L 39 SF 65/22 B E

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
39
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 23 SF 71/21 E
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 39 SF 65/22 B E
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Grundsätzlich können in derselben Angelegenheit Gebühren nur einmal gefordert werden. Es fehlt an einer gesetzlichen Regelung, dass bei Einigung in mehreren unterschiedlichen Rechtsstreiten die Einigungsgebühr nur einmal anfällt.

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 11. März 2022 aufgehoben und der Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Neuruppin vom 2. Juli 2021 geändert. Die dem Antragsteller aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung für das unter dem Aktenzeichen S 37 AS 1238/17 registrierte Verfahren wird auf 1.538,37 EUR festgesetzt.

 

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

 

Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

 

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Vergütungsanspruchs aus einer Beiordnung im Wege der Prozesskostenhilfe streitig.

 

Der Antragsteller erhob am 26. Juni 2017 im Namen von vier natürlichen Personen Klage beim Sozialgericht Neuruppin (S 37 AS 1238/17), mit der er sich gegen die Höhe der endgültigen Festsetzung von Leistungen der Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Juni 2016 bis zum 30. November 2016 sowie gegen die Geltendmachung von vier Erstattungsforderungen wandte (Aktenzeichen S 37 AS 1238/17; Bescheide des Leistungsträgers vom 12. Dezember 2016, Widerspruchsbescheide vom 31. Mai 2017). Mit Beschluss vom 27. Februar 2018 wurde den Klägern des Ausgangsverfahrens Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren gewährt und Rechtsanwalt K beigeordnet. Nach einem angenommenen Teilanerkenntnis des Beklagten wurde der Rechtsstreit fortgeführt.

 

Am 18. Oktober 2017 erhob der Antragsteller für dieselben Personen eine weitere Klage beim Sozialgericht Neuruppin (Aktenzeichen S 37 AS 2026/17), mit der er sich gegen die Höhe der endgültigen Festsetzung von Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II für die Kläger des Ausgangsverfahrens in dem Zeitraum vom 1. März 2017 bis zum 31. Mai 2017 wandte. In diesem Verfahren wurde den Klägern mit Beschluss vom 23. April 2019 unter Beiordnung des Antragstellers Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren gewährt.

 

Beiden Rechtsstreite wurden zu einem nichtöffentlichen Termin am 17. September 2019 um 12.00 Uhr geladen und an dem Tag bis um 13.00 Uhr erörtert. Im Rahmen eines protokollierten Vergleichs wurden beide Rechtsstreite erledigt.

 

Am 14. Dezember 2020 beantragte der Antragsteller von der Staatskasse die Festsetzung und Erstattung von Gebühren und Auslagen im PKH-Verfahren zu dem Rechtsstreit S 37 AS 1238/17 und machte insgesamt einen Betrag i.H.v. 1.538,37 EUR nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) geltend:

 

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG

300,00 EUR

Erhöhungsgebühr Nr. 1008 VV RVG

270,00 EUR

Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG

280,00 EUR

Erledigungsgebühr Nr. 1005, 1006 VV RVG

300,00 EUR

Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV RVG

55,15 EUR

Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

Fahrtkosten Nr. 7003 VV RVG

42,60 EUR

Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV RVG

25,00 EUR

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG

245,62 EUR

Mit Beschluss vom 2. Juli 2021 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen in Höhe von 1.127,82 EUR festgesetzt:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG

210,00 EUR

Erhöhungsgebühr Nr. 1008 VV RVG

189,00 EUR

Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG

196,00 EUR

Erledigungsgebühr Nr. 1005, 1006 VV RVG

210,00 EUR

Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV RVG

55,15 EUR

Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

Fahrtkosten Nr. 7003 VV RVG

42,60 EUR

Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV RVG

25,00 EUR

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG

180,07 EUR

 

Aufgrund der Beschäftigung mit derselben Problematik im weiteren Parallelverfahren liege der anwaltliche Aufwand durch die eingetretenen Synergieeffekte unter dem Durchschnitt vergleichbarer Verfahren vor dem Sozialgericht. Insgesamt seien die Gebühren i.H.v. 70 v.H. der jeweiligen Mittelgebühren (zzgl. der geltend gemachten Auslagen) festzusetzen.

