Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 09. Dezember 2021 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben auch für das Berufungsverfahren einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig zwischen den Beteiligten sind die Folgen eines Arbeitsunfalls sowie die Frage, ob der Klägerin wegen dieser Folgen eine Verletztenrente zu gewähren ist.
Die im Jahr 1959 geborene und seinerzeit beruflich als Bibliotheksmitarbeiterin tätige Klägerin erlitt am 19. November 2014 gegen 13 Uhr 25 in der von ihr mitbetreuten Bibliothek in der Istraße in 1 B einen Arbeitsunfall. Ein Kollege hatte ihr den Bürostuhl, auf dem sie saß, weggezogen, so dass sie von dem Stuhl auf den Rücken fiel. Laut Unfallanzeige ihres Arbeitgebers vom 30. Januar 2015 und ihren eigenen Angaben in einer E-Mail vom 21. Januar 2015 kam sie bei dem Sturz zudem mit dem Hinterkopf auf dem Boden auf.
Der Durchgangsarzt Dr. E, B, in dessen Behandlung sich die Klägerin noch am Unfalltag begab, stellte in seinem Bericht vom Unfalltag einen Druckschmerz am Hinterkopf und der oberen Brustwirbelsäule fest. Er sah keine Wunden und keine Prellmarken. Bei der Klägerin bestanden kein Erbrechen und keine Amnesie, ihr Allgemeinzustand wurde als reduziert angegeben. Die übrigen Befunde waren unauffällig. Dr. E stellte bei ihr die Diagnose einer Schädelprellung (ICD-10: S00.95G).
Im Zwischenbericht des Durchgangsarztes Dr. C, B vom 22. November 2014 wurde dokumentiert, dass die Klägerin über zunehmende Kopfschmerzen, Schwindel und Übelkeit geklagt habe. Der Durchgangsarzt veranlasste die Einweisung in das V Klinikum F zur stationären Aufnahme. Dort wurde die Klägerin vom 22. bis zum 23. November 2014 stationär überwacht. Bei ihr wurde eine Schädelprellung mit vegetativen Symptomatik diagnostiziert. Behandelt wurde sie mit Infusionen, Kälte und Lagerungstherapie sowie Schmerzmedikamenten. Bei einer CT-Untersuchung des Kopfes ließen sich bei unauffälliger Darstellung keine Traumafolgen objektivieren; es zeigten sich insbesondere keine intrakranielle Blutung und kein Frakturnachweis. Die Angabe einer Riechstörung ist für diesen Krankenhausaufenthalt nicht objektiviert.
Bei einer MRT-Untersuchung des Kopfes am 3. März 2015 in der Praxis für Kernspintomographie am S-Krankenhaus zeigte sich ein durchweg unauffälliger Befund ohne Hinweise auf postkontusionelle Veränderungen und ohne Blutungsnachweis.
Mit Schreiben vom 21. September 2015 und vom 1. November 2015 wandte sich die Klägerin an die Beklagte. Von ihr bemerkte Riechstörungen habe sie im Januar 2015 ihrer behandelnden HNO-Ärztin Dr. F und ihrer beruflichen Vorgesetzten Dr. J mitgeteilt. Sie führe diese Riechstörungen auf den Arbeitsunfall vom 19. November 2014 zurück. In einem weiteren Schreiben vom 15. November 2015 berichtete die Klägerin von einem (vollständigen) Verlust ihres Geruchssinns und einer Übelkeit beim Fahren mit Bus und Bahn.
Die Beklagte zog im Folgenden Unterlagen zum Gesundheitszustand der Klägerin vom Landesamt für Gesundheit und Soziales, Versorgungsamt, B bei. In diesen Unterlagen befand sich insbesondere ein Bericht des HNO-Arztes Dr. K, B, vom 27. September 2011 über eine ambulante Untersuchung infolge eines Fremdkörpergefühls und eines Hustenreizes nach einer Magenspiegelung vom 22. August 2011. Der HNO-Befund zeigte eine geringe Schleimhautrötung im Kehlkopfbereich. Es wurde eine Therapie mit Tabletten, die die Magensäurebildung hemmen, empfohlen. Weiterhin teilte die Fachärztin für Allgemeinmedizin N in einem Bericht vom 15. Juni 2015 eine von der Klägerin im Dezember 2014 geklagte Anosmie mit. Die die Klägerin seit dem Jahr 1997 behandelnde HNO-Ärztin Dr. F berichtete dem Versorgungsamt am 24. Juni 2015 über eine Neigung der Klägerin zu Infekten und eine Riechstörung bzw. Anosmie, deren Ursache nicht habe festgestellt werden können. Schließlich befand sich in den Unterlagen des Versorgungsamtes ein (undatierter) Arztbrief des HNO-Arztes Dr. G über Behandlungen der Klägerin zwischen Mai und Juli 2015. In dem Arztbrief heißt es unter anderem, die Klägerin habe sich mit einer unklaren allergischen Symptomatik sowie einer vermutlich posttraumatisch bestehenden Anosmie vorgestellt. Es wurde ein reizloser HNO-Status festgestellt und erstmals am 29. Mai 2015 ein Riech- und Schmecktest durchgeführt. Dieser zeigte ein Erkennen von 3 von 12 Riechstoffen, alle anderen Stoffe wurden nicht erkannt oder konnten nicht zugeordnet werden. Der Schmecktest war regelrecht. Eine Riechprüfung in der CB vom 02. Oktober 2015 zeigte ein Erkennen von rechts 5 von 12 und links 6 von 12 Riechstoffen. Eine am gleichen Tag durchgeführte Rhinomanometrie (Prüfung der Luftdurchgängigkeit der Nase) zeigte beidseits Normalwerte.
Seitens des Versorgungsamtes B war bei der Klägerin mit Bescheid vom 6. Oktober 2015 ein Grad der Behinderung von 40 festgestellt worden, und zwar aufgrund der folgenden Funktionsbeeinträchtigungen: Funktionsbehinderung des Kniegelenks links, Lymphstauung des Beines beidseits, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen, Bluthochdruck, Refluxkrankheit der Speiseröhre, Verlust des Geruchssinns.
Auf entsprechende Anforderung der Beklagten übersandte die gesetzliche Krankenversicherung Daten der Klägerin über eine stationäre Behandlung der Klägerin vom 4. Mai 2005 bis zum 10. Mai 2005 im H Klinikum B wegen einer Subarachnoidalblutung, Kopfschmerzen und einer Migräne. Laut dem von der Beklagten beigezogenen Arztbrief des H Klinikum Bergab eine am 4. Mai 2005 durchgeführte CT-Untersuchung des Schädels einen unauffälligen Befund. Gleiches gilt für ein dort am 28. Juni 2010 durchgeführtes kranielles MRT. Laut einem weiteren Bericht über eine ambulante Behandlung der Klägerin im H Klinikum B vom 28. Dezember 2009 stellte sich die Klägerin dort am vorgenannten Tag wegen Schwindelbeschwerden vor. Es wurde ein gutartiger paroxysmaler Lagerungsschwindel diagnostiziert.
