L 9 AS 2756/23 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AS 1649/23 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 2756/23 ER-B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Ungeachtet der Tatsache, dass der Bundesagentur für Arbeit als zuständigem Rehabilitationsträger die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs obliegt, verbleibt die Entscheidungsbefugnis über die Leistungen, die für behinderte erwerbsfähige Hilfebedürftige erbracht werden, bei den Jobcentern.
2. Die Beurteilung der Eignung betrifft sowohl die körperliche als auch die geistige Leistungsfähigkeit für die angestrebte Maßnahme und die spätere berufliche Tätigkeit und umfasst eine prognostische Komponente, die der vollständigen gerichtlichen Überprüfung unterliegt.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 8. September 2023 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.



Gründe

I.

Streitig ist die Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.

Der 1989 geborene Antragsteller leidet seit seiner Schulzeit an psychischen Gesundheitsbeeinträchtigungen, die seine Konzentrationsfähigkeit, Stimmung und Antrieb herabsetzen (Aufmerksamkeits-Defizit-Symptomatik, massive Schlafstörungen, Antriebslosigkeit, fehlende Selbststrukturierung). Dennoch gelang es ihm, die Schule mit dem Abitur abzuschließen. Ein im Jahr 2009 begonnenes Studium der Elektrotechnik am K1 in K2 brach er 2011 nach vier Semestern gesundheitsbedingt ab.  Auch ein in den Jahren 2013 bis 2015 in S1 aufgenommenes VWL-Studium musste der Antragsteller aus gesundheitlichen Gründen abbrechen, ebenso scheiterte ein weiterer Studienversuch ab 2018 in L2 (Finanzdienstleistungen) nach zwei Semestern. Nach den Angaben des Antragstellers im Rahmen psychologischer Begutachtungen scheiterte er jeweils aufgrund fehlender Selbststrukturierung und fehlenden Antriebs. An Prüfungen nahm er nicht teil. Maßnahmen zur Feststellung der beruflichen Leistungsfähigkeit, u.a. von September 2020 bis Dezember 2020 („First Step“) ergaben keine ausreichende Belastbarkeit, um eine berufliche Rehabilitation erfolgreich durchlaufen zu können. Auch mit der Alltagsbewältigung war der Antragsteller zeitweise überfordert (z.B. Telefonieren, Termine wahrnehmen, auf Post reagieren).

Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Baden-Württemberg hatte auf Veranlassung des Antragsgegners mit gutachterlicher Stellungnahme nach § 44a Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), § 109a Abs. 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) vom 01.10.2021 festgestellt, dass der Antragsteller (zumindest) seit dem 03.03.2021 bis voraussichtlich 30.06.2023 voll erwerbsgemindert war und ergänzend darauf hingewiesen, dass mangels Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen kein Rentenanspruch bestand. Versuche des Antragsgegners, den Antragsteller zur Beantragung vorrangiger Leistungen beim Sozialhilfeträger zu veranlassen, führten jedoch ausweislich des Akteninhalts nicht zu einem Trägerwechsel. Der Antragsteller bezog (mit zwischenzeitlicher Unterbrechung) jedenfalls seit September 2022 weiterhin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Vom Ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit M1 wurde ihm im Rahmen mehrfacher psychologischer Begutachtungen bei insgesamt relativ hohem kognitivem Leistungsniveau eine psychische Behinderung mit der Notwendigkeit der Prüfung rehaspezifischer Hilfen bescheinigt (vgl. nur die psychologischen Gutachten vom 18.02.2020, 08.12.2021, 30.05.2023 sowie die sozialmedizinischen gutachterlichen Stellungnahmen vom 11.12.2019, 03.03.2021, 17.03.2022. Ausweislich der agenturärztlichen Stellungnahme vom 17.03.2022 bestand eine geminderte seelisch-psychische Belastbarkeit bei chronisch entzündlicher Erkrankung des Darmes (medikamentös eingestellt) mit (wieder) vollschichtiger Leistungsfähigkeit für körperliche mittelschwere Tätigkeiten ohne besonderen psychischen Stress. Auszuschließen seien konstant hoher Zeitdruck und hoher Funktionsdruck, konstant hohe Anforderungen an das Konzentrations- und Ausdauervermögen, besondere Anforderungen an das Anpassungs- und Umstellungsvermögen, komplexe Lenkungs-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten und besondere Anforderungen an die sozialen Kompetenzen. Es wurde eine Stabilisierung durch berufsqualifizierende Maßnahmen und die Prüfung einer Ausbildung im Rahmen einer LTA-Maßnahme empfohlen.

Vom 12.09.2022 bis 04.10.2022 und 24.10. bis 28.10.2022 absolvierte der Kläger ein Reha-Assessment zur Eignungsabklärung und Belastungserprobung im Berufsförderungswerk H1/SRH. Ausweislich des Ergebnisberichts vom 25.11.2022 habe sich nach Grunderprobung, psychologischer Eignungstestung und Facherprobung gezeigt, dass der Antragsteller über ein hohes intellektuelles Potenzial verfüge und fast alle Aufgabenstellungen mit guten Ergebnissen und Arbeitstempo bearbeitet habe. Von Seiten der Fachdienste seien Reha- und Integrationsfähigkeit bestätigt worden. Der Antragsteller interessiere sich für den Studiengang BWL-Financial Management an der SRH-Hochschule und habe sich hierüber umfassend informiert. Für ein Studium sei er geeignet, in einer herkömmlichen (kaufmännischen) Bildungsmaßnahme ggf. sogar unterfordert. Aus Sicht aller Fachdienste sei es erforderlich, dass eine Umschulung im BFW-Rahmen erfolge.

