Krankenhausbehandlungsbedürftig ist ein Krankheitszustand, dessen Behandlung den Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses erforderlich macht (BSG 17.11.2015, B 1 KR 18/15 R, juris Rn. 11). Bei einer psychiatrischen Erkrankung kann der Einsatz von krankenhausspezifischen Geräten ganz in den Hintergrund treten und allein der Einsatz von Ärzten, therapeutischen Hilfskräften und Pflegepersonal sowie die Art der Medikation die stationäre Behandlung kennzeichnen. Auch bei einer schweren chronifizierten psychiatrischen Erkrankung kann nicht von vornherein von einer fehlenden medizinisch-ärztlichen Beeinflussbarkeit ausgegangen werden.
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 09.03.2020 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 55.695,61 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer Krankenhausbehandlung im Zeitraum vom 20.03.2018 bis 29.08.2018.
Die Klägerin ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Gesetz zur Errichtung der Zentren für Psychiatrie Baden-Württemberg vom 03.07.1995 (GBl. S. 510) eine Anstalt öffentlichen Rechts und betreibt ein psychiatrisches Krankenhaus, das durch Aufnahme in den Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg nach § 108 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zur Versorgung gesetzlich Krankenversicherter zugelassen ist.
Der bei der Beklagten versicherte, 1982 geborene H1 (im Folgenden Versicherter) leidet seit dem Jahr 2000 an einer paranoiden Schizophrenie (ICD-10 F20.0). Seit 2011 besteht eine Erwerbsminderung, seit 2012 steht er unter gesetzlicher Betreuung. Seit Oktober 2013 wohnt der Versicherte außerhalb des elterlichen Hauses mit professioneller Betreuung im S1 in G1, einem Wohnheim für psychisch kranke Menschen. Nach bereits zuvor erfolgter gerichtlich angeordneter Unterbringung beschloss das Amtsgericht B2 - Betreuungsgericht - am 07.07.2017 (Bl. 846 der Patientenakte) erneut die Unterbringung des Versicherten in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bzw. einer geschlossenen Abteilung einer Pflegeeinrichtung bis längstens 07.07.2019. Seit dem 01.08.2017 ist beim Versicherten der Pflegegrad 1, seit dem 01.06.2018 der Pflegegrad 2 anerkannt (vgl. Pflegegutachten vom 28.11.2018, Bl. 17 ff. der SG-Akte). Mit Bescheid vom 02.05.2018 stellte die Stadt K1, Sozialamt, die Leistungen der Eingliederungshilfe an den Versicherten sowie die Grundsicherung in Einrichtungen mit Ablauf des 19.03.2018 sowie die Hilfe zum Lebensunterhalt zum 30.04.2018 ein (Bl. 815 der Patientenakte).
Seit dem 17.03.2014 wurde der Versicherte - nach einem Suizidversuch im Rahmen einer Wochenendbeurlaubung, bei welchem er die vierfache Tagesdosis seiner Medikamente einnahm - mit nur kurzen Unterbrechungen - vollstationär im Krankenhaus der Klägerin behandelt (17.03.2014 bis 20.08.2015, 21.08.2015 bis 01.10.2015, 01.10.2015 bis 31.12.2016, 01.01.2017 bis 01.02.2017, 08.02.2017 bis 27.02.2017, 28.02.2017 bis 25.07.2017, 26.07.2017 bis 23.09.2017, 26.09.2017 bis 20.03.2018 und 20.03.2018 bis 29.08.2018 [… mit Unterbrechungen bis 29.12.2020]). Ein Entlassungsversuch in einen geschlossenen Heimbereich am 01.02.2017 scheiterte bereits am 08.02.2017 aufgrund der fortbestehenden komplexen, floriden Psychose mit Störung der Impulskontrolle und Steuerungsfähigkeit sowie konsekutiver Eigen- und Fremdgefährdung (Zwischenepikritische Zusammenfassung der Klinik für Allgemeinpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik II vom 30.10.2019, Bl. 77 ff. der Senatsakte). Wegen dieser Behandlungen kam es immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten zwischen der Klägerin und der Beklagten (im Berufungsverfahren L 11 KR 1164/20 war der Zeitraum vom 01.10.2015 bis 31.12.2016 streitig [Erledigung durch Vergleich]; im Berufungsverfahren L 4 KR 599/21 ist der Zeitraum vom 15.09.2017 bis 23.09.2017 streitig; im Klageverfahren S 4 KR 623/21 ist der Zeitraum vom 04.09.2018 bis 24.07.2019 streitig; im Klageverfahren S 13 KR 2435/22 ist der Zeitraum vom 02.01.2020 bis 29.12.2020 streitig).
Der Versicherte wurde im Zeitraum vom 26.09.2017 bis 29.08.2018 erneut in der Klinik für Allgemeinpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik II des Psychiatrischen Zentrums Nordbaden in W1 der Klägerin vollstationär behandelt. Dem Arztbrief der Klinik für Allgemeinpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik II vom 16.05.2019 (Bl. 83 ff. der Senatsakte) sind hierzu folgende Diagnosen zu entnehmen: Paranoide Schizophrenie (F20.0), Hypoosmolalität und Hyponatriämie (E87.1), Polydipsie (R63.1), Folsäuremangel (E53.8) und essentielle Hypertonie benigne ohne Angabe einer hypertensiven Krise (I10.00). Die stationäre Aufnahme am 26.09.2017 erfolgte als Rückverlegung aus dem Krankenhaus S2 (Lehrkrankenhaus der Uniklinik H2) bei Z.n. Hyponatriämie im Rahmen einer wahnhaft bedingten Polydipsie bei bekannter paranoider Schizophrenie. Der Zwischenepikritischen Zusammenfassung, welche den genannten Behandlungszeitraum in zwei Zeiträume teilt (26.09.2017 bis 20.03.2018 und 20.03.2018 bis 29.08.2018) ist zum Behandlungsverlauf u.a. Folgendes zu entnehmen:
„Der Pat. erhielt dann ab 27.11.2017 eine Behandlung mittels Elektrokonvulsionstherapie (EKT), welche zu einer wesentlichen Abmilderung der Psychopathologie führte erstmals im Rahmen des prolongierten, hochkomplexen und multipel erschwerten Behandlungsverlaufes die Aufnahme einer realistischen Entlassplanung ermöglichte. Im Rahmen der psychopathologischen Teilremission zeigte sich nun ein deutlich stabilisierter Affekt mit rückläufiger Wahnsymptomatik sowie einer Verhaltensmodulation des Patienten bezüglich der Polydipsie mit Rückkehr zu physiologischen Trinkmengen.
Massive Erschwernisse der stationären Behandlung ergaben sich jedoch weiterhin durch eine verzögerte oder unzureichende Medikamentenresponse, die psychotische Incompliance, rezidivierende Eigengefährdung und Fremdaggressivität selbst im hochbeschützenden Setting sowie somatische Komplikationen im Sinne wiederholter Unterbrechungen der stationären Behandlung aufgrund somatischer Therapienotwendigkeit bei psychotischer Eigengefährdung durch Polidipsie und konsekutiv lebensgefährlicher Hyponatriämie. So waren intensivmedizinische Behandlungsnotwendigkeiten bei Polydipsie bedingter Hyponatriämie Grund für die Unterbrechung des Aufenthaltes am 25.07.2017 und am 23.09.2017.
Die Entlassung erfolgte am 29.08.2018 in den Heimbereich des P1, Haus 17.