Im Auftrag der Beklagten erstellte der HNO-Arzt Dr. G am 21. Juli 2016 ein auf einer ambulanten Untersuchung der Klägerin vom 30. Juni 2016 beruhendes HNO-ärztliches Gutachten. In seinen Untersuchungen zum Riechvermögen der Klägerin zeigte sich beim „Sniffin´ Sticks-Test“ ein Erkennen von vier von sechs angebotenen Riechstoffen. Dr. G bescheinigte der Klägerin eine funktionelle Anosmie. Die weiteren Untersuchungen der Nasenfunktion waren bis auf eine leicht- bis mittelgradige Obstruktion ohne krankhaften Befund. Eine MRT-Untersuchung des Kopfes vom 9. März 2016 zeigte keine typischen Folgen einer Anosmie wie eine Atrophie der Riechkolben und/oder des Riechhirns. Im Gegenteil zeigten diese Organe im MRT eine regelrechte Größe. Der Gutachter hielt die Ergebnisse der Riechtestungen für glaubhaft, vermutete allerdings aufgrund der MRT-Befunde ein Rest-Riechvermögen. Durch den Unfall seien gewisse andere, zum Teil psychosomatische Komponenten nicht auszuschließen.
In ihrer Stellungnahme vom 30. August 2016 stellte die Beratungsärztin der Beklagten, die HNO-Ärztin C, fest, dass alle bislang erfolgten Riechuntersuchungen eine funktionelle Anosmie ergeben hätten, aber eine danach zu erwartende Veränderung im Sinne einer Atrophie der Riechkolben im Gehirn im MRT nicht nachweisbar gewesen sei. Demzufolge habe eine Riechstörung nicht zweifelsfrei objektiviert werden können, so dass ihrer Meinung nach die Anerkennung derselben als Folge des Unfalls gegebenenfalls erst nach weiteren Untersuchungen erfolgen sollte.
In seiner hierzu ergangenen, (undatierten) ergänzenden Stellungnahme teilte Dr. G mit, dass sowohl nach der durchgeführten MRT-Untersuchung als auch den Riech- und Schmecktestungen kein Grund für die Annahme bestehe, dass bei der Klägerin ein kompletter Riechverlust vorliege. Eine psychosomatische Abklärung könne weitergehende Erkenntnisse erbringen.
Mit Bescheid vom 7. Dezember 2016 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 19. November 2014 als Arbeitsunfall an. Ein Anspruch auf Verletztenrente sowie die Gewährung von Entschädigungsleistungen über den 30. Dezember 2014 hinaus lehnte sie mit der Begründung ab, dass der Arbeitsunfall zu einer Prellung des Hinterkopfes geführt habe, die folgenlos ausgeheilt sei. Eine Störung des Riechvermögens der Klägerin könne nicht als Unfallfolge anerkannt werden. Grundlage dieser Entscheidung sei die gutachterliche Einschätzung von Dr. G. Zwar wäre eine Hinterkopfprellung grundsätzlich geeignet, über den Pathomechanismus einer sogenannten Contre-coup-Verletzung (eine Prellung der Seite, die dem Aufprall gegenüberliegt) mit Fortleitung der Aufprallenergie an die frontale Schädelbasis, wo sich das Riechhirn befindet, eine Verletzung des Riechhirns zu verursachen. Im Frontalhirn verliefen die Riechnerven über eine Knochenkante. Werde das Gehirn durch den vorgenannten Unfallmechanismus beim Schädelaufprall von hinten beschleunigt, könne es zu Abscherungen der frontal gelegenen Riechnerven durch die Beschleunigungsenergie der Schädelmasse und dadurch zu einer Riechstörung kommen. Eine solche Schädigung könne jedoch nie objektiv nachgewiesen werden. Hinweise für erlittene Blutungen in diesem Bereich seien nicht festgestellt worden. Bei der bildgebenden Diagnostik der Frontobasis mit Darstellung des Riechkolbens (Bulbus olfactorius) mittels MRT vom 9. März 2016 habe sich die Frontobasis unauffällig dargestellt. Der Riechkolben sei ohne Hinweiszeichen für eine Atrophie zur Darstellung gekommen. Eine derartige Atrophie sei jedoch nach dem zeitlichen Intervall zum Unfallereignis bei einem Geruchsverlust zu erwarten gewesen. Die Riechkolben verkleinerten sich, wenn die Riechnerven abgeschert wurden und damit keine Reizsignale zum zentralen Riechhirn weitergeleitet werden. Eine solche Volumenminderung des Riechkolbens sei hier jedoch gerade nicht nachweisbar. Nach alledem habe ein Erstschaden als Ursache für eine Störung des Riechvermögens im vorliegenden Fall nicht objektiviert werden können. Dies gelte ebenso für das von der Klägerin angegebene Übelkeitsgefühl beim Busfahren und auch für die vermuteten psychosomatischen Komponenten.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 28. Dezember 2016 Widerspruch ein. Zur Begründung ihres Widerspruchs führte sie aus, seit dem Unfall unter den Riechstörungen, Geruchs- und Geschmacksverlust sowie Schwindel bei Busfahrten zu leiden. Eine von der Beklagten avisierte Begutachtung auf psychiatrischem Fachgebiet lehnte die Klägerin mit Schreiben vom 08. März 2017 ausdrücklich ab.
Am 9. Januar 2017 wurde die Klägerin am Universitätsklinikum C Abteilung für HNO-Heilkunde, D untersucht. Alle dort umfangreich unter der verantwortlichen Leitung von Prof. Dr. H durchgeführten Untersuchungen zum Riechvermögen, inklusive einer Ableitung ergebniskorrelierter olfaktorischer Potentiale, zeigten typische Befunde einer Hyposmie, also einer Einschränkung des Riechvermögens, jedoch keinen Ausfall des Geruchssinns.
