Art. 7 Abs. 1 Buchst a) RL 2004/38/EG statuiert nach ihrem Wortlaut („Arbeitnehmer oder Selbständiger im Aufnahmemitgliedstaat“) ein einer Beschäftigung im Aufnahmestaat nachgehendes unionsrechtliches Freizügig-keitsrecht. Hiervon ausgehend kann die Beschäftigung im europäischen Ausland vor Eintritt der Arbeitslosigkeit keinen (nachwirkendenden) Arbeitnehmerstatus in Deutschland i.S.v. Art 7 Abs. 3 der Richtlinie begründen.
Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. April 2023 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Der Antrag, den Antragstellerinnen Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu gewähren und Rechtsanwalt R1 beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Antragstellerinnen begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Monat April 2023 zu gewähren.
Die 1977 geborene Antragstellerin Ziff. 1 und ihre mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebende, 2011 geborene Tochter (Antragstellerin Ziff. 2) sind belgische Staatsangehörige. Die Antragstellerin Ziff. 1 übte nach ihren Angaben im Verwaltungsverfahren bis Oktober 2022 eine Erwerbstätigkeit an einer Schule in D1 (Frankreich) aus. Derzeit absolviert sie einen Deutschkurs an der Volkshochschule. Die Antragstellerin Ziff. 2 besucht seit 2021 eine Schule in D1.
Die Antragstellerinnen wohnen seit dem 03.09.2021 in einem Haushalt mit dem Ehepaar D2 und E1 in L1. Die Kosten der Unterkunft belaufen sich laut dem Untermietvertrag auf 500,- € monatlich (400,- € Grundmiete zuzüglich 50,- € Nebenkosten und 50,- € Heizkosten).
Erstmals am 03.12.2021 beantragte die Antragstellerin Ziff. 1 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bei dem Antragsgegner (ausweislich eines Telefonvermerks vom 03.12.2021 „wegen Umzugs nach Deutschland“). Mangels Vorlage der vollständigen Antragsunterlagen versagte der Antragsgegner die Leistungen ab Dezember 2021 mit Bescheid vom 28.01.2022. Im weiteren Verlauf gewährte der Antragsgegner den Antragstellerinnen für die Zeit vom 01.03.2022 bis 28.02.2023 (Bescheide vom 09.05.2022 und 18.07.2022) vorläufig aufgrund schwankenden Erwerbseinkommens Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von insgesamt monatlich zuletzt 700,24 € (vgl. Änderungsbescheid vom 17.12.2022). Auf Nachfragen des Antragsgegners, warum sich aus den vorgelegten Kontoauszügen weder Überweisungen noch Barabhebungen in Höhe der angegebenen Miete entnehmen ließen, teilte die Antragstellerin Ziff. 1 mit, sie habe bisher für D2 und E1 Einkäufe getätigt, getankt und Bargeld übergeben, bis die 500,- € erreicht worden seien. Ab März 2023 werde sie einen Dauerauftrag von ihrem Girokonto einrichten.
Am 13.01.2023 beantragte die Antragstellerin Ziff. 1 die Weiterbewilligung der Leistungen für die Zeit ab dem 01.03.2023. Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 21.03.2023 unter Hinweis auf den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ab.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 31.03.2023 zurück. Zur Begründung führte er aus, die Antragstellerin Ziff. 1 sei in der Bundesrepublik Deutschland bislang nicht beschäftigt. Die vorangegangene Beschäftigung in Frankreich sei für den Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II insoweit ohne Bedeutung. Dies bedeute, dass für die Antragstellerin Ziff. 1 derzeit kein Arbeitnehmerstatus vorliege. Sie könne ihr Aufenthaltsrecht allenfalls noch nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a Freizügigkeitsgesetz/EU auf den Zweck der Arbeitssuche stützen und sei deshalb vom Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2b SGB II betroffen.
Am 05.04.2023 hat der Bevollmächtigte der Antragstellerinnen beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) die Verpflichtung des Antragsgegners zur Bewilligung und Gewährung der den Antragstellerinnen für den Monat April 2023 zustehenden Leistungen nach dem SGB II im Wege der einstweiligen Anordnung beantragt. Zur Begründung hat er vorgetragen, der Antragsgegner habe den Antragstellerinnen in der Vergangenheit Leistungen erbracht. Soweit er sich nunmehr auf den Ausschlussgrund nach § 7 SGB II berufe, lägen dessen Voraussetzungen nicht vor. Der Anordnungsgrund ergebe sich daraus, dass die Antragstellerinnen überwiegend mittellos seien und nicht mehr über ausreichende finanzielle Mittel verfügen. Die Sache sei somit äußerst eilbedürftig. Auf ihrem Bankkonto befänden sich kaum noch liquide Barmittel. Hierzu hat der Bevollmächtigte der Antragstellerinnen Kontoauszüge der Antragstellerin Ziff. 1 bis zum 21.03.2023 vorgelegt. Soweit ihr am 01.03.2023 1.000,00 € zugewendet worden seien, handele es sich um ein privates Darlehen der Antragstellerin Ziff. 1 bei Herrn E2. Andernfalls hätten sich die Antragstellerinnen nicht alimentieren können.
Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegengetreten. Seiner Ansicht nach fehle es unter Wiederholung der Ausführungen im Widerspruchsbescheid an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs.
Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 14.04.2023 abgelehnt. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass jedenfalls ein Anordnungsgrund, nämlich die besondere Dringlichkeit des einstweiligen Rechtsschutzbegehrens, nicht glaubhaft gemacht sei. Es fehle an einer akuten finanziellen Notlage, die eine sofortige gerichtliche Entscheidung erfordere. Die Antragstellerinnen hätten nicht dargetan, dass sie den geltend gemachten Bedarf für den Monat April 2023 nicht aus eigenen finanziellen Mitteln decken könnten. Dabei sei zunächst zu beachten, dass der Antragstellerin Ziff. 1 am 01.03.2023 1.000 € seitens des Bruders ihres Vermieters, E2, zugewendet worden seien. Zwar sei dieser Betrag unabhängig davon, dass er seitens der kontoführenden Bank zum Ausgleich des seinerzeit im Soll befindlichen Kontos verbucht worden sei, durch die nachfolgenden Buchungen ausweislich der Kontobewegungen bis zum 21.03.2023 vollständig aufgezehrt worden, so dass nicht davon auszugehen sei, dass dieser Betrag gegenwärtig noch als bereites Mittel zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stehe. Dem Vorbringen der Antragstellerinnen lasse sich aber nicht entnehmen, dass Dritte, insbesondere Herr E2, nicht bereit wären, ebenfalls darlehensweise zum Zwecke der Vorfinanzierung der allein für den Monat April 2023 begehrten Leistungen weitere finanzielle Unterstützungsleistungen zu erbringen. Hinsichtlich der begehrten Verpflichtung des Antragsgegners hinsichtlich der Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung fehle es an substantiiertem und nachvollziehbarem Vortrag, dass konkret eine zeitnahe Wohnungs- und Obdachlosigkeit drohe. Es sei schon zweifelhaft, ob überhaupt ein Mietrückstand für April 2023 bestehe, geschweige denn eine (fristlose) Kündigung seitens des Vermieters bei bestehendem Mietrückstand überhaupt nur in Aussicht gestellt worden wäre.
Zur Begründung der am 02.05.2023 zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhobenen Beschwerde tragen die Antragstellerinnen vor, das SG habe die Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Bedürftigkeit überspannt. Vielmehr sei mit den erstinstanzlich vorgelegten Schriftstücken hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerinnen nicht nur materiell bedürftig seien, sondern in ganz besonderem Maße auf die darauf angewiesen, dass ihnen Leistungen ab März 2023 zugesprochen würden. Die Antragstellerinnen könnten nicht darauf verwiesen werden, sich die zur Existenzsicherung notwendigen Mittel gewissermaßen „anderweitig zu beschaffen“. Insbesondere könne ihnen nicht entgegengehalten werden, dass sie privat Zuwendungen Dritter, etwa in Form von privaten Darlehen annehmen müssten, bevor sie das Sozialgericht anrufen dürften. Soweit das SG darauf abgehoben habe, dass die aktuelle finanzielle Notlage nicht glaubhaft gemacht worden wäre, werde auf die beigefügten Kontoauszüge verwiesen. Es sei richtig, dass die Antragstellerin zu 1 bisher nicht in Deutschland gearbeitet habe, sondern in Frankreich und davor in Belgien. Aber deshalb bezahle der Antragsgegner der Antragstellerin Ziff. 1 den Deutschkurs, damit sie dann in Deutschland arbeiten könne. Für den Deutschkurs habe sie aufgehört, in Frankreich zu arbeiten und habe deshalb auch nur einen provisorischen Arbeitsvertrag gehabt. Sie wolle die Frage aufwerfen, warum ihr auf der einen Seite der Deutschkurs bezahlt werde und sie auf der anderen Seite nicht finanziell unterstützt werde. Sofern das SG darauf abstelle, dass eine zeitnahe Wohnungs- und Obdachlosigkeit nicht drohe, berühre dies jedenfalls die Zusprechung des Regelbedarfs gerade nicht.
