 12).

 

Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Aufhebung oder Abänderung des Bescheides vom 27. September 2011, denn bei Erlass dieses Verwaltungsaktes wurde weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Der Kläger hatte keinen Anspruch auf die Feststellung des Kompressionsbruches des LWK 1 als weitere Unfallfolge.

 

2. Dass ein solcher Anspruch nicht bestand, steht bereits auf Grund der materiellen Rechtskraft des unter dem Aktenzeichen S 163 U 281/12 ergangenen Urteils des SG Berlin vom 27. August 2013 zwischen den Beteiligten bindend fest.

 

Die Rechtskraft eines einen Feststellungsantrag aus sachlichen Gründen abweisenden Urteils ist identisch mit derjenigen einer rechtskräftig gewordenen gegenteiligen Feststellung (Keller      in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 14. Aufl. 2023, § 141 Rn. 13; Schütz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., Stand: 15. Juni 2022, § 141 SGG, Rn. 35; BSG Urteile vom 08. Oktober 2019 – B 1 A 1/19 R -, Rn. 12, und vom 30. Januar 2020 – B 2 U 2/18 R -, Rn. 17, juris). Wird eine Klage auf Feststellung von Unfallfolgen rechtskräftig abgewiesen, steht daher fest, dass entsprechende Unfallfolgen nicht bestehen. Die Rechtskraft einer solchen Entscheidung steht damit einem Anspruch auf Rücknahme des früheren bestandskräftigen, die Unfallfolgen verneinenden Bescheides nach § 44 SGB X entgegen. Es steht auf Grund der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung fest, dass Unfallfolgen nicht vorliegen, der frühere Bescheid also rechtmäßig ist (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Juni 2018 – L 10 U 2893/16 –, juris). Bei einer Feststellungsklage wird nicht über einen Regelungsgegenstand des Verwaltungsaktes entschieden, sondern originär durch das Gericht über das Bestehen bzw. Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses. Diese gerichtliche Entscheidung über die Feststellung kann – anders als ein gerichtlich bestätigter, die Feststellung ablehnender Verwaltungsakt - im Wege des Verfahrens nach § 44 SGB X nicht einer erneuten Überprüfung unterzogen werden (vgl. LSG Thüringen, Beschluss vom 07. Januar 2019 – L 1 U 619/18 B –, juris). In dem ursprünglichen gerichtlichen Verfahren S 163 U 281/12 bzw. nachfolgend L 3 U 150/13 haben das SG und das LSG nicht über eine Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung weiterer Unfallfolgen entschieden, sondern einen an das Gericht gerichteten Feststellungsantrag abgelehnt. Dies ergibt sich ohne Weiteres aus der entsprechenden erstinstanzlich anwaltlich formulierten Antragstellung und den Ausführungen des SG, wonach ein Feststellungsbegehren vorliege. Ebenso hat sich das LSG ausführlich mit der Klageart auseinandergesetzt und ausgeführt, dass eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zur Entscheidung stehe, für die das erforderliche besondere Feststellungsinteresse nach § 55 Abs. 1 Halbs. 1 Nr. 3 SGG gegeben sei. Entscheidet jedoch das Gericht selbst über die begehrte Feststellung, liegt kein mehr nach § 44 SGB X der Aufhebung durch die Verwaltung zugänglicher Verwaltungsakt vor.

 

Die an der Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 21. Juni 2018, a. a. O.) geübte Kritik, wonach auch bei der Entscheidung über eine Anfechtungs- und Leistungsklage im Endeffekt rechtskräftig darüber entschieden werde, ob ein Anspruch bestehe und in diesen Fällen von der herrschenden Meinung angenommen werde, dass selbst bei rechtskräftiger Abweisung eines solchen Klagebegehrens noch nach § 44 SGB X im Verwaltungswege über eine Änderung des Verwaltungsaktes entschieden werden könne, ohne dass dem die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung entgegenstünde (vgl. hierzu Baumeister in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Auflage, Stand: 12. April 2023, § 44 SGB X Rn. 32.2), verfängt jedenfalls unter Zugrundelegung der dogmatischen Ausführungen des BSG zu den Besonderheiten der Feststellungsklage nicht. Die Rechtsfrage, ob auf Feststellungsklagen hin ergangene Tenöre im Rahmen der Prüfung nach § 44 Abs. 1 SGB X hinsichtlich der materiellen Rechtskraftwirkung des § 141 Abs. 1 SGG anders zu behandeln sind, als Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklagen, hat das BSG zwar bislang ersichtlich nicht entschieden (ausdrücklich offengelassen in BSG, Urteil vom 30. Januar 2020 – B 2 U 2/18 R –, Rn. 17, juris), das BSG unterscheidet aber in ständiger Rechtsprechung zwischen der Möglichkeit, die Feststellung eines Arbeitsunfalls oder dessen Folgen im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (dann Entscheidung der Behörde in Umsetzung des Urteils) oder im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage (originäre Feststellung durch das Gericht) zu verfolgen. Dabei stehen die beiden Rechtsschutzmöglichkeiten nicht unterschiedslos nebeneinander zur Verfügung. Das BSG hebt vielmehr zur Begründung des für die sonst subsidiäre Feststellungsklage erforderlichen besonderen Feststellungsinteresses die prozessualen Unterschiede der Streitgegenstände und daraus folgend der Rechtskraft hervor. Der das Feststellungsinteresse begründende Vorteil der Feststellungsklage gegenüber der auf Feststellung durch den Unfallversicherungsträger gerichteten Verpflichtungsklage wird vom BSG wie folgt begründet: Begehrt der Versicherte allein die von dem Unfallversicherungsträger abgelehnte Feststellung des Vorliegens eines Versicherungsfalls, kann er durch die Verbindung einer Anfechtungs- mit einer Feststellungsklage unmittelbar eine rechtskräftige, von der Verwaltung nicht mehr beeinflussbare Feststellung erlangen (BSG, Urteile vom 27. April 2010 – B 2 U 23/09 R –, Rn. 9, und vom 09. November 2010 – B 2 U 14/10 R –, Rn. 14, juris). Wegen der Rechtskraftwirkung gerichtlicher Feststellungsurteile im Gegensatz zur durchbrechungsfähigen Bindungswirkung feststellender Verwaltungsakte wird durch die Entscheidung über einen Feststellungantrag die Rechtsposition des Beklagten verschlechtert (BSG, Urteil vom 09. November 2010 – B 2 U 6/10 R –, Rn. 10, juris).

