S 1 KA 25/09

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
1.
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 KA 25/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 1/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 14/12 B
Datum
Kategorie
Urteil

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kläger zu 1) und 2) tragen die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1).

III. Der Streitwert wird auf 593.026,-- EUR festgesetzt.

 

T a t b e s t a n d :


Streitig ist zwischen den Beteiligten ein Anspruch auf Nachfolgezulassung im Verfahren nach § 103 Abs. 4 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V).

Die Zulassung des Herrn Dr. med. Dr. med. habil.  D., -Gastroenterologie, Planungsbereich A-Stadt Stadt und Landkreis, endete am 02.05.2009 durch Tod. Der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hatte für diesen Planungsbereich für die Fachgruppe der fachärztlich tätigen en zuletzt mit Beschluss vom 03.06.2009 Zulassungsbeschränkungen angeordnet.

Im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens nach § 103 Abs. 4 SGB V bewarben sich für die Nachfolge auf diesen Praxissitz die Klägerin zu 1) mit Formantrag vom 22.07.2009. Nach Übernahme dieses Vertragsarztsitzes sollte der Beigeladene zu 2) mit einem Tätigkeitsumfang von 40 Wochenstunden angestellt werden.
Ferner bewarben sich unter anderem die Beigeladenen zu 1) und 3) als Nachfolger auf den ausgeschriebenen Vertragsarztsitz.

Mit Bescheid des Zulassungsausschusses Ärzte - O. - (ZA) vom 21.08.2009 (Beschluss: 05.08.2009) wurde der Beigeladene zu 1) als Praxisnachfolger von Herrn
Dr. T. ausgewählt.
Zur Begründung führte der ZA aus, dass der verstorbene Vertragsarzt die Schwerpunktbezeichnung Gastroenterologie mit entsprechender Ausrichtung seiner Praxis geführt habe. Von allen Antragstellern werde diese Schwerpunktbezeichnung lediglich von den Beigeladenen zu 1) und 2) geführt. Insofern seien beide Bewerber als gleich qualifiziert anzusehen und das Auswahlkriterium der beruflichen Eignung daher nicht zugunsten eines von beiden dieser beiden Bewerber zu berücksichtigen. Bei der Auswahlentscheidung habe jedoch überwogen, dass der Beigeladene zu 1) über das längere Approbationsalter und somit die längere berufliche Erfahrung verfüge. Hinzu käme, dass der Beigeladene zu 1) bereits seit 11 Monaten als Vertreter in der Praxis des Abgebers tätig gewesen sei und der Beigeladene beabsichtige, die Praxis des Abgebers in seiner Gesamtheit, also auch die Räumlichkeiten zu übernehmen, so dass das bisherige Patientenklientel weiter versorgt werden könne. Bei der Auswahl zwischen diesen beiden Bewerbern gewichte der ZA das höhere Approbationsalter und die längere Dauer der ärztlichen Tätigkeit, somit die größere Berufserfahrung des Beigeladenen zu 1) als auch die seit mehreren Monaten andauernde Vertretertätigkeit in der Praxis des verstorbenen Vertragsarztes stärker.

Dagegen hat der Kläger zu 1) am 10.09.2009 und die Kläger zu 2) am 02.09.2009 Widerspruch beim Berufungsausschuss für Ärzte - B. - (BA) eingelegt.
Die Auswahlentscheidung des ZA sei rechtswidrig, weil dieser fehlerhaft verkannt habe, dass nicht der Beigeladene zu 1) sondern der Beigeladene zu 2) der geeignetste Bewerber für die Fortführung der Praxis von Herrn Dr. T. sei. Bezüglich der Vertretungstätigkeit sei der Beigeladene zu 1) seinen Verpflichtungen als Praxisvertreter nur unzureichend nachgekommen, habe insbesondere die Praxis über mehrere Wochen geschlossen, ohne dies mit den Erben von Herrn Dr. T. und der Beigeladenen zu 4) abzustimmen. Die Kläger zu 2) hätten daher die Praxisvertretung gekündigt. Stattdessen habe die Beigeladene zu 4) mit Bescheid vom 20.08.2009 die Praxisvertretung durch den Beigeladenen zu 2) und den ärztlichen Leiter des Klägers zu 1) genehmigt.

Der Beigeladene zu 3) hat seinen zunächst eingelegten Widerspruch zurückgenommen.