Im Auftrag der Beklagten erstellte der Facharzt für HNO-Heilkunde Prof. Dr. D, K, am 19. Juli 2017 ein Gutachten nach Aktenlage. Bei dem Unfall vom 19. November 2014 habe die Klägerin ein occipitales Aufpralltrauma erlitten. Da Traumafolgen in der CT- und MRT-Bildgebung nicht zur Darstellung gekommen seien, könne zumindest ein höhergradiges Schädelhirntrauma mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Zwar erscheine der Unfallmechanismus vom 19. November 2014 prinzipiell geeignet, eine Riechstörung zu verursachen, auch wenn in der Bildgebung keine direkten Traumafolgen nachweisbar gewesen seien. Die in der MRT-Untersuchung vom 9. März 2016 genannte „normale Darstellung“ des Bulbus olfactorius könne daher auch Mikroschäden nicht ausschließen, so dass ein sicherer Rückschluss auf den Funktionszustand des olfaktorischen Systems nicht möglich sei. Entscheidend für die Klärung des Unfallzusammenhangs sei der Zeitpunkt des Auftretens bzw. das Bemerken der Riechstörung. Für posttraumatische Riechstörungen werde ein enger zeitlicher Zusammenhang zu einem Kopftrauma gefordert, wobei das Intervall bis zum Auftreten der Dysosmie sechs Monate nicht überschreiten sollte. Das Bemerken der Riechstörung sei in den übersandten Unterlagen unterschiedlich dokumentiert, habe aber einen klaren Bezug zu dem Unfallereignis. Die Rückführung einer Riechstörung auf ein Unfallereignis erfordere jedoch auch den Ausschluss von konkurrierenden Ursachen. Aus den Unterlagen der behandelnden HNO-Ärztin Dr. F gehe hervor, dass die Klägerin seit dem Jahr 1997 unter einer Neigung zu Infekten leide und deswegen in HNO-ärztlicher Behandlung stehe. Infekte der oberen Atemwege könnten sogenannte postinfektiöse Riechstörungen verursachen, die häufig mit sogenannten Parosmien einhergingen. Auch wenn der Nasenendoskopiebefund in den übersandten HNO-ärztlichen Untersuchungen bis auf eine Septumdeviation als regelrecht geschildert werde, erwähne Dr. G doch eine unklare allergische Symptomatik. Ferner würden im MRT-Befund vom 9. März 2016 geringe chronische Schleimhautschwellungen in den Nasennebenhöhlen genannt. Sowohl die allergische Rhinitis als auch die chronische Rhinosinusitis stellten wichtige Differenzialdiagnosen bei der kausalen Zuordnung von Riechstörungen dar. Darüber hinaus scheine die Klägerin im Vorfeld des Unfallereignisses vom 19. November 2014 eine umfangreiche Krankenvorgeschichte erlebt zu haben, wobei in der übersendeten Dokumentation eine Myokarditis, rezidivierende Kopfschmerzen mit der Differenzialdiagnose Migräne, eine medikamentös behandelte Hypertonie neben anderen Symptomen, zum Beispiel Schluckbeschwerden, abgeklärt bzw. behandelt worden seien. In der Literatur würden zum Beispiel Riechstörungen im Zusammenhang mit Migräne oder Medikamenteneinnahmen berichtet. Zusammenfassend erscheine daher zwar eine Schädigung des olfaktorischen Systems durch den Unfall vom 19. November 2014 mit dem Wahrscheinlichkeitsgrad der Möglichkeit annehmbar, eine nachhaltige Wahrscheinlichkeit werde aufgrund möglicher Vorschäden durch die Krankheitsvorgeschichte jedoch nicht erreicht. Die Befundkonstellation aufgrund der durchgeführten Riech- und Schmecktestungen, insbesondere auch die Ergebnisse der Untersuchung von Prof. Dr. H, D, deuteten zudem auf ein nur eingeschränktes Riechvermögen, nicht aber auf eine komplette Anosmie hin. Zusammenfassend bleibe hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität unklar, ob konkurrierende Ursachen für eine Riechstörung bei der Klägerin bestünden, sodass die hier anzunehmende Hyposmie nur möglicherweise auf das Ereignis vom 19. November 2014 zurückgeführt werden könne.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 3. November 2017 teilte Prof. Dr. D auf entsprechende Nachfragen der Beklagten hin mit, dass der Unfallhergang vom 19. November 2014 prinzipiell geeignet gewesen sei, eine Abscherung der frontal gelegenen Riechfäden (Fila olfactoria) herbeizuführen. Schon geringe Schädelhirntraumata könnten zu Verletzungen der Riechfäden oder zu Mikrotraumatisierungen des Riechkolbens führen. Diese Schäden seien auf CT- oder MRT-Aufnahmen nicht immer darstellbar. In den übersandten medizinischen Unterlagen ergäben sich aber auch Hinweise auf eine lange Krankenvorgeschichte der Klägerin, die hier als konkurrierende Ursache zu werten sei. Eine posttraumatische Anosmie, also eine vollständige Aufhebung des Riechvermögens, könne mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.
Laut Bescheid des Landesamtes für Gesundheit und Soziales, Versorgungsamt, Berlin vom 26. September 2017 über die Anerkennung von Schädigungsfolgen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) wurde bei der Klägerin als Schädigungsfolge des Ereignisses vom 19. November 2014 eine „traumatische Riechstörung“, hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des OEG, anerkannt. Für die anerkannte Schädigungsfolge bestehe ein Anspruch auf Heilbehandlung gemäß § 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 22. März 2018 zurück. Der Klägerin stünden wegen der Folgen ihres Arbeitsunfalls über den 30. Dezember 2014 hinaus keine Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu. Aufgrund des Arbeitsunfalls sei es zu einer Schädelprellung gekommen, die nach maximal 6 Wochen folgenlos ausgeheilt gewesen sei. Das Vorliegen einer Riechstörung als Unfallfolge könne nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Allein die Möglichkeit sei für eine Anerkennung nicht ausreichend. Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung müssten Gesundheitsschäden mit Vollbeweis vorliegen. Ein solcher lasse sich hier nicht führen. Weiterhin hätten sich weder aus den vorliegenden Befunden Hinweise auf das Vorliegen einer Schmeckstörung ergeben noch habe der Gesundheitserstschaden für das von der Klägerin geklagte Übelkeitsgefühl beim Busfahren objektiviert werden können. Zusammenfassend sei davon auszugehen, dass der Arbeitsunfall keine Minderung der Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigendem Grad hinterlassen habe.
Am 16. April 2018 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht (SG) Berlin erhoben. Infolge des Arbeitsunfalls vom 19. November 2014 könne sie weder riechen noch schmecken, so dass bei ihr von einer funktionellen Anosmie auszugehen sei. Eine psychische Krankheit liege bei ihr nicht vor. Die Befunde von Prof. Dr. H seien durch die Beklagte nicht vollständig ausgewertet worden.
Das SG hat im Folgenden eine am 22. März 2019 erstellte Aufstellung der Arbeitsunfähigkeitszeiten mit Diagnosen bei der Krankenversicherung der Klägerin, der K, beigezogen. Diese Aufstellung weist unter anderem – neben Arbeitsunfähigkeitszeiten vor allem wegen orthopädischer Erkrankungsbilder - folgende Arbeitsunfähigkeitszeiten aus: vom 13. Dezember bis zum 16. Dezember 2010 wegen Schwindel und Taumel sowie Zervikalneuralgie, vom 20. Januar bis zum 27. Januar 2011 wegen sonstiger näher bezeichneter Krankheiten der Atemwege, vom 28. Februar bis zum 16. März 2011 wegen sonstiger näher bezeichneter Krankheiten der Atemwege, akuter Bronchitis und Bronchopneumonie, vom 20. November bis zum 07. Dezember 2014 wegen einer oberflächlichen Verletzung des Kopfes bzw. Prellung, vom 10. Februar bis zum 27. Februar 2015 wegen einer bakteriellen Pneumonie, Schwindel und Taumel, vom 15. September bis zum 22. September 2015 wegen einer supraventrikulären Tachykardie, Schwindel und Taumel, Brustschmerzen, vom 23. September 2015 bis zum 25. August 2016 sowie vom 14. September 2016 bis zum 17. März 2017 unter anderem wegen eines zervikozephalen Syndroms, vom 5. April 2017 bis zum 13. April 2017 wegen Spannungskopfschmerzen sowie vom 8. März 2018 bis zum 16. März 2018 wegen Kopfschmerzen und sonstiger nicht näher bezeichneter Infektionskrankheiten.