Mit Teilhabeplan nach § 19 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) vom 18.04.2023 wurde von der Bundesagentur für Arbeit (BA) als Rehabilitationsbedarf eine geminderte Teilhabe am Arbeitsleben wegen psychischer Minderbelastbarkeit mit umfassenden Einschränkungen bezeichnet und die Teilhabeziele der Eingliederung in eine behinderungsgerechte Beschäftigung nach dem erfolgreichen Abschluss eines Studiums mit den Hilfen einer rehaspezifischen Einrichtung (Maßnahme Studium im Studiengang Betriebswirtschaftslehre im Berufsförderungswerk H1 <SRH>, Leistungsträger Jobcenter M1) benannt.

Mit internem Vermerk vom 26.04.2023 („Rückmeldung Teilhabeplan an Rehabilitationsträger BA“) vertrat der Antragsgegner die Auffassung, dass dem Teilhabeplan vom 18.04.2023 von Seiten des Jobcenters als Leistungsträger nicht zugestimmt werden könne und die Übernahme der Kosten für ein dreijähriges BWL-Studium an der SRH im BFW-Rahmen und somit im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben abgelehnt werde. Das Ärztliche Gutachten vom 17.03.2022 schließe berufliche Tätigkeiten und/oder eine berufliche Ausbildung aus, bei denen von einem konstant hohen Zeitdruck und Funktionsdruck auszugehen sei bzw. die besondere Anforderungen an Konzentrations- und Ausdauervermögen, an das Anpassungs- und Umstellungsvermögen und an die sozialen Kompetenzen stellten. Ein langjähriges Studium erscheine daher wenig erfolgversprechend. Dem Lebenslauf sei auch zu entnehmen, dass der Kunde bereits vier Studiengänge nicht zum Abschluss gebracht habe, was ein Hinweis darauf sei, dass das Ausdauervermögen für ein dreijähriges Studium nicht ausreichend sei.

Mit Schreiben vom 02.05.2023 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass er beabsichtige, ein aktuelles ärztliches Gutachten (mit gezielter Fragestellung hinsichtlich des Studienwunschs) sowie ein psychologisches Leistungsprofil durch seine Fachdienste zu beauftragen. Im Rahmen einer psychologischen Begutachtung durch die L1 (Gutachten vom 30.05.2023) sah diese ein Interesse an Wirtschaftsfragen und die Motivation für ein Studium als gegeben an. Intellektuell stelle sich der Antragsteller als eingeschränkt geeignet dar. Den ersten Teil eines studienfeldbezogenen Tests für Wirtschaftswissenschaften habe er abgebrochen und darauf verwiesen, dass ihm schulisches Vorwissen dafür fehle. Den zweiten Testteil (Interpretation von Diagrammen und Tabellen) habe er mit leicht überdurchschnittlichem Erfolg geschafft. Durch den Abbruch fehle dem Antragsteller ein wesentlicher Aufgabenteil, der zur Vorhersage eines Studienerfolges gebraucht werde. Ggf. könne der Antragsteller den abgebrochenen Testteil nach Besuch eines Vorbereitungskurses für Studierende wiederholen, so dass die Bewältigung von studienfachspezifischen Denkanforderungen erneut getestet werden könne. Der Antragsteller habe zwar nach seiner Selbsteinschätzung über eine psychische Stabilisierung berichtet, insoweit fehle es jedoch an aussagekräftigen Unterlagen des behandelnden Arztes, um diese Selbsteinschätzung validieren zu können. Inwieweit die berichtete psychische Stabilisierung tragfähig sei, könne - auch im Hinblick auf die teilweise abgebrochene Testung wegen Konfrontation mit Themen, für die er keinen Lösungsansatz gehabt habe - nicht endgültig vorausgesagt werden. Aufgrund der Krankheitsvorgeschichte bestehe weiter eine Wahrscheinlichkeit, dass durch die Anforderungen, die ein Studium mit sich bringe, die psychische Stabilität wieder reduziert werden könne.

Nach nochmaliger Auswertung der medizinischen Unterlagen und Rückfrage bei der DRV lehnte der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller mit Bescheid vom 22.06.2023 eine Förderung im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 117 Abs. 1 Satz 2 SGB II ab. Ausweislich der gutachterlichen Stellungnahme der DRV BW vom 01.10.2021 sei volle Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI festgestellt worden. Die mit dem Reha-Träger Agentur für Arbeit M1 vereinbarten Teilhabeziele (wie im Teilhabeplan nach § 19 SGB IX vom 19.04.2023 vorgesehen und ab dem 01.10.2023 geplant) seien die Eingliederung in eine behinderungsgerechte Beschäftigung nach einem erfolgreichen Abschluss eines Studiums mit den Hilfen einer rehaspezifischen Einrichtung. Die Erreichung dieses Zieles könne jedoch aufgrund des vorgenannten Umstandes nicht positiv prognostiziert werden.