Der BA wies die Widersprüche mit Bescheiden vom 11.12.2009 (Beschluss: 19.11.2009; Az.: ; 180/09) als unbegründet zurück.
Die Auswahlentscheidung des ZA sei nicht zu beanstanden. Die Ankündigung der Kläger zu 2), sich weder aktuell noch künftig mit dem aus Gremiensicht geeignetsten Nachfolgerkandidaten definitiv nicht einigen zu wollen, sei kein Grund sachlicher oder rechtlicher Art, den Beigeladenen zu 1) nicht auszuwählen.

Dagegen haben der Kläger zu 1) (Az.: S 1 KA 25/09) und die Klägerin zu 2)
(Az.: S 1 KA 26/09) am 22.12.2009 Klage zum Sozialgericht (SG) Nürnberg erhoben.
Mit Beschluss des SG Nürnberg vom 29.07.2010 wurden beide Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und unter dem Az. S 1 KA 25/09 fortgeführt.

Der Beigeladene zu 2) habe seinen Anstellungsvertrag beim Kläger zwar gekündigt, so dass eine Anstellungsgenehmigung zum 30.06.2010 gemäß dem Beschluss des ZA vom 19.05.2010 zum 30.06.2010 geendet habe. Als Nachfolger habe der ZA die Anstellung von Herrn Dr. P. mit Wirkung zum 01.07.2010 genehmigt. Die Weiterbetreibung der Praxis von Herrn Dr. T. in den bisherigen Praxisräumlichkeiten sei jedoch daran gescheitert, dass der Vermieter dieser Räume, Herr Dr. V., sich geweigert habe, einen Mietvertrag abzuschließen. Es verbleibe aber dabei, dass Herr Dr. P. die vertragsärztliche Tätigkeit von Herrn Dr. T. als Nachfolger von Herrn Dr. I. weiter fortführen solle. Dieser habe die Approbation am 06.08.1970, die Anerkennung als am 19.01.1977 erhalten und führe die Schwerpunktbezeichnung als Gastroenterologe seit dem 15.03.1977.
Ein Austausch des Beigeladenen zu 2) durch Herrn Dr. P. sei gesetzlich nicht ausgeschlossen. Vielmehr gewähre § 103 Abs. 4 a Satz 2 SGB V einem MVZ, wie dem des Klägers zu 1) das Recht, eine Vertragsarztpraxis in der Form weiterzuführen, dass es den Vertragsarztsitz übernehme und die vertragsärztliche Tätigkeit durch einen angestellten Arzt des MVZ fortführe. Es könne dem Kläger zu 1) daher nicht verwehrt werden, vor der bestandskräftigen Nachbesetzungsentscheidung den für die Fortführung der vertragsärztlichen Tätigkeit vorgesehenen angestellten Arzt auszutauschen.
Einer Auswahl von Herrn Dr. P. als Praxisnachfolger stünden auch nicht die Interessen des Abgebers bzw. seiner Erben entgegen. Eine Einigung zwischen dem Praxisabgeber bzw. seinen Erben und dem Praxisübernehmer sei hier Grundvoraussetzung für eine Praxisnachfolge gemäß § 103 Abs. 4, 4 a SGB V. Das durch eine langjährige Tätigkeit erworbene und gefestigte Eigentum an der Praxis habe Eigentumswert im Sinne des Art. 14 des Grundgesetzes (GG), so dass der Wunsch der Klägerin zu 2) durch die Auswahlgremien zu Unrecht nicht berücksichtigt worden sei.

Der Kläger zu 1) beantragt,
1. den Beklagten unter Aufhebung des am 11.12.2009 ausgefertigten Beschlusses des Beklagten vom 19.11.2009 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 16.12.2009 zu verurteilen, die Übernahme des Vertragsarztsitzes von Herrn Dr. Dr.  D. durch die MVZ des Klägers sowie die Weiterführung der vertragsärztlichen Tätigkeit durch Herrn Dr. P. P. als angestellten Arzt im MVZ des Klägers zu genehmigen;
2. für den Fall, dass dem Antrag zu 1. stattgegeben wird:
den Beklagten zu verurteilen, die Angestelltentätigkeit von Frau Dr. F. und Herrn Dr. P. P. im MVZ des Klägers jeweils mit 40 Wochenstunden zu genehmigen;
3. für den Fall, dass dem Antrag zu 1. nicht stattgegeben wird:
unter Aufhebung des am 11.12.2009 ausgefertigten Beschlusses des Beklagten vom 19.11.2009 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 16.12.2009 den Beklagten zu verurteilen, über den Widerspruch des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden;
4. dem Beklagten die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klägers aufzuerlegen und die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für notwendig zu erklären.

