L 7 KA 24/21

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 22 KA 29/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 24/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
  1. Eine Fuhrkostenbeteiligung in Höhe von 30 Prozent des Honorars für die abgerechneten EBM-Besuchsziffern ist für die Tätigkeit eines Nichtvertragsarzt es im fahrenden ärztlichen Bereitschaftsdienst rechtlich beanstandungsfrei.
  1. Niemand kann verlangen, dass eine ihn begünstigende rechtswidrige Handhabung von Vorschriften des Steuer- oder Abgabenrechts dauerhaft fortgesetzt wird (Kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht).
  1. Das bei der Bemessung der Fuhrkostenbeteiligung im fahrenden ärztlichen Bereitschaftsdienst zu beachtende Äquivalenzprinzip besagt lediglich, dass zwischen der Höhe des Beitrags und dem Nutzen des Beitragspflichtigen ein Zusammenhang besteht; die Beitragshöhe darf nicht in einem groben Missverhältnis zu den Vorteilen stehen, die der Beitrag abgelten soll (Hinweis auf B 6 KA 34/12 R).

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts

Berlin vom 2. Juni 2021 wird zurückgewiesen.

 

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

Tatbestand

 

 

Die Klägerin begehrt eine Vergütung ihrer Tätigkeit im ärztlichen Bereitschaftsdienst in den Quartalen II/15 und III/15 ohne Abzug einer 30-prozentigen „Fuhrkostenbeteiligung“.

 

Die Klägerin ist Fachärztin für Allgemeinmedizin. Sie ist nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und nimmt an dem von der Beklagten getragenen fahrenden ärztlichen Bereitschaftsdienst teil. In einer Erklärung gegenüber der Beklagten vom 13. Dezember 1995 („Ärztlicher Bereitschaftsdienst“) hat sie sich den gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen, die für Vertragsärzte gelten, unterworfen und angegeben, darüber informiert worden zu sein, dass 30 Prozent jeder von ihr abgerechneten Besuchsgebühr von ihrem Notfalldiensthonorar in Abzug gebracht werden.

 

§ 1 Abs. 3 der Bereitschaftsdienstordnung der Beklagten in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung regelt:

 

„Dem am fahrenden ärztlichen Bereitschaftsdienst teilnehmenden Nichtvertragsarzt werden 30 % des Honorars für die abgerechneten EBM-Besuchsziffern als Beitrag zu den Kosten des fahrenden ärztlichen Bereitschaftsdienstes in Abzug gebracht.“

 

Bis einschließlich Quartal I/15 handhabte die Beklagte diese Regelung nach eigenen Angaben – wie sie nunmehr anführt: „fälschlich“ – dergestalt, dass sie die Fuhrko­stenbeteiligung nur auf Basis der Anzahl der abgerechneten „Notfallpauschalen“ in Kapitel 1.2 des EBM, Nrn. 01210, 01212 und 01218, ermittelte, die mit 127, 195 und 170 Punkten relativ niedrig bewertet waren, und nicht anhand der EBM-Besuchsziffern in Kapitel 1.4 des EBM.

 

Auf diese Weise betrug die Fuhrkostenbeteiligung der Klägerin z.B. im Quartal I/14 bei einem Gesamthonorar von 47.020,19 Euro brutto 5.003,36 Euro (= 10,64 Prozent), im Quartal I/15 bei einem Gesamthonorar von 62.097,61 Euro brutto 3.706,99 Euro (= 5,97 Prozent).

Ab dem Quartal II/15 stellte die Beklagte ihre Verwaltungspraxis um, und zwar aus Anlass einer vom Bewertungsausschuss vorgenommenen Neuregelung und -bewer­­tung der Besuchsziffern in Kapitel 1.4 des EBM, zuletzt durch Beschluss in der 354. Sitzung am 8. Juni 2015. Danach war für Nichtvertragsärzte nicht mehr die EBM-Nr. 01411 (Dringender Besuch wegen der Erkrankung, 469 Punkte), sondern die EBM-Nr. 01418 (Besuch im organisierten Not[-fall]dienst, 778 Punkte) berechnungsfähig. Diese EBM-Änderung geht zurück auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (B 6 KA 3/12 R), mit dem dieses entschieden hatte, dass die Vergütung der Notfallleistungen nach den Bestimmungen des EBM-Ä 2008 nicht in Einklang mit höherrangigem Recht stehe. Die von Nichtvertragsärzten abrechenbaren Besuchsleistungen wurden damit um etwa 65 % besser bewertet. Dies hatte zur Folge, dass der von der Klägerin erzielte Fallwert von durchschnittlich 71,58 Euro (Quartale I/14 bis I/15) auf durchschnittlich 82,28 Euro (Quartale II/15 bis IV/15) anstieg; auf Bl. 81 des Verwaltungsvorgangs der Beklagten („Gutschriftenhistorie“) wird insoweit Bezug genommen.  