Mit E-Mails vom 26.06. und 27.06.2023 sowie in einem Telefongespräch mit seiner persönlichen Ansprechpartnerin am 27.06.2023 machte der Antragsteller nicht nur deutlich, mit der getroffenen Entscheidung inhaltlich nicht einverstanden zu sein und strafrechtliche Konsequenzen sowie hohe Schadensersatzforderungen in Aussicht zu stellen, sondern formulierte auch persönliche Drohungen gegen Mitarbeiterinnen des Antragsgegners, u.a. wie folgt:

„ …. Kann ich Ihnen versichern, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jobcenters M1 in den nächsten Monaten und Jahren mit mir viel Spaß haben werden, denn die gerichtlichen Möglichkeiten, auch strafrechtlichen Möglichkeiten, gegen diese rechtswidrige Willkür vorzugehen, sind nahezu grenzenlos. Aber das werden die MitarbeiterIinnen des Jobcenters M1 schon bald merken, darauf gebe ich Ihnen mein Ehrenwort!“
„Aber mich wundert nicht, dass Sie solche Sicherheitsmaßnahmen überhaupt brauchen. Würden sich die MitarbeiterIinnen des Jobcenters an geltendes Rechthalten, dann wären die Kunden nicht geneigt, Ihren Laden abzufackeln. Die Wut der Kunden entsteht nämlich nicht durch die Ablehnung eines Antrags, sondern durch rechtswidrige Ablehnung von Anträgen. Denken Sie mal drüber nach!“
„Aber ist Ihnen auch mal in den Sinn gekommen, dass die Leute, die Ihnen was Böses wollen, Sie nicht im Büro angreifen, weil Sie den Alarmknopf haben und so ein unterbezahlter Bodyguard vor der Tür steht, sondern, dass die Leute warten, bis Sie allein auf der Straße sind und sich auf den Heimweg machen?“
„Sollte der Oktober näherkommen und es immer noch dabei bleiben, dass mein Reha-Studium rechtwidrig nicht bezahlt wird, dann werde ich von meinem Recht aus Art. 34 des Strafgesetzbuches Gebrauch machen! …. Sollte ich irgendwann an den Punkt kommen, dass mich die fehlende berufliche Zukunft und die rechtliche Auseinandersetzung mit Ihnen an den Rand des verkrafte baren bringt, dann werde ich an Sie denken, Frau     ! Es wäre besser, Sie würden dies zur Kenntnis nehmen!“
„Deshalb habe ich jetzt beschlossen, auch Sie bald in Genuss kommen zu lassen, wie es sich anfühlt, mit psychischen Belastungen Monate und Jahre leben zu müssen. Sie können sich schonmal darauf freuen, Frau     ! Ich habe darauf gehofft, dass man sich vielleicht ja doch an Recht und Gesetz hält, aber diese Hoffnung war leider vergebens. Daher ziehe ich jetzt andere Saiten auf, denn genug ist genug!“
„Sollte ich jedoch eines Tages aufgrund anhaltender Gerichtsprozesse wegen Ihrer Weigerung auf Bewilligung rechtmäßiger Ansprüche an den Rand des Verkraftbaren gelangen, dann werde ich an Sie all denken, denn ich werde, sollte es aufgrund ihrer strafbaren Rechtsverletzungen zu untragbaren seelischen Belastungen kommen, meine Reise nicht alleine antreten, darauf gebe ich Ihnen allen mein Ehrenwort“.

Die betroffenen Mitarbeiterinnen des Antragsgegners stellten Strafanzeige und veranlassten eine polizeiliche Gefährderansprache, die am 12.07.2023 stattfand. Ausweislich der entsprechenden Mitteilung der Polizei habe sich der Antragsteller hinsichtlich der Bedrohung uneinsichtig gezeigt, da er sich rechtlich sicher fühle. Ein aggressives Verhalten habe er nicht gezeigt.

In der Sache begründete der Antragsteller seinen Widerspruch vom 03.07.2023 dahingehend, dass die vom Antragsgegner herangezogene gutachterliche Stellungnahme der DRV eine volle Erwerbsminderung lediglich bis 30.06.2023 feststelle und stattdessen zahlreiche ärztliche Stellungnahmen vorlägen, aus denen eine volle Erwerbsfähigkeit hervorgehe. Insbesondere habe er an der SRH H1 eine vierwöchige Arbeits- und Belastungserprobung ohne einen einzigen Fehltag erfolgreich absolviert. Der Gutachter des ärztlichen Dienstes der Arbeitsagentur habe ihm im Gutachten vom 17.03.2022 eine uneingeschränkte vollschichtige Leistungsfähigkeit attestiert.