Im Beschwerdeverfahren hat die Antragstellerin Ziff. 1 Kontoauszüge für den Zeitraum 01.03.2023 bis 19.06.2023 vorgelegt. Aus diesen ergeben sich Gutschriften am 01.03.2023 (1000 €, E2 „Spaeztl leihe“), 03.03.2023, 05.04.2023, 04.05.2023, 05.06.2023 (jeweils 250 € Kindergeld), 16.03.2023 (96,75 €, B1, Krankenversicherung), 21.03.2023 (96,75 €, M1, Krankenversicherung), 17.04.2023 (500 €, Privatkredit D3), 15.05.2023 (300 € Bareinzahlung) und 14.06.2023 (200 € Bareinzahlung) bei einem Endsaldo von -901,25 € sowie einem Startsaldo von -925,92 €). Abbuchungen erfolgen für Einkäufe des täglichen Bedarfs (z.B. Aldi, Rossmann, Tankstelle); Mietzahlungen sind nicht ersichtlich.
Die anwaltlich vertretenen Antragstellerinnen beantragen (wörtlich),
den Antragsgegner unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die ihnen für den Monat April 2023 zustehenden Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen und zu erbringen, insbesondere den Regelbedarf, die Zuschüsse zu der Krankenversicherung sowie anteilig die Bedarfe für Unterkunft und Heizung, ferner,
ihnen für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf die den Beschluss des SG tragenden Gründe sowie auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 31.03.2023. Er hat ergänzend Auszüge aus den „Fachlichen Hinweisen“ zu § 7 SGB II übersandt, aus denen hervorgehe, dass für die Antragstellerin Ziff. 1 kein Arbeitnehmerstatus vorliege (Rn 7.13 „Tätigkeit im Ausland“ und 7.36a „Ausländer im deutschen Grenzbereich“). Es treffe im Übrigen nicht zu, dass er der Antragstellerin Ziff. 1 den Deutschkurs bezahle, damit diese in Deutschland arbeiten könne. Sie werde lediglich derzeit von der Arbeitsvermittlung der Bundesagentur für Arbeit betreut und absolviere bis 31.12.2023 einen Deutschkurs.
II.
Die nach § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Das SG hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt, in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Beschlusses zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die Beurteilung des Sachverhalts dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die - näher dargelegten - Voraussetzungen des § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG nicht erfüllt sind. Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung weitgehend an, sieht deshalb gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG von einer weiteren Darstellung der Gründe ab und weist die Beschwerde insoweit aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Die Antragstellerinnen haben auch im Beschwerdeverfahren nicht glaubhaft gemacht, dass sie einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund für die vorläufige Gewährung von Leistungen haben.
Dies gilt zunächst und insbesondere hinsichtlich der Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung der Kosten für Unterkunft und Heizung. Ausweislich der im Beschwerdeverfahren vorgelegten weiteren Kontoauszüge scheint der zunächst anlässlich der entsprechenden Nachfragen des Antragsgegners eingerichtete Dauerauftrag wieder gekündigt worden zu sein. Abbuchungen von Mietzahlungen sind nicht ersichtlich. Die Antragstellerin Ziff. 1 hat auch nicht vorgetragen, dass die bisherige Regelung, wonach sie die Miete gewissermaßen „abarbeiten“ kann, nicht mehr gelten sollte. Vielmehr fehlt es weiterhin an jeglichem Vortrag betreffend eine konkret drohende Gefährdung der Unterkunft der Antragstellerinnen. Dies scheint im Übrigen auch weitgehend von den Antragstellerinnen akzeptiert zu sein, nachdem der Bevollmächtigte im Beschwerdeverfahren betont hat, es gehe den Antragstellerinnen in erster Linie um die Regelleistung.
Selbst wenn man insoweit – anders als das SG und auch ohne das Vorliegen schriftlicher Nachweise hinsichtlich der angegebenen Privatdarlehen und insbesondere deren Rückzahlungsmodalitäten – annehmen würde, dass die Antragstellerinnen nicht auf die Inanspruchnahme von darlehensweisen Zuwendungen Bekannter verwiesen werden können und sie jedenfalls hinsichtlich der Regelleistung einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hätten, fehlt es dennoch an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs.