Zum Zeitpunkt der Entlassung hatten bereits 57 EKT-Behandlungen während des stationären Aufenthaltes stattgefunden. Das Intervall der Behandlungen konnte von 2-3-mal pro Woche auf inzwischen alle 7 Tage erweitert werden. Des Weiteren ist geplant, das Behandlungsintervall weiter zu strecken, z. B. auf Behandlungen alle 2 Wochen. Die nächste EKT-Behandlung ist für den 05.09.2018 vorgesehen. Vor den EKT-Behandlungen ist eine stationäre Aufnahme in der Klinik der APII des P1 W1 avisiert, jeweils am Tag vor der Behandlung. Die nächste Aufnahme des ist für den 04.09.18 geplant.
Die Weiterbehandlung findet im Ambulanzzentrum des P1 W1 statt. Ein Termin im Ambulanzzentrum wurde vereinbart für Montag, den 03.09.2018, um 16:30 Uhr bei S3. Geplant wurden für den weiteren ambulanten Verlauf auch Tages-Belastungserprobungen zur Mutter nach K1.
H3 präsentierte sich zum Entlasszeitpunkt affektiv ausgeglichen. Ein Teil der bereits chronifizierten Wahnsymptomatik besteht weiterhin, resultiert jedoch nicht mehr in einer Eigen- oder Fremdgefährdung.“
Bereits mit Schreiben vom 22.08.2017 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie aufgrund der gewonnenen Kenntnis vom Betreuungsbeschluss eine Prüfung zurückliegender Rechnungszeiträume (01.01. bis 25.07.2017) einleiten werde. Zugleich teilte die Beklagte mit Anhörungsschreiben vom 22.08.2017 (Bl. 806 der Patientenakte) dem Betreuer des Versicherten mit, dass die stationäre Unterbringung in einem Krankenhaus bereits fünf Jahre überschreite, demnach eine dauerhafte Einschränkung vorliege und die weitere Unterbringung der Verwahrung und nicht mehr der Krankenbehandlung diene. Nach § 17 Unterbringungsgesetz (UBG BW, seit 31.12.2014 außer Kraft) fielen die Unterbringungskosten dem Unterhaltspflichtigen oder seinem Kostenträger zur Last. Die Beklagte als Krankenkasse werde die Krankenhauskosten nicht mehr tragen. Die gesetzliche Krankenkasse sei nicht für die Wohnkosten eines psychisch Kranken zuständig. Diese Wohn- und Unterbringungskosten müssten entweder seine unterhaltspflichtige Mutter oder der Sozialhilfeträger übernehmen. Mit einem weiteren Schreiben vom 11.09.2017 (Bl. 809 der Patientenakte) teilte die Beklagte dem Betreuer sowie der Klägerin mit, nur noch bis zum 15.09.2017 die Krankenhauskosten für den Versicherten zu übernehmen.
Mit Schreiben vom 13.04.2018 (Bl. 810 der Patientenakte) teilte die Beklagte der Klägerin mit, die Kostenübernahme für den Krankenhausaufenthalt ab dem 20.03.2018 abzulehnen und verwies diesbezüglich auf ihre Schreiben vom 22.08.2017 und 11.09.2017. Dem widersprach die Klägerin mit Schreiben vom 19.04.2018 (Bl. 811 der Patientenakte) und legte im Nachgang eine ärztliche Stellungnahme ihres G2 vom 25.04.2018 (Bl. 812 der Patientenakte) vor. Demnach handele sich bei dem Versicherten um einen Schwerstkranken mit einer chronifizierten Psychose. Die weitere Chronifizierung der Psychose und die psychische und physische Stabilisierung des Versicherten könnten auch aus fachpsychiatrischer Sicht nur durch eine EKT, derzeit mehrmals pro Woche, als ultima ratio aufgehalten werden. Jegliche hochdosierte Medikation habe keine Besserung der Wahninhalte gezeigt. Durch die EKT habe zuletzt der körperliche Zustand des Versicherten stabilisiert werden können, da es durch einen Rückgang der Wahninhalte nicht mehr zu wahnhaft bedingter Aufnahme einer Unmenge an Wasser gekommen sei, welche stets zu einer Verdünnungshyponatriämie geführt und einen erheblichen und lebensbedrohlichen Risikofaktor für den Versicherten dargestellt hätte. Weitere EKT-Behandlungen seien im Rahmen der Akutbehandlung mit kurativem Ansatz erforderlich. Gegenwärtig befinde sich der Versicherte weiterhin in einem schwerkranken Zustand ohne Belastbarkeit und mit Desorganisation und dadurch wiederkehrenden potentiellen Gefährdungsmomenten, so dass nur eine vollstationäre Behandlung in einem intensivpsychiatrischen Setting den Versicherten vor einer Krankheitsverschlechterung schützen könne. Gerne könne sich der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) hiervon persönlich ein Bild machen.
Unter dem 17.05.2018 erstellte die Klägerin eine Zwischenrechnung über 11.189,64 € (Bl. 841 der Patientenakte) und am 01.06.2018 über 8.259,02 € (Bl. 843 der Patientenakte), jeweils aus bei einem PEPP-Entgelt (Pauschalierendes Entgeltsystem für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen) i.H. von 266,42 € pro Tag, die die Beklagte nicht zahlte. Ohne Einschaltung des MDK lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 09.05.2018 (Bl. 818 Patientenakte) weiterhin die Kostenübernahme ab. Aus dem vorliegenden Unterbringungsbeschluss des Amtsgerichts B2 gehe eindeutig hervor, dass sich die seelische Behinderung auch durch eine weitere akute Behandlung nicht mehr beseitigen lasse. Im Vordergrund stehe die Vermeidung der Eigengefährdung und die Eingliederung des Versicherten in eine für ihn passende Struktur. Der von der Klägerin geschilderte kurative Ansatz sei bei der bekannten Krankheitsgeschichte seit 2002 in keinster Weise nachvollziehbar. Die Klägerin nahm hierzu unter dem 16.05.2018 Stellung (Bl. 32 der Verwaltungsakte der Beklagten), worauf die Beklagte mit Schreiben vom 23.05.2018 reagierte (Bl. 34 der Verwaltungsakte der Beklagten).
Unter dem 06.07.2018 (Bl. 72 ff. der Verwaltungsakte der Beklagten) erstellte der MDK auf Veranlassung der Beklagten ein Gutachten zu den dem Versicherten im Hause der Klägerin vom 01.01.2017 bis 25.07.2017 erbrachten stationären Leistungen. In diesem Gutachten nahm B1, der seine Qualifikation nicht offengelegt hat, ausdrücklich nur für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis 25.07.2017 Stellung und führte aus, dass die Wiederaufnahme in die stationäre Krankenhausbehandlung vor dem Hintergrund eines abgebrochenen Probewohnens in einem geschützten Betreuungszentrum wegen bedrohlichen Verhaltens des Versicherten erfolgt sei. Im Aufnahmebefund würden eine reduzierte Konzentration und Aufmerksamkeit, formale Denkstörungen, Wahn, Ich-Störungen, eine gedrückte Stimmung, eine hohe Anspannung und Schlafstörungen beschrieben. Eine akute Eigen- und Fremdgefährdung habe nicht vorgelegen. Eine Vitalgefährdung durch eine Hyponatriämie sei ebenfalls nicht aufnahmeveranlassend gewesen. Es habe keine klare Aufnahmeindikation bestanden. Natürlich sei der Versicherte weiterhin schwerstkrank gewesen und habe eine vollstationäre Einrichtung zur Pflege benötigt. Aber mit den genannten Symptomen habe die Klinik den Versicherten auch zuvor entlassen, weil nach dreijährigem stationären Aufenthalt keine Veränderung mehr durch eine Behandlung zu erwarten gewesen sei. Es habe somit bei Wiederaufnahme keine medizinische Indikation für eine Krankenhausbehandlung bestanden. Allerdings hätte die Klinik auch keine andere Möglichkeit gehabt, als den Versicherten aufzunehmen. Eine Entlassung in die Obdachlosigkeit wäre fahrlässig gewesen und hätte zu einer Gefährdung des Versicherten führen können. Die Krankenhausbehandlung sei aus ex ante-Sicht ab 08.02.2017 nicht mehr medizinisch begründet, die Aufnahme sei aufgrund der Versorgungsproblematik erfolgt. Während des Verlaufs habe es einige Tage gegeben, an denen eine Eigen- und Fremdgefährdung bestanden habe, die eine stationäre Behandlung notwendig gemacht hätten.