 

Auf den Vergütungsfestsetzungsantrag des Antragstellers zu dem Rechtsstreit S 37 AS 2026/17 (geltend gemacht insgesamt 1.423,84 EUR, Gebühren nach Nr. 7003 und Nr. 7005 VV RVG sind nicht geltend gemacht worden), hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit einem weiteren Beschluss vom 2. Juli 2021 die für dieses Verfahren von der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen in Höhe von 1.013,29 EUR festgesetzt und zur Begründung ausgeführt, dass durch eingetretene Synergieeffekte insgesamt Gebühren i.H.v. 70 v.H. der jeweiligen Mittelgebühren (zzgl. der geltend gemachten Auslagen) zu berücksichtigen seien.

 

Der Antragsteller hat gegen beide Festsetzungen Erinnerungen eingelegt und zur Begründung ausgeführt, Synergieeffekte könnten nicht in beiden Parallelverfahren Berücksichtigung finden. Es sei nicht beachtet worden, dass Arbeitserleichterungen allenfalls in dem später geführten Verfahren (S 37 AS 2026/17) Berücksichtigung finden könnten (Verweis auf LSG Bayern, Beschluss v. 29. April 2016 – L 15 SF 15/14 E).

 

Am 4. Januar 2022 hat Rechtsanwalt K seinen Vergütungsanspruch an den Antragsteller abgetreten.

 

Mit Beschluss vom 28. Januar 2022 (Aktenzeichen S 23 SF 72/21 E zum Ausgangsverfahren S 37AS 2026/17) hat das Sozialgericht (wohl unter Änderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses der Urkundsbeamtin) die aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen auf insgesamt 1.113,25 EUR festgesetzt und im Übrigen die Erinnerung zurückgewiesen. Die Festsetzung einer reduzierten Verfahrensgebühr im Hinblick auf Synergieeffekte sei zutreffend erfolgt. Die Beschwerde gegen diesen Beschluss ist beim Senat zum Aktenzeichen L 39 SF 45/22 B E anhängig.

 

Mit Beschluss vom 11. März 2022, abgesandt am 16. März 2022, hat das Sozialgericht im vorliegenden Verfahren (S 23 SF 71/21 E zum Ausgangsverfahren S 37 AS 1238/17) die Beschwerde zurückgewiesen. Eine Rangfolge der parallel geführten Verfahren habe nicht bestanden, für beide Verfahren seinen gleichermaßen Synergieeffekte zu berücksichtigen.

 

Mit seiner Beschwerde vom 31. März 2022 wendet der Antragsteller sich weiter gegen die Berücksichtigung von Synergieeffekten in dem vorliegenden Festsetzungsverfahren und beantragt sinngemäß die antragsgemäße Festsetzung der Gebühren und Auslagen unter Änderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses.

 

Der Antragsgegner beantragt, der Beschwerde stattzugeben und die Gebühren und Auslagen antragsgemäß festzusetzen.

 

Mit Beschluss vom 16. August 2022 ist das Verfahren gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in Verbindung mit § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG dem Senat übertragen worden.

 

II.

Die Beschwerde ist zulässig (vgl. § 33 Abs. 3 Satz 1, 3, Abs. 7 Satz 3 RVG in Verbindung mit § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG).

 

Die Beschwerde ist auch begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht mit dem mit der Beschwerde angefochtenen Beschluss die Erinnerung des Antragstellers zurückgewiesen. Mit dem Beschluss über die Festsetzung vom 2. Juli 2021 ist zu Unrecht eine geringere als die vom Antragsteller beantragte Vergütung festgesetzt worden.

Der Antragsteller ist gem. §§ 55 Abs. 1, 45 RVG berechtigt, die zu gewährende Vergütung geltend zu machen.