Weiterhin hat das SG eine am 28. März 2019 erstellte Aufstellung der Arbeitsunfähigkeitszeiten mit Diagnosen bei der vormaligen Krankenversicherung der Klägerin, der K Krankenkasse, beigezogen. Diese Aufstellung weist unter anderem folgende Arbeitsunfähigkeitszeiten aus: vom 22. Mai bis zum 26. Mai 2000 wegen vesikulärer Pharyngitis, vom 27. Oktober bis zum 10. November 2000 wegen akuter Pharyngitis, vom 17. April bis zum 26. April 2003 wegen akuter Laryngitis, vom 2. März bis zum 22. März 2004 und vom 29. März bis zum 9. April 2004 wegen Zervikalneuralgie, vom 4. Mai bis zum 10. Mai 2005 wegen Subarachnoidalblutung, vom 17. September bis zum 18. September 2008 wegen Migräne, vom 16. April bis zum 24. April 2009 wegen Interkostalneuropathie, vom 29. Oktober bis zum 13. November 2009 wegen akuter Sinusitis maxillaris, vom 4. Januar bis zum 15. Januar 2010 wegen Neuropathia vestibularis sowie vom 18. Januar bis zum 22. Januar 2010 wegen Schwindel und Taumel.
Im Auftrag des SG hat der Facharzt für HNO-Heilkunde Prof. Dr. E am 5. Juni 2020 ein auf einer ambulanten Untersuchung der Klägerin vom 20. März 2020 beruhendes Gutachten erstellt. Nach den Untersuchungen von Dr. G und Prof. Dr. Hl handele es sich bei dem Erkrankungsbild der Klägerin um eine ausgeprägte Hyposmie. Die Hyposmie sei durch den Unfall vom 19. November 2014 bedingt. Sie bestehe noch und werde wohl auch weiterhin in dieser Form bestehen bleiben. Nach einer über fünf Jahre andauernden Minderung des Geruchsvermögens sei nicht damit zu rechnen, dass sich das Riechvermögen nochmals bessern könne. Der Einfluss der begleitenden Erkrankungen der Schleimhäute auf den teilweisen Verlust des Geruchsvermögens sei gering, könne aber die Progredienz der Erkrankung zwischen der Untersuchung von Prof. Dr. H im Jahr 2014 mit einer Hyposmie und der jetzt festzustellenden funktionellen Anosmie erklären. Es müsse jedoch erwähnt werden, dass die neurologischen Erkrankungen, die ebenfalls eine progrediente Riechstörung verursachen könnten, nicht durch die notwendigen speziellen Untersuchungen ausgeschlossen worden seien. Dem Vorgutachter Prof. Dr. D sei zuzugeben, dass bei der Klägerin eine lange Krankengeschichte vorhanden sei und diese viele Fragen aufwerfe. Die Klägerin sei aber seit dem Jahr 1994 in HNO-ärztlicher Untersuchung und Therapie wegen rezidivierender Infekte gewesen, ohne dass hierbei eine Riechstörung bemerkt worden wäre. Das bei der Klägerin vorliegende Erkrankungsbild, das funktional nicht mit einem vollständigen Verlust des Riechvermögens gleichzusetzen sei, rechtfertige die Annahme einer unfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 10 vom Hundert.
Im Auftrag der Beklagten hat der Facharzt für HNO-Heilkunde Prof. Dr. DK, am 4. November 2020 eine beratungsärztliche Stellungnahme verfasst. Im Hinblick auf das Gutachten von Prof. Dr. E hat Prof. Dr. D ausgeführt, dass in der Untersuchung vom 9. Januar 2017 durch den Nachweis von olfaktorisch ereigniskorrelierten Potentialen eine Anosmie und eine komplette Durchtrennung der sogenannten Riechfäden, das heißt der typische Schädigungsmechanismus für eine traumatische Anosmie bei einem axialen Schädelhirntrauma, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit habe ausgeschlossen werden können. Diskrepanzen ließen sich einerseits durch die Annahme einer Verdeutlichungstendenz erklären, andererseits müsste es zu einer Neuroregeneration gekommen sein. Die erneute Verschlechterung Jahre nach dem Unfallereignis, auf die Prof. Dr. E in seinem Gutachten hingewiesen habe, sei untypisch für posttraumatische Riechstörungen und weise sehr deutlich auf konkurrierende Ursachen hin. Nach der Aktenlage und den Untersuchungen von Prof. Dr. E bestehe unfallunabhängig eine chronisch-rezidivierende Rhinosinusitis seit dem Jahr 1994 bzw. dem Jahr 1997. Riechstörungen zählten zu den weltweit akzeptierten Kardinalsymptomen einer Rhinosinusitis. Darüber hinaus fänden sich in der Vorgeschichte der Klägerin noch weitere Erkrankungen, die ebenfalls Riechstörungen erzeugen könnten. Der dokumentierte Verlauf der Riechstörung, einem vorwiegend orthonasalen Riechverlust, und die zuerst am 9. Januar 2017 dokumentierten täglichen Parosmien sprächen eher für eine unfallunabhängige sinunasale und/oder postinfektiöse/postvirale Dysosmie. Unter sorgfältiger Abwägung aller zur Verfügung stehenden Befunde werde für die Annahme der Verletzungsdiagnose „traumatische Schädigung des olfaktorischen Systems“ der Klägerin nicht die notwendige an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erreicht. Auch die haftungsausfüllende Kausalität erreiche aufgrund der konkurrierenden Erkrankungen und den Krankheitsverlauf für einen Zusammenhang mit dem Sturzereignis vom 19. November 2014 lediglich den Wahrscheinlichkeitsgrad einer Möglichkeit. Schließlich sei gegen das Gutachten von Prof. Dr. E einzuwenden, dass dieser zwar variierende und widersprüchliche Angaben der Klägerin feststelle, ohne aber eine Verdeutlichungstendenz bzw. eine Aggravation in Betracht zu ziehen. In seinem Gutachten würden die Vorerkrankungen der Klägerin nur unzureichend bewertet bzw. bei der Zusammenhangsfrage nur ungenügend berücksichtigt.