 

Aus diesen Ausführungen folgt, dass nach rechtskräftiger positiver Feststellung durch ein gerichtliches Urteil eine Abänderung im Verwaltungswege durch den Unfallversicherungsträger ausgeschlossen ist. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die Abänderungsbefugnis der Verwaltung auch nicht mehr für den Fall besteht, in dem die Feststellung durch das Gericht abgelehnt worden ist und damit das Gegenteil feststeht. Würde man im Falle der Klageabweisung dagegen eine Änderungsbefugnis der Behörde annehmen, bedeutete dies eine nur einseitige Rechtskraftwirkung zu Gunsten des Versicherten. Eine nur einseitige Rechtskraftwirkung zu Gunsten nur einer Partei ist dem Prozessrecht jedoch fremd.

 

3. Die Klage erwiese sich aber auch – soweit man nicht bereits eine materielle Bindung an die Entscheidungen im vorangegangenen Verfahren annimmt – als unbegründet. Der Kläger hat auch ungeachtet der vorhergehenden gerichtlichen Entscheidungen keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheides vom 16. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2017 und Verpflichtung der Beklagten, den Bescheid vom 27. September 2011 aufzuheben und den Kompressionsbruch des LWK 1 als weitere Folge des Unfalls vom 11. Juli 1973 festzustellen.

 

a. Die Voraussetzungen für die Rücknahme des Bescheides vom 27. September 2011, mit dem die Beklagte den Antrag des Klägers vom 05. September 2011 auf Feststellung der Kompressionsfraktur des LWK 1 als Folge des Arbeitsunfalls vom 11. Juli 1973 abgelehnt hat, liegen nicht vor. Der Kläger hat zwar am 11. Juli 1973 einen Arbeitsunfall erlitten. Dass die Kompressionsfraktur als Folge eines Versicherungsfalls eingetreten ist, kann aber nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden.

 

Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit; Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheits(erst)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von Unfallfolgen auf Grund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls. Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt, dass die Merkmale „versicherte Tätigkeit“, „Verrichtung zur Zeit des Unfalls“, „Unfallereignis“ sowie „Gesundheitserst- bzw. Gesundheitsfolgeschaden“ im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der wesentlichen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit; ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden. Ob der Gesundheitsschaden eines Versicherten durch einen Arbeitsunfall (wesentlich) verursacht wurde, entscheidet sich - bei Vorliegen einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne - danach, ob das Unfallereignis selbst - und nicht ausschließlich eine andere, unfallunabhängige Ursache - die wesentliche Bedingung für den Eintritt des Gesundheitsschadens war (ständige Rechtsprechung, BSG, vgl. Urteile vom 04. Dezember 2014 – B 2 U 18/13 R -, Rn. 16 ff., 13. November 2012 – B 2 U 19/11 R -, Rn. 20 ff., 31. Januar 2012 – B 2 U 2/11 R -, Rn. 16 ff., 02. April 2009 – B 2 U 29/07 R -, Rn. 15 ff., 27. Juni 2006 – B 2 U 20/04 R -, Rn. 18 ff., 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, Rn. 13 ff., alle zitiert nach juris, siehe auch: Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, Kap. 1.7, S. 21 f.).

 

b. Hiervon ausgehend hat der Kläger zwar am 11. Juli 1973 einen versicherten Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VII erlitten, was zwischen den Beteiligten unstreitig und von der Beklagten bereits mit Bescheid vom 23. November 1973 anerkannt worden ist.

 

c. Es liegt auch ein Kompressionsbruch des LWK 1 vor. Davon ist der Senat auf Grund der radiologischen Nachbefundung der Röntgenaufnahme vom 17. Oktober 1975 durch Prof. Dr. M am 01. November 2011 und der Bewertung des Dr. Sch in seinem im vorliegenden Verfahren unter dem 13. Dezember 2021 erstellten Gutachten im Sinne des Vollbeweises überzeugt. Prof. Dr. M hat ausgeführt, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Deckplattenbruch mit beginnenden Abstützreaktionen vorgelegen habe. Dr. Sch geht ebenfalls von einer Kompressionsfraktur bei normaler Hinterwand und verkürzter Vorderwand des LWK 1 aus. Der Senat hat keinen Anlass, an dieser Feststellung zu zweifeln. Auch alle weiteren von der Beklagten und vom Gericht beauftragten Sachverständigen gehen ebenso wie Dr. H in dem vom Kläger eingereichten Privatgutachten auf Grund der Röntgenaufnahme vom 17. Oktober 1975 von einem Deckenplattenkompressionsbruch des LWK 1 aus.