Aufgrund mehrerer Zwischenrechnungen stellte die Klägerin der Beklagten einen Gesamtbetrag i.H.v. 55.695,61 € in Rechnung (Datensatz vom 17.05.2018: 11.189,64 €, Datensatz vom 01.06.2018: 8.259,02 €, Datensatz vom 02.07.2018: 7.992,60 €, Datensatz vom 01.08.2018: 8.259,02 € und Datensatz vom 06.09.2018: 19.995,33 €).
Am 08.11.2018 hat die Klägerin beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, die stationäre Behandlung des Versicherten sei im Zeitraum vom 20.03.2018 bis 29.08.2018 medizinisch indiziert gewesen. Bereits bei Aufnahme seien die Ärzte der Klägerin von einer schon eingetretenen Chronifizierung der Erkrankung ausgegangen. Es hätten seit langer Zeit schwere produktive Symptome sowie chronische kognitive Einschränkungen mit aufgehobener Kritik- und Urteilsfähigkeit aufgrund der Erkrankung bestanden. Bei dem Versicherten sei eine ungewöhnlich langwierige Behandlung erforderlich gewesen. Es hätten bis zum letzten stationären Tag massive Defizite bestanden. Diese Symptomatik habe nur durch eine vollstationäre Behandlung auf einer psychiatrischen Intensivstation mit ständig kontrollierten hochdosierteren Psychopharmaka sowie regelmäßiger EKT behandelt werden können. Die weitere Chronifizierung und Verschlechterung der Psychose habe nur durch die EKT-Behandlung als ultima ratio aufgehalten werden können. Hierdurch habe der Versicherte stabilisiert werden können. Durch den Rückgang der Wahninhalte sei es nicht mehr zur wahnhaft bedingten Aufnahme von Unmengen von Wasser gekommen, die ihrerseits zu einer lebensbedrohlichen Verdünnungshyponatriämie geführt hätten. Die Notwendigkeit der Unterbringung spreche nicht gegen die Erforderlichkeit der vollstationären Krankenhausbehandlung. Die notwendigen Fixierungen, die ständige Labordiagnostik zur Kontrolle der Pharmakotherapie und die EKT-Behandlungen zeigten, dass der Versicherte mit den Mitteln des Krankenhauses behandelt worden sei. Die Dokumentation zeige im Übrigen eine ungewöhnlich intensive Befassung des Personals der Klägerin mit dem Versicherten, der dieser intensiven Betreuung auch bedurft habe. Es seien zahlreiche Fälle der 1:1-Überwachung dokumentiert. Diese Art der Behandlung wäre in einem anderen Setting nicht möglich gewesen. Die Beklagte schulde zudem die Aufwandspauschale in gesetzlicher Höhe sowie Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat hierzu ausgeführt, es habe an der stationären Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit gefehlt. Eine Prüfung der Behandlungsbedürftigkeit für den streitigen Zeitraum durch den MDK sei nicht notwendig gewesen, da die Prüfung für den Zeitraum Januar bis Juli 2017 bereits keine Notwendigkeit einer stationären Versorgung ergeben habe, da der Versicherte austherapiert sei und die weitere Unterbringung der Verwahrung gedient habe. Auch im streitigen Zeitraum sei keine Akutbehandlung, sondern eine Verwahrung des Versicherten erfolgt.
Im Auftrag des SG hat R1 am 10.09.2019 ein Sachverständigengutachten nach Aktenlage erstellt (Bl. 44 ff. der SG-Akte). In diesem kommt er zu dem Ergebnis, dass es sich dem Versicherten um einen schwerkranken Patienten handele, dessen stationäre Therapie vom 20.03.2018 bis 29.08.2018 aus ex ante-Sicht nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung und dem damals verfügbaren Kenntnisstand der behandelnden Ärzte notwendig gewesen sei.
Auf die Einwendungen der Beklagten, das Sachverständigengutachten grenze nicht zwischen einer Unterbringung und einer stationären Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus ab, mithin nicht zwischen dem Wohnen/Bewahren vor Obdachlosigkeit und medizinischer Behandlung, auch sei das Gutachten nicht auf die Dauer der stationären Behandlung eingegangen, hat R1 in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21.01.2020 ausgeführt, die stationäre Aufnahme des Versicherten sei während des gesamten Krankenhausaufenthaltes allein aus kurativen Zwecken erforderlich gewesen. Soweit sich dies der Aktenlage entnehmen lasse, habe der Aufenthalt vor allem der Therapie der schweren Krankheitssymptome und nachrangig der Unterbringung zum Vermeiden einer Eigen- oder Fremdgefährdung im gesetzlichen Sinne gedient. Sie sei weit überwiegend zur Therapie der schweren psychiatrischen Symptome und nicht etwa zu Zwecken des Wohnens bzw. des Bewahrens vor Obdachlosigkeit erfolgt. Angesichts des Schweregrades der Symptome des Versicherten und in Kenntnis der Hyponatriämie habe nicht die Möglichkeit einer ambulanten Durchführung der EKT bestanden.