Im Rahmen einer vom Antragsgegner erneut veranlassten sozialmedizinischen gutachterlichen Stellungnahme des ärztlichen Dienstes der BA vom 13.07.2023 nebst ergänzender Stellungnahme vom 07.08.2023 vertrat H2 die Auffassung, dass der Antragsteller perspektivisch bei fortbestehenden psycho-mentalen Funktionseinschränkungen vollschichtig bzw. täglich sechs und mehr Stunden für Qualifizierungsmaßnahmen sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leistungsfähig sei. Zu vermeiden seien Tätigkeiten mit hohen psycho-mentalen und sozialen Belastungen, z. B. mit hohem Konfliktpotenzial, mit häufigem/ forderndem Publikumsverkehr; mit hoher Leitungs- und Organisationsverantwortung, Nacht- und Wechselschicht, hoher Zeit- und Funktionsdruck, z. B. durch Akkordarbeit, vermehrte Monotonie-Belastung und kognitive Unterforderung, z. B. durch Arbeit unter Fließband-Bedingungen. Aktuell bestehe ein Leistungsvermögen von täglich weniger als drei Stunden, das durch adäquate Abklärung und Behandlung potenziell innerhalb von sechs Monaten verbessert werden könne. Nachdem es aktuell zu einer Bedrohung von Mitarbeitern der Behörde gekommen sei, was absolut inakzeptabel und durch nichts zu rechtfertigen sei, erscheine zunächst eine konsequente und umfassende Aufarbeitung und Behandlung von psychomentalen Krankheitsanteilen mit uneingeschränkter Ausschöpfung der Behandlungsoptionen, weiter eine unabhängige fachpsychiatrische Begutachtung, insbesondere, um eine Fremdgefährdung auszuschließen. Die konkrete Frage, ob die Kompetenzen des Antragstellers für ein dreijähriges Studium ausreichend seien, beantwortete H2 dahingehend, dass insoweit von einer ausreichenden körperlichen und intellektuellen Leistungsfähigkeit ausgegangen werden könne. Allerdings bestünden Zweifel bezüglich einer ausreichenden und dauerhaften psycho-mentalen Stabilität, so dass zunächst die von ihm vorgeschlagenen Maßnahmen (psychotherapeutische Aufarbeitung und psychiatrische Begutachtung) abgewartet werden sollten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.08.2023 wies der Antragsgegner den Widerspruch zurück. Grundvoraussetzung für die Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sei das Vorliegen einer Behinderung oder einer drohenden Behinderung. Soweit diese Voraussetzungen erfüllt seien, erhielten erwerbsfähige Leistungsberechtigte den Status „Rehabilitand“ und Zugang zu den Teilhabeleistungen. Vorliegend fehle es an der Erwerbsfähigkeit des Antragstellers im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB II. Laut einer gutachterlichen Stellungnahme der DRV BW vom 01.10.2021 liege beim Antragsteller voraussichtlich bis zum 30.06.2023 eine volle Erwerbsminderung vor. Der Ärztliche Dienst der AA habe mit gutachterlicher Stellungnahme vom 07.08.2023 festgestellt, dass der Antragsteller voraussichtlich bis zu sechs Monaten erwerbsunfähig sei. Angesichts dessen fehle es gegenwärtig und auch am 02.10.2023 an der Erwerbsfähigkeit des Antragstellers.

Am 16.08.2023 hat sich der Antragsteller an das Sozialgericht Mannheim (SG) gewandt mit dem Begehren, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu einem dreijährigen Studiengang BWL-Financial Management an der SRH als Teilhabeleistung ab Oktober 2023 zuzulassen. Zur Begründung hat der Antragsteller nochmals auf die erfolgreich ohne Fehltag erfolgte Teilnahme an der vierwöchigen Arbeits- und Belastungserprobung an der SRH H1 hingewiesen, die jeweils um 8 Uhr morgens begonnen und um 16 Uhr nachmittags geendet habe. Die DRV habe volle Erwerbsminderung lediglich bis zum 30.06.2023 festgestellt. Danach liege wieder Erwerbsfähigkeit vor, was auch vom Ärztlichen Dienst der AA und seinem behandelnden Arzt so gesehen werde. Bis zum heutigen Tag habe der Antragsgegner im Übrigen trotz Feststellung der vollen Erwerbsminderung durch die DRV weiterhin Grundsicherung gewährt. Nachdem Mitarbeiterinnen des Antragsgegners ihn systematisch verächtlich gemacht und ihn der Begehung von Straftaten bezichtigt hätten, habe er nunmehr seinerseits Strafanzeige wegen falscher Verdächtigung gestellt. Eine einstweilige Anordnung sei dringend erforderlich, um seine Rechte zu wahren. Es sei beim Antragsgegner schon im März 2023 ein Antrag auf Bewilligung des Teilhabeplans der AA eingereicht worden, jedoch habe bis zum heutigen Tag keine abschließende Bearbeitung stattgefunden. Stattdessen habe man die Zeit lieber dafür genutzt, Straftaten zu begehen. Die Folgen, die es hätte, wenn er im Oktober nicht sein Rehabilitationsstudium beginnen könne, wären fatal. Er habe jahrelang unter Angstzuständen und Depressionen gelitten, ausgelöst durch massive Zukunftsängste und fehlende berufliche Perspektiven. Sowohl die DRV als auch sein behandelnder Arzt betonten ausdrücklich, welch immense stabilisierende Wirkung eine berufliche Tätigkeit auf den Gesundheitszustand einer Person habe. Selbst wenn er im Hauptsacheverfahren Recht bekäme, wäre diese Rechtsverletzung nicht mehr nachträglich zu ändern.

Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegengetreten und hat zur Begründung nochmals darauf verwiesen, dass der Antragsteller aus seiner Sicht und unter Hinweis auf die sozialmedizinische gutachterliche Stellungnahme vom 07.08.2023 derzeit nicht erwerbsfähig sei. Ferner sei bei Leistungen, die – wie vorliegende Teilhabeleistungen – als Ermessensleistungen erbracht würden, eine einstweilige Anordnung nur möglich, wenn allein eine bestimmte Entscheidung ermessensgerecht sein könne. Eine Ermessensreduzierung auf Null sei nicht glaubhaft gemacht. Es bestünden schon keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ausbildung im Rahmen eines dreijährigen Studiengans BWL-Financial Management an der SRH ab Oktober 2023 die naheliegendste oder gar einzige Maßnahme darstelle, mit der eine berufliche Eingliederung erreicht werden könne. Schließlich habe der Antragsteller per Mail am 24.08.2023 mitgeteilt, dass er den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zurückgenommen habe.

Die am 12.09.2023 beim SG erhobene Klage gegen den Bescheid vom 22.06.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.08.2023 erhobene Klage ist noch anhängig (S 11 AS 1817/23).

Mit Beschluss vom 08.09.2023 hat das SG den Eilantrag als unzulässig abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass der Antragsteller kein Rechtsschutzbedürfnis (mehr) habe geltend machen können. Ein solches sei nicht erkennbar, denn mit seiner E-Mail vom 24.08.2023 habe er seinen Antrag auf Teilhabeleistung zurückgenommen. Damit sei die Erledigung des Antrags eingetreten.

Mit beim SG am 26.09.2023 eingegangenem Schriftsatz vom 21.09.2023 hat der Antragsteller einen weiteren Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt (S 11 AS 1910/23 ER) und gleichzeitig Beschwerde gegen den am 12.09.2023 zugestellten Beschluss des SG vom 08.09.2023 zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Den weiteren Eilantrag hat das SG mit Beschluss vom 11.10.2023 wegen doppelter Rechtshängigkeit als unzulässig abgelehnt. Die begehrte Zulassung zu einem dreijährigen Studiengang BWS-Financial Management an der SRH nach den Vorschriften der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ab Oktober 2023 sei bereits Gegenstand des laufenden Beschwerdeverfahrens L 9 AS 2756/23 ER-B.

Zur Begründung der Beschwerde führt der Antragsteller aus, dass er am 21.09.2023 die Rücknahme seines Reha-Antrages bei der Agentur für Arbeit widerrufen habe. Somit habe der Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, den er am 04.08.2020 bei der Agentur für Arbeit gestellt habe, wieder Gültigkeit. Damit bestehe wieder ein Rechtsschutzinteresse. Der Gutachter des ärztlichen Dienstes der Arbeitsagentur habe ihm im Gutachten vom 17.03.2022 eine uneingeschränkte vollschichtige Leistungsfähigkeit attestiert, ebenso sein behandelnder Arzt und die Arbeitsbetreuer der SRH H1. Die Stellungnahme von H2, der ihm eine Erwerbsunfähigkeit unterstelle, sei unglaubwürdig, weil dieser ihm gegenüber aufgrund der strafbaren Fehlbehauptung, er habe Mitarbeiter des Antragsgegners bedroht, eindeutig feindselig eingestellt sei. Anders als der Antragsgegner meine, bestünden gesundheitliche Risiken nicht unabhängig davon, ob das Reha-Studium bewilligt würde oder nicht. Die psychische Belastung, die eine Ablehnung zur Folge habe, bestehe bei einer Bewilligung nicht. Der Senat möge zur Kenntnis nehmen, dass er - sollte eines seiner geschützten Rechtsgüter (hier Vermögen, Gesundheit und Rechtspflege) durch den Antragsgegner oder durch die Justiz verletzt werden und sollte es keine andere Möglichkeit geben, diese Verletzung zu verhindern - nicht davor zurückschrecken werde, die Verletzung seiner Rechtsgüter gewaltsam zu unterbinden, indem er gegen die Mitarbeiter des Jobcenters M1 und der Agentur für Arbeit M1 mit der für den Schutz seiner Rechtsgüter erforderlichen Gewalt vorgehen werde.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Beschluss des SG Mannheim vom 8. September 2023 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch Übernahme der Kosten für den zum nächstmöglichen Zeitpunkt beginnenden dreijährigen Reha-Studiengang BWL-Financial Management an der SRH H1 zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

            die Beschwerde zurückzuweisen

und verweist zur Begründung auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und ihren Vortrag in dem neu beim SG anhängig gemachten weiteren Eilverfahren.