Der Sachverständige Prof. Dr. E hat am 27. April 2021 im Auftrag des SG eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme verfasst. Darin hat er ausgeführt, es sei vorliegend schwierig, Vorerkrankungen eindeutig zuzuordnen. Jede virale Erkrankung der oberen Luftwege könne zu einem Geruchsverlust führen. Auch eine chronische Rhinosinusitis könne zuerst respiratorisch, dann aber auch durch Veränderungen an der Riechschleimhaut selbst zur Hyposmie bzw. Anosmie führen. Dies erfolge in der Regel schleichend, meist nach einigen Voroperationen. Bei seiner Begutachtung habe er einen entsprechenden Zusammenhang im Falle der Klägerin nicht feststellen können. Die unfallnahen CT-Aufnahmen ohne Nachweis von Veränderungen an den Nasennebenhöhlen ließen die konkurrierenden Ursachen der Riechstörungen, zum Beispiel eine zeitweise vorhandene chronisch rezidivierende Sinusitis, ausschließen. Nur im akuten Zustand bzw. exacerbierten Rezidiv sei diese Ursache für eine Anosmie bzw. Hyposmie zu diskutieren. Für eine Hyposmie sei – im Gegensatz zur Anosmie – auch ein Schädelhirntrauma geringen Grades ohne nachweisbare Schädelverletzungen, wie es hier vorgelegen habe, ausreichend. Das späte Bemerken des Riechverlustes sei gerade bei posttraumatisch bedingten Riechstörungen typisch. Verdeutlichungstendenzen mit Aggravation spielten hier keine Rolle, da eine objektive Olfaktometrie vorliege, die die Diagnose einer Hyposmie stärke. Nach Abwägung aller zur Verfügung stehenden Befunde halte er sowohl eine Schädelprellung als auch eine Hyposmie für im Vollbeweis gesichert; der Zusammenhang zwischen Schädelprellung und Hyposmie sei hinreichend wahrscheinlich.
Nach Anhörung der Beteiligten durch Schriftsatz vom 7. Oktober 2021 hat das SG die Klage am 9. Dezember 2021 durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente. Keiner der im Verfahren gutachterlich gehörten Ärzte habe bei ihr eine Minderung der Erwerbsfähigkeit rentenberechtigenden Grades angenommen. Dr. G habe in seinem Gutachten vom 21. Juli 2016 eine Hyposmie angenommen, jedoch keine Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gesehen. Prof. Dr. E verneine ausdrücklich eine Anosmie und gehe von einer traumatisch bedingten Hyposmie aus, die eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 10 vom Hundert bedinge. Selbst bei besonderer beruflicher Betroffenheit sei diese maximal mit 15 vom Hundert zu bewerten. Prof. Dr. D stelle bereits das Vorliegen einer unfallbedingten Hyposmie infrage und würde selbst bei deren Vorliegen von einer geringeren Bewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit ausgehen. Übereinstimmend werde davon ausgegangen, dass ein völliger Verlust des Riechvermögens, eine Anosmie, nicht vorliege. Selbst ein solcher vollständiger Ausfall des Riechvermögens würde nach der medizinischen Gutachtenliteratur keine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit bedingen, sondern allenfalls eine solche von 15 vom Hundert. Die Gewährung einer Verletztenrente sei vor diesem Hintergrund ausgeschlossen.
Gegen den ihr ausweislich Postzustellungsurkunde am 15. Dezember 2021 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 22. Dezember 2021 zur Niederschrift der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des SG Berufung eingelegt. Zur Begründung ihrer Berufung hat sie im Folgenden vorgetragen, ihre Geruchs- und Geschmackswahrnehmung im Alltag sei nicht mehr vorhanden. Sie könne auch nicht mehr in Berufen arbeiten, in denen dem Geruch eine wichtige Funktion zukomme. Der Unfallhergang vom 19. November 2014 sei grundsätzlich geeignet, zu einer Riechstörung zu führen. Von einem entsprechenden Zusammenhang sei auch bei ihr auszugehen. Prof. Dr. D habe sie nicht persönlich untersucht, sein Gutachten sei nicht zu verwerten. Der Sachverständige Prof. Dr. E sei in mündlicher Verhandlung zu hören.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des SG Berlin vom 9. Dezember 2021 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 7. Dezember 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2018 abzuändern und festzustellen, dass weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 19. November 2014 eine funktionelle Anosmie (vollständiger Verlust des Geruchssinns), hilfsweise eine Hyposmie (unvollständiger Verlust des Geruchssinns) ist sowie die Beklagte zu verpflichten, ihr wegen der Folgen des Arbeitsunfalls eine Verletztenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat bei den die Klägerin behandelnden und untersuchenden HNO-Ärzten bzw. bei den die Klägerin wegen des vorgetragenen Geruchsverlusts untersuchenden Ärzten Befundberichte angefordert, namentlich einen Befundbericht des Facharztes für Pharmakologie und Toxikologie Prof. Dr. H, Universitätsklinikum D, vom 5. April 2022, einen Befundbericht der C Klinik für HNO-Heilkunde, B, vom 07. April 2022, einen Befundbericht des Facharztes für HNO-Heilkunde Prof. Dr. G, B vom 6. Mai 2022 und einen Befundbericht der Fachärztin für HNO-Heilkunde Dr. F vom 6. Juni 2022.
Sodann hat der Senat bei dem Facharzt für HNO-Heilkunde Dr. M ein auf einer ambulanten Untersuchung der Klägerin vom 8. Dezember 2022 beruhendes Gutachten in Auftrag gegeben, das der Sachverständige am 31. Dezember 2022 erstellt hat. Auf seinem Fachgebiet hat Dr. M bei der Klägerin die folgenden Diagnosen gestellt: Hyposmie (ICD-10: R43.8 B G) und Normogeusie (ICD-10: R43.8 A), also ein normales Geschmacksempfinden. Eine Anosmie lasse sich hingegen nicht objektivieren und sei nach den HNO-ärztlichen und radiologischen Befunden nicht wahrscheinlich. Eine Hyposmie, die weder im Ausmaß noch in der Ursache HNO-ärztlich genau festgelegt werden könne, sei nach den HNO-ärztlichen Befunden wahrscheinlich. Als Ursache der Hyposmie seien sowohl das Ereignis vom 19. November 2014 als auch unfallfremde Faktoren, wie zum Beispiel eine chronische Rhinosinusitis, die durch HNO-ärztliche und radiologische Befunde der Vergangenheit sicher belegt sei, möglich. In der Zusammenschau von Für und Wider erschienen unfallfremde Faktoren als wahrscheinlicher. Das Intervall zwischen dem Ereignis vom 19. November 2014 und dem ersten Bemerken der Riechstörung spreche aufgrund der Persönlichkeitsstruktur der Klägerin und der wahrscheinlich vergleichsweise geringen Schwere des Traumas gegen eine Unfallkausalität der Hyposmie. Eine Störung des Geschmackssinns sei durch zahlreiche Untersuchungen mit Sicherheit ausgeschlossen worden. Dies bedeute jedoch nicht, dass die Klägerin keine Einschränkung ihres Geschmackssinns erlebe. Störungen des Geruchssinns hätten regelmäßig Auswirkungen auf das Geschmackserleben einer Person. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit aufgrund der teilweisen Riechstörung werde unabhängig von der Ursache auf 10 vom Hundert geschätzt.