Das SG hat die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 09.03.2020 verurteilt, an die Klägerin 55.695,61 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus Teilbeträgen in Höhe von 11.189,64 € seit dem 18.06.2018, aus 8.259,02 € seit dem 02.07.2018, aus 7.992,60 € seit dem 03.08.2018, aus 8.259,02 € seit dem 02.09.2018 und aus 19.995,33 € seit dem 22.10.2018 zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Klage sei hinsichtlich der Hauptforderung begründet. Der Klägerin stehe der geforderte Vergütungsanspruch aus der Behandlung des Versicherten im streitigen Zeitraum zu. Lediglich die Verzinsung sei auf 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz zu begrenzen. Entgegen der Ansicht der Beklagten habe die Aufnahme in die Klinik der Klägerin nicht lediglich der Unterbringung bzw. der Vermeidung einer Eigen- oder Fremdgefährdung gedient. Vielmehr habe die Akutbehandlung des Versicherten im Vordergrund gestanden. Das Gericht folge insoweit dem in sich schlüssigen und überzeugenden Sachverständigengutachten des R1 sowie seiner hierzu vorgenommenen ergänzenden Stellungnahme zu den Einwendungen der Beklagten. Hieraus ergebe sich, dass der Versicherte zwar unter einer paranoiden Schizophrenie in Form einer chronifizierten Erkrankung leide. Gleichwohl sei zur Akutbehandlung seine vollstationäre Aufnahme im Hause der Klägerin ab dem 20.03.2018 bis einschließlich 29.08.2018 aus kurativen Zwecken und nicht etwa zu Zwecken des Wohnens bzw. des Bewahrens vor Obdachlosigkeit erforderlich gewesen. Eine ambulante Behandlung insbesondere in Form der EKT wäre nicht ausreichend gewesen. Nicht nur die gravierende psychische Symptomatik, sondern auch die Gefährdung des Versicherten im Rahmen einer Hyponatriämie bei Polydipsie sei eindeutig therapiebedürftig gewesen und widerspreche einem Krankenhausaufenthalt vor allem zu Wohn- oder Aufbewahrungszwecken. Der Versicherte habe sich während des stationären Aufenthaltes kontinuierlich in einem schweren Krankheitsstadium befunden. Als therapeutische Maßnahmen eigneten sich die Gabe hochpotenter Neuroleptika mit antipsychotischer Wirkung, Psychotherapie, Arbeitstherapie, Ergotherapie, Musiktherapie und EKT. Bei der Erkrankung des Versicherten handele es sich um eine psychiatrische Krankheit, die üblicherweise häufig wiederkehrende stationäre Behandlungen in einem Krankenhaus erfordere. Aufgrund der beim Versicherten vorliegenden Polydipsie habe eine Indikation zur Natriumsubstitution bestanden. Die beim Versicherten diagnostizierte Hyponatriämie stelle ein gefährliches Krankheitsbild dar und erfordere ein rasches ärztliches Eingreifen. Allein aufgrund der Hyponatriämie habe im Kalenderjahr 2018 eine eindeutige Aufnahmeindikation in die Einrichtung der Klägerin bestanden. Nach erfolgloser Gabe hochdosierter Psychopharmaka sei die Behandlung in einem spezialisierten Krankenhaus mit EKT erforderlich gewesen. Der Umstand, dass sich aus der vorliegenden Suizidalität des Versicherten auch ein Indiz für eine Maßnahme nach dem Unterbringungsgesetz ableiten lasse, spreche nicht gegen die Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung. Denn die Selbstmordgefährdung sei auch ein behandlungspflichtiges Symptom der schweren Schizophrenie. Auch habe von einer fehlenden Behandelbarkeit der bestehenden Symptome bei stationärer Aufnahme nicht ausgegangen werden können, zumal die stationäre Aufnahme aufgrund einer zuvor eingetretenen Verschlechterung eingetreten sei. Insofern habe erwartet werden dürfen, dass eine Verbesserung auf das zuvor vorhandene Niveau jedenfalls möglich gewesen wäre. Es sei aus ex ante-Sicht geboten gewesen, mit allen zur Verfügung stehenden Therapiemöglichkeiten eine Symptomlinderung zu versuchen. Im vorliegenden Einzelfall sei insbesondere auch die Eigengefährdung des Versicherten als schweres Symptom der Schizophrenie zu betrachten und rasch zu behandeln gewesen. Auch insofern sei ein kurativer Krankenhausaufenthalt notwendig gewesen. Aufgrund der schweren Krankheitssymptomatik des Versicherten wäre auch die ambulante Durchführung der EKT nicht möglich gewesen. Nach alledem sei der Klage hinsichtlich der Hauptforderung stattzugeben gewesen. Hinsichtlich der Verzinsung in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz habe die Klage über die aus dem Tenor ersichtliche Verzinsung i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz keinen Erfolg haben können. Das Gericht folge insoweit der ständigen Rechtsprechung des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg und stütze die Zinsforderung auf § 19 Abs. 1 und 3 des Landesvertrages nach § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V für das Land Baden-Württemberg.
Gegen den ihr am 19.03.2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 26.03.2020 Berufung beim LSG Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung ausgeführt, die Versorgung des Versicherten im Krankenhaus sei nicht erforderlich gewesen. Dem Gutachten des R1 könne nicht gefolgt werden. Insbesondere begründe dieser nicht, warum eine Hyponatriämie einen fünfmonatigen Aufenthalt auf einer psychiatrischen Intensivstation notwendig machen sollte. Das Problem der „Nicht-Führbarkeit“ eines Patienten in einer betreuten Wohngruppe könne nicht zur stationären Aufnahme in einem psychiatrischen Krankenhaus und zur Verschiebung von Kostenträgern führen. Zudem könnten EKT’s in vielen Fällen ambulant durchgeführt werden. Über den 29.08.2018 hinaus sei der Versicherte immer wieder im psychiatrischen Krankenhaus der Klägerin gewesen, ohne dass sich an seinem Zustand etwas geändert habe. Die Aufenthalte hätten jedoch nicht mehr so lange gedauert. Da der Versicherte seit 20 Jahren an dieser Erkrankung leide und keine Besserung erkennbar sei, sei fraglich, ob nach § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB V Behandlungsbedürftigkeit und Behandlungszugänglichkeit im Zeitraum 20.03.2018 bis 29.08.2018 gegeben gewesen sei. Bei nicht mehr durch ärztliche Behandlung beeinflussbaren schwersten psychiatrischen Erkrankungen werde häufig eine (weitere) vollstationäre Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit verneint. Eine Abgrenzung zwischen stationärer Krankenhausbehandlung und Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses oder in einer Pflegeeinrichtung finde weder im Gutachten noch im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim statt. Menschen, die an einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung litten, könnten gegen oder ohne ihren Willen in einem geeigneten Krankenhaus untergebracht werden, wenn und solange sie infolge ihrer Krankheit ihr Leben, ihre Gesundheit oder Rechtsgüter anderer erheblich gefährdeten und die Gefahr nicht anders abgewendet werden könne. Nach dem Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten vom 25.11.2014 (PsychKHG BW, GBl.2014, 534) trügen die Kosten einer nach diesem Gesetz durchgeführten Unterbringung in einem Krankenhaus die Betroffenen, soweit sie nicht von Unterhaltspflichtigen, einem Träger der Sozialversicherung, einem Träger der Sozialhilfe oder anderen zu zahlen seien. Zu den Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gehöre es dagegen nicht, die für eine erfolgreiche Krankenbehandlung notwendigen gesellschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen zu schaffen oder diesbezügliche Defizite durch eine Erweiterung des gesetzlichen Leistungsspektrums auszugleichen. Für derartige Risiken habe die Krankenkasse nicht einzustehen. Unberührt davon blieben mögliche Ansprüche des Krankenhausträgers gegen andere Leistungsträger oder gegen die Versicherten selbst. Krankenhausträger, die zur Überbrückung von strukturellen oder einzelfallbezogenen Defiziten beim Übergang von der stationären Krankenhausversorgung in eine andere, von der Strukturverantwortung der Krankenkassen nicht umfasste Versorgungsform Leistungen für Versicherte erbrächten, könnten diese gegenüber den Krankenkassen auch dann nicht abrechnen, wenn die nahtlose Unterbringung in einer anderen Einrichtung erforderlich sei, jedoch nicht rechtzeitig ermöglicht werden könne. Die Krankenkassen trügen zur Erfüllung des Krankenbehandlungsanspruchs nach § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB V die Strukturverantwortung für die Verfügbarkeit adäquater Behandlungskapazitäten der Krankenhäuser. Eingliederungsleistungen, insbesondere solche nach §§ 53 ff. Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), und die entsprechende Strukturverantwortung dafür, die der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft dienten, zählten, auch wenn sie durch ambulante vertragsärztliche Behandlung flankiert werden (müssten), nicht zum Aufgabenbereich der GKV. Auch die Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten rechne der Gesetzgeber ausdrücklich den Leistungen der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu (§ 55 Abs. 2 Nr. 6 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IX]). Qualitativ und quantitativ hoher pflegerischer Aufwand und Schwierigkeiten, einen geeigneten Pflegeplatz zu finden, begründeten nicht die Notwendigkeit stationärer Krankenhausbehandlung. Mit der betreuten Wohngruppe im P1 W1 habe der Versicherte zudem einen geeigneten Pflegeplatz und Unterbringungsort gehabt. Das BSG habe in seiner Entscheidung vom 13.05.2004 (B 3 KR 18/03 R) klargestellt, dass eine Unterbringung auf der Grundlage des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (a.F., nunmehr § 1831 Abs. 1 Nr. 2 BGB) im Verhältnis zwischen Krankenhausträger und Krankenkasse keine Bindungswirkung dahingehend entfalte, dass mit der Entscheidung über die Unterbringung eines Versicherten die Erforderlichkeit einer Krankenhausbehandlung im Sinne von § 39 SGB V feststehe. Vorliegend sei der Versicherte wegen Eigen- und Fremdgefährdung nur verwahrt bzw. weggesperrt worden. Er sei nicht therapierbar und seine Krankheit nicht heilbar gewesen. Medikamentengabe, EKT und Fixierung wären auch in seiner betreuten Wohngruppe möglich gewesen. Vorliegend käme auch eine stationsäquivalente Behandlung in Betracht. Die betreute Wohngruppe, der vollstationäre Bereich und der teilstationäre Bereich seien bei der Klägerin unter einem Dach, so dass die Ärzte aus dem vollstationärem Bereich in Rufbereitschaft in die betreute Wohngruppe kommen könnten.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 09.03.2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung hat sie auf das erstinstanzliche Urteil und das Gutachten des R1 verwiesen sowie ergänzend ausgeführt, die Beklagte verkenne nach wie vor die Schwere der Erkrankung des Versicherten und die Dringlichkeit der Behandlungsbedürftigkeit im vollstationären Setting während der gesamten Dauer der Behandlung. Die Behandlungsdokumentation zeige einen schwerstkranken Patienten, der - auch vor dem Hintergrund seiner Vorgeschichte mit Suizidversuchen - nur vollstationär habe behandelt werden können. Soweit die Beklagte den Eindruck erwecken wolle, dem Versicherten sei praktisch nicht mehr zu helfen gewesen, sei dies falsch. Selbst wenn man von einer Chronifizierung ausgehe, welche die Beklagte immer wieder anführe, dürfe dennoch nicht verkannt werden, dass der Versicherte durch die intensive und lange Krankenhausbehandlung überhaupt erst wieder „heimfähig“ geworden sei und bei Beibehaltung der engmaschigen EKT-Behandlung überhaupt erst wieder in einem niederschwelligeren Setting habe behandelt werden können. Diese Veränderung in Form der Verbesserung seines Krankheitsbildes zeige die Erforderlichkeit, aber auch den Erfolg der vollstationären Krankenhausbehandlung. Mit der Schwere der Erkrankung und der intensiven Behandlung hätten weder die immer wieder aufgeworfene Frage nach einer alternativen Unterbringung noch die Unterbringung selbst etwas zu tun. Die Unterbringung sei möglicherweise nicht allein Begründung für die vollstationäre Krankenhausbehandlung und die Kostenübernahmepflicht der Beklagten, stehe dieser aber jedenfalls auch nicht entgegen, jedenfalls dann nicht, wenn wie hier, die Behandlung mit Mitteln des Krankenhauses so intensiv erfolgt sei. Auch die Chronifizierung stehe der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit keineswegs entgegen. Der chronisch Kranke verliere nicht den Anspruch auf eine vollstationäre Krankenhausbehandlung, insbesondere dann, wenn sein Zustand - wie hier - sich vor der Aufnahme so drastisch verschlechtert (Suizidalität) und durch die Behandlung so stark verbessert habe, dass wieder Heimfähigkeit gegeben sei. Der Versicherte habe auch nicht schon früher in das Betreute Wohnen gebracht werden können. Das Heim sei kein Ersatz für eine vollstationäre Krankenhausbehandlung. Der Versicherte sei vor dem tatsächlichen Ende der vollstationären Krankenhausbehandlung und dem Übergang ins Heim nicht entlassfähig gewesen. Es habe keine andere Behandlungsform gegeben, welche für die Weiterbehandlung des Versicherten geeignet gewesen wäre. Was die EKT-Behandlung angehe, sei es ein erheblicher Unterschied, ob ein Patient einmal pro Woche oder mehrmals pro Woche dieser Behandlung unterzogen werde. Auch in Fällen, in welchen die EKT-Behandlung während eines Heimaufenthaltes erfolgen könne, wäre eine jeweilige stationäre Vor- und Nachsorge erforderlich. Aus diesem Grunde ergebe sich schon aus der Behandlungsform zu mehreren Terminen in der Woche die stationäre Behandlungsbedürftigkeit. Zudem sei die Behandlung des Versicherten weit über die bloße EKT-Behandlung hinausgegangen. Diesbezüglich werde auf die ausführliche Behandlungsdokumentation verwiesen. Die Behandlung hätte weder ambulant noch teilstationär erfolgen können. Auch sei vorliegend das Behandlungsziel (Entlassung in eine niederschwelligere Behandlungsform) erreicht worden. Eine stationsäquivalente Behandlung wäre grundsätzlich eine gute Idee und sogar besser vergütet. Der Versicherte falle jedoch nicht in die Patientengruppe, deren Behandlung unter die hierfür bestehende Vereinbarung falle. Zudem könnten weder die Fixierung noch die EKT-Behandlung außerhalb einer Station erbracht werden.
Zur Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat F1,von Amts wegen mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dieser ist in seinem Gutachten vom 30.08.2022 (Bl. 131 ff. der Senatsakte) zu dem Ergebnis gelangt, dass sowohl bei Aufnahme des Versicherten am 20.03.2018 als auch während des gesamten stationären Aufenthalts Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit bestanden habe. Der stationäre Aufenthalt habe der Linderung von Krankheitsbeschwerden und einer Verbesserung und Stabilisierung des Gesundheitszustandes gedient. Aufgrund des wahnhaft vermehrten Trinkverhaltens des Betroffenen sei der Versicherte zu verschiedenen Zeiten des stationären Aufenthaltes durch eine Elektrolytentgleisung in seinem Blut (Hyponatriämie) gefährdet gewesen, dies in der Zeit ab dem 06.08.2018 sogar vergleichsweise hochgradig. In diesen Abschnitten habe der stationäre Aufenthalt auch der Verhinderung einer Verschlimmerung der (in diesem Fall körperlichen) Symptomatik gedient.
Der Senat hat zudem die Gerichtsakten in den Verfahren L 4 KR 599/22 und L 11 KR 1164/20 zum Verfahren beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Patientenakte der Klägerin Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
1. Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhobene und gemäß § 143 SGG statthafte Berufung der Beklagten ist auch im Übrigen zulässig. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung, da der maßgebliche Beschwerdewert nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von 750,00 € überschritten ist. Die Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung zur Zahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung des Versicherten in Höhe von 55.695,61 € zuzüglich Zinsen.
2. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist das Begehren der Klägerin auf Zahlung der Vergütung für den stationären Aufenthalt des Versicherten im Zeitraum vom 20.03.2018 bis 29.08.2018 in Höhe von 55.695,61 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (aus Teilbeträgen in Höhe von 11.189,64 € seit dem 18.06.2018, aus 8.259,02 € seit dem 02.07.2018, aus 7.992,60 € seit dem 03.08.2018, aus 8.259,02 € seit dem 02.09.2018 und aus 19.995,33 € seit dem 22.10.2018). Mangels Anschlussberufung ist das ursprüngliche Begehren der Klägerin auf eine Verzinsung in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nicht mehr streitgegenständlich.
3. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von 55.695,61 € aufgrund der notwendigen stationären Behandlung des Versicherten in der Zeit vom 20.03.2018 bis 29.08.2018.
a) Die Klage ist zulässig. Die Klägerin hat mit der erhobenen (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG die richtige Klageart gewählt; denn es handelt sich bei der auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse um einen sogenannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (BSG 17.12.2019, B 1 KR 19/19 R, juris Rn. 8 m.w.N.). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (BSG 13.11.2013, B 3 KR 33/12 R, juris Rn. 9). Die Klägerin hat den Zahlungsanspruch auch konkret beziffert.
b) Die Klage ist begründet. Der Klägerin steht der vorliegend geltend gemachte Vergütungsanspruch zu.
Dabei ist vorab darauf hinzuweisen, dass die Beklagte nicht den hierfür vorgeschriebenen und zu beschreitenden Weg einer Wirtschaftlichkeitsprüfung hinsichtlich einer primären oder sekundären Fehlbelegung nach der hier einschlägigen Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) vom 03.02.2016 beschritten und den MDK gemäß § 4 PrüfvV nicht mit dem Prüfgegenstand „primäre“ oder „sekundäre Fehlbelegung“ beauftragt hat. Die Beklagte geht vielmehr losgelöst von einer konkreten MDK-Prüfung und losgelöst von dem Verfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V - quasi abstrakt generell - davon aus, dass sie aufgrund des Unterbringungsbeschlusses des Amtsgerichts B2 vom 07.07.2017 nicht mehr Kostenträgerin sein könne. Dies zeigt sich in dem Schreiben vom 13.04.2018, mit welchem die Beklagte die Kostenübernahme ab dem 20.03.2018 unter Verweis auf ihre Schreiben vom 22.08.2017 und 11.09.2017 verweigerte, mit welchen sie bereits zuvor eine Kostenübernahme ab dem 15.09.2017 abgelehnt hat. All dies geschah vor der Erstellung der ersten Zwischenrechnung durch die Klägerin. Dies ist - wie bereits ausgeführt - keine der PrüfvV entsprechende Vorgehensweise (so auch LSG Baden-Württemberg 20.11.2023, L 4 KR 599/22).
(1) Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs der Klägerin ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung i.V.m. § 7 Abs. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG), die Vereinbarung zum pauschalierenden Entgeltsystem für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen (PEPP) für das Jahr 2018 in Verbindung mit § 17d Abs. 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), der Pflegesatzvereinbarung und dem für Baden-Württemberg gültigen nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V geschlossenen Vertrag. Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung eines gesetzlich Krankenversicherten und damit korrespondierend die Zahlungspflicht einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (BSG 17.12.2019, B 1 KR 19/19 R, juris Rn. 10; 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R, jeweils juris Rn. 8). Nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann.
(2) Die Grundvoraussetzungen des Vergütungsanspruches liegen vor. Die Klägerin betreibt ein zugelassenes Plankrankenhaus. Der Versicherte war zum Zeitpunkt der stationären Behandlung Mitglied der Beklagten. Bei ihm bestanden auch behandlungsbedürftige Krankheiten in Form einer paranoiden Schizophrenie (ICD F20.0) sowie Hypoosmolalität und Hyponatriämie (E87.1), Polydipsie (R63.1), Folsäuremangel (E53.8) und essentielle Hypertonie benigne ohne Angabe einer hypertensiven Krise (I10.00). Dies entnimmt der Senat dem Arztbrief des N1 vom 16.05.2019. Weder das Krankheitsbild noch die Behandlungsbedürftigkeit werden von Seiten der Beklagten in Zweifel gezogen.
(3) Bei dem Versicherten bestand vom 20.03.2018 bis 29.08.2018 auch Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit.
(a) Ob einem Versicherten vollstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richtet sich allein nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalles (BSG 25.10.2016, B 1 KR 6/16 R, juris Rn. 23 m.w.N.). Die Berechtigung der Krankenhausbehandlung ist nicht rückschauend aus der späteren Sicht des Gutachters zu beurteilen, sondern es kommt darauf an, ob sich die stationäre Aufnahme oder Weiterbehandlung bei Zugrundelegung der für den Krankenhausarzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Kenntnisse und Informationen zu Recht als medizinisch notwendig dargestellt hat (BSG 16.12.2008, B 1 KN 3/08 KR R, juris Rn. 22). Ermöglicht es der Gesundheitszustand des Versicherten, das Behandlungsziel durch andere Maßnahmen, insbesondere durch ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege, zu erreichen, besteht kein Anspruch auf stationäre Behandlung (BSG 25.10.2016, B 1 KR 6/16 R, juris Rn. 23). Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit haben im Streitfall uneingeschränkt zu überprüfen, ob eine stationäre Krankenhausbehandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist. Ein Einschätzungsvorrang des verantwortlichen Krankenhausarztes ist weder vom Gesetz vorgesehen noch von der Sache her erforderlich und deshalb mit dem rechtsstaatlichen Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbar (BSG, a.a.O., m.w.N.). Zudem obliegt die Entscheidung darüber, ob dem Versicherten ein Anspruch auf Gewährung vollstationärer Krankenhausbehandlung als Sachleistung zusteht, und darin eingeschlossen die Entscheidung, ob eine stationäre Behandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist, nicht dem Krankenhaus, sondern der Krankenkasse, gegen die sich der Anspruch richtet (BSG, a.a.O.).
Krankenhausbehandlungsbedürftig ist ein Krankheitszustand, dessen Behandlung den Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses erforderlich macht (BSG 17.11.2015, B 1 KR 18/15 R, juris Rn. 11). Als besondere Mittel des Krankenhauses sind eine apparative Mindestausstattung, geschultes Pflegepersonal und ein jederzeit präsenter oder rufbereiter Arzt anzusehen. Dabei ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, bei der den mit Aussicht auf Erfolg angestrebten Behandlungszielen und den vorhandenen Möglichkeiten einer vorrangigen ambulanten Behandlung entscheidende Bedeutung zukommt. So besteht kein Anspruch auf stationäre Behandlung und damit auch kein Vergütungsanspruch des Krankenhauses, wenn es - wie bereits ausgeführt - der Gesundheitszustand des Patienten ermöglicht, das Behandlungsziel durch andere Maßnahmen, insbesondere durch ambulante Behandlung, einschließlich häuslicher Krankenpflege, zu erreichen (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG 25.10.2016, B 1 KR 6/16 R, juris Rn. 23; 14.10.2014, B 1 KR 27/13 R, juris Rn. 11). Bei maßgeblicher ex ante-Sicht sind dabei die im Zeitpunkt der Entscheidung über die stationäre Aufnahme ersichtlichen Umstände zu berücksichtigen.
