Wird ein Betriebsweg unterbrochen, um an einer direkt an den Weg angrenzenden Tankstelle den nahezu leeren Tank des dienstlich genutzten Fahrzeugs aufzufüllen, entfällt im Unterschied zu Tankstopps auf Wegen zu und von der versicherten Tätigkeit der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nicht.
1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 11.01.2023 sowie der Bescheid der Beklagten vom 26.01.2022 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 22.07.2022 aufgehoben und festgestellt, dass das Ereignis vom 20.10.2015 ein Arbeitsunfall war.
2. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.
Der 1981 geborene Kläger erlitt am 20.10.2015 mit seinem privaten Pkw einen Verkehrsunfall, als er mit diesem gegen 15.30 Uhr auf dem rechten Fahrbahnstreifen der T Straße in K auf Höhe der Nummer 81 zum Stehen kam, um auf ein anliegendes Tankstellengelände zu fahren und dort zu tanken. Er ließ eine Passantin mit Kinderwagen passieren, die den Einfahrtsbereich der Tankstelle auf dem Bürgersteig querte. Der Blinker war dabei nach rechts gesetzt, die Räder waren noch nicht eingeschlagen. Zu diesem Zeitpunkt fuhr ein von hinten kommendes Fahrzeug auf den Pkw des Klägers auf. Der Kläger erlitt eine Halswirbeldistorsion, eine Gehirnerschütterung und eine Knieprellung links. In der Folgezeit zeigte sich ein traumatischer Knorpelschaden am verletzten Knie. Die Beklagte übernahm die Kosten für Behandlungen (Krankengymnastik) und Medikamente bis in das Jahr 2018.
Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt bei einem Bestattungsunternehmen als Bestattungsfachkraft beschäftigt. Das Unternehmen hat mehrere Filialen, darunter eine Filiale „Bestattungen H -P Mü “ in der W straße 46 in K sowie die Filiale „Bestattungen Ge “ in der B straße 130a in K . Die Entfernung zwischen den beiden Filialen beträgt laut Googlemaps Routenplaner 2,8 Kilometer.
Der Kläger befand sich auf dem Rückweg von einem etwa einstündigen Bestattungsvorsorgegespräch in der K -R -Straße zurück in die Filiale des Unternehmens in der W straße 46 in K -M (Entfernung vom Unfallort zur Tankstelle laut Routenplaner Googlemaps etwa 1,6 Kilometer). Der direkte Weg von der K -R -Straße zur W straße 46 führt am Unfallort vorbei. In einem Fragebogen der Versicherung vom 26.10.2015 gab der Kläger an, der Unfall habe sich auf dem Weg zur Arbeit ereignet. Zu dieser Zeit wohnte der Kläger unter der Anschrift W straße 46, K -M , im Vorderhaus, während das Bestattungsinstitut sich im Hinterhaus befindet. Der Kläger nahm im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit Außentermine (Trauergespräche, Vorsorgegespräche, Trauerfeiern) im Raum K und B wahr sowie in den Krematorien K und D . Zu diesen fuhr er jeweils mit seinem privaten Pkw, was mit dem Arbeitgeber abgesprochen war. Der Kläger erhielt von diesem Tankgutscheine.
Im Bericht des Durchgangsarztes (D-Arzt) Priv.-Doz. Dr. Ge vom 21.10.2015 wird als Angabe des Klägers wiedergegeben, er sei von der Mittagspause zur Arbeit mit dem Auto als Fahrer gefahren. Der Arbeitgeber gab in der Unfallzeige vom 31.10.2015 gegenüber der Beklagten an, der Unfall habe sich „zwischen den Arbeitsstätten“ ereignet. Die Arbeitszeit beginne um 8 Uhr und ende um 17 Uhr. In einem Telefongespräch mit der Beklagten gab der Arbeitgeber an, der Kläger habe am 01.12.2015 seine Tätigkeit wiederaufgenommen. Der Kläger habe an dem selben Ort seine Wohnung an dem auch die Betriebsstätte gelegen sei. Zur Mittagspause gehe der Kläger immer nach Hause. Eine Befragung des Klägers durch die Beklagte erfolgte nicht.