Mit Schriftsatz vom 20. März 2023 hat sich die Klägerin gegen das Gutachten von Dr. M gewandt und hierzu insbesondere wie folgt vorgetragen: der durchgangsärztlich erhobene Befund und derjenige, der bei der Behandlung im Klinikum F erhoben worden sei, seien durch Dr. M unzutreffend gewürdigt worden. Auch weitere biographische Daten und Details in der Anamnese seien durch den Sachverständigen teilweise nicht ganz zutreffend wiedergegeben worden; zudem ziehe sie selbst aus einzelnen Untersuchungsergebnissen andere Schlussfolgerungen als der Sachverständige Dr. M. Dieser habe die bei ihr zu stellende Diagnose einer posttraumatischen Riechstörung ohne weitere Begründung abgelehnt. Entgegen der Annahme aller gehörten Gutachter sei bei ihr wegen dieser Unfallfolge von einer besonderen beruflichen Betroffenheit auszugehen, die zu einer unfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 vom Hundert pro Nasenseite, insgesamt also zu einer solchen von 40 vom Hundert führe. In der Nahrungsmittelbranche sei ein gutes Geruchsvermögen unerlässlich.
Nachdem die Klägerin hierzu mit am 8. Juni 2023 zugestelltem Schreiben angehört worden war, hat der Senat mit Beschluss vom 18. Juli 2023 die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet, § 153 Abs. 5 SGG. Der Beschluss ist der Klägerin am 26. Juli 2023 und der Beklagten am 21. Juli 2023 zugestellt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen. Die Akten haben in der mündlichen Verhandlung und bei der Entscheidung vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte über die Berufung durch seinen Berichterstatter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheiden, nachdem die Berufung durch Beschluss vom 17. Juli 2023 gemäß § 153 Abs. 5 SGG übertragen worden ist.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Ihr sinngemäß auf Feststellung weiterer Unfallfolgen gerichtetes Begehren kann die Klägerin zulässig mit der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG) und ihr auf Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gerichtetes Begehren mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) verfolgen.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht durch Gerichtsbescheid vom 9. Dezember 2021 abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 7. Dezember 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Feststellung einer Anosmie oder hilfsweise einer Hyposmie als Folge des Arbeitsunfalls vom 19. November 2014. Ebenso wenig hat sie wegen der Folgen dieses Arbeitsunfalls einen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbstätigkeit in Höhe von wenigstens 20 vom Hundert bzw. von 40 vom Hundert (vgl. ihr Vortrag mit Schriftsatz vom 20. März 2023, wonach es unfallbedingt zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit vom 20 vom Hundert pro Nasenseite gekommen sei, insgesamt also zu einer solchen von 40 vom Hundert).
Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Nach § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wenn die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert ist und die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20 erreichen. Nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII sind die Folgen eines Versicherungsfalls nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern.
Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII
begründenden Tätigkeit; Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheits(erst)schaden oder zum Tod führen. Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheits(erst)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls. Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt, dass die Merkmale „versicherte Tätigkeit“, „Verrichtung zur Zeit des Unfalls“, „Unfallereignis“ sowie „Gesundheitserst- bzw. Gesundheitsfolgeschaden“ im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der wesentlichen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit; ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden. Ob der Gesundheitsschaden eines Versicherten durch einen Arbeitsunfall (wesentlich) verursacht wurde, entscheidet sich - bei Vorliegen einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne - danach, ob das Unfallereignis selbst - und nicht ausschließlich eine andere, unfallunabhängige Ursache - die wesentliche Bedingung für den Eintritt des Gesundheitsschadens war (ständige Rechtsprechung, Bundessozialgericht <BSG>, vgl. Urteile vom 30. März 2017 – B 2 U 6/15 R -, Rn. 12, vom 17. Dezember 2015 – B 2 U 11/14 R -, Rn. 10, vom 4. Dezember 2014 – B 2 U 18/13 R -, Rn. 16 ff., vom 13. November 2012 – B 2 U 19/11 R -, Rn. 20 ff., vom 31. Januar 2012 – B 2 U 2/11 R -, Rn. 16 ff., vom 2. April 2009 – B 2 U 29/07 R -, Rn. 15 ff., vom 27. Juni 2006 – B 2 U 20/04 R -, Rn. 18 ff. und vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, Rn. 13 ff., alle zitiert nach Juris, siehe auch: Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, Kap. 1.7, S. 21 f.). Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die „Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSG, Urteil vom 30. Januar 2007 – B 2 U 8/06 R -, Rn. 20, zitiert nach Juris).
Erst dann, wenn sich ein unfallbedingter Gesundheitsschaden im Sinne der obigen Ausführungen annehmen lässt, stellt sich die Frage nach der Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit. Nach § 56 Abs. 2 S. 1 SGB VII richtet sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Mithin hängt die Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit von zwei Faktoren ab: Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 – B 2 U 14/03 R -, zitiert nach Juris Rn. 12; Urteil vom 20. Dezember 2016 – B 2 U 11/15 R -, zitiert nach Juris Rn. 18 ff., m. w. N.).
Dies zugrunde gelegt steht nicht zur Überzeugung des Senats gemäß § 128 Abs. 1 S. 1 SGG fest, dass Gesundheitsfolgeschäden ab der 26. Woche vorliegen, welche im Sinne einer wesentlichen Verursachung - abgrenzbar - auf den Unfall vom 19. November 2014 zurückgeführt werden können. Es liegen somit auch keine (weiteren) Unfallfolgen vor, die in die Bewertung der unfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit einfließen und begründend für einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Verletztenrente sein könnten.