Bei einer psychiatrischen Erkrankung kann der Einsatz von krankenhausspezifischen Geräten ganz in den Hintergrund treten und allein der Einsatz von Ärzten, therapeutischen Hilfskräften und Pflegepersonal sowie die Art der Medikation die stationäre Behandlung kennzeichnen. Auch ist die Frage der Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung nicht abstrakt anhand der eine Krankenhausbehandlung umschreibenden Merkmale zu beantworten, sondern stets konkret mit Blick auf die in Betracht kommenden ambulanten Behandlungsalternativen. Versicherte mit einem schweren psychiatrischen Leiden haben Anspruch auf stationäre Krankenhausbehandlung, wenn nur auf diese Weise ein erforderlicher komplexer Behandlungsansatz durch das Zusammenwirken eines multiprofessionalen Teams unter fachärztlicher Leitung erfolgversprechend verwirklicht werden kann (vgl. BSG 13.05.2004, B 3 KR 18/03 R, BSGE 92, 300, 305; BSG 07.07.2005, B 3 KR 40/04 R, juris). In einer weiteren Entscheidung hat das BSG zudem klargestellt, dass auch eine Schizophrenie im chronifizierten Zustand heute eine behandlungsfähige und daher auch behandlungsbedürftige Krankheit ist (BSG 16.02.2005, B 1 KR 18/03 R, BSGE 94, 161-174, juris Rn. 25 ff.). Der Verweis der Beklagten auf die diesbezüglich veraltete Rechtsprechung des BSG (BSG 12.11.1985, 3 RK 45/83, BSGE 59, 116-119, juris) berücksichtigt somit nicht die wesentlichen medizinischen und rechtlichen Änderungen bei der Versorgung psychiatrisch und psychisch Kranker. Diesbezüglich weist F1 in seinem Gutachten vom 20.08.2022 auch ganz allgemein darauf hin, dass im Falle eines hochgradig beeinträchtigenden chronischen Krankheitsbildes durch eine Behandlung zwar ggfs. keine Besserung des herabgesenkten psychosozialen Funktionsniveaus mehr möglich ist, hiervon jedoch die Linderung krankheitsbedingter Leiden getrennt betrachtet werden müsse.
Eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der Unterbringung eines psychisch erkrankten Versicherten zur Durchführung einer stationären psychiatrischen Heilbehandlung schließt im Streit um den Vergütungsanspruch des Krankenhausträgers den Einwand der Krankenkasse nicht aus, die Krankenhausbehandlung sei nicht erforderlich gewesen (BSG 13.05.2004, B 3 KR 18/03 R, BSGE 92, 300-308, juris Rn. 16 ff.). Insbesondere hat der Große Senat (GS) des BSG im Beschluss vom 25.09.2007 (GS 1/06, BSGE 99, 111-122, juris) klargestellt, dass sich die Notwendigkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung allein nach medizinischen Erfordernissen richtet und die Krankenkasse die Kosten eines Krankenhausaufenthalts dann nicht zu tragen hat, wenn der Versicherte (nur) aus anderen, nicht mit der Behandlung zusammenhängenden Gründen eine spezielle Unterbringung oder Betreuung benötigt und wegen des Fehlens einer geeigneten Einrichtung vorübergehend im Krankenhaus verbleiben muss.
Zusammenfassend ist somit vorab festzuhalten, dass sich die Notwendigkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung allein nach medizinischen Erfordernissen richtet, jedoch auch bei einer schweren chronifizierten psychiatrischen Erkrankung nicht von vornherein von einer fehlenden medizinisch-ärztlichen Beeinflussbarkeit ausgegangen werden kann.
(b) Gemessen an diesen Vorgaben bestand bei dem Versicherten - unabhängig vom Unterbringungsbeschluss des Amtsgerichts B2 vom 17.07.2017 - während des kompletten hier streitigen Aufenthaltes vom 20.03.2018 bis 29.08.2018 Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit. Der Senat schließt sich hierbei den schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen F1 in seinem Gutachten vom 30.08.2022 an, welcher eine durchgehende Behandlungsbedürftigkeit im genannten Zeitraum annimmt aufgrund der Notwendigkeit mindestens wöchentlicher EKT-Behandlungen bei angepasster neuroleptischer Medikation einhergehend mit der ständigen Gefahr einer Verdünnungshyponatriämie durch eine - wahnbedingt - zu hohe Flüssigkeitsaufnahme. Eine Unterbringung des Versicherten in das Krankenhaus der Klägerin ausschließlich wegen erheblicher Gefährdung seines Lebens oder seiner Gesundheit oder der Rechtsgüter anderer infolge seiner psychischen Störung (§ 13 Abs. 3 PsychKHG BW) lag gerade nicht vor. Gestützt wird diese Einschätzung auch durch das in erster Instanz eingeholte Sachverständigengutachten bei R1, welcher ebenfalls eine durchgängige stationäre Behandlungsbedürftigkeit bejaht.
Der Versicherte litt im streitigen Zeitraum an einer schweren paranoid-halluzinatorischen, hochgradig chronifizierten schizophrenen Psychose (ICD-10 F20.0). Allein die Chronifizierung der genannten Erkrankung stand einer Behandlung mit den Mittel eines Krankenhauses jedoch nicht entgegen (s.o.). In seinem Gutachten führt F1 sodann nachvollziehbar unter detaillierter Bezugnahme auf die Patientenakte des Versicherten aus, dass sich unter regelmäßiger EKT-Behandlung flankiert durch neuroleptische und psycho-/sozialtherapeutische Maßnahmen das Erleben und Verhalten des Betroffenen hat günstig beeinflussen lassen und die stationäre Behandlung auch in ihrer Länge umfassend erforderlich war. Es handelte sich um eine Behandlung mit dem Ziel der Besserung von Krankheitszeichen.
So benötigte der Versicherte auch im März 2018 noch eines multimodalen Therapiekonzepts mit umfassenden psychotherapeutischen und sonstigen medizinischen Behandlungsmaßnahmen, um ihn nach Ende des Aufenthalts überhaupt unterbringen bzw. in einer niederschwelligeren Form ambulant behandeln zu können. So ergibt sich insbesondere aus dem Arztbrief der Klägerin vom 16.05.2019, dass bei dem Versicherten seit mehreren Jahren ein schwer chronifiziertes Zustandsbild mit handlungsleitendem psychotischen Erleben wie Vergiftungs-, Verfolgungs- und Beeinträchtigungswahninhalten, psychotischen Ängsten, handlungsleitenden Zönästhesien sowie hochgradiger Störung der Konzentration und Auffassung bestand, welchem therapeutisch zunächst kaum beigekommen werden konnte. So verliefen verschiedene medikamentöse Therapien äußerst frustran und brachten keinerlei Besserung der Wahninhalte mit sich, hielten den Versicherten insbesondere - außerhalb einer 1:1-Betreuung - nicht davon ab, weiterhin in wahnhafter Weise große Mengen Flüssigkeit aufzunehmen (um - seiner Vorstellung nach - die Medikation wieder auszuschwemmen). Allerdings führte die dann ab dem 27.11.2017 begonnene Behandlung mittels EKT, welche der Behandlung therapieresistenter und schwerer depressiver Störungen dient und bei der mit wenige Sekunden andauernden Stromimpulsen unter Narkose mit Muskelrelaxation eine kurzzeitige neuronale Übererregung im Gehirn ausgelöst wird (https://de.wikipedia.org/wiki/Elektrokonvulsionstherapie), zu einer wesentlichen Verbesserung des psychischen Zustands des Versicherten bei deutlich stabilisiertem Affekt und rückläufiger Wahnsymptomatik (bei zusätzlicher durchgängiger neuroleptischer Medikation sowie sonstigen therapeutischen Maßnahmen). Bis zum Entlassungszeitpunkt am 29.08.2018 wurden laut Arztbrief 57 EKT-Behandlungen durchgeführt, im hier streitigen Zeitraum ab dem 20.03.2018 noch 32 (21.03., 27.03., 29.03., 03.04., 05.04., 10.04., 12.04., 17.04., 19.04., 24.04., 27.04., 03.05., 09.05., 16.05., 24.05., 28.05., 05.06., 11.06., 15.06., 20.06., 25.06., 29.06., 04.07., 09.07., 13.07., 18.07., 24.07., 31.07., 09.08., 15.08., 21.08., 28.08.). Das Behandlungsintervall konnte hierbei von zwei- bis dreimal pro Woche zu Beginn auf einmal pro Woche zum Ende hin erweitert werden, wobei nach Ende des Aufenthalts eine weitere Streckung auf eine Behandlung alle zwei Wochen geplant war. Die Behandlung mittels EKT, welche erst seit dem 27.11.2017 durchgeführt wird, ist dabei eindeutig mit kurativem Ansatz erfolgt und führte auch zu den oben genannten Erfolgen. Insoweit überzeugt der Verweis der Beklagten auf das vorgelegte MDK-Gutachten nicht, da sich dieses nur mit dem Zeitraum vom 01.01.2017 bis 25.07.2017 beschäftigt, mithin zu diesem nunmehr verfolgten Behandlungsansatz überhaupt keine Stellung bezieht.