Leistungen nach dem SGB II erhalten Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Ausgenommen vom Leistungsbezug sind u.a. Ausländerinnen und Ausländer, die kein Aufenthaltsrecht haben (§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 a SGB II) oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen (§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 b SGB II). Da die Antragstellerin Ziff. 1 derzeit keine Beschäftigung ausübt, ist sie keine Arbeitnehmerin i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU), so dass sie - mangels anderer Freizügigkeitsberechtigung - ihr Aufenthaltsrecht allenfalls allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ableitet mit der Folge des Leistungsschlusses des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II. Der Begriff des Arbeitnehmers ist ebenso wie die Bestimmungen betreffend den Erhalt der Arbeitnehmereigenschaft in § 2 FreizügG/EU europarechtlich geprägt. Die Vorschriften dienen der Umsetzung von Art. 7 der Richtlinie (RL) 2004/38/EG (vgl. Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018, § 2 FreizügG/EU Rn 103; siehe auch BT-Drs 16/5065, S 208). Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst a) RL 2004/38/EG hat jeder Unionsbürger das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er Arbeitnehmer oder Selbstständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist. Für die Zwecke des Abs. 1 Buchst a) bleibt nach Art 7 Abs. 3 RL 2004/38/EG die Erwerbstätigeneigenschaft dem Unionsbürger, der seine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbstständiger nicht mehr ausübt, (u.a.) erhalten, wenn er wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist (Buchst a)), er sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung stellt (Buchst b)), sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung stellt - in diesem Fall bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten aufrechterhalten - (Buchst c)) oder er eine Berufsausbildung beginnt, wobei dabei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren (Buchst d)). Die RL statuiert nach ihrem Wortlaut („Arbeitnehmer oder Selbständiger im Aufnahmemitgliedstaat“) ein einer Beschäftigung im Aufnahmestaat nachgehendes unionsrechtliches Freizügigkeitsrecht. Legt man auf dieser Grundlage auch § 2 Abs. 3 Nr. 2 FreizügG/EU dahingehend aus, dass die Beschäftigung vor dem Eintritt der Arbeitslosigkeit im Aufnahmestaat bestanden haben muss, kann der Antragstellerin Ziff. 1 mangels Beschäftigungsverhältnisses in Deutschland auch kein (nachwirkendender) Arbeitnehmerstatus in Deutschland zukommen – denn ihre Beschäftigung hat sie in Frankreich ausgeübt. Zweck der Vorschrift ist es, einem bereits hinreichend in den Arbeitsmarkt integrierten Arbeitnehmer das Freizügigkeitsrecht zu erhalten (Hailbronner in ders., Ausländerrecht, III., Stand April 2023, Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft, Rn. 128 im Zusammenhang mit der Frage, ob die einjährige Beschäftigungsdauer im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 2 FreizG/EU ununterbrochen gewesen sein muss). Der Senat versteht diese integrationsorientierte Zwecksetzung dahingehend, dass auch insoweit nur die Integration in den Arbeitsmarkt des Aufnahmestaats gemeint sein kann. Von einer Integration in den deutschen Arbeitsmarkt kann jedoch bei einer Vorbeschäftigung in Frankreich nicht die Rede sein. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses auch nicht unfreiwillig im Sinne der genannten Vorschrift sein dürfte. Die Antragstellerin Ziff. 1 hat nämlich vorgetragen, dass sie an einem Deutschkurs teilnehmen wollte und daher die Beschäftigung in Frankreich nicht mehr ausüben konnte. Sie hat damit aus eigenem Entschluss und in ihrer Person liegenden Gründen ihre Tätigkeit in Frankreich aufgegeben. Dafür, dass die Teilnahme an einem Integrationskurs ihr etwa vom Jobcenter vorgegeben wäre oder ohnehin der Arbeitgeber das Beschäftigungsverhältnis bereits gekündigt hätte, ist nichts ersichtlich. Der Antragsgegner hat dem vielmehr zuletzt ausdrücklich widersprochen.
Die Antragstellerinnen können ihren Anspruch auch nicht auf § 7 Abs. 4 Satz 4 SGB II stützen, da ein fünfjähriger ständiger Aufenthalt im Bundesgebiet nicht glaubhaft gemacht worden ist. Gleiches gilt hinsichtlich eines Daueraufenthaltsrechts gemäß § 4a Abs. 1 FreizügG/EU, welches ebenfalls einen ständigen, rechtmäßigen Aufenthalt seit fünf Jahren im Bundesgebiet voraussetzt. Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen des § 4a Abs. 2 FreizügG/EU vorliegen, wodurch die Antragstellerin Ziff. 1 bereits nach drei Jahren eine Daueraufenthaltsrecht begründet haben könnte, liegen ebenfalls nicht vor. Nachdem die Antragstellerin Ziff. 2 und Tochter der Antragstellerin Ziff. 1 nicht in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in Frankreich die Schule besucht, kommt auch ein über das Recht der Teilnahme am allgemeinen Unterricht (Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011 vermitteltes materielles Aufenthaltsrecht für die betreuende Mutter nicht in Betracht (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 09.03.2022 - B 7 /14 AS 30/21 R -, juris Rn. 19). Im Übrigen knüpft ein solches Recht an den Arbeitnehmerstatus eines Elternteils an und reicht nur zeitlich über die Beschäftigung hinaus (BSG, Urteil vom 27.01.2021 - B 14 AS 25/20 R -, juris Rn.17); an einem solchen fehlt es wie bereits dargelegt bei der Antragstellerin Ziff. 1 im Aufnahmestaat.