 

d. Jedoch ist der Senat nicht im nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG erforderlichen Maße davon überzeugt, dass die Wirbelkörperkompressionsfraktur beim LWK 1 mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Wesentlichen auf das Unfallereignis vom 11. Juli 1973 zurückzuführen ist. Es fehlt schon an der Wahrscheinlichkeit einer Verursachung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne.

 

aa. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen. Maßgebend ist, dass die Beurteilung medizinischer Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge auf dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand aufbauen muss (BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, Rn. 17). Dies erfordert nicht, dass es zu jedem Ursachenzusammenhang statistisch-epidemiologische Forschungen geben muss, weil dies nur eine Methode zur Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse ist und sie im Übrigen nicht auf alle denkbaren Ursachenzusammenhänge angewandt werden kann und braucht. Gibt es keinen aktuellen allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu einer bestimmten Fragestellung, kann in Abwägung der verschiedenen Auffassungen einer nicht nur vereinzelt vertretenen Auffassung gefolgt werden (BSG, a.a.O., Rn. 18). Dieser wissenschaftliche Erkenntnisstand ist jedoch kein eigener Prüfungspunkt bei der Prüfung des Ursachenzusammenhangs, sondern nur die wissenschaftliche Grundlage, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen des konkreten Versicherten zu bewerten sind. Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Dies wird häufig bei einem klar erkennbaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhang, vor allem wenn es keine feststellbare konkurrierende Ursache gibt, kein Problem sein. Aber es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSG, a.a.O., Rn. 20).

 

bb. Dies zu Grunde gelegt kann im Unfallereignis vom 11. Juli 1973 nicht eine wesentliche Ursache für die Wirbelkörperkompressionsfraktur bei LWK 1 angenommen werden. Hierfür schließt sich der Senat zunächst den zutreffenden Gründen des angegriffenen Urteils an, verweist hierauf und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, vgl. § 153 Abs. 2 SGG.

 

Ergänzend ist auszuführen, dass nach Auffassung des Senats die Verursachung der Fraktur durch den Unfall möglich erscheint. Der Kompressionsbruch lässt sich nach radiologischer Betrachtung zeitlich grundsätzlich in Übereinstimmung mit dem Unfall bringen, auch erscheint nach dem vom Kläger eingereichten Privatgutachten des Dr. H ein Unfallhergang, der geeignet wäre, den Bruch herbeizuführen, nicht ausgeschlossen. Nach Abwägung aller Umstände spricht jedoch nichts Überwiegendes für die Verursachung durch den Unfall.

 

cc. Nach den Ausführungen des Prof. Dr. M in der radiologischen Nachbegutachtung hätten sich spondylophytäre Ausziehungen nach ventrokranial gezeigt, während in den sonstigen Segmenten lediglich initiale spondylophytäre Ausziehungen nachweisbar waren. Insgesamt habe ein nicht mehr frischer/eher älterer Deckplattenbruch vorgelegen. Der Röntgenbefund von Oktober 1975 passe zeitlich prinzipiell zum Arbeitsunfall aus 1973, eine exakte zeitliche Zuordnung sei bildmorphologisch aber nicht möglich. Aus diesen Bewertungen, denen sich die übrigen Sachverständigen angeschlossen bzw. sie übernommen haben und denen der Senat daher folgt, ergibt sich für den Senat lediglich, dass in zeitlicher Hinsicht eine Verursachung nicht ausgeschlossen ist. Auch die weiteren im Verwaltungs- und im Gerichtsverfahren beauftragten Sachverständigen haben auf Grund der bildgebenden Unterlagen eine genauere zeitliche Zuordnung nicht vorgenommen. Eine konkrete zeitliche Eingrenzung auf einen kurzen Zeitraum, die eine direkte Zuordnung zum Unfall erlauben würde, ist danach gerade nicht möglich gewesen. Für den Senat folgt daraus, dass der radiologische Befund nicht gegen eine Verursachung spricht, sich eine Wahrscheinlichkeit der Verursachung hieraus allein aber nicht ableiten lässt.

 

dd. Der Unfallhergang vermag ebenfalls eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Verursachung nicht zu begründen. Dass ein Unfallhergang vorgelegen hat, der geeignet gewesen ist, eine Deckenplattenkompressionsfraktur des LWK 1 hervorzurufen, steht für den Senat nicht mit dem erforderlichen Maß der Überzeugungsbildung fest. Der tatsächliche Hergang und damit die auf die Wirbelsäule des Klägers wirkenden Kräfte sind nicht mehr rekonstruierbar.

 

Der Senat schließt sich im Wesentlichen seinen schon im Urteil vom 18. Juni 2015 in dem Verfahren L 3 U 150/13 angestellten Erwägungen an. In diesem Verfahren hat Dr. S ebenso wie Dr. W im Verwaltungsverfahren, dessen Gutachten der Senat im Wege des Urkundenbeweises würdigt, unter Zugrundelegung der unfallmedizinischen Standardliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, jetzt:  9. Aufl. 2017, Kap. 8.3, S. 453 f.) ausgeführt, dass der vom Kläger bei den Begutachtungen geschilderte Unfallmechanismus nicht geeignet war, die Fraktur eines Wirbelkörpers zu verursachen.