Auf telefonische Nachfrage der Berichterstatterin hat der Antragsgegner mitgeteilt, dass der Antragsteller zwar einmal telefonisch nach dem Sachstand gefragt, nicht jedoch mitgeteilt habe, dass er das begehrte Studium zum 01.10.2023 tatsächlich aufgenommen hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten und des SG (S 11 AS 1817/23, S 11 AS 1910/23 ER) und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.


II.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des SG vom 08.09.2023 ist zulässig, insbesondere statthaft und frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 173, 172 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Nachdem der Antragsteller mit seinem Beschwerdeschriftsatz klargestellt hat, dass er - obwohl er mit E-Mail vom 24.08.2023 seinen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe zurückgenommen hat - weiterhin ein Reha-Studium BWL mit Schwerpunkt Financial Management an der SRH in H1 aufnehmen möchte, fehlt es (anders als noch das SG angenommen hat) nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Der Antragsteller ist auch nicht darauf zu verweisen, zunächst eine erneute Entscheidung des Antragsgegners abzuwarten. An der Sach- und Rechtslage hat sich seit der Ablehnungsentscheidung des Antragsgegners vom 22.06.2023 nichts geändert, so dass davon auszugehen ist, dass der Antragsteller auch den (erneuten) Antrag des Antragstellers ablehnen würde. Eine (rückwirkende) Zulassung zu dem bereits am 01.10.2023 begonnenen Reha-Studiengang dürfte nicht möglich sein. Der Senat legt das Begehren des Antragstellers daher meistbegünstigend dahingehend aus, dass er die Übernahme der Kosten für den begehrten Reha-Studiengang als Teilhabeleistung für den nächstmöglichen Zeitpunkt begehrt.

Dies zugrunde gelegt, hat die Beschwerde keinen Erfolg. Das SG hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs (d. h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie das Vorliegen des Anordnungsgrundes (d. h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen, § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun der überwiegenden Wahrscheinlichkeit, d. h. der guten Möglichkeit, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 128 Rn. 3d).

Eine einstweilige Anordnung darf grundsätzlich die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen. Eine Vorwegnahme der Hauptsache liegt dann vor, wenn eine begehrte Leistung aufgrund einer einstweiligen Anordnung erbracht wird und, für den Fall eines Unterliegens im anschließenden Hauptsacheverfahren, eine Rückabwicklung nicht oder nur eingeschränkt möglich ist. Das ist hier der Fall, weil der Antragsteller vom Antragsgegner die Bewilligung der Sachleistung Teilhabe am Arbeitsleben bezogen auf eine konkrete Maßnahme (Reha-Studiengang BWL an der SRH) fordert. Das bedeutet allerdings nicht, dass Anordnungen, die auf eine solche Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet sind, stets ausgeschlossen sind (so auch LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 11.09.2014 - L 5 R 158/14 B ER -, juris Rn. 11). Denn Eingliederungsleistungen - wie hier das begehrte Studium - sollten in einem überschaubaren Zeitraum erbracht werden und können nicht beliebig aufgeschoben werden, andernfalls wäre das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz <GG>) verletzt. Im Spannungsfeld zwischen Vermeidung einer Vorwegnahme der Hauptsache und Berücksichtigung des Interesses des Antragstellers an einer zeitnahen Teilnahme an Integrationsmaßnahmen hat der Senat ggf. eine Folgenabwägung vorzunehmen (vgl. hierzu umfassend LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.12.2013 - L 8 AL 5175/13 ER-B -, juris).

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe, nach der insoweit vorzunehmenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage und ausgehend von den zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegenden Erkenntnisse ist ein
Anordnungsanspruch auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe in Form der Kostenübernahme für ein (Reha-)Studium BWL mit Schwerpunkt Financial Management nicht hinreichend glaubhaft gemacht.

Gemäß § 16 SGB II erbringt der Antragsgegner zur Eingliederung in Arbeit Leistungen nach § 35 des Dritten Buches. Er kann folgende Leistungen des Dritten Kapitels des Dritten Buches erbringen: die übrigen Leistungen der Beratung und Vermittlung nach dem Ersten Abschnitt mit Ausnahme der Leistung nach § 31a (Nr. 1), Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung nach dem Zweiten Abschnitt (Nr. 2), Leistungen zur Berufsausbildung nach dem Vierten Unterabschnitt des Dritten Abschnitts und Leistungen nach den § 54a Abs. 1 bis 5 (Nr. 3), Leistungen zur beruflichen Weiterbildung …. (Nr. 4), Leistungen zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung …. (Nr. 5). Für Eingliederungsleistungen an erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte nach diesem Buch gelten entsprechend die §§ 112 bis 114, 115 Nr. 1 bis 3 mit Ausnahme berufsvorbereitender Bildungsmaßnahmen und der Berufsausbildungsbeihilfe sowie § 116 Abs. 1, 2, 5 und 6 des Dritten Buches (Nr. 1), § 117 Abs. 1 und § 118 Nr. 3 des Dritten Buches für die besonderen Leistungen zur Förderrung der beruflichen Weiterbildung (Nr. 2) und die §§ 128 und 128 des Dritten Buches für die besonderen Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung (Nr. 3).