Die Klägerin zu 2) beantragt,
1. den Beklagten unter Aufhebung des am 11.12.2009 ausgefertigten Beschlusses des Beklagten vom 19.11.2009 in der Fassung des Berichtungsbeschlusses vom 16.12.2009 zu verurteilen, die Übernahme des Vertragsarztsitzes von Herrn
Dr. Dr  D. durch das , Ärztlicher Leiter: M. , A-Stadt, sowie die Weiterführung der vertragsärztlichen Tätigkeit durch Herrn Dr. P. P. als angestellten Arzt im zu genehmigen;
2. für den Fall, dass dem Antrag zu 1. nicht stattgegeben wird:
unter Aufhebung des am 11.12.2009 ausgefertigten Beschlusses des Beklagten vom 19.11.2009 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 16.12.2009 den Beklagten zu verurteilen, über den Widerspruch der Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden;
3. für den Fall, dass dem Antrag zu 1. und dem Antrag zu 2. nicht stattgegeben wird:
den am 11.12.2009 ausgefertigten Beschluss des Beklagten vom 19.11.2009 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 16.12.2009 aufzuheben und festzustellen, dass sich das Nachbesetzungsverfahren für den Vertragsarztsitz von Herrn Dr. Dr.  D. erledigt hat;
4. für den Fall dass dem Antrag zu 1., dem Antrag zu 2. und dem Antrag zu 3. nicht stattgegeben wird:
unter Aufhebung des am 11.12.2009 ausgefertigten Beschlusses des Beklagten vom 19.11.2009 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 16.12.2009 den Beklagten zu verurteilen, Herrn Dr. G. unter der Bedingung zur Fortführung der Praxis von Herrn Dr. Dr.  D. zuzulassen, dass sich Herr Dr. G. mit der Klägerin zivilrechtlich über eine Praxisübernahme einigt;
5. dem Beklagten die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Kläger aufzuerlegen und die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Mit Beiladungsbeschluss vom 10.02.2010 wurden Herr Dr. G., Herr
Dr. I., Herr Dr. J., die Kassenärztliche Vereinigung B.s, die AOK B., der Landesverband der Betriebskrankenkassen in B., die S. IKK, der Funktionelle Landesverband der Landwirtschaftlichen Krankenkassen und Pflegekassen in B., der Verband der Ersatzkassen e. V. und die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See zum Verfahren vor dem SG Nürnberg beigeladen.

Der Beigeladene zu 1) beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Beigeladene zu 2) sei nicht mehr für den Kläger tätig, habe sich anderweitig beruflich orientiert und sei zwischenzeitlich am Klinikum in Ob. im Bereich Gastroenterologie als Chefarzt tätig.
Er sei daher aus dem Bewerbungsverfahren somit zwischenzeitlich ausgeschieden, so dass der Beigeladene zu 1) als einzig übriggebliebener Bewerber noch vorhanden sei.

Die übrigen Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

In der mündlichen Verhandlung vor dem SG Nürnberg vom 29.07.2010 hat der Bevollmächtigte der Klägerin zu 2) erklärt, dass die Praxis von Herrn Dr. T. aufgrund des Auslaufens des Mietvertrages zum 31.12.2009 komplett geräumt wurde. Der privatärztliche Teil dieser Praxis sei zwischenzeitlich an den Kläger zu 1) übertragen worden. In den Praxisräumen befänden sich keine Gegenstände mehr. Die Klägerin zu 2) wolle weiterhin keinen Vertrag mit dem Beigeladenen zu 1) schließen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG Nürnberg vom 06.12.2010 hat der Bevollmächtigte der Klägerin zu 2) ergänzend erklärt, dass er den Vertrag, in dem der privatärztliche Teil der Praxis ganz verkauft wurde, nicht vorlegen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und der Prozessakte des SG Nürnberg, insbesondere auf das Vorbringen der Beteiligten in den eingereichten Schriftsätzen, Bezug genommen.