 

Dabei geht der Senat weiterhin nach allen möglichen Varianten des Unfallgeschehens sicher davon aus, dass der Kranausleger den Kläger auf der linken Körperseite erfasst hat. Hierbei hat sich der Kläger Prellungen am linken Oberarm, am linken Oberschenkel mit Schürfung, eine Schürfung unter dem linken Knie und eine Innenknöchelfraktur links zugezogen.

 

Dass ein für die Verursachung einer Kompressionsfraktur des LWK 1 geeigneter Unfallhergang vorgelegen hat, folgt weder aus den zeitnah zum Unfall erfolgten Schilderungen des Klägers und den dokumentierten Verletzungen noch dem vom Kläger eingeholten medizinisch-traumabiomechanischen Gutachten des Dr. Hvom 06. Juli 2016, das der Senat als Beteiligtenvortrag in seine Erwägungen einfließen lässt.

 

Die gerichtlich beauftragten Sachverständigen sowie die im Verwaltungsverfahren beteiligten Gutachter und Dr. H sind im Wesentlichen darüber einig – und dies legt der Senat seiner Entscheidung daher auch zu Grunde -, dass es für die Verursachung der Deckenplattenkompression des LWK 1 einer axialen Stauchung der Wirbelsäule (Dr. W, Gutachten im Verwaltungsverfahren vom 29. Februar 2012) und für eine Keilkompressionsfraktur ggf. zusätzlich eines Biegemechanismusses bedarf. Prof. Dr. M hat ausgeführt, dass als Unfallmechanismus eine Stauchung mit Inklination im thorakolumbalen Übergang zu postulieren sei. Als typische Verletzungsmechanismen würden daher Biegungsmechanismen in Form der Hyperflexion (wie bei einem taschenmesserartigem Zusammenklappen), Stürze aus größerer Höhe auf das Gesäß, das Auftreffen schwerer Kräfte auf den Nacken oder die Brustwirbelsäule, das Herausschleudern aus oder das Überschlagen von Fahrzeugen, Verschüttungen im Bergbau oder das ruckartige Anheben eines schweren Gegenstandes unter großer Kraftanstrengung genannt (Dr. S, Gutachten vom 23. Mai 2014 im Verfahren L 3 U 150/13; vgl. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, Kap. 8.3, S. 453 f.). Ebenso führt Dr. H aus, dass eine Kompressionsfraktur der BWS/LWS auf eine axial einwirkende Kraft zurückzuführen sei. Treffe diese Kraft leicht exzentrisch in der y-Achse auf das Bewegungssegment oder finde eine zusätzliche Bewegung um die x-Achse (Taschenmessereffekt) statt, sei mit einer Keilkompressionsfraktur zu rechnen.

 

Davon, dass ein solcher biomechanischer Vorgang bei dem Unfall stattgefunden hat, ist der Senat nach Würdigung der ihm vorliegenden Unterlagen, der Schilderungen des Klägers, der medizinischen Sachverständigengutachten und des Gutachtens des Dr. H nicht im Sinne des erforderlichen Vollbeweises überzeugt (vgl. § 128 Abs. 1 SGG), ein entsprechender Vorgang ist nicht einmal wahrscheinlich.

 

Die zeitnah zum Unfall verfassten Schilderungen des Klägers zum Unfallhergang lassen den Schluss auf ein solches Geschehen nicht zu. Der Kläger hatte gegenüber der Polizei am 21. September 1973 angegeben: „Bei Demontage eines Auslegers von einem Autokran, federte dieser nach und schlug gegen meinen linken Fuß." In der Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 12. Juli 1973 war zum Hergang des Unfalls vermerkt: Nachfedern des Auslegers. In dem Ersten Rentengutachten des Dr. Dr. H vom 15. November 1973 wurden die Angaben des Klägers wie folgt festgehalten: „Der Ausleger eines Autokrans stürzte herab. Er stürzte auf das linke Bein des Versicherten“. Auch gegenüber der Beklagten hatte der Kläger am 27. Oktober 2011 noch beschrieben, dass der Kran auf ihn gefallen sei und seine linke Körperhälfte getroffen habe. Dass es zu einem Anprall auf die Schulter und/oder zu einem Zusammenklappen wie bei einem Taschenmesser gekommen sei, hat der Kläger dagegen erstmalig in seiner Stellungnahme zum Gutachten Dr. W vom 26. März 2012 geschildert. Diese Schilderung erfolgte demnach erst, nachdem Dr. W das Erfordernis einer axialen Stauchung beschrieben, nach den bisherigen Schilderungen des Unfallgeschehens aber verneint hatte. Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Kläger nach Lektüre des Gutachtens und Auseinandersetzung mit den biomechanischen Voraussetzungen eines Kompressionsbruches seinen Vortrag ca. 39 Jahre nach dem Unfall an das für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs Erforderliche angepasst hat. Ein Hinweis hierauf könnte sein, dass in der Stellungnahme vom 26. März 2012 vom Kläger erstmals bei der Unfallbeschreibung das in der Fachliteratur im Zusammenhang mit Kompressionsfrakturen häufige verwendete Bild eines zusammenklappenden Taschenmessers benutzt wurde.