Mit einer entsprechenden Abtretung des Anspruchs auf Vergütung des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts ist vorliegend die Festsetzung durch einen Berechtigten erfolgt.

Gegenstand des Erinnerungs- und des Beschwerdeverfahrens nach § 56 RVG ist die gesamte Kostenfestsetzung, nicht nur die einzelne Gebühr, gegen deren Versagung sich die Erinnerung/die Beschwerde richtet. Begrenzt wird die Überprüfung nur durch den Antrag des Rechtsanwalts und das Verbot der „reformatio in peius“. Legt die Staatskasse keine Beschwerde ein, garantiert dies allein die Festsetzung auf die Gesamthöhe der von der Vorinstanz zuerkannten Gebühren. Das Gericht ist verpflichtet, die Höhe der Vergütung vollumfänglich zu prüfen. Es ist dabei nicht an die von den Beteiligten geäußerte Auffassung zur Höhe der Vergütung gebunden (vgl. LSG Thüringen, Beschluss v. 28. September 2020 – L 1 SF 531/20 B - juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 5. Oktober 2016 – L 19 AS 1104/16 B – juris).

 

Nach § 1 Abs. 1 RVG bemessen sich die Gebühren und Auslagen für anwaltliche Tätigkeiten nach dem RVG. Die Höhe der konkreten Vergütung bestimmt sich gemäß § 2 Abs. 2 RVG nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zum RVG (VV RVG). Auszugehen ist von der von dem Rechtsanwalt mit seinem Festsetzungsantrag getroffenen Bestimmung der Vergütungshöhe, die, wenn sie – wie hier – von einem Dritten zu ersetzen ist, nicht verbindlich ist, soweit sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG). Verbindlich ist eine Gebühr noch bei einer Abweichung von bis zu 20 v.H. von der als angemessen festzusetzenden (vgl. zum Toleranzrahmen auch BSG, Urteil v. 1. Juli 2009 – B 4 AS 21/09 R – juris, Rn. 19, m.w.N.; LSG Bayern, Beschluss v. 2. Dezember 2011 – L 15 SF 28/11 B E – juris; LSG Thüringen, Beschluss v. 20. Dezember 2021 – S 1 SF 1371/19 B – juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 28. Oktober 2021 – L 9 SO 11/21 B – juris).

 

Der Rechtsanwalt bestimmt die Gebühr im jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (§ 14 Abs. 1 S. 1 RVG), wobei die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal gefordert werden können (§ 15 Abs. 2 RVG) und die Gebühren die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts in der Angelegenheit vom Auftrag bis zur Erledigung entgelten (§ 15 Abs. 1 RVG).

 

Nach diesen Maßstäben ist die beantragte Kostenfestsetzung nicht zu beanstanden und billig. Die von dem Antragsteller geltend gemachte Verfahrensgebühr ist nicht zu beanstanden. Vorliegend einspricht eine Verfahrensgebühr nach VV 3102 (in der hier im Juni 2017 geltenden Fassung [§ 60 Abs. 1 Satz 1 RVG]) in Höhe von 300,00 EUR (Mittelgebühr) der Billigkeit. Die Verfahrensgebühr entsteht für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information ab Erteilung des Auftrages zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens und erfasst u.a. die Vorprüfung, Besprechungen mit den Mandanten, die Prüfung der Schlüssigkeit einer Klage, die Fertigung von Schriftsätzen, eine dafür erforderliche Literaturrecherche (vgl. BT-Drs. 15/1971, S. 210; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 25. Auflage 2021, VV Vorb. 3, Rn. 54 f.). Die Vergütung ist in Höhe der Mittelgebühr festzusetzen, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts ausgehend vom Durchschnitt nicht nach oben oder nach unten unter Beachtung des Toleranzrahmens (s.o.) abweicht (BT Drs., a.a.O., S. 207). Die Gebühr ist dabei im Wege der Gesamtwürdigung der nach § 14 Abs. 1 RVG im Einzelfall maßgebenden Umstände des Einzelfalls, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Auftraggeber (BSG, Urteil v. 27. September 2011 – B 4 AS 155/10 R – juris, Rn. 25; v. 1. Juli 2009, a.a.O., Rn. 21), festzusetzen. Die über- oder unterdurchschnittliche Ausprägung eines Gesichtspunktes kann durch die Relevanz der übrigen Umstände ausgeglichen werden.