Nachdem sich der Kläger am 24.07.2020 wegen fortbestehender Beschwerden im Knie erneut bei dem D-Arzt Prof. Dr. At vorstellte, teilte die Beklagte diesem mit, dass keine Behandlung zu ihren Lasten erfolgen solle, da kein Arbeitsunfall vorliege.
Der Kläger begehrte daraufhin telefonisch einen rechtsmittelfähigen Bescheid und gab dabei an, er habe seinen Privat-Pkw immer dienstlich genutzt und sei auf dem Weg von einem dienstlichen Termin auf dem Weg ins Büro gewesen. Die Beklagte befragte den Kläger schriftlich zu dem Unfall. Dieser gab diesbezüglich an, er sei von irgendeinem Termin gekommen und habe wegen eines Teammeetings zurück ins Büro gemusst. Der Arbeitgeber teilte mit, er könne keine weiteren Angaben machen, das Arbeitsverhältnis bestehe nicht mehr. Die Mitarbeiter planten alle selbständig ihren Arbeitstag. Ob ein Teammeeting am Unfalltag angestanden habe, sei nicht mehr erinnerlich.
Mit Bescheid vom 26.01.2022 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 20.10.2015 als Arbeitsunfall ab. Beim Tanken handele es sich um eine rein privatwirtschaftliche Verrichtung, die als solche nicht mehr unter dem Schutz der Wegeunfallversicherung stehe. Bereits mit dem Einleiten des Abbiegevorgangs habe er den direkten Weg und das Ziel des Wegs aus eigenwirtschaftlichen Gründen unterbrochen. Das Tanken habe auch nicht in einem sachlichen Zusammenhang mit der Beschäftigung oder in einem inneren Zusammenhang mit dem Zurücklegen des versicherten unmittelbaren Weges von dem Ort der Tätigkeit gestanden. Das Auftanken sei auch keine Instandhaltung von Arbeitsgerät gewesen und eine geringfügige Unterbrechung des versicherten Weges habe auch nicht vorgelegen. Somit habe der Kläger – unabhängig ob er von einem Kunden oder von der Mittagspause gekommen sei – keine versicherte Tätigkeit ausgeübt.
Den hiergegen erhobenen, aber nicht weiter begründeten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2022 zurück. Das Tanken sei eine Vorbereitungshandlung einer weiteren, nur ausnahmsweise kraft gesetzlicher Anordnung unter Versicherungsschutz stehenden Vorbereitungshandlung, nämlich des Zurücklegens des Weges zur bzw. von der versicherten Tätigkeit. Ein besonders enger zeitlicher, sachlicher und örtlicher Bezug zur versicherten Tätigkeit liege bei normalem verbrauchsbedingtem Auftanken nicht vor.
Am 02.08.2022 hat der Kläger bei dem Sozialgericht Koblenz (im Folgenden: SG) Klage erhoben. Zur Begründung der Klage hat er ausgeführt, er sei von einem beruflichen Termin auf dem Weg ins Büro gewesen. Diesen Außentermin habe er wie alle anderen zuvor und wie mit seinem Arbeitgeber vereinbart mit dem eigenen Pkw wahrgenommen. Das Pkw habe keine ausreichende Menge an Kraftstoff mehr gehabt, denn er habe nicht nur zum Büro des Arbeitgebers zurückkehren müssen, sondern der Arbeitgeber habe auch für 18 Uhr eine Personalversammlung bei der Filiale Bestattungen G UG K M /G angesetzt, zu der er kommen sollte. Da die Beklagte den Unfall sechs Jahre als Arbeitsunfall behandelt habe, bestehe zudem Vertrauensschutz. Er sei sich recht sicher am Unfalltag nur innerhalb von Koblenz unterwegs gewesen zu sein.