Soweit diese Beurteilung des Sachverhalts eine medizinische ist, stützt sich der Senat zuvörderst auf das bei dem Facharzt für HNO-Heilkunde Dr. M eingeholte, auf einer ambulanten Untersuchung der Klägerin vom 8. Dezember 2022 beruhende und am 31. Dezember 2022 erstellte Sachverständigengutachten. Darin hat Dr. M ausgeführt, dass sich nach den Befunden der Universitäts-HNO-Klinik in Deine Hyposmie, nicht aber eine Anosmie ergeben hat. Letztere sei vielmehr mit Sicherheit ausgeschlossen worden. Durch die angebotenen Duftstoffe habe eine Reaktion im Gehirn durch EEG-Elektroden abgeleitet werden können; dies wäre bei einem vollständigen Riechverlust unvorstellbar gewesen. Eine Wahrnehmung von olfaktorischen Reizstoffen im Sinne einer Ja/Nein-Antwort werde hierdurch belegt. Die bei der eigenen Untersuchung am 8. Dezember 2022 (einfacher Screeningtest, der die Mitarbeit des Probanden zwingend erfordert) gezeigte Verschlechterung des Ergebnisses im Riechtest sei nicht durch objektivierbare Befunde zu erklären, so dass eine Aggravation angenommen werden müsse. Die klinische Untersuchung der Nase am 8. Dezember 2022 inklusive einer Endoskopie, Sonografie und Rhinomanometrie habe keine eindeutigen Befunde gezeigt, die eine Riechstörung erklären könnten. Die Untersuchungen des Geschmackssinns am 8. Dezember 2022 habe eine regelrechte Wahrnehmung der vier Geschmacksqualitäten süß, sauer, salzig und bitter ergeben. Diese Befunde stünden in Übereinstimmung mit denjenigen der früher behandelnden Ärzte und Kliniken. Der von der Klägerin beklagte vollständige Geschmacksverlust lasse sich zu keinem Zeitpunkt nach dem Ereignis im November 2014 objektivieren. Bereits durch die Untersuchungen von Dr. G, C B, im Jahr 2015 sei ein vollständiger Verlust des Geschmackssinns mit den Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen worden. Vorschäden im Bereich der Nase würden zwar von der Klägerin nicht berichtet, seien aber durch die Angaben der behandelnden HNO-Ärztin, der Hausärztin und durch die radiologischen Befunde sowie die gutachterliche Untersuchung wahrscheinlich. Es sei eine Neigung zu Infekten der oberen Atemwege seit dem Jahr 1997 dokumentiert. Die MRT-Untersuchung aus dem Jahre 2016 habe eine geringe chronische Schleimhautschwellung paranasal ergeben und der für das SG tätige Gutachter habe im Jahr 2020 Hinweise für eine Schleimhauterkrankung in Nase und Nasennebenhöhlen (Rhinosinusitis) gesehen. Dies mache eine mögliche konkurrierende Ursache einer Störung des Geruchssinns sehr wahrscheinlich. Wie der Beratungsarzt der Beklagten Prof. Dr. D bereits ausführlich dargelegt habe, sei eine Rhinosinusitis die häufigste Ursache von Riechstörungen. Weiterhin hätten die in den Jahren 2015 und 2016 durchgeführten MRT-Untersuchungen keine Veränderungen der Größe der Riechkolben (links und rechts) der Klägerin gezeigt. Es seien zwar keine genaueren Volumenmessungen durchgeführt worden, jedoch sprächen diese Befunde deutlich gegen das Vorliegen eines vollständigen Riechverlustes, da es in der aktuellen HNO-Literatur immer deutlichere Hinweise für einen Zusammenhang zwischen dem Volumen der Riechkolben und dem (retronasalen) Riechvermögen gebe. Das Volumen der Riechkolben reduziere sich nach traumatischem Abriss der Riechfasern. Durch die lange Zeit nach dem Ereignis durchgeführten radiologischen bzw. MRT-Untersuchungen, die keine Volumenreduktion des Bulbus olfactorius gezeigt hätten, werde eine Anosmie noch unwahrscheinlicher gemacht.
Zu erwähnen sei auch der zeitliche Verlauf des Auftretens der Riechstörung. Die Klägerin habe den HNO-Ärzten und Gutachtern berichtet, dass sie die Riechstörung erstmals Ende Dezember 2014 bemerkt habe. Anfang des Jahres 2015 habe sie deswegen ihre HNO-Ärztin aufgesucht. Unfallbedingte Riechstörungen seien aber immer sofort nach dem Unfall vorhanden, denn die pathophysiologische Grundlage dieser Riechstörungen sei ein traumatisches Abscheren (Zerreißen) der Riechfasern vom Riechepithel zum Riechkolben. Empirische Untersuchungen hätten gezeigt, dass je geringer das Trauma gewesen sei, desto eher die Riechstörungen bemerkt würden. Da hier den Befunden der erstbehandelnden Ärzte und Kliniken nach wahrscheinlich ein vergleichsweise geringes Kopfanpralltrauma vorgelegen habe, sei eine Latenz von mehr als einem Monat bis zum Bemerken der Riechstörung ungewöhnlich. Dies gelte umso mehr, als dass das Riechvermögen der Klägerin in ihrem früheren Beruf nach eigenen Angaben eine wichtige Rolle gespielt habe und aus diesem Grund wahrscheinlich sei, dass ein funktionierender Geruchssinn für die Klägerin auch im Alltag eine gewisse Relevanz gehabt haben dürfte. Zudem habe die Klägerin nach dem Unfall minutiös jede Befindlichkeitsstörung dokumentiert und der Beklagten, den behandelnden Ärzten und auch den Gerichten mitgeteilt. Demnach spreche der Zeitablauf zwischen dem Unfall und dem ersten Bemerken der Riechstörung gegen einen Wahrscheinlichkeitszusammenhang zwischen dem Ereignis vom 19. November 2014 und der zu diagnostizierenden Hyposmie.
Der Senat schließt sich der Beurteilung des Sachverständigen Dr. M sowohl im Hinblick auf die durch ihn gestellte Diagnose einer Hyposmie als auch hinsichtlich des von ihm verneinten Wahrscheinlichkeitszusammenhangs mit dem Unfallgeschehen vom 19. November 2014 an. Sein nach wissenschaftlichen Maßstäben erstelltes Gutachten beruht auf einer umfassenden und lückenlosen Anamnese, aus der er nachvollziehbare und gut begründete Schlüsse zieht. Eigene, subjektive Angaben der Klägerin hinterfragt er kritisch und überprüft sie gründlich auf ihre Validität und Objektivierbarkeit. Vor diesem Hintergrund vermag das Gutachten des Sachverständigen Dr. M den Senat einschränkungslos zu überzeugen.
Die Beurteilung durch den Sachverständigen Dr. M steht in Übereinstimmung mit den Bewertungen der behandelnden HNO-Ärzte Dr. F und Dr. G sowie den Ärzten der HNO-Universitätskliniken in B und D. Vollständige Übereinstimmung besteht weiterhin mit den Wertungen des Beratungsarztes Prof. Dr. D. Seine Aussagen und Wertungen sind in ihrem fachlichen Inhalt und in ihrer präzisen Formulierung maßstabbildend.