 

In dem zu berücksichtigenden Zeitraum des gesamten Klageverfahrens war die Rechtssache insgesamt höchsten durchschnittlich zu bewerten, unter Einbeziehung des Toleranzrahmens ist die Geltendmachung der Mittelgebühr daher nicht zu beanstanden.

 

Der zeitliche Aufwand, den der Rechtsanwalt tatsächlich betrieben hat bzw. zu betreiben hatte (vgl. hierzu BSG, Urteil v. 1. Juli 2009, a.a.O., Rn. 28f.) ist als unterdurchschnittlich zu bewerten.

 

Neben der Einreichung der Erklärungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe fertigte der Rechtsanwalt vorliegend einen Klageschriftsatz, mit dem lediglich ein Akteneinsichtsgesuch gestellt sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt worden ist, einen Schriftsatz zur Begründung der Klage (vier Seiten), einen weiteren Schriftsatz von drei Seiten, sowie eine „Nachricht“, dass von einer weiteren Stellungnahme abgesehen werde. Ist die Fertigung von sechs Schriftsätzen noch als durchschnittlich zu bewerten (BSG, a.a.O., Rn. 31), war vorliegend der Umfang nicht durchschnittlich. Zudem wurde Akteneinsicht genommen, was ebenfalls üblich ist. Auch der Umfang des vom Antragsteller für relevant gehaltenen Aktenumfangs (251 Seiten, s. Unterlegung der geltend gemachten Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 VV RVG) bewegt sich noch im durchschnittlichen Rahmen eines Verwaltungsvorgangs in Angelegenheiten der Grundsicherung nach dem SGB II im Rahmen einer Bedarfsgemeinschaft bei Berücksichtigung von Einkommen aus einer Beschäftigung oder Selbständigkeit.

 

Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist vorliegend als durchschnittlich zu bewerten. Bei der Einordnung der rechtlichen Schwierigkeit ist im Rahmen des Sozialrechts nicht schon nach einzelnen Rechtsgebieten zu differenzieren, auch ist nicht relevant, ob ein Fachanwaltstitel erworben werden kann. Vielmehr ist allgemein davon auszugehen, ob der zu bearbeitende Fall von einem Normal- bzw. Routinefall bezogen auf das Sozialrecht abweicht (BSG, a.a.O., Rn. 35). Der Routinefall im Sozialrecht beinhaltet Darlegungen zu einem geltend gemachten Leistungsanspruch mittels Subsumtion des Sachverhalts unter die jeweiligen Tatbestandsmerkmale ohne umfangreiches Eingehen auf Rechtsprechung und Literatur, ohne Beweiswürdigung. In der vorliegenden (Teil-)Anfechtungssituation (endgültige Festsetzung des Leistungsanspruchs nach dem SGB II nach vorläufiger Festsetzung bei Einkommenserzielung innerhalb der Bedarfsgemeinschaft) sind Darlegungen zu den formalen und materiellen Voraussetzungen einer Korrekturentscheidung (BSG, a.a.O., Rn. 35) und ggf. auch das Nachvollziehen von Erstattungsforderungen, die im Sozialrecht häufig mit der Korrekturentscheidung geltend gemacht werden, üblicherweise gefordert. Danach ist vorliegend von einem Durchschnittsfall auszugehen, denn der Rechtsanwalt hatte die endgültige Leistungsfestsetzung nach vorläufiger Leistungsbewilligung für eine Bedarfsgemeinschaft und die sich daraus ergebenen Erstattungsforderungen – auch unter Berücksichtigung der Veränderungen der Bedarfe für Kosten der Unterkunft bei Gutschriften bzw. Nachforderungen – nachzuvollziehen und darzulegen. Dabei hat der Rechtsanwalt auch auf die im Sozialrecht üblicherweise zu beurteilenden formellen Voraussetzungen für eine endgültige Festsetzung nach vorläufiger Leistungsbewilligung einzugehen. Dass bei der Prüfung auch das Einkommen und Absetzungen hiervon zu prüfen waren, ist ebenfalls im Sozialrecht üblich. Dass die Prüfung mehrere Einzelansprüche im Rahmen einer Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 SGB II umfasste sowie mehrere Bescheide zu prüfen waren, findet bereits Berücksichtigung bei der „Auftragsmehrheit“ im Rahmen der Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG (vgl. Müller-Rabe, a.a.O., Rn. 2). Bei der zu beurteilenden Schwierigkeit der Angelegenheit und beim Umfang können zwar Synergieeffekte zu einem parallel geführten oder zuvor geführten Rechtsstreit berücksichtigt werden vgl. LSG Bayern, a.a.O.). Offenbleiben kann vorliegend, ob in dem vorliegenden Verfahren die Berücksichtigung deshalb nicht vorzunehmen ist, weil dieses Verfahren zeitlich dem weiteren, von dem Rechtsanwalt für seine Mandantschaft zu dem nachfolgenden Bewilligungsabschnitt unter dem Aktenzeichen S 37 AS 2026/17 beim Sozialgericht geführten Klageverfahren vorgelagert war. Zutreffend führt der Antragsgegner nämlich an, dass in dem vorliegenden Verfahren nicht allein die endgültige Festsetzung nach vorläufiger Festsetzung des Leistungsanspruchs unter Berücksichtigung der Regelungen zur Ermittlung des Einkommens in dem Bewilligungszeitraum (Stichwort „Bildung Durchschnittseinkommen“) streitig war, sondern weiter die Berücksichtigung von Absetzungen vom Einkommen und die Ermittlung des Gesamtbedarfs unter Berücksichtigung der Kosten der Unterkunft und Heizung. Ein Synergieeffekt mag danach in dem weiteren Vergütungsfestsetzungsverfahren zum Klageverfahren S 37 AS 2026/17 zu dem nachfolgenden Bewilligungszeitraum (wie dort mit einem Abschlag von 30 v.H.) zu berücksichtigen sein, in dem (weiterhin) die Ermittlung des Einkommens streitig war.

 

Aus Nr. 1008 VV RVG folgt vorliegend bei vier Auftraggebern eine Erhöhung um 90 v.H. (vgl. Müller-Rabe, a.a.O., VV 1008, Rn. 265), so dass sich eine Verfahrensgebühr von 570,00 EUR ergibt.

 

Die Terminsgebühr war nach Nr. 3106 VV RVG mit 280,00 EUR anzusetzen (1/2 von 560,00 EUR).

 

Für die Bestimmung der Terminsgebühr ist die Dauer des Termins das wesentliche Kriterium, wobei vor den Sozialgerichten eine Dauer von 30 bis 50 Minuten als durchschnittlich zu bewerten ist (LSG Bayern, Beschluss vom 29. Januar 2016 – L 15 SF 386/13 E – juris, Rn. 38; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. Oktober 2016 – L 19 AS 646/16 B – juris 14). Werden – wie vorliegend – mehrere Verfahren, die nicht miteinander verbunden sind, in einem Termin zur mündlichen Verhandlung gemeinsam verhandelt und ergibt sich aus der Niederschrift über den Termin keine andere Zuordnung, ist die Gesamtdauer des Termins gleichmäßig auf die verhandelten Rechtsstreite aufzuteilen und der sich daraus im Einzelfall ergebende Zeitaufwand zu beurteilen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.). Vorliegend sind die Rechtsstreite S 37 AS 2026/17 und S 37 AS 1238/17 gemeinsam verhandelt worden. Beginn der Verhandlung war nach den Ladungen 12.00 Uhr, die Verhandlung endete um 13.00 Uhr, so dass für das vorliegende Verfahren eine (noch) durchschnittliche Dauer von 30 Minuten anzunehmen ist.