 


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :


Die form- und fristgerecht (§§ 90, 92, 87 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz = SGG) zum sachlich und örtlich zuständigen SG Nürnberg (§§ 51 Abs. 1 Nr. 5, 57 a Abs. 1, 10
Abs. 2 SGG i. V. m. § 3 Abs. 2 der Verordnung über die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit in B. - BayRS-33-A -) erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) ist unzulässig geworden. Gegenstand der Klage in der streitbefangenen Zulassungssache sind dabei nicht die ursprünglichen Verwaltungsakte des ZA vom 21.08.2009 (Beschlüsse: 05.08.2009), sondern allein die Bescheide des BA vom 11.12.2009 (Beschluss: 19.11.2009; Az.: und 180/09), denn mit der Anrufung des BA nach § 96 Abs. 4 SGB V wird ein besonderes, der organisatorischen Eigenständigkeit des Zulassungs- und Berufungsausschusses entsprechendes Verfahren eingeleitet, das nicht mit dem Widerspruchsverfahren nach § 78 ff SGG identisch ist (vgl. dazu BSG in SozR 1500 § 96 Nr. 32, Seite 42; BSGE 62, 24, 32; BSG vom 27.01.1993
- 6 RKa 40/91 -). Das SG Nürnberg hat deshalb über die Zulassungssache in der Gestalt zu entscheiden, die sie im Bescheid des BA gefunden hat.

Rechtsgrundlage für die vom Kläger zu 1) angefochtene Entscheidung des BA vom 11.12.2009 (Beschluss: 19.11.2009; Az.: ) ist § 103 Abs. 4 SGB V. Danach wird, wenn die Zulassung eines Vertragsarztes endet - wie im vorliegenden Fall - auf Antrag der frei gewordene Vertragsarztsitz durch die Beigeladene zu 4) ausgeschrieben (a. a. O. Sätze 1 und 2). Dann erfolgen die Auswahl und Zulassung eines Bewerbers durch den ZA; unter mehreren Bewerbern, die die ausgeschriebene Praxis als Nachfolger des bisherigen Vertragsarztes fortführen wollen, hat der ZA den Nachfolger nach pflichtgemäßem Ermessen auszuwählen. Bei der Auswahl der Bewerber sind die berufliche Eignung, das Approbationsalter und die Dauer der ärztlichen Tätigkeit zu berücksichtigen, ferner, ob der Bewerber der Ehegatte, ein Kind, ein angestellter Arzt des bisherigen Vertragsarztes oder ein Vertragsarzt ist, mit dem die Praxis bisher gemeinschaftlich ausgeübt wurde (a. a. O. Absatz 4, Sätze 3 bis 5; vgl. BSG vom 29.09.1998 - B 6 KA 1/99 R).

Als Praxisnachfolger kann sich nach § 103 Abs. 4 a Satz 5 SGB V auch ein medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) wie der Kläger zu 1) bewerben. Dabei ist jedoch - wie im vorliegenden Fall geschehen - ein konkreter angestellter Arzt als Praxisnachfolger - vorliegend der Beigeladene zu 2) - zu benennen, denn nur eine natürliche Person kann sich der Auswahl hinsichtlich beruflicher Eignung, Approbationsalter und Dauer der ärztlichen Tätigkeit im Rahmen des § 103 Abs. 4 Sätze 3 bis 5 SGB V stellen, nicht jedoch eine juristische Person, wie ein MVZ. Streitgegenstand der Auswahl der Zulassungsgremienverfahren nach § 103 Abs. 4 Satz 3 SGB V bildet nämlich allein die Entscheidung, einen bestimmten Arzt zuzulassen (vgl. BSG vom 05.11.2003 - B 6 KA 11/03 R). Dies folgt bereits aus der Natur der Sache, denn mit der Zulassung der MVZ zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung wollte der Gesetzgeber in erster Linie die Berufschancen für Mediziner mit Hilfe von Anstellungen in einem MVZ verbessern. Sinn des § 103 Abs. 4 a Satz 5 SGB V war es jedoch nicht, das Auswahlverfahren nach § 103 Abs. 4 SGB V zu verändern, denn die Bestimmungen über das Auswahlverfahren nach § 103 Abs. 4 SGB V, in dessen Rahmen eine natürliche Person als Praxisnachfolger zugelassen werden sollte, ist unverändert geblieben.