Durch Urteil vom 11.01.2023 hat das SG die Klage abgewiesen, denn der Kläger habe keinen Arbeitsunfall erlitten. Ein Arbeitsunfall setze voraus, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sei (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem Unfallereignis geführt (Unfallkausalität) und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht habe (haftungsbegründende Kausalität). Der innere Zusammenhang sei wertend zu ermitteln, dahingehend, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liege, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reiche. In der Regel sei erforderlich, dass Versicherte im Unfallzeitpunkt einen betriebsdienlichen Zweck verfolge oder zumindest eine Tätigkeit ausübe, die den Zwecken des Unternehmens zu dienen bestimmt sei. Verrichtungen des täglichen Lebens, die gleichzeitig sowohl den eigenwirtschaftlichen Interessen des Versicherten als auch den betrieblichen Interessen des Arbeitgebers dienen könnten, seien grundsätzlich dem persönlichen Lebensbereich des Versicherten und nicht der versicherten Tätigkeit zuzurechnen und stünden, solange das Gesetz nicht wegen besonderer Erfordernisse des sozialen Schutzes dies besonders anordne, nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Das verbrauchsbedingte Auftanken eines Pkw als eine jeden Fahrer treffende Maßnahme zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Betriebsfähigkeit seines Pkw stehe nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, auch dann nicht, wenn ohne ein Auftanken der konkrete Weg nicht zu Ende geführt werden könne. Denn das Tanken sei letztlich nur eine Vorbereitungshandlung. Solche seien Maßnahmen, die einer versicherten Tätigkeit vorangingen und ihre Durchführung erleichterten oder überhaupt erst ermöglichten. Der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung für vorbereitende Tätigkeiten sei aber grundsätzlich auf diejenigen Verrichtungen beschränkt, die das Gesetz selbst ausdrücklich nenne. Sonstige typische Vorbereitungshandlungen seien grundsätzlich nicht versicherte eigenwirtschaftliche Tätigkeiten. Ausnahmen gälten nur, wenn ein besonderer enger sachlicher, örtlicher und zeitlicher Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit gegeben sei, der die Vorbereitungshandlung nach den Gesamtumständen selbst bereits als Bestandteil der versicherten Tätigkeit erscheinen lasse. Ein Tankvorgang sei dabei örtlich und zeitlich nicht festgelegt, unterliege jeweils der privaten Entscheidung der Versicherten und sei daher grundsätzlich unversichert. Das Gericht gehe zugunsten des Klägers davon aus, dass er sich zum Unfallzeitpunkt wie von ihm geltend gemacht auf dem Weg von einem beruflichen Termin zur Betriebsstätte befunden habe. Der Kläger habe seine berufliche Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt durch das Abbiegen zur Tankstelle mehr als nur geringfügig unterbrochen. Diese Unterbrechung habe in den Moment begonnen, in dem der Kläger nach außen hin sichtbar seine subjektive Handlungstendenz, tanken zu wollen, in ein für Dritte beobachtbares „objektives“ Handeln umgesetzt habe, indem er vor dem Einbiegen zur Tankstelle den Blinker nach rechts betätigt und abgebremst habe. Die Fahrt des Klägers zum Unfallzeitpunkt sei bereits durch das Ziel, das Fahrzeug zu betanken, geprägt und damit eigenwirtschaftlich. Das Tanken sei dabei eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit des Klägers gewesen und keine Tätigkeit, die dem Unternehmen unmittelbar gedient habe. Es habe sich um eine Tätigkeit gehandelt, die das Ausüben der beruflichen Tätigkeit des Klägers überhaupt erst weiter ermöglicht habe. Es habe dem Kläger oblegen, sein Fahrzeug in einem gebrauchsbereiten Zustand zu halten, um seiner beruflichen Tätigkeit mit der Wahrnehmung von Außenterminen überhaupt nachgehen zu können, da nach Angaben des Klägers mit dem Arbeitgeber vereinbart gewesen sei, dass der Kläger solche Termine mit dem privaten Pkw wahrnehme. Zu dem gebrauchsbereiten Zustand des Fahrzeugs gehöre dabei auch eine ausreichende Tankfüllung. Dafür hätte der Kläger vor der Aufnahme seiner Arbeitstätigkeit sorgen können, ein Auftanken während der Tätigkeit wäre dann nicht erforderlich gewesen. Denn der Kläger habe nach eigenen Angaben am Unfalltag ausschließlich in K und der näheren Umgebung mit seinem Fahrzeug beruflich veranlasste Fahrten absolviert, so dass diese mit einer Tankfüllung absolvierbar gewesen seien. Er habe am Unfalltag beruflich bedingt keine so weiten Strecken zurückgelegt, dass währenddessen ein Tanken zwingend notwendig gewesen wäre. Da vor dem hier angefochtenen Bescheid kein Verwaltungsakt ergangen sei, könne sich der Kläger auch nicht auf Vertrauensschutz nach §§ 44 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) berufen.