 

Da im Termin der Rechtsstreit durch Vergleich beendet worden ist, ist eine Einigungsgebühr in Höhe von 300,00 EUR – wie geltend gemacht – angefallen (Nr. 1005, 1006 VV RVG). Grundsätzlich fallen die Gebührentatbestände in jeder Angelegenheit gesondert an, können jedoch in derselben Angelegenheit nur einmal gefordert werden

(§ 15 Abs. 2 RVG). Jeder Rechtszug eines gerichtlichen Verfahrens gilt als besondere Angelegenheit (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 RVG; Müller-Rabe, a.a.O., Rn. 4). Daran ändert sich nichts dadurch, dass in dem Termin der weitere Rechtsstreit ebenfalls mit dem Vergleich beendet worden ist.

 

Konstellationen, die gebührenrechtlich als eine Angelegenheit gelten, sind in § 16 RVG geregelt. Diese Tatbestände sind vorliegend durch die zwei verhandelten Rechtsstreite nicht erfüllt. Können danach für jede Angelegenheit – hier Klageverfahren – die einzelnen Gebühren gefordert werden, bedarf es einer besonderen Regelung, soweit hiervon eine Ausnahme gelten soll. Wie bei der Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG (s.o.) fehlt es an einer gesetzlichen Bestimmung, dass bei einer Einigung in mehreren unterschiedlichen Rechtstreiten die Gebühr nach VV Nr. 1000 VV RVG nur einmal anfällt (vgl. LSG Hessen, Beschluss v. 4. Januar 2021 – L 2 AS 507/20 B – juris, Rn. 33; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 28. Oktober 2021 – L 9 SO 11/21 B – juris). Die Regelung (VV 1005, 1006 VV RVG) lautet: „Die Gebühr entsteht für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird (…)“, wobei die Höhe der Gebühr in gerichtlichen Verfahren der Höhe der Verfahrensgebühr entspricht  und sich nicht erhöht, wenn weitere Ansprüche, die in dem betreffenden Rechtsstreit nicht rechtshängig sind, mit in die Einigung einbezogen werden (VV 1006 Abs. 1 Satz 1 RVG). Ist danach eine Erhöhung der Einigungsgebühr bei Einbeziehung weiterer, nicht in dem Rechtsstreit rechtshängiger Ansprüche ausgeschlossen, so bietet die Regelung grundsätzlich keinen Anhalt dafür, bei einer Einigung in einer Angelegenheit, für die Gebühren anfallen, das Entstehen der Einigungsgebühr zu verneinen, wenn in einem gerichtlichen Vergleich im sozialgerichtlichen Verfahren auch eine weitere Einigung in einem anderen rechtshängigen Rechtsstreit (mit) herbeigeführt wird. Soweit vertreten wird, dass eine „einheitliche Einigung“ immer nur zu einer Einigungsgebühr führt (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 22 Aufl., Nr. 1003 VV RVG Rn. 71 m.w.N.; Seltmann in BeckOK RVG, 57. Ed., Std. 09/2022, VV 1000, Rn. 45; LSG Nordrhein-Westfalen v. 6. Oktober 2016 – L 19 AS 646/16 B – juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1. Februar 2016 - 8 E 651/15OLG Düsseldorf, Beschluss vom 4. März 2009 – II-10 WF 36/0810 WF 36/08 – juris; a.A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7. April 2016 – L 7/14 AS 35/14 B – juris; LSG Thüringen, Beschluss v. 22. Januar 2019 – L 1 SF 1300/17 B – juris, Rn. 19 ff.; LSG Hessen, Beschluss v. 4. Januar 2021 – L 2 AS 507/20 B – juris), folgt der Senat jedenfalls in Fallkonstellation wie der vorliegenden, in denen der Wille zur Verbindung nicht zum Ausdruck kommt und nicht lediglich aus prozessökonomischen (zeitlichen) Gründen auf eine offensichtlich angezeigte und gewollte förmliche Verbindung verzichtet worden ist, dem nicht (anders noch Beschluss des Senats v. 21. Februar 2019 – L 39 SF 50/15 B E – juris). Auch der Antragsgegner geht vorliegend im Übrigen von einem Ansatz einer nicht nur anteilig angefallenen Einigungsgebühr aus.  