§ 64 Abs. 3 SGB X, § 197a SGG, § 2 Abs. 5 GKG
Sozialgerichtliches Verfahren - Gerichtskosten – Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende - Wegfall der Kostenbefreiung
1. Vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit können Sozialleistungsträger lediglich in Erstattungsstreitigkeiten zu Gerichtskosten herangezogen werden.
2. § 197a Abs. 3 SGG gilt für jedweden Erstattungsstreit unter jedwedem Träger und damit auch unter Trägern gleicher Leistungsart (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 2. Mai 2018 – L 1 SF 292/16 B).
Auf die Erinnerung vom 25. Januar 2023 wird der Gerichtskostenansatz vom 2. Januar 2023 Rechnungsnummer 860070003973 aufgehoben.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob der Erinnerungsführer als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende Kostenschuldner der Gerichtskosten für das Verfahren L 9 AS 60/21 ist.
Im Verfahren L 9 AS 60/21 war streitig ein Auskunftsverlangen des damaligen Berufungsbeklagten und heutigen Erinnerungsführers nach § 60 Abs. 2 SGB II gegenüber dem Berufungsbeklagten als möglichen Schuldner eines Unterhaltsanspruchs der Leistungsbezieherin.
Im Berufungsverfahren hob der Erinnerungsführer den streitbefangenen Bescheid vom 22. Oktober 2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2019 durch Bescheid vom 6. September 2022 auf. Daraufhin legte der 9. Senat des Thüringer Landessozialgerichts durch Beschluss vom 6. Oktober 2022 dem Erinnerungsführer und Beklagten des Verfahrens L 9 AS 60/21 die Kosten des Rechtsstreits auf und setzte mit weiterem Beschluss vom 14. November 2022 den Streitwert auf 5.000 € fest.
Mit Gerichtskostenfeststellung vom 2. Januar 2023 wurden beim Erinnerungsführer Gerichtskosten entsprechend dem Streitwert in Höhe von 322,00 € erhoben.
Der Erinnerungsführer hat am 25. Januar 2023 Erinnerung gegen die Gerichtskostenfeststellung vom 2. Januar 2023 eingelegt. Er sei nach § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X als Jobcenter von der Zahlung von Gerichtskosten befreit. Verwiesen wurde auf eine Entscheidung des LSG München vom 4. Februar 2021, L 12 SF 224/19 E.
Der Erinnerungsgegner hat sich den Ausführungen des Erinnerungsführers angeschlossen und beantragt, den Kostenansatz entsprechend zu korrigieren.
II.
Die Erinnerung ist zulässig und begründet.
Gegen den Kostenansatz kann sich der Erinnerungsführer allein mit der Begründung wenden, er sei von Gerichtskosten befreit (vgl. BSG, Beschluss vom 28. Januar 2016 – B 13 SF 3/16 S; Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 18. März 2015 – L 6 SF 71/15 B, beide nach juris). Anderes gilt beim reinen Einwand, der Kostenschuldner gehöre tatsächlich zum kostenprivilegierten Personenkreis des § 183 SGG. Damit würde lediglich inhaltlich der unanfechtbare Streitwertbeschluss angegriffen, was aber nicht statthaft wäre, denn ein Rechtsbehelf nach § 66 GKG kann nur auf eine Verletzung des Kostenrechts gestützt werden (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 12. April 2013 – L 6 SF 291/13 E m.w.N. nach juris). Sofern jedoch der Kostenansatz mit dem Argument angegriffen wird, der Kostenschuldner sei von Gerichtskosten befreit, muss anderes gelten. Denn eine Haftung des Kostenschuldners für die Gerichtskosten nach § 29 Nr. 1 GKG scheidet trotz rechtskräftigem Streitwertbeschluss - mit dem die Fälligkeit einer Gerichtsgebühr beim Verfahrensbeginn und auch die Feststellung, dass die in Betracht kommende Gebühr überhaupt von einem Kostenstreitwert abhängt, jedenfalls inzident geprüft wird (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 12. April 2013 – L 6 SF 291/13 E, nach juris) - aus, denn nach § 2 Abs. 5 S. 1 1. Halbs. GKG sind Verfahrenskosten nicht zu erheben, wenn sie - wie hier geschehen - einem von den Kosten Befreiten auferlegt worden sind (so schon Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 18. März 2015 – L 6 SF 71/15 B, nach juris). § 2 Abs. 5 GKG gilt nur für die Kostenbefreiung, also für Fälle, in denen Kosten grundsätzlich entstehen können, diese aber nicht geltend gemacht werden können (vgl. Hartmann/Toussaint, Kostengesetze, 50. Auflage 2020, § 2 GKG Rn. 20 und auch Volpert/Köpf in NK-GK, § 2 GKG, Rn. 47). Nicht hingegen gilt § 2 Abs. 5 GKG für Fälle, in denen Gerichtskosten gar nicht erst anfallen - so wie es auch § 183 SGG bestimmt.