Ungeachtet der Tatsache, dass der BA als zuständigem Rehabilitationsträger die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs obliegt (§ 6 Abs. 3 Satz 3 SGB IX), verbleibt die Entscheidungsbefugnis über die Leistungen, die für behinderte erwerbsfähige Hilfebedürftige nach § 16 Abs. 1 Satz 3 SGB II erbracht werden, bei den Jobcentern (§ 6 Abs. 3 Satz 2 SGB IX). So verhält es sich vorliegend: Zwar hat die BA beim Antragsteller mit dem Teilhabeplan vom 18.04.2023 als Rehabilitationsbedarf eine geminderte Teilhabe am Arbeitsleben wegen psychischer Minderbelastbarkeit mit umfassenden Einschränkungen festgestellt und (auch entsprechend der Neigung des Antragstellers) die Maßnahme eines Studiums der Betriebswirtschaftslehre an der SRH H1 vorgeschlagen. Hieran ist der Antragsgegner jedoch nicht gebunden - über die in diesem Zusammenhang zu erbringenden Leistungen, auch die in den §§ 112 ff. SGB III aufgeführten berufsbezogenen Leistungen zur Teilhabe entscheidet der Grundsicherungsträger (und nicht die BA) nach § 16 Abs. 1 Satz 3 SGB II und unter den allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen des § 7 SGB II in eigener Zuständigkeit (vgl. nur Luthe in jurisPK-SGB IX, Stand 10.11.2022, § 6 Rn. 32f., 36; Harks in jurisPK-SGB II, Stand 05.09.2023, § 16 Rn. 72ff.).

§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II verlangt für die Leistungen nach § 16 SGB II zunächst die Kategorie der Erwerbsfähigkeit. Diese ist bei Konflikten nach § 44a SGB II über die Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme des Rentenversicherungsträgers zu klären (vgl. Kohte in beck-online.Großkommentar, Stand 01.12.2018, § 16 Rn. 24).

Der Senat teilt die Zweifel des Antragsgegners an der Erwerbsfähigkeit des Antragstellers. Zwar ist dem Antragsteller zuzugeben, dass eine den Antragsgegner bindende Feststellung der Erwerbsminderung durch den Rentenversicherungsträger seit dem 30.06.2023 nicht mehr vorliegt, denn über diesen Zeitraum hinaus hat die DRV keine gutachterliche Einschätzung getroffen. Auch ist dem Antragsteller agenturärztlich im Gutachten vom 17.03.2022 Erwerbsfähigkeit bescheinigt worden und er hat eine Arbeits- und Belastungserprobung erfolgreich absolviert. Jedoch ist die aktuellste ärztliche Einschätzung (Gutachten H2 vom 13.07.2023 nebst ergänzender Stellungnahme vom 07.08.2023) wiederum zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragsteller wegen seines instabilen psychomentalen Zustands zumindest aktuell und für die nächsten Monate nicht in der Lage sein wird, einer Erwerbstätigkeit von mehr als drei Stunden je Arbeitstag nachzugehen. Insoweit erscheint (nachdem weiter Streit über die Erwerbsfähigkeit des Antragstellers besteht) auch für den Folgezeitraum ein nochmaliges Vorgehen des Antragsgegners nach § 44a SGB II angezeigt. Dies kann jedoch nicht im Rahmen eines Eilverfahrens stattfinden.

Die Frage kann im Eilverfahren letztlich offenbleiben und weiterer medizinischer Sachaufklärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten werden, denn auch bei Zugrundelegung von Erwerbsfähigkeit ist ein Anordnungsanspruch mangels Erfüllung weiterer materieller Anspruchsvoraussetzungen zum jetzigen Zeitpunkt nicht hinreichend glaubhaft gemacht: Zentral für die Auswahl der nach § 16 SGB II i.V.m. §§ 112 ff. SGB III zu gewährenden Leistungen sind Eignung und Neigung als subjektbezogene Kategorien (§ 112 Abs. 2 SGB III). Seine Neigung zur Aufnahme eines wirtschaftswissenschaftlichen Studiums hat der Antragsteller wiederholt kundgetan und im Rahmen der durchgeführten Belastungserprobung stringent verfolgt. Alleine die Neigung reicht jedoch nicht aus, um in den Genuss eines staatlich geförderten Studiums zu gelangen. Dass der Antragsteller für das begehrte Studium auch geeignet ist, vermag der Senat jedoch aktuell nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit anzunehmen.

Die Kategorie der Eignung umfasst sowohl die körperliche als auch die geistige Leistungsfähigkeit, die sich sowohl auf die angestrebte Maßnahme als auch auf die angestrebte spätere berufliche Tätigkeit beziehen muss. In diesem Zusammenhang ist eine prognostische Komponente zu beachten, die der vollständigen gerichtlichen Überprüfung unterliegt (Kohte a.a.O., § 16 Rn. 117; BSG, Urteil vom 17.11.2005 - B 11 a AL 23/05 R -, juris Rn. 24).