Im Verlaufe des sozialgerichtlichen Verfahrens hat der Beigeladene zu 2) jedoch eine andere Tätigkeit als Chefarzt aufgenommen, die eine weitere Tätigkeit als angestellter Arzt beim Kläger zu 1) nicht mehr zuließ. Streitgegenstand eines Auswahlverfahrens nach § 103 Abs. 4 Satz 3 SGB V ist aber der Anspruch auf fehlerfreie Entscheidung über die Zulassung eines bestimmten Arztes. Wird dieses Recht verletzt, kann der zunächst unterlegene Kandidat eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung zumindestens dann beanspruchen, wenn seine Auswahl noch möglich erscheint (vgl. Bundesverfassungsgericht, Kammerentscheidung, in DVBl 2002, Seite 633, 634). Nachdem eine Auswahl des Beigeladenen zu 2) als Praxisnachfolger von Herrn Dr. T. nach dem Eintritt einer Chefarztstelle im Krankenhaus nicht mehr möglich war, konnte der Beigeladene zu 2) im Verlaufe des sozialgerichtlichen Verfahrens auch nicht durch einen anderen angestellten Arzt des Klägers zu 1) ersetzt werden, denn dabei handelte es sich um einen Bewerber, dessen Bewerbung nach Schluss der von der Beigeladenen zu 4) gesetzten Bewerbungsfrist und nach Abgabe der Bewerbungsunterlagen an die Zulassungsgremien eingegangen war. Die Berücksichtigung verspäteter Bewerber wäre nur dann im Rahmen der Auswahlentscheidung der Zulassungsgremien nach § 103 Abs. 4 SGB V ermessensfehlerfrei, wenn allein der verspätete Bewerber berücksichtigungsfähig ist, weil kein anderer Bewerber vorhanden, zulassungsfähig oder fortführungswillig ist. Daneben setzt die Berücksichtigung sowohl einen Eingang der verspäteten Bewerbung noch vor Abgabe des Verfahrens an den Zulassungsausschuss (= Versand der Bewerberliste, Beginn der Verhandlungsphase) und zunächst das Einverständnis der Abgeberseite voraus. So liegt der Fall hier jedoch nicht, denn Dr. P. wurde erst im Verlaufe des sozialgerichtlichen Verfahrens, also nach Abgabe der Bewerberliste an die Zulassungsgremien als Nachfolger in das Auswahlverfahren eingeführt. Entgegen der Auffassung des Klägers zu 1) kann allein aus der Bestimmung des § 103 Abs. 4 a Satz 5 SGB V daher kein Anspruch auf einen möglichen Austausch von angestellten Ärzten im Bewerberverfahren nach § 103 Abs. 4 Satz 3 SGB V abgeleitet werden, weil die Chancengleichheit im Auswahlverfahren widersprechen würde (vgl. dazu BayLSG vom 23.04.2008 - L 12 KA 443/07).

Mit dem Ausscheiden des Beigeladenen zu 2) aus dem Kreise der Bewerber für die Praxisnachfolge von Herrn Dr. T. ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach alledem unzulässig geworden, weil der Kläger zu 1) durch die Entscheidung des BA nicht mehr beschwert sein kann und somit die Klagebefugnis nach § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG entfallen ist.