Der Erinnerungsführer ist vorliegend von Gerichtskosten befreit. Nach § 2 Abs. 3 GKG i.V.m. § 64 Abs. 3 Satz 3 1. Halbs. SGB X sind unter anderem in Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende von den Gerichtskosten befreit. Dieser Grundsatz findet eine Einschränkung nach § 64 Abs. 3 Satz 3 2. Halbs. SGB X, der bestimmt, dass § 197a SGG unberührt bleibt. Nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört. Insofern stellt § 197a Abs. 3 SGG klar, dass dies auch für Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende gilt, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind. Zu § 64 Abs. 3 Satz 2 2. Halbs. SGB X und § 197a Abs. 3 SGG hat das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 28. Januar 2016 - B 13 SF 3/16 S, juris, ausgeführt, dass mit der durch den 2. Halbsatz zum 1. Januar 2005 angefügten Ergänzung in § 64 Abs. 3 SGB X (vgl. "Artikel 0" des Siebenten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 9. Dezember 2004 - BGBl I 3302) und dem zugleich eingefügten § 197a Abs. 3 SGG auf eine Anregung des Bundesrats sichergestellt werden soll, dass Sozialhilfeträger wie bisher grundsätzlich von den Gerichtskosten freigestellt bleiben und von dieser Freistellung – wie bislang nach § 188 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) – lediglich Verfahren in Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern ausgenommen sind (vgl. Bericht des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung, BT-Drucks. 15/3867 S. 3 - zu Nummer 14a <§ 197a Abs. 3 SGG>). Es könne dahinstehen, ob die vom Ausschuss vorgeschlagenen Gesetzesformulierungen die Regelungsabsicht wirklich klar zum Ausdruck bringen oder eher zur Verwirrung beitragen. Der Regelungszweck des Zusammenspiels von § 64 Abs. 3 Satz 2 2. Halbs. SGB X einerseits und § 197a Abs. 3 SGG andererseits aus den Gesetzesmaterialien ergebe hinreichend deutlich, dass sie sicherstellen sollen, dass die Träger der Sozialhilfe vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit lediglich in Erstattungsstreitigkeiten zu Gerichtskosten herangezogen werden können. Dieser Auffassung des Bundessozialgerichts hat sich der Senat ausdrücklich angeschlossen und ergänzt, dass § 197a Abs. 3 SGG weder hinsichtlich der Erstattungsgrundlage noch der Art der Leistungsträgerschaft des anderen Trägers differenziert. § 197a Abs. 3 SGG gilt für jedweden Erstattungsstreit unter jedwedem Träger – auch Trägern gleicher Leistungsart. Weder dem Gesetzeswortlaut noch den Gesetzesmaterialien lassen sich entsprechende Einschränkungen entnehmen (Senatsbeschluss vom 2. Mai 2018 – L 1 SF 226/16 B –, juris). Die Bestimmung in § 64 Abs. 3 S. 2 HS. 2 SGB X, dass § 197a SGG unberührt bleibe, bewirkt vor diesem Hintergrund, dass das Verfahren gemäß § 197a Abs. 1 S. 1 SGG grundsätzlich gerichtskostenpflichtig bleibt, d.h. gegenüber anderen Beteiligten, die nicht aufgrund besonderer Vorschriften von den Gerichtskosten befreit sind, kann eine Erhebung von Gerichtskosten erfolgen (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 4. Februar 2021 – L 12 SF 224/19 E –, juris). Von der grundsätzlichen Gerichtskostenpflicht zu trennen ist die beteiligtenbezogene Befreiung von den Gerichtskosten.
Eine Erhebung von Gerichtskosten gegenüber dem Erinnerungsführer als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende scheidet daher nach § 2 Abs. 3 und 5 S. 1 GKG i.V.m. § 64 Abs. 3 S. 1 SGB X aus. Der nach § 197a Abs. 1 S. 1 SGG anwendbare § 2 Abs. 5 S. 1 GKG hindert die Erhebung von Kosten gegenüber Beteiligten, die von den Kosten befreit sind. Die Kostenbefreiung des Erinnerungsführers ergibt sich aus § 2 Abs. 3 GKG i.V.m. § 64 Abs. 3 S. 1 SGB X. Diese gilt für den Erinnerungsführer unabhängig davon, dass es sich bei dem Verfahren L 9 AS 60/21 nach § 197a Abs. 1 S. 1 GKG um ein gerichtskostenpflichtiges Verfahren handelte und eine Kostenentscheidung nach § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 161 Abs. 1 VwGO sowie eine Streitwertentscheidung nach § 63 GKG zu ergehen hatte. Ein Fall des § 197a Abs. 3 SGG liegt nicht vor, es handelte sich nicht um eine Erstattungsstreitigkeit.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 66 Abs. 3 S. 3 GKG).