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 18.01.2023 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.02.2023 Berufung bei dem Landessozialgericht Rheinland-Pfalz eingelegt.
Er trägt vor, die Übernahme der Kosten durch die Beklagte sowie die Gewährung von Verletztengeld sei als konkludente Anerkennung des Arbeitsunfalls zu werten, so dass für den streitgegenständlichen Bescheid die Voraussetzungen der §§ 44 ff. SGB X vorliegen müssten, die aber nicht erfüllt seien. Mit dem Ziel die Arbeitstätigkeit weiterzuführen und zur Betriebsstätte zurückzugelangen sei das Betanken eine unabdingbare Maßnahme gewesen. Die Handlungstendenz sei damit darauf gerichtet gewesen, sich überhaupt zu dem Ort der Tätigkeit bewegen zu können. Beim Einbiegevorgang sei zudem noch nicht einmal das Lenkrad eingeschlagen gewesen. Das SG gehe auch irrig davon aus, dass bei einem vorherigen Volltanken der Kraftstoff immer reichen würde, wenn man wie der Kläger nur in K und Umgebung tätig gewesen sei. Gerade im Stadtverkehr sei der Verbrauch hoch. Es sei auch lebensfremd von einem Arbeitnehmer zu verlangen, jeden Morgen den Pkw vollzutanken, um für alle eventuell anstehenden Fahrten vorbereitet zu sein.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger erklärt, er habe sich bei einem Kunden in der K -R -Straße zu einem Vorsorgegespräch befunden. Nach Abschluss des Gesprächs habe er zurück in das Büro in der W straße gewollt, um die Daten aus dem Gespräch in das System einzugeben. Eine Mittagspause habe er nicht einlegen wollen. Bereits beim Aufbruch zu dem Vorsorgegespräch habe die Tankanzeige aufgeleuchtet. Er habe daher auf dem Rückweg getankt, weil er befürchtet habe, sonst den Weg zurück nicht mehr zu schaffen. Am Abend habe noch eines der monatlich stattfindenden Gespräche unter den Mitarbeitern aller Bestattungshäuser in der Filiale „Bestattungen G “ stattfinden sollen. In diesen Gesprächen habe man sich zu betrieblichen Angelegenheiten abgesprochen. Zum Zeitpunkt des Unfalls habe er die Fahrbahn noch nicht verlassen gehabt.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Koblenz vom 11.01.2023 und des Bescheides der Beklagten vom 26.01.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2022 festzustellen, dass er am 20.10.2015 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat den Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung persönlich angehört. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung sowie der Beratung.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG) ist begründet.
Zu Unrecht hat das SG die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) des Klägers abgewiesen. Der Bescheid vom 26.01.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2022, mit dem die Beklagte es abgelehnt hat einen Arbeitsunfall anzuerkennen, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat Anspruch auf die begehrte Feststellung, denn er hat am 20.10.2015 einen Arbeitsunfall erlitten.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten in Folge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 S 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität; vgl. Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 23.01.2018 – B 2 U 3/16 R –, juris Rn. 10).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der als Beschäftigter gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherte Kläger erlitt bei dem Auffahrunfall am 20.10.2015 eine zeitlich begrenzte, von außen kommende Einwirkung auf seinen Körper und damit einen Unfall i.S.v. § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII. Diese führte jedenfalls zu einer HWS-Distorsion und einer Prellung des linken Knies und damit zu Gesundheitserstschäden.
Die Verrichtung des Klägers zur Zeit des Unfallereignisses stand in einem den Versicherungsschutz begründenden sachlichen Zusammenhang zu seiner versicherten Tätigkeit als Bestattungsfachkraft. Er befand sich zum Zeitpunkt des Unfalls auf einem versicherten Betriebsweg nach § 8 Abs. 1 SGB VII und nicht auf einem Weg nach (oder von) dem Ort der Tätigkeit nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII.
Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ist es erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist und dass diese Tätigkeit den Unfall herbeigeführt hat. Es muss eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Dieser innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher nach den gesetzlichen Vorgaben der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Maßgeblich ist die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird. Betriebswege sind Wege, die in Ausübung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt werden, Teil der versicherten Tätigkeit sind und damit der Betriebsarbeit gleichstehen. Sie werden im unmittelbaren Betriebsinteresse unternommen und unterscheiden sich von Wegen nach und von dem Ort der Tätigkeit i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII dadurch, dass sie der versicherten Tätigkeit nicht lediglich vorausgehen oder sich ihr anschließen. Sie sind nicht auf das Betriebsgelände beschränkt, sondern können auch außerhalb der Betriebsstätte anfallen. Entscheidend für die Abgrenzung zwischen einem gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Betriebsweg und einem Wegeunfall nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII ist, ob der konkret zurückgelegte Weg dazu dient, die gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherte Tätigkeit am arbeitsvertraglich geschuldeten Leistungsort erst aufzunehmen oder ob es sich etwa um eine dringende, außerhalb der üblichen Arbeitszeit angeordnete zusätzliche Tätigkeit an einem anderen Ort als der Arbeitsstätte handelte (vgl. insgesamt zum Vorstehenden: BSG, Urteil vom 27.11.2018 – B 2 U 7/17 R –, juris Rn. 11 ff. m.w.N.).
Der Kläger befand sich zur Überzeugung des Senats auf dem Weg von einem im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit durchgeführten Kundentermin (Vorsorgegespräch) in der K -R -Straße zurück in die eigentliche Betriebsstätte des Bestattungsunternehmens in der W straße 46, um die Daten aus dem Gespräch in das System einzugeben. Die reguläre Arbeitszeit war zum Unfallzeitpunkt um 15.30 Uhr auch noch nicht abgelaufen. Sowohl die außerhalb der Betriebsstätte erfolgende Teilnahme am Vorsorgegespräch als auch die Erfassung der Daten aus dem vorherigen Kundentermin im System an der Betriebsstätte gehörten zu den arbeitsvertraglich geschuldeten Verpflichtungen des als Bestattungsfachkraft beschäftigten Klägers. Dieser hat im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit oftmals Außendiensttermine wahrgenommen und dies in Absprache mit seinem Arbeitgeber auch mit seinem privaten Pkw. Die Handlungstendenz des Klägers auf diesem Weg war daher davon geprägt, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den schriftlichen Angaben des Klägers, die dieser auch in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen nochmals bestätigt hat. Anhaltspunkte dafür, dass diese Angaben nicht der Wahrheit entsprächen, ergeben sich für den Senat nicht. Der Arbeitgeber konnte zwar im Rahmen des Verwaltungsverfahrens keine genaueren Angaben zu den Tätigkeiten des Klägers am Unfalltag mehr machen, er hat aber gegenüber der Beklagten laut Telefonvermerk vom 05.11.2020 angegeben, dass die Mitarbeiter alle selbständig ihren Arbeitstag, Termine u.ä. planten. Damit hat er jedenfalls mittelbar bestätigt, dass Mitarbeiter wie der Kläger Außentermine selbständig wahrgenommen haben. Dass der Kläger auf dem Weg von der Mittagspause gewesen wäre, steht für den Senat nicht fest. Der Kläger hat vor dem Senat bestätigt, nicht auf dem Weg gewesen zu sein, eine Mittagspause einzulegen. Die Beklagte beruft sich diesbezüglich auf die Angaben im D-Arztbericht vom 21.10.2015 und will diesen als „Erstangaben“ ein höheres Gewicht beimessen. Abgesehen davon, dass es keine Beweisregel gibt, dass frühere Angaben grundsätzlich einen höheren Beweiswert besitzen als spätere (vgl. BSG, Urteil vom 11.11.2003 – B 2 U 41/02 R –, juris Rn. 20), sind die Angaben im D-Arztbericht vom 21.10.2015 keine direkten Angaben des Klägers, sondern die Angaben des D-Arztes. Den Kläger hat die Beklagte vor dem Jahr 2020 zum Unfallhergang nicht befragt. Seit dem Gespräch am 16.09.2020, bei dem diese Frage erstmals mit dem Kläger erörtert wurde, gibt der Kläger durchgehend an, von einem dienstlichen Termin auf dem Weg zur Betriebsstätte gewesen zu sein und damit auf einem Betriebsweg. Diese Angaben sind auch zeitnah vom Arbeitgeber des Klägers bestätigt worden, denn er hat in der Unfallanzeige vom 31.10.2015 angegeben, dass sich der Unfall „zwischen den Arbeitsstätten“ ereignet habe und hat wiederum im Gespräch mit der Beklagten am 05.11.2020 angegeben, dass diese Mitteilung auf den Angaben des Klägers beruhe. Der eingeschlagene Weg über die T Straße war auch der direkte Weg auf dem Weg zur Betriebsstätte. Die Angabe des Arbeitgebers, dass der Kläger seine Mittagspause immer zu Hause verbringe, impliziert nicht, dass der Kläger zum konkreten Unfallzeitpunkt aus der Mittagspause kam oder seine Mittagspause zu Hause verbracht hätte. Es ist auch wenig nachvollziehbar, wieso der Kläger, der nur wenige Meter von der Betriebsstätte wohnte, seine Mittagspause im Pkw verbracht haben sollte. Wäre er zudem von seiner Mittagspause zu Hause zum Tanken aufgebrochen, so hätte er sich auf der T Straße – die keine Einbahnstraße ist – auch auf der anderen Fahrbahnseite befunden und hätte nach links auf das Tankstellengelände einbiegen müssen.