Ohne weitere Einschaltung des MDK behauptet die Beklagte nunmehr - ohne Offenlegung eines diesbezüglichen besonderen medizinischen Sachverstandes - die im vorliegenden Zeitraum erfolgten Behandlungen wären auch ambulant im Heimbereich zu erbringen gewesen. Auch wenn sich vorliegend die Notwendigkeit der stationären Erbringung der durchgeführten umfassenden Behandlung auch aufgrund der beim Versicherten wiederkehrenden Gefährdungsmomente (Eigen- und Fremdgefährdung) und der Schwere seiner Symptome ergibt (so auch G2 in seinem Schreiben vom 25.04.20218), spricht dies weder gegen die Erforderlichkeit noch die Notwendigkeit einer solchen, da diese nach einhelliger Auffassung der befragten Gutachter im Fall des Versicherten jedenfalls bis zum 29.08.2018 nicht ambulant zu erbringen gewesen wäre. Erst zu diesem Zeitpunkt, an welchem das Behandlungsintervall der EKT erfolgreich auf eine Woche ausgedehnt werden konnte, war eine Behandlung im ambulanten Setting überhaupt denkbar. Entgegen der Ansicht der Beklagten hatte diese Form der Behandlung auch nicht bereits zuvor im Heimbereich stattgefunden, wie dem Arztbrief der Klägerin vom 16.05.2019 zu entnehmen ist. Es für den Senat plausibel und nachvollziehbar, dass die Etablierung dieser Behandlungsform - auch vor dem Hintergrund der zudem noch bestehenden Hyponatriämie (hierzu sogleich) - bei dem hier schwerkranken Versicherten den Zeitraum bis zum 29.08.2018 benötigt hat, um die Behandlung in einem niederschwelligeren Setting vorzubereiten. Es haben somit nicht von vornherein keine Behandlungsaussichten bestanden, vielmehr konnte sowohl das Leiden des Versicherten gelindert als auch sein psychosoziales Funktionsniveau gebessert werden. Somit ging es - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht nur darum, Selbstmordversuche des Versicherten bei fehlender Krankheitseinsicht zu unterbinden.
Darüber hinaus begründet F1 die Notwendigkeit der stationären Behandlung auch nachvollziehbar mit einer von Anfang an bestehenden Gefährdung des Versicherten durch sein wahnhaft vermehrtes Trinken (wahnhaft bedingte Polydipsie, vgl. Arztbrief vom 16.05.2019) und die dadurch hervorgerufenen Elektrolytentgleisungen. Von einer Hyponatriämie spricht man, wenn die Natriumkonzentration im Blutserum unter 135 mmol/l fällt. Für die Behandlung ist weiterhin die Einteilung in schwere (unter 125 mmol/l), moderate (125-129 mmol/l) und leichte Hyponatriämie (130-135 mmol/l) notwendig. Den Laborwerten ist zu entnehmen, dass beim Versicherten durchgehend im Wechsel mit Normalwerten eine leichte Hyponatriämie (≤ 135 mmol/l am 22.03., 28.03., 06.04., 17.04., 18.04., 26.04., 02.05., 09.05., 14.05., 12.06., 06.07., 07.07., 10.07., 13.07.), im letzten Drittel der Behandlung sogar eine kurzzeitig schwere und dann mittelschwere Hyponatriämie bestand (07.08.: 125 mmol/l bei der Erst- und 122 mmol/l bei der Zweitmessung), die erst in der letzten Behandlungswoche remittierte (21.08.: 125 mmol/l; 22.08.: 131 mmol/l; 29.08.: 137 mmol/l). Im Falle des Versicherten fand sich ein wechselndes Bild bis hin zu schweren Entgleisungen des Elektrolytstoffwechsels, die ärztliche Beobachtung und ggf. ärztliche Interventionen erforderlich machten. So weist F1 zu Recht darauf hin, dass gerade bei der vorliegend bestehenden Grunderkrankung in Form einer schizophrenen Psychose die Abgrenzung zu den Symptomen der Hyponatriämie (Übelkeit, Erbrechen, Verwirrtheit, Kopfschmerzen, Erbrechen, Herzkreislaufprobleme, zunehmende Bewusstlosigkeit, Krämpfe) eine besondere psychiatrische Fachkompetenz und eine stetige Eingreifmöglichkeit (diagnostisch und therapeutisch) durch einen behandelnden Arzt erfordert, die lediglich in einem Krankenhaus gewährleistet werden kann. Da auch bei Werten, die eine mittelschwere Hyponatriämie (laborserologisch) ausweisen, also Laborwerten von 125 bis 129 mmol/l, stets mit einem Übergang in eine schwere Störung gerechnet werden muss, sind auch Menschen mit derartigen Werten gerade bei hochgradigen komplizierenden Komorbiditäten wie durch die über Jahre behandlungsresistente schizophrene Psychose vorliegend, krankenhausbehandlungspflichtig. Auch dies entnimmt der Senat dem Gutachten des F1. R1 bestätigte in seinem Gutachten vom 10.09.2019 ebenfalls, dass eine Hyponatriämie ein gefährliches Krankheitsbild darstellt, dass ein rasches ärztliches Eingreifen erfordert. Ein Natrium-Wert von unter 110 mmol/l kann danach sogar epileptische Krämpfe und ein Koma bedingen. Der hier stationäre Aufenthalt 20.03.2018 bis 29.08.2018 diente insoweit auch der Verhinderung der Verschlimmerung dieser körperlichen Symptomatik.
Soweit die Beklagte dem entgegenhält, dass die Klägerin wegen der chronifizierten Schizophrenie des Versicherten im hier streitigen Zeitraum kein Therapieziel verfolgt habe, verkennt sie, dass nicht die Grunderkrankung (Schizophrenie) behandelt wurde, sondern deren akuten Folgen (s.o.). Auch gehen die Ausführungen der Beklagten zur Kostentragungspflicht potentieller anderer Kostenträger bei einem Unterbringungsbeschluss ins Leere. Denn vorliegend sind nicht die Kosten einer durchgeführten Unterbringung streitig, die gemäß § 30 Abs. 2 PsychKHG BW der untergebrachten Person, ihrem Kostenträger oder den Unterhaltspflichtigen zur Last fallen. Vielmehr handelt es sich um Kosten einer vollstationären Krankenhausbehandlung, für die - wie bereits dargelegt - die Beklagte zuständiger Kostenträger ist.
(4) Fehler hinsichtlich der Berechnung der Vergütung sind nicht ersichtlich und wurden von der Beklagten auch nicht geltend gemacht.
(5) Der vom SG tenorierte Zinsanspruch beruht auf § 19 Abs. 1 und 3 des Landesvertrages zu § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
6. Die endgültige Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 3 Satz 1, § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz. Dabei war der Verzinsungsantrag nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen, da es sich insofern um eine Nebenforderung im Sinne von § 43 Abs. 1 GKG handelt.