Der Anwendung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a) und b) SGB II stehen weder das Recht der Europäischen Union noch Verfassungsrecht entgegen. Die Ausschlussregelungen sind europarechtskonform (BSG, Urteil vom 17.03.2016 - B 4 AS 32/15 R - juris Rn. 16 m.w.N.; BSG, Urteil vom 30.08.2017 - B 14 AS 31/16 R - juris Rn. 27 m.w.N.), denn den EU-Mitgliedstaaten steht das Recht zu, die Gewährung von Geldleistungen im Sinne des Art. 3 Abs. 3 i.V.m. Art 70 der Verordnung (EG) Nr 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 ("besondere beitragsunabhängige Geldleistungen") und Sozialhilfeleistungen im Sinne von Art. 24 Abs. 2 Freizügigkeitsrichtlinie von einem bestehenden Aufenthaltsrecht, das nicht auf Arbeitsuche beruht, abhängig zu machen (BSG, Urteil vom 29.03.2022 - B 4 AS 2/21 R -, juris Rn. 45; EuGH vom 11.11.2014 - C-333/13 - D4 - SozR 4-6065 Art. 4 Nr. 3 - juris Rn. 69 ff; EuGH vom 15.09.2015 - C-67/14 - Alimanovic - SozR 4-4200 § 7 Nr. 49 - juris Rn. 49 f., 57 f; EuGH vom 25.2.2016 - C-299/14 - G1, juris Rn. 38 f.; vgl. auch EuGH vom 15.07.2021 - C-709/20 - juris Rn. 74 ff.).
Der vorliegend einschlägige Leistungsausschluss verletzt die Antragstellerinnen auch nicht in ihrem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Der Gesetzgeber muss Unionsbürgern ohne ein Aufenthaltsrecht oder lediglich mit einem Aufenthaltsrecht, das sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, jedenfalls dann keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einräumen, wenn ihnen eine Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere eine Rückkehr in ihr Heimatland, möglich und zumutbar ist (BSG, Urteil vom 29.03.2022 - B 4 AS 2/21 R -, juris Rn. 35 mit umfassenden weiteren Nachweisen, u.a. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.06.2015 - L 1 AS 2338/15 ER-B -, juris Rn. 39). Gegenteiliges ist vorliegend weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Verfassung gebietet nicht die Gewährung voraussetzungsloser Sozialleistungen. Der Gesetzgeber darf Unionsbürger grundsätzlich darauf verweisen, die erforderlichen Existenzsicherungsleistungen durch die Inanspruchnahme von Sozialleistungen im Heimatstaat als Ausprägung der eigenverantwortlichen Selbsthilfe zu realisieren (BSG, a.a.O., juris Rn. 36, 38).
Die Antragstellerinnen haben schließlich auch keinen Anspruch auf Zuerkennung von Überbrückungsleistungen nach § 23 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) oder Rückreisekosten nach § 23 Abs. 3a SGB XII im Wege der einstweiligen Anordnung. Entsprechende Leistungen im Sinne einer Überbrückung des Zeitraums bis zu einer Ausreise haben die Antragstellerinnen nicht beantragt. Sie haben vielmehr klar zum Ausdruck gebracht, dass sie in der Bundesrepublik Deutschland bleiben und nicht ausreisen wollen. Daher war eine Beiladung des Sozialhilfeträgers jedenfalls im vorliegenden Eilverfahren nicht angezeigt (zur Einordnung der Überbrückungsleistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 3 bis 6 SGB XII als aliud und eigenständiger Streitgegenstand gegenüber den Leistungen nach dem SGB II, vgl. Senatsbeschluss vom 31.01.2019 - L 9 AS 197/19 ER-B, n.v.; Hessisches LSG, Beschluss vom 09.02.2023 - L 7 AS 447/22 B ER -, juris Rn. 24; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.10.2021 - L 12 AS 1004/20 -, juris Rn. 77 ff. jeweils m.w.N.).
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Mangels Erfolgsaussicht kommt auch die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht in Betracht (§ 73 a SGG, §§ 114 ff. Zivilprozessordnung).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).