 

Das Vorliegen eines für die Verursachung der Verletzung geeigneten Unfallhergangs folgt für den Senat auch nicht aus dem Gutachten des Dr. H. Aus diesem ergibt sich nicht, dass auf Grund (der übrigen) zeitnah zum Unfall dokumentierten Verletzungen sowie der Bauart des Krans ein Hergang anzunehmen ist, der die Verletzungen verursacht hat. Vielmehr spricht das nach dem Unfall bei dem Kläger dokumentierte Verletzungsbild eher dafür, dass der Unfall sich nicht so ereignet hat, wie es den Berechnungen des Dr. H zu Grunde liegt. Dabei erscheinen dem Senat die Berechnungen des Dr. H schlüssig und überzeugend. Er legt biomechanisch und unter Auswertung der wissenschaftlichen Literatur für den Senat nachvollziehbar dar, dass bei Annahme des von ihm simulierten Unfallhergangs Kräfte auf die Wirbelsäule des Klägers gewirkt haben, die von ihrer Richtung und ihrem Ausmaß her jedenfalls geeignet waren, die keilförmige Kompressionsfraktur herbeizuführen. Der Senat war jedoch nicht gehalten, diese Berechnungen seinem Urteil zu Grunde zu legen, zum Anlass für weitere Ermittlungen in biomechanischer Hinsicht zu nehmen oder Dr. H selbst als Sachverständigen im gerichtlichen Verfahren zu hören. Der Senat ist nämlich nicht davon überzeugt, dass der Unfall wie von Dr. H angenommen abgelaufen ist. Dieser selbst hält den Unfallhergang nicht für den einzig möglichen, gibt vielmehr an, dass eine gewisse Bandbreite denkbar sei. Auf dieser Grundlage kann der Senat sich nicht die Überzeugung bilden, dass der tatsächliche Hergang mit dem von Dr. H angenommenen übereinstimmt.

 

Das Gutachten überzeugt den Senat aber auch nicht insoweit, als es einen geeigneten Hergang als möglich oder wahrscheinlich darstellt, und gibt damit keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen etwa durch Einholung eines biomechanischen Sachverständigengutachtens. Dr. H hat seinem Gutachten zu Grunde gelegt, dass als Verletzungszeichen nach dem Unfall eine Prellung der linken Körperhälfte, Prellmarken an der Schulter links, am Oberschenkel links innen sowie ein Bluterguss auf der linken Seite vom Rücken bis oben vorgelegen hätten (siehe Seite 19 des Gutachtens). Diese Grundannahme ist aber bereits unzutreffend, denn eine Prellmarke an der Schulter und ein Bluterguss auf der linken Seite vom Rücken bis oben wurden durch die den Kläger behandelnden Ärzte nicht festgestellt bzw. nicht dokumentiert. Dem Befundbericht des Dr. R vom 19. Juli 1973 sind das Vorliegen einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung des linken oberen Sprunggelenks mit ausgedehntem Hämatom, eine Schürfung und ein Hämatom am linken Oberschenkel Streckseite, eine Schürfung unter dem linken Knie sowie ein Hämatom am linken Oberarm zu entnehmen. Dr. Dr. H führte im Nachschaubericht vom 02. August 1973 aus, dass der Kläger sich bei dem Unfall am 11. Juli 1973 neben einem Bluterguss am linken Oberarm, einer Schürfwunde und einer Prellung am linken Oberschenkel sowie am linken Knie, einen Bruch des linken Innenknöchels zugezogen habe. Es sei neben dem Bruch noch ein handflächengroßer Bluterguss an der Streckseite des linken Oberschenkels nachweisbar. Es bestünden eine derbe Induration des Fettgewebes und eine strichförmige Prellmarke. Prellungen oder andere Verletzungen an der Schulter, am Rücken oder etwa am Gesäß des Klägers finden in diesen Unterlagen und auch in weiteren Nachschauberichten keine Erwähnung. Der Senat hat keinen Anlass anzunehmen, dass die äußeren Verletzungszeichen insbesondere durch Dr. R nur unvollständig dokumentiert worden sind. Der Kläger ist nämlich nicht nur einmalig nach dem Unfall untersucht worden, sondern befand sich mehrere Tage in stationärer Behandlung. Es ist davon auszugehen, dass während dieses Aufenthaltes selbst etwaige bei einer Erstuntersuchung zunächst übersehene Hämatome o. ä. nachträglich aufgefallen wären und daher alle sichtbaren Symptome aufgenommen worden sind.

 