Unzulässig ist aber auch die Klage der Kläger zu 2) geworden.
Im Zeitpunkt des Todes von Herrn Dr. T. war eine fortzuführende Praxis tatsächlich vorhanden, so dass die Kläger zu 2) den Antrag auf Nachbesetzung gemäß § 103 Abs. 4 Satz 1 SGB V stellen durften. Mit der vollständigen Räumung der Praxis und der Überführung der gesamten Praxiseinrichtung einschließlich der Patientenkartei und der technischen Geräte, die zwischenzeitlich erfolgte, war jedoch keine veräußerungsfähige vertragsärztliche Praxis mehr vorhanden, die von einem anderen Vertragsarzt hätte fortgeführt werden können: Die Praxisräume waren nicht mehr vorhanden, die medizinisch-technische Infrastruktur, Möbel und Patientenunterlagen waren entfernt. Es ist dabei ohne rechtliche Bedeutung, ob nur - nach dem Vorbringen des Bevollmächtigten der Kläger zu 2) - der privatärztliche Praxisanteil veräußert wurde. Zwar sind die wirtschaftlichen Interessen der Erben von gewissem Belang, wie § 103 Abs. 4 Satz 6 SGB V zeigt, wonach die wirtschaftlichen Interessen des ausscheidenden Vertragsarztes oder seiner Erben nur insoweit zu berücksichtigen sind, als der Kaufpreis die Höhe des Verkehrswertes der Praxis nicht übersteigt. Hieraus folgt aber gerade nicht, dass die Erben - wie hier die Kläger zu 2) - durch verfrühten Vertragsschluss mit einem Mitbewerber die Entscheidung der Zulassungsgremien geradezu präjudizieren dürften, denn dies würde der strikten Trennung zwischen privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Seite der Praxisnachfolge zuwiderlaufen (vgl. LSG P-Stadt-Brandenburg vom 03.12.2008 - L 7 KA 65/08). Im Übrigen kann nach Auffassung der Kammer keine Trennung zwischen privatärztlicher und vertragsärztlicher Praxis im Rahmen der Praxisnachfolge erfolgen, da beide Patientengruppen grundsätzlich in denselben Räumen und mit denselben ärztlichen Geräten und medizinischen Einrichtungen versorgt werden. Eine von einem Nachfolger fortführungsfähige Praxis setzt vielmehr den Besitz bzw. Mitbesitz von Praxisräumen, die Ankündigung von Sprechzeiten, die tatsächliche Entfaltung einer ärztlichen Tätigkeit unter den üblichen Bedingungen sowie das Bestehen der für die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit im jeweiligen Fachgebiet erforderlichen Infrastruktur in apparativ-technischer Hinsicht voraus (vgl. die ständige Rechtsprechung des BSG, z. B. BSG vom 29.09.1999 - B 6 KA 1/99 R). Verlieren die Erben - wie die Kläger zu 2) - jedoch durch vertragliche Regelungen die Verfügungsbefugnis über eine Praxis, können sie im Nachbesetzungsverfahren keine eigenen Rechte mehr verfolgen. Ihre Klage wird unzulässig, weil sie durch die Entscheidung der Zulassungsgremien nicht mehr beschwert sein können (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die Klagen waren deshalb als unzulässig abzuweisen.

Gehören in einem Rechtszug - wie im vorliegende Fall - weder die Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen, werden nach § 197 a SGG Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben. Die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sind entsprechend anzuwenden. Im vorliegenden Fall waren danach den Klägern zu 1) und 2) nach § 154 Abs. 1 VwGO als den unterliegenden Teilen die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1) aufzuerlegen.

Da Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreites die Zulassung eines bestimmten Arztes im Verfahren nach § 103 Abs. 4 Satz 3 SGB V (vgl. BSG vom 05.11.2003 - B 6 KA 11/03 R), finden bezüglich des Streitwertes in Zulassungssachen nach § 197 a Abs. 1 SGG ebenfalls die Vorschriften des GKG Anwendung. Nach § 52 Abs. 1 Satz 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit der Streitwert nach der für die Kläger sich ergebenen Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Dabei ist der Streitwert in der Regel in Höhe der Einnahmen anzusetzen, den der zuzulassende Vertragsarzt im Falle seiner Zulassung innerhalb der nächsten drei Jahre hätte erzielen können (vgl. BSG vom 01.09.2005 - B 6 KA 41/04 R), wobei die erzielbaren Einkünfte um die durchschnittlichen Praxiskosten zu vermindern sind (BSG vom 07.01.1998 in MDR 1998, Seite 186). Kann nicht auf eigene Umsatzzahlen des Praxisnachfolgers zurückgegriffen werden, ist auf den durchschnittlichen Umsatz abzustellen. Nach der Umsatzstatistik für en erzielten diese im Jahre 2008 - neuere Zahlen liegen der Kammer nicht vor - durchschnittliche Honorarumsätze in Höhe von 438.279 EUR. Abzüglich der durchschnittlichen Betriebskosten in Höhe von 55 %, also in Höhe von 241.603,45 EUR, errechnet sich ein Einnahmeüberschuss in Höhe von 197.675,55 EUR. Bezogen auf einen Zeitraum von drei Jahren ergibt sich damit ein Betrag in Höhe von gerundet 593.026 EUR, der hier als Streitwert festzusetzen war.

 

 

 

 

 

 

 

 

Rechtskraft
Aus
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