Zum Zeitpunkt des Unfallereignisses befand sich der Kläger mithin auf einem versicherten Betriebsweg; seine Handlungstendenz war im konkreten Augenblick des Unfalls auf das Tanken seines Fahrzeugs gerichtet und durch das Abbremsen des Pkw und Setzen des Blinkers nach rechts, Richtung Tankstelleneinfahrt, auch insoweit bereits objektiv nach außen erkennbar. Das Tanken selbst gehörte nicht unmittelbar zu den arbeitsvertraglichen Verpflichtungen des Klägers, sondern stellt eine Vorbereitungshandlung zur Erfüllung dieser Verpflichtungen dar. Denn der Kläger wollte Tanken, um ausreichend Kraftstoff zu haben, um zum Büro in der W straße und zur anschließenden Personalversammlung in der Betriebsstätte „Bestattungen G “ sowie im Anschluss nach Hause fahren zu können.
Der Versicherungsschutz für Vorbereitungshandlungen, also Handlungen, die einer versicherten Tätigkeit vorangehen und ihre Durchführung erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen, ist grundsätzlich auf diejenigen Verrichtungen beschränkt, die das Gesetz selbst ausdrücklich nennt. Sonstige typische Vorbereitungshandlungen sind grundsätzlich nicht versicherte eigenwirtschaftliche Tätigkeiten, die dem privaten Risikobereich des Versicherten zugeordnet sind. Ausnahmen hiervon gelten nur dann, wenn ein besonders enger sachlicher, örtlicher und zeitlicher Bezug zur versicherten Tätigkeit gegeben ist, der die Vorbereitungshandlung nach den Gesamtumständen selbst bereits als Bestandteil der versicherten Tätigkeit erscheinen lässt (vgl. BSG, Urteil vom 30.01.2020 – B 2 U 9/18 R –, juris Rn. 16).
Das BSG hat ausdrücklich entschieden, dass das verbrauchsbedingte Auftanken eines Pkw als typische Vorbereitungshandlung zu der rein eigenwirtschaftlichen Risikosphäre des Versicherten gehört und keinen besonders engen zeitlichen sachlichen und örtlichen Bezug zum versicherten Zurücklegen des unmittelbaren Weges von bzw. nach dem Ort der Tätigkeit gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII aufweist und somit nicht dem Versicherungsschutz der Wegeunfallversicherung unterfällt. Dabei hat es insbesondere darauf abgestellt, dass die Wegeunfallversicherung bereits eine nur ausnahmsweise gesetzlich erfasste Vorbereitungshandlung unter Versicherungsschutz stellt und es sich beim Tanken diesbezüglich somit nur um eine Vorbereitungshandlung zu einer Vorbereitungshandlung handelt. Die Umstände, die zu einem Tankvorgang führten, seien zudem der Einflussnahme des Arbeitsgebers weitgehend entzogen (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 18 ff. m.w.N.).
Der Kläger hat jedoch, wie dargelegt, keinen Wegeunfall nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII erlitten, sondern er befand sich auf einem unmittelbar nach § 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Betriebsweg.