In der den Berechnungen zu Grunde liegenden Simulation des Dr. H wird ein Anprall des Kranauslegers auf der Schulter des Klägers, der sich in gebeugter Haltung teilweise unter dem Ausleger befand, dargestellt. Nach den Simulationszeichnungen fiel der Kläger dann auf seine rechte Seite und der Kranausleger auf seinen linken äußeren Oberschenkel. Dr. H beschreibt den Zeichnungen entsprechend, dass der Ausleger auf den Oberkörper des Klägers zwischen die linke Schulter und den Hals fiel. Im weiteren Verlauf habe der Auslegerfuß den linken Oberarm, den linken Oberschenkel und schließlich den linken Knöchel getroffen. Ein solcher Hergang ist mit dem nach dem Unfall dokumentierten Verletzungsbild aber nicht vereinbar. Die von Dr. H angenommene Prellung an der linken Schulter ist – wie bereits dargelegt - in den nach den zeitnah zum Unfall erstellten medizinischen Unterlagen nicht dokumentiert. Dort ist allein eine Prellung am linken Oberarm festgestellt worden. Dieser Unterschied ist wesentlich, da ein Anprall am Oberarm bei einer nach vorn gebeugt stehenden Person schon bei einfachster biomechanischer Betrachtung, die der Senat selbst ohne sachverständige Hilfe vornehmen kann, nicht geeignet ist, eine wesentliche axiale Stauchung an der Wirbelsäule herbeizuführen. Dr. H errechnet auf Grund des Anpralls auf der Schulter eine axiale Krafteinwirkung auf die Wirbelsäule im Bereich von 3.500 bis 9.500 N. Dies entspricht in etwa der Gewichtskraft, die eine Masse von 350 bis 950 kg ausübt. Es war daher erforderlich, dass mindestens ein Kranteil mit dieser Masse auf die Schulter des Klägers gefallen ist. Für den Senat ist es schlechterdings nicht vorstellbar, dass ein entsprechender Anprall nicht mit Verletzungen am Anprallpunkt einhergeht. Soweit Dr. S meint, im Sinne eines Abrutschens sei es denkbar, dass eine Prellmarke an der Schulter nicht verursacht worden sein könnte, ist dem entgegenzuhalten, dass nach den Ausführungen der Sachverständigen und in der Fachliteratur für den Kompressionsbruch die Krafteinleitung in Richtung der Wirbelsäule erforderlich ist. Diese könnte nicht erfolgen, wenn – im Sinne eines sofortigen Abrutschens – keine Kraft auf die Schulter selbst einwirkt. Auch der weitere simulierte Unfallablauf lässt sich mit den Verletzungen an der Innenseite des linken Oberschenkels sowie den ebenfalls nur an der Innenseite des linken Fußgelenks dokumentierten Verletzungen nicht in Übereinstimmung bringen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. W weisen die initialen Verletzungszeichen auf einen Anprall am linken Sprunggelenk, linken Oberarm und linken Oberschenkel hin. Auch Dr. Dr. H bezeichnete die Oberschenkelverletzung als Prellmarke. Der Kläger hat nach der Simulation in der Endposition auf seiner rechten Seite gelegen. Das linke Bein zeigte demnach mit seiner Außenseite zu dem auf dem Kläger liegenden Auslegerfuß. Eine durch den Anprall des Auslegers verursachte Verletzung auf der Innenseite des linken Beins ist daher ohne eine Verletzung auch an der Außenseite des linken Beins nicht denkbar. Der Simulationsverlauf zwischen dem ersten Auftreffen auf der Schulter und der Endposition zeigt ebenfalls keine Stellung, in der es zu einer Verletzung der Innenseite des linken Beins oder Sprunggelenks gekommen sein könnte.

 

Ebenso stehen die früheren Unfallschilderungen des Klägers nicht in Einklang mit dem simulierten Hergang. In der ursprünglichen Schilderung des Klägers im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung am 21. September 1973 ist schon nicht von einem Herabfallen, sondern nur von einem „Nachfedern“ des Auslegers die Rede, der das linke Bein getroffen habe. Damit übereinstimmend berichtete der Arbeitgeber von einem Nachfedern. Aber selbst wenn man von einer damaligen sehr verkürzten und ungenauen Schilderung ausginge und die Aussagen des Klägers nach Stellung des Antrags auf Feststellung einer Wirbelsäulenverletzung als weitere Unfallfolge zu Grunde legte, stimmte die Schilderung nicht mit der Simulation überein. Der Kläger hatte gegenüber der Beklagten am 26. März 2012 angegeben, er habe sich „halb sitzend/liegend nach vorn gebeugt unter dem Auslegerfuß auf der linken Körperhälfte unter dem Ausleger vom Autokran befunden. Die jetzt noch deutlichen vorhandenen Markierungen an der Innenseite vom linken Oberschenkel beweisen das.“ Der Senat misst dieser Schilderung einen höheren Beweiswert zu als der Unfallschilderung des Klägers, die Dr. H in sein Gutachten aufgenommen hat, wonach ein Liegen auf der rechten Körperhälfte beschrieben wurde. Die Äußerungen des Klägers vom 26. März 2012 wurden von ihm schriftlich und gerade in Auseinandersetzung mit der Schilderung des Hergangs in dem Gutachten des Dr. W gefertigt. Der Kläger dürfte sich daher der Relevanz seiner Äußerung für die Frage der Kausalität mehr als bewusst gewesen sein und sie nach entsprechender Überlegung abgegeben haben. Er hat diese Angaben zudem im Rahmen der Begründung der Klage S 163 U 281/12 wiederholt.

 