Die Begründung für den Anfall nur einer Einigungsgebühr bei einem gerichtlichen Vergleich in mehreren, nicht verbundenen Rechtsstreiten, mit dem Abschluss eines einheitlichen gerichtlichen Vergleichs komme stets der übereinstimmende Wille des Gerichts, der Parteien und ihrer Anwälte zum Ausdruck, die Sachen für die Einigung als miteinander verbunden zu behandeln, überzeugt nicht (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 4. März 2009 – 10 WF 36/08 – juris, Rn. 6). Mit der Einigungsgebühr wird die durch den Abschluss einer Einigung verbundene Mehrbelastung eines Rechtsanwalts vergütet (Müller-Rabe, a.a.O., VV 1000 Rn. 2). Dieser vom Gesetz zu honorierende Mehraufwand entsteht grundsätzlich in jeder Angelegenheit. Liegen – wie hier – verschiedene Angelegenheiten i.S. des § 17 RVG vor, so kann ein „innerer Zusammenhang“ durch Verbindung hergestellt werden (vgl. BGH, Beschluss v. 24. März 2016 – III ZB 116/15 – juris, NJW-RR 2016, 883; Müller-Rabe, a.a.O., Rn. 11). Daneben stets eine (gewillkürte) Verbindung dann anzunehmen, wenn Einigungen in verschiedenen Rechtsstreiten in einen „Vergleich“ gefasst werden, führt zu Inkonsistenten (s. Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG). Das Gesetz bietet keinerlei Anhaltspunkte, in welcher Weise eine Aufteilung einer Gebühr auf verschiedene Verfahren erfolgen sollte, denn der jeweilige Aufwand für eine Einigung kann unterschiedlich sein, so dass jedenfalls eine gleichmäßige Aufteilung einer Gebühr auf die Anzahl der Verfahren nicht zwingend ist (vgl. aber LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 6. Oktober 2016 – L 19 AS 646/16 B – juris zu Nr. 1006 VV RVG a.F.). Der Gesetzgeber hat jedenfalls in Nr. 1006 VV RVG geregelt, dass sich die anfallende Einigungsgebühr durch eine Erweiterung eines Vergleichs nicht erhöht. Ein Entfallen bzw. eine Verringerung der Gebühr in einer tatsächlich einer Einigung zugeführten Rechtssache ist jedoch nicht geregelt.  Synergieeffekte, die durch die Betreibung mehrerer Angelegenheiten entstehen können, sind bei der Verfahrensgebühr zu berücksichtigen und wirken sich ggf. bei der Höhe der Einigungsgebühr nach Nr. 1006, 1000 VV RVG, die n Höhe der Verfahrensgebühr zu vergüten ist, aus (i.E. LSG Thüringen, Beschluss v. 22. Januar 2019, a.a.O.).

 

Weiter war, wie geltend gemacht, die Gebühr nach Nr. 7000 VV RVG (Dokumentenpauschale) i.H.v. 55,15 EUR und die Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG i.H.v. 20,00 EUR festzusetzen. Die Gebühren nach Nr. 7003 VV RVG (Fahrtkosten) und Nr. 7005 VV RVG (Abwesenheitsgeld) waren im Hinblick darauf, dass der Antragsteller in dem mitverhandelten Verfahren zum Aktenzeichen S 37 AS 2026/17 diese auch nicht anteilig geltend gemacht hat, vorliegend in der geltend gemachten Höhe zu berücksichtigen, so dass sich eine Vergütung in der vom Antragsteller geltend gemachten Höhe von 1.538,37 EUR ergibt.

 

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei (§ 56 Abs. 2 RVG). Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 3 RVG).

 

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 RVG in Verbindung mit § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).

 

Dr. Dewitz                                                     Müller                                                         Haack

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