Der Senat verkennt nicht, dass dem Antragsteller ausweislich des Abschlussberichts des Berufsförderungswerks H1/SRH über die durchlaufene vierwöchige Arbeits- und Belastungserprobung die Eignung für ein Studium (unter Rehabilitationsbedingungen) attestiert wurde. Allerdings erscheint nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner auch unter Berücksichtigung dieser Einschätzung nochmals eine speziell auf die Eignung für das gewünschte Studium (BWL mit Schwerpunkt Financial Management) gerichtete psychologische Begutachtung eingeleitet hat. Im Hinblick darauf, dass die begutachtende Psychologin den Antragsteller, der den ersten Testteil abgebrochen hat, nicht für uneingeschränkt fachlich geeignet gehalten hat, vermag auch der Senat nicht mit der für eine einstweilige Anordnung hinreichenden Sicherheit zu dem Schluss zu kommen, dass der Antragsteller den fachlichen Anforderungen des gewünschten BWL-Studiums gewachsen sein wird.

Hinzu kommt die aktuelle psychische Destabilisierung: Auf die Entscheidung des Antragsgegners, die gewünschte Leistung nicht zu erbringen, hat der Antragsteller mit massiven Drohungen reagiert und sich von diesen auch im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht distanziert: Er hat vielmehr ausdrücklich daran festgehalten und den Senat aufgefordert, zur Kenntnis zu nehmen, dass er gegen die Mitarbeiter des Antragsgegners und der BA ggf. mit der „erforderlichen Gewalt“ vorgehen werde. Die Auffassung des Antragstellers, dieses Verhalten sei zum Schutz seiner Rechtsgüter gerechtfertigt und die nunmehr vorliegenden psychischen Beeinträchtigungen seien einzig und allein Folge der ablehnenden Haltung des Antragsgegners, vermag der Senat nicht zu teilen: Die Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung von (angenommenen) sozialrechtlichen Ansprüchen kann unter keinen Umständen (auch nicht unter Berücksichtigung krankheitsbedingter Verhaltensweisen) gerechtfertigt sein. Sie ist vielmehr ein Indiz für das (weitere) Vorliegen einer psychischen Instabilität, der zunächst mit weiterer ärztlicher Behandlung zu begegnen ist. Mit H2 und im Rahmen der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung hält der Senat daher zum aktuellen Zeitpunkt die Aufnahme des begehrten Reha-Studiums nicht für erfolgversprechend: Auch während eines Studiums wird der Antragsteller psychomentalen Belastungen, etwa Misserfolgen bei Leistungsmessungen ausgesetzt sein. Um diese zu kompensieren, bedarf es einer psychischen Stabilität, von der der Senat zum aktuellen Zeitpunkt und beim aktuellen Stand der medizinischen Sachaufklärung nicht auszugehen vermag. So hat H2 in seiner Einschätzung vom 13.07./08.08.2023 ausdrücklich und für den Senat nachvollziehbar ausgeführt, dass - auch im (wieder) stabilisierten Zustand - Tätigkeiten (somit auch ein Studium) mit hohen psycho-mentalen und sozialen Belastungen zu vermeiden sind. Schon damit erscheint seine dennoch getroffene Einschätzung, dass grundsätzlich eine ausreichende körperliche und intellektuelle Leistungsfähigkeit für ein Studium bestehe, nur bedingt vereinbar. Aktuell (also im derzeit destabilisierten Zustand) besteht - was der Senat für nachvollziehbar hält - ein Leistungsvermögen von täglich weniger als drei Stunden, das durch adäquate Abklärung und Behandlung potenziell verbessert werden kann. Dass H2 die Tatsache, dass es aktuell zu einer Bedrohung von Mitarbeitern der Behörde gekommen war, als Indiz für eine möglicherweise nicht ausreichende und dauerhafte psycho-mentale Stabilität für die erfolgreiche Durchführung eines dreijährigen Studiums wertet und insoweit zunächst eine konsequente und umfassende Aufarbeitung und Behandlung von psychomentalen Krankheitsanteilen mit uneingeschränkter Ausschöpfung der Behandlungsoptionen, weiter eine unabhängige fachpsychiatrische Begutachtung, insbesondere, um eine Fremdgefährdung auszuschließen, empfiehlt, erscheint überzeugend und nachvollziehbar.

Vor diesem Hintergrund vermag der Senat die Eignung des Antragstellers für das begehrte Studium nicht als glaubhaft gemacht anzusehen. Es besteht angesichts der sowohl fachlichen als auch gesundheitlichen Defizite in Bezug auf die Eignung des Antragstellers auch kein Anlass, von einem derzeit offenen Ausgang eines Hauptsacheverfahrens auszugehen und dem Antragsteller unter Abwägung der Folgen, die einerseits entstünden, wenn er die einstweilige Anordnung nicht erließe, sich jedoch im Hauptsacheverfahren herausstellte, dass der Anspruch besteht, und andererseits die einstweilige Anordnung erließe und sich aber in der Hauptsache herausstellte, ein Anspruch bestünde nicht, im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die begehrten Teilhabeleistungen zuzusprechen. Denn einer nur möglichen Verbesserung im Gesundheitszustand des Antragstellers (durch ärztliche Behandlung) oder seiner fachlichen Eignung (etwa durch Besuch studienvorbereitender Kurse) kann im Wege einer Folgenabwägung nicht begegnet werden.

Damit ist die Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).



 

Rechtskraft
Aus
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