Der Nachweis eines für die Verursachung einer LWK 1-Deckenplattenkompression geeigneten Unfallhergangs oder ein Anlass zu weiteren Ermittlungen insoweit ergeben sich auch nicht auf Grund der im erstinstanzlichen Verfahren vom Kläger eingereichten Stellungnahme des Dr. H und Dr. B vom 21. Juni 2019. Soweit darin ausgeführt wird, dass bei einem Anprall im Schulterbereich auf Grund der Drehbewegung unter dem Auslieger nicht zwingend von einer Prellmarke auszugehen sei, erfolgt dies ohne Begründung dazu, wie eine durch einen Schulteranprall verursachte Stauchung der LWS im errechneten Ausmaß ohne eine Verletzung (nicht einmal in Form eines Hämatoms) einhergehen können soll. Soweit Dr. H weiter darauf verweist, dass er bereits im Gutachten erläutert habe, dass sich je nach Ausgangsposition des Klägers eine gewisse Bandbreite ergebe und somit auch ein etwas anderer als der in der Simulation dargestellte Ablauf denkbar sei sowie das Fehlen einer Prellmarke auf der linken Schulter noch nichts darüber aussage, dass eine Deckenplattenkompressionsfraktur am LWK 1 nicht dennoch plausibel sei, weil die für die Verletzung erforderliche indirekt auftretende Überbelastung der Wirbelsäule am Wirbelsäulenknick BWK 12 /LWK 1 sowohl durch axiale Kräfte von oben als auch von unten denkbar sei, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Die Ausführungen des Dr. H zu einem alternativen Unfallhergang, bei dem die axiale Stauchung der LWS nicht durch eine Krafteinwirkung von oben, sondern von unten durch einen Sturz und damit auch ohne Prellmarke an der Schulter herbeigeführt worden sein könnte, zeigt bereits eine gewisse Beliebigkeit der simulierten Darstellung auf. Umstände, die für eine Verursachung durch einen Sturz sprechen könnten, der im Übrigen nicht den Schilderungen des Klägers gegenüber Dr. H entspricht, werden nicht genannt. Weshalb bei einer Stauchung durch einen Sturz in gebeugter Position für die Verursachung eines Kompressionsbruchs ausreichende Kräfte gewirkt haben sollen, wird von Dr. H nicht ansatzweise erläutert. In der gutachterlichen Literatur wie auch von Dr. H und weiteren im Rahmen des Verwaltungs- und der gerichtlichen Verfahren gehörten Sachverständigen wird zwar ein Sturz auf das Gesäß als geeigneter Vorgang angenommen, aber nur aus größerer Höhe. Von einer größeren Höhe dürfte aber nicht auszugehen sein, denn der Kläger befand sich in gebeugter Position unter dem Ausleger, dessen Unterkante sich ca. 1,20 m (Angabe des Klägers gegenüber Dr. H) oder 1,50 m (Angabe des Klägers im Schreiben vom 26. März 2012) über der Straße befand. Auch fehlt es an gesicherten Verletzungszeichen, die auf einen Hergang mit einer axialen Stauchung auf Grund eines starken Aufpralls in gebeugter Haltung auf das Gesäß schließen lassen könnten. Soweit der Kläger – soweit ersichtlich erstmals - bei der Begutachtung durch Dr. W am 29. Februar 2012 vorgetragen hat, er hätte am Gesäß ein Hämatom gehabt, seiner Ehefrau sei aufgefallen, dass er einen „blauen Hintern“ gehabt habe, ist das Gericht vom Vorliegen entsprechender Verletzungszeichen nicht überzeugt. Ein Hämatom am Gesäß des Klägers ist durch die beigezogenen medizinischen Unterlagen unfallnah genauso wenig dokumentiert wie entsprechende Beschwerden des Klägers im Bereich des Gesäßes. Der erstmals im Jahr 2012 und damit fast 39 Jahre nach dem Unfall erfolgte Vortrag überzeugt den Senat mangels ärztlicher Dokumentation nicht. Angesichts aller anderen dokumentierten Hämatome am Körper des Klägers, wird diese Darstellung des Klägers nicht durch zeitnahe ärztliche Feststellungen untermauert und ist somit nicht belastbar. Neben den Verletzungen am Knöchel wurden Hämatome (lediglich) am linken Oberarm, linken Oberschenkel und unter dem linken Knie dokumentiert. Letztlich wird durch die Ausführungen des Dr. H in der ergänzenden Stellungnahme bestätigt, dass ein Unfallhergang in mehreren Variationen lediglich möglich ist. Klare Verletzungszeichen, aus denen sich zweifelsfrei ergibt, dass ein für einen Kompressionsbruch des LWK 1 geeigneter Unfallhergang vorgelegen hat, liegen nach alledem gerade nicht vor. Das Vorliegen eines geeigneten Unfallhergangs ist nach den Verletzungszeichen nicht einmal  wahrscheinlicher als ein anderer Hergang.

 

Allein die Möglichkeit, dass es bei einer von vielen denkbaren alternativen Abläufen des Unfalls zu einer Verletzung der LWK 1 gekommen sein könnte, genügt angesichts des Zeitablaufs von über zwei Jahren zwischen dem Unfall und der diagnostischen Sicherung des Wirbelkörperbruchs ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht, um eine Wahrscheinlichkeit der Kausalität zu begründen. Das Gericht folgt hierzu nicht den Ausführungen des Dr. S in seinem Gutachten vom 13. Dezember 2021 nebst ergänzender Stellungnahme vom 14. Januar 2022 und des Dr. B in seiner Stellungnahme vom 27. November 2016. Die beiden Sachverständigen schließen unter Zugrundelegung der Berechnungen des Dr. H aus dem Umstand, dass ein geeigneter Unfallhergang vorgelegen haben soll, und daraus, dass der Kläger einen anderen Unfall, der die zwei Jahre später festgestellte Verletzung hätte verursachen können, nicht angegeben habe, darauf, dass die Verletzung durch den Unfall verursacht worden sei. Unabhängig davon, dass nach der dargelegten Auffassung des Senats durch das Gutachten des Dr. H ein geeigneter Unfallhergang allenfalls nicht ausgeschlossen, aber nicht nachgewiesen werden kann, ist der gezogene Schluss nicht zulässig. Allein, dass nach Ablauf von nunmehr über 40 Jahren eine Alternativursache nicht (mehr) gefunden werden kann bzw. nicht bekannt geworden ist, lässt insbesondere angesichts fehlender Befunde für die Zeit vor dem Unfall und des Ablaufs von über zwei Jahren zwischen Unfall und Sicherung der Verletzung nicht den Schluss zu, dass die Verursachung durch den Unfall erfolgt sein muss (vgl. BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, Rn. 20, juris). Ebenso vermag der im Verfahren L 3 U 150/13 nach § 109 SGG gehörte Sachverständige Dr. W, der seine Stellungnahme ohne die Kenntnis des von Dr. H gefertigten Gutachtens erstellt hat, mit seinen Erwägungen zur Zusammenhangsfrage nicht zu überzeugen. Er lässt eine wissenschaftliche Erörterung zur Biomechanik des Unfallhergangs gänzlich vermissen. Soweit er einen Kausalzusammenhang dadurch gegeben sieht, dass der Nachweis einer Vorschädigung der LWS vor dem Unfall und das Hinzutreten eines weiteren Unfalls im Zeitraum zwischen dem 11. Juli 1973 und Oktober 1975 fehlen, genügt dies – wie bereits dargelegt - gerade nicht.