Der Wertung des erstinstanzlich tätigen Sachverständigen Prof. Dr. E konnte sich der Senat indes nicht anschließen. Bereits der Beratungsarzt Prof. Dr. D hat die teilweise widersprüchliche und nicht nachvollziehbare Argumentation von Prof. Dr. E überzeugend widerlegt. In seiner Stellungnahme vom 04. November 2020 hat Prof. Dr. D zutreffend darauf hingewiesen, dass die von Prof. Dr. E erhobene Anamnese der Klägerin lückenhaft ist. Es fehlen insbesondere die für ein chemosensorisches Gutachten zwingend erforderlichen Fragen nach dem Zeitpunkt bzw. der Situation des Bemerkens der beklagten Riechstörung, nach begleitenden Phänomenen wie Phantosmien und Parosmien und ebenso nach Riechstörungen temporärer oder länger persistierender Natur. Auch Fragen nach einer anterioren und/oder posterioren Nasensekretion, einer Nasenatmungsbehinderung, Gesichtsschmerz und Riechstörung, das heißt eine gezielte Abfrage der Kardinalsymptome einer Rhinosinusitis bzw. nach der Häufigkeit und Dauer der Atemwegsinfektionen der Klägerin finden sich in dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. E nicht. Im Hinblick auf diese wichtigen konkurrierenden Vorerkrankungen bzw. Ursachen der geklagten Riechstörungen hat Prof. Dr. E keine weiteren Nachforschungen angestellt. Weitere wichtige unfallunabhängige Vordiagnosen und Vorerkrankungen, wie etwa eine subarachnoidale Blutung im Jahr 2005, Migräne, eine akute Sinusitis maxillaris und eine Cephalgie erwähnt Prof. Dr. E in seinem Gutachten zwar, zweifelt die Diagnosen dann aber an und schenkt ihnen in seiner Beurteilung zu Unrecht keine besondere Beachtung. Den MRT-Befund vom 9. März 2016, in dem eine geringe chronische Schleimhautschwellung in den Nasennebenhöhlen als Hinweis auf eine Rhinosinusitis beschrieben wurde, lässt Prof. Dr. E ebenfalls unbeachtet. Gleiches gilt für den Umstand, dass die Klägerin bereits am Tag der Aufnahme in das Klinikum F in B keine neurologischen Auffälligkeiten zeigte und ihre vegetative Symptomatik bereits am vierten Tag nach dem Unfall fast vollständig verschwunden war. Ebenso wenig erwähnt Prof. Dr. E, dass die Klägerin bereits Jahre zuvor unfallunabhängig im Krankenhaus wegen Kopfschmerzen behandelt worden war. Diese erheblichen Auslassungen im Gutachten von Prof. Dr. E bzw. in der von ihm erhobenen Anamnese schmälern die Überzeugungskraft seines Gutachtens in entscheidender Weise. Ferner weist Prof. Dr. D in seiner Stellungnahme zutreffend darauf hin, dass die eigene Untersuchung durch Prof. Dr. E den Verdacht auf das Vorliegen einer chronisch rezidivierenden Rhinosinusitis bei der Klägerin erhärtet habe bzw. hätte erhärten müssen. So spreche ein Hinterwandecho in der Sonografie sehr deutlich dafür, dass sich in der Kieferhöhle der Klägerin entweder eine Schleimhautschwellung und/oder eine Schleimansammlung im Sinne einer Sinusitis maxillaris befunden habe. Nicht zuletzt trifft der von Prof. Dr. D gegen das Gutachten von Prof. Dr. E erhobene Einwand zu, dass das bei seiner Begutachtung angewandte Testverfahren zur Riechprüfung selbst zusammengestellt und nicht validiert sei. Sein Vorgehen entspreche nicht den Empfehlungen der HNO-Fachgesellschaft und sei aufgrund seiner fehlenden Aussagekraft auch nicht indiziert. Mit anderen Worten lasse die am 20. März 2020 durchgeführte Geruchsprobe keinerlei Rückschlüsse auf das Riechvermögen der Klägerin zu. Prof. Dr. E unterlasse es zudem – so Prof. Dr. D weiter -, die Ergebnisse der durch die schwankenden Angaben der Klägerin bestimmten psychophysischen Riechtestung (subjektive Olfaktometrie) zu validieren und differenzialdiagnostisch abzugleichen. Er hätte sich hier mit der Möglichkeit einer Verdeutlichungstendenz bzw. Aggravation auseinandersetzen müssen. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung dessen, dass Prof. Dr. E selbst auf deutlich variierende und widersprüchliche Angaben der Klägerin hingewiesen hat. Nicht in seine Bewertung einfließen lässt Prof. Dr. E ferner den Umstand, dass eine erneute Verschlechterung Jahre nach dem Unfallereignis vom 19. November 2014 für posttraumatische Riechstörungen untypisch ist und sehr deutlich auf konkurrierende Ursachen hinweist. Der Senat hält die gegen das Gutachten von Prof. Dr. E in der Summe anzuführenden Kritikpunkte für so gewichtig, dass er ihm keine Überzeugungskraft zubilligen kann.
Hingegen erachtet er die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 20. März 2023 gegen das Gutachten von Dr. M vorgebrachten Kritikpunkte im Wesentlichen für nicht substantiiert, so dass sie nicht geeignet sind, die Überzeugung des Senats von seinen gutachterlichen Feststellungen zu entkräften. Soweit die Klägerin vorgebracht hat, der durchgangsärztlich erhobene Befund und derjenige, der bei der Behandlung im Klinikum F erhoben worden sei, seien durch Dr. M unzutreffend gewürdigt und weitere biographische Daten und Details in der Anamnese seien durch Dr. M teilweise nicht ganz zutreffend wiedergegeben worden, kann der Senat wesentliche Ungenauigkeiten, die sich auf die Entscheidungsfindung des Sachverständigen hätten auswirken können, nicht feststellen. Abweichungen in der Formulierung bei der Wiedergabe einzelner Befunde stellen entgegen der Annahme der Klägerin keine Unrichtigkeit dar, sondern eine Varianz in der Ausdruckweise. In der Tat ist es im Gutachten von Dr. M ganz vereinzelt zu Ungenauigkeiten bei der Wiedergabe von Daten gekommen, etwa bei der Angabe des Zeitraums der stationären Behandlung der Klägerin vom 4. Mai 2005 bis zum 10. Mai 2005 im H Klinikum B wegen einer Subarachnoidalblutung, Kopfschmerzen und einer Migräne. Hieraus ergeben sich jedoch keine grundsätzlichen Zweifel an der Genauigkeit der Arbeit des Sachverständigen und an der Überzeugungskraft seiner Argumente. Zu keiner abweichenden Bewertung im Hinblick auf die gutachterlichen Feststellungen führt auch der Umstand, dass die Klägerin aus einzelnen Untersuchungsergebnissen andere Schlussfolgerungen zieht als der Sachverständige. Während der Sachverständige qua seiner medizinischen Expertise neutral urteilt, erschließen sich dem Senat die Erkenntnisquellen der medizinisch nicht erkennbar vorgebildeten Klägerin nicht. Überdies kann ganz allgemein in eigener Sache gerade von keiner gesteigerten Urteilsfähigkeit – insbesondere auch bei zu stellenden ärztlichen Diagnosen und zum Wahrscheinlichkeitszusammenhang in Kausalitätsfragen - ausgegangen werden. Unzutreffend ist schließlich die Folgerung der Klägerin, Dr. M habe die bei ihr zu stellende Diagnose einer posttraumatischen Riechstörung ohne weitere Begründung abgelehnt. Die oben wiedergegebene Fülle der von ihm genannten Argumente nimmt diesem Einwand jede Substanz.
Lässt sich mithin bei der Klägerin neben folgenlos abgeheilten Gesundheitsstörungen keine (weitere) Folge des Unfallgeschehens vom 19. November 2014 hinreichend wahrscheinlich machen, so lässt sich auch keine ggf. verletztenrentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit begründen. Es kommt mithin nicht darauf an, ob Störungen des Riechvermögens der Klägerin zu einer besonderen beruflichen Betroffenheit führen können. Der Senat sieht sich hier allerdings zu dem Hinweis veranlasst, dass die frühere Tätigkeit der Klägerin im Lebensmittelbereich zum Unfallzeitpunkt bereits aufgegeben war und die Klägerin zum Unfallzeitpunkt als Bibliotheksmitarbeiterin tätig war, also in einem Beruf, in dem gesteigerte Anforderungen an das Riech- und Geschmacksvermögen nicht erkennbar sind.
Nach alledem war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis der Hauptsache.
Die Revision war nicht nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen. Die dort für eine Zulassung bezeichneten Gründe liegen hier nicht vor.