Auf einem Betriebsweg stellt sich die Rechtslage anders dar als bei Wegeunfällen. Auf versicherten Betriebswegen stehen auch Handlungen wie das Tanken unter dem Versicherungsschutz des § 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, weil der Betriebsweg unmittelbarer Teil der betrieblichen Tätigkeit ist und solche Vorbereitungshandlungen bei natürlicher Betrachtungsweise als Teil der eigentlich versicherten Tätigkeit erscheinen (vgl. Keller, in: Hauck/Noftz SGB VII, 4. Ergänzungslieferung 2023, § 8 SGB 7, Rn. 119a; G. Wagner, in: Schlegel/Voelzke,
jurisPK-SGB VII, 3. Aufl. 2022, § 8 SGB VII <Stand: 20.06.2023>, Rn. 94). Für die im Rahmen der Wegeunfallversicherung ausgeprochenen Einschränkungen etwa hinsichtlich des Tankens ist dann kein Raum, da solche Tätigkeiten rechtlich wesentlich immer der arbeitsbedingten Wegezurücklegung und dem Betrieb dienen (BeckOGK/Ricke, 15.08.2023, SGB VII § 8 Rn. 177). Das Tanken muss aus diesen Gründen dann auch nicht unvorhersehbar erforderlich geworden sein (Keller, a.a.O.; vgl. aber auch schon: BSG, Urteil vom 24.01.1995 – 8 RKnU 1/94 –, juris sowie die weiteren Nachweise bei BSG, Urteil vom 30.01.2020 – B 2 U 9/18 R –, juris Rn. 14 a.E.). Der Beschäftigte muss aber aufgrund objektiver Umstände davon ausgehen, dass das Tanken zur Absolvierung des Betriebsweges notwendig ist, und eine möglichst nahegelegene Tankstelle aufsuchen (Keller, a.a.O.)
Diese Voraussetzungen sind zur Überzeugung des Senats erfüllt. Wie der Kläger vorgetragen und in der mündlichen Verhandlung bekräftigt hat, sah er sich aufgrund des niedrigen Füllstandes seines Tanks – die Tankanzeige leuchtete bereits – veranlasst seinen Pkw zu tanken, um die noch vor ihm liegenden betrieblichen Fahrten an diesem Tag – zurück zur Betriebsstätte in der W straße und noch zur Filiale „Bestattungen G – sowie den Weg nach Hause zurücklegen zu können. Dabei ist auch die Teilnahme an der Personalversammlung, die nach Angaben des Klägers vom Arbeitgeber angesetzt wurde, seinen arbeitsvertraglichen Pflichten zuzuordnen. Der Kläger bezweckte somit auch mit dem Tanken seinem Tätigkeitsbereich zu dienen. Die Tankstelle in der T Straße war dabei eine nahegelegene, direkt auf seinem Betriebsweg liegende Tankstelle. Auch hier hat der Senat keinen Anlass die Angaben des Klägers als unglaubhaft oder den Kläger selbst als unglaubwürdig anzusehen. Dabei ist zu beachten, dass es dem Kläger nicht zugemutet werden konnte, den Tank quasi „leerzufahren“.
Ein Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII – versichert ist danach u.a. auch das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts – scheidet aus. Zwar kann auch der im Eigentum des Beschäftigten stehende Pkw, der hauptsächlich betrieblich genutzt wird, ein Arbeitsgerät sein und das Tanken zur Instandhaltung gehören. Eine hauptsächlich betriebliche Nutzung liegt jedoch erst bei einem betrieblichen Anteil der Nutzung von etwa 80% vor (vgl. Keller, in: Hauck/Noftz SGB VII, 4. Ergänzungslieferung 2023, § 8 SGB 7, Rn. 119b, 48; G. Wagner, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 3. Aufl. 2022, § 8 SGB VII <Stand: 20.06.2023>, Rn. 260). Einen derartigen Nutzungsanteil des privaten Pkw konnte der Senat jedoch nicht feststellen, der Kläger gab eine hälftige Verteilung zwischen privater und beruflicher Nutzung an.
Auf die Frage, ob die Beklagte den Arbeitsunfall durch die über mehrere Jahre hinweg erfolgende Übernahme von Behandlungskosten konkludent anerkannt hat, kommt es damit nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor. Insbesondere weicht der Senat nicht von dem Urteil des BSG vom 30.01.2020 – B 2 U 9/18 R – ab. Dieses ist zur Wegeunfallversicherung ergangen, nicht zu der hier entscheidenden Frage eines Betriebsweges.