 

ee. Weitere Umstände, die für die Verursachung der in dem Röntgenbefund von Oktober 1975 gesicherten Schädigung durch den Unfall am 11. Juli 1973 sprechen könnten, sind nicht erkennbar. Insbesondere sind Rückenbeschwerden im Bereich des LWK 1, die nach den jetzigen Angaben des Klägers im Zeitpunkt des Unfalls begonnen haben sollen, als sogenannte Brückenbefunde nicht zeitnah zum Unfall dokumentiert. Solche Beschwerden wurden vom Kläger auch im späteren Verlauf nicht geschildert. Das Fehlen einer solchen Symptomatik mag das Vorliegen eines Kompressionsbruches nicht ausschließen. Erforderlich für die Bejahung der Kausalität ist aber eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, für die es nachgewiesener positiver Abwägungsgesichtspunkte bedarf. Zwar geht ein Kompressionsbruch des Lendenwirbelkörpers häufig mit Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule einher, deren Intensität wechselhaft sein und häufig nur uncharakteristische und nur relativ leichte Beschwerden verursachen kann (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, Kap. 8.3, S. 452). Der Kläger hat jedoch, dies geht aus den vorliegenden Behandlungsunterlagen der Jahre 1973 bis 1975 hervor, sowohl während des stationären Aufenthaltes und der primären Nachbehandlung keinerlei Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule angegeben. Soweit der Kläger nunmehr darstellt, schon zwei bis drei Monate nach dem Unfall Beschwerden im LWS-Bereich gehabt und sich deshalb in ärztliche Behandlung begeben zu haben, so dass 1975 eine entsprechende Röntgenaufnahme gefertigt worden sei, wird dies nicht durch ärztliche Unterlagen bestätigt. Der zwischen dem Unfall 1973 und der Röntgenaufnahme im Oktober 1975 liegende mögliche Beschwerdezeitraum von über zwei Jahren bleibt unklar und wird nicht durch medizinische Unterlagen, die über eine Wirbelsäulensymptomatik Aufschluss geben, belegt. In den vorliegenden Rentengutachten wird zwar mehrfach von einer Beschwerdesymptomatik im Bereich der Lendenwirbelsäule berichtet, dies aber – nach Angaben des Klägers – erst seit 1985 (Untersuchung durch Dr. K für sein Gutachten vom 24. Mai 2000) bzw. 1975 (Untersuchung im Jahr 1997 durch Prof. Dr. N). Schließlich waren die bei der Untersuchung durch die Sachverständigen Dr. S und Dr. W durch den Kläger auch für die früheren Zeiträume angegebenen und demonstrierten Beschwerden im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule zu lokalisieren, nicht jedoch am thorakolumbalen Übergang an der oberen Lendenwirbelsäule im Bereich der in Rede stehenden Fraktur.

 

ff. Nach alledem hält der Senat eine Verursachung des Kompressionsbruchs des LWK 1 durch den Unfall vom 11. Juli 1973 nicht für wahrscheinlich und einen Anspruch des Klägers auf Feststellung der Verletzung als Unfallfolge nicht für gegeben.

 

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

 

IV. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine Revisionszulassungsgründe gemäß  § 160 Abs. 2 SGG vorliegen.

 

Insbesondere kommt der Rechtsfrage, ob eine Abänderung eines nicht begünstigenden feststellenden Verwaltungsaktes zu Gunsten des Versicherteten im Rahmen des Verfahrens nach § 44 SGB X noch möglich ist, wenn bereits eine unmittelbar auf Feststellung des Rechtsverhältnisses gerichtete Klage als unbegründet abgewiesen worden ist, keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (st. Rspr. BSG, vgl. Beschluss vom 07. September 2022 – B 6 KA 37/21 B –, Rn. 10, juris m. w. N.). Zwar mag diese Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung haben. Sie ist aber im Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Eine Rechtssache kann nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn die klärungsbedürftige Rechtssache für den zu entscheidenden Rechtsstreit erheblich ist (Voelzke in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., Stand: 18. Juli 2023, § 160 SGG, Rn. 107; Fichte in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. § 160, Rn. 34). Weil die Funktion des Revisionsverfahrens nicht darin besteht, Rechtsfragen abstrakt zu beantworten, muss es auf die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage in dem konkreten Rechtsfall ankommen (vgl. BSG, Beschluss vom 09. Januar 2008 – B 12 KR 24/07 B –, Rn. 5, juris). Für den vorliegenden Rechtsstreit ist die Frage nach einer der Abänderung im Rahmen des Verfahrens nach § 44 SGB X entgegenstehenden Rechtskraft eines Feststellungsurteils aber nicht entscheidungserheblich, weil die Berufung auch aus anderen Gründen zurückzuweisen war.      

Rechtskraft
Aus
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