 

Gleichzeitig errechnete die Beklagte ab dem Quartal II/15 die Fuhrkostenbeteiligung der Klägerin auf Basis der EBM-Besuchsziffern 01413 (Besuch eines weiteren Kranken in derselben sozialen Gemeinschaft) und 01418, was zu einem erheblichen Anstieg der Fuhrkostenbeteiligung führte. 

 

In den Quartalen II/15 und III/15 erbrachte die Klägerin in folgendem Umfang Leistungen im ärztlichen Bereitschaftsdienst:

 

Quartal

Behandlung­s-

fälle

Bruttogutschrift

Fallwert

brutto

Fuhrkosten­beteiligung

II/15

807

68.737,47 Euro

85,52 Euro

16.210,01 Euro

(= 23,58 Prozent vom Gesamtbrutto)

III/15

665

53.396,85 Euro

80,43 Euro

12.715,09 Euro

(= 23,81 Prozent vom Gesamtbrutto)

 

 

Die Berechnung der Fuhrkostenbeteiligung erfolgte im Rahmen des jeweiligen Honorarbescheides auf der Basis der abgerechneten EBM-Besuchsziffern Nr. 01413 und Nr. 01418 und brachte hiervon 30 Prozent in Abschlag. Ziffer 01413 wurde in den beiden streitigen Quartalen 11 mal bzw. 12 mal abgerechnet, Ziffer 01418 796 mal bzw. 653 mal. Außerdem wurden vom Bruttohonorar jeweils 3,8 Prozent Verwaltungskosten in Abzug gebracht.

 

Gegen die Erhebung der Fuhrkostenbeteiligung in den Quartalen II/15 und III/15 legte die Klägerin jeweils Widerspruch ein. Sie rügte einen Verstoß gegen das Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip sowie gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aufgrund einer Ungleichbehandlung gegenüber der Vertragsärzteschaft. Außerdem beanstandete sie die Nichtanpassung der Fuhrkostenbeteiligung trotz Veränderung der Vergütung der Notfallleistungen infolge des Beschlusses des Bewertungsausschusses.

 

Am 17. Januar 2017 (schriftlicher Bescheid vom 18. Januar 2017) wies die Beklagte die Widersprüche der Klägerin zurück. § 1 Abs. 3 i.V.m. § 5 der Bereitschaftsdienstordnung regele, dass dem nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt 30 Prozent des Honorars für die abgerechneten EBM-Besuchsziffern als Beitrag zu den Kosten des ärztlichen Bereitschaftsdienstes in Abzug gebracht würden. In den Teilnahmebestimmungen der Bereitschaftsdienstordnung sei näher ausgeführt, dass Nichtvertragsärzte die Bereitschaftsdienstordnung durch schriftliche Erklärung anzuerkennen hätten. Es liege kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor, auch wenn die so genannte Fuhrkostenpauschale nur bei den nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten in Abzug gebracht werde. Die niedergelassenen Vertragsärzte trügen über die aus ihrem gesamten Honorarumsatz errechnete Verwaltungskostenumlage wesentlich zur Finanzierung des Bereitschaftsdienstes bei. Dagegen erbrächten die Nichtvertragsärzte in Gestalt der allein aus den Notfalldiensthonoraren berechneten Umlage einen weit geringeren Beitrag, der gerade ausreiche, um die Kosten der Honorarabrechnung zu decken. Sie nähmen also an einem für sie im Wesentlichen fremdfinanzierten System der vertragsärztlichen Versorgung teil. Im Übrigen sei die Teilnahme für die Nichtvertragsärzte, anders als für die Vertragsärzte, freiwillig. Äquivalenz- und Kostendeckungsprinzip würden nicht verletzt. Die Höhe der vereinnahmten allgemeinen Verwaltungskosten könne bei Nichtvertragsärzten aufgrund des Umfangs der Tätigkeit unter Umständen weitaus geringer ausfallen als beim Vertragsarzt. Hier bestehe das Risiko, dass aufgrund des reduzierten Umfangs und damit der entsprechend niedrigen Einnahmen eine sinnvolle Deckung der Kosten des Fahrbetriebes, jedenfalls bezogen auf die teilnehmenden Nichtvertragsärzte, gar nicht mehr möglich sei. Der Ansatz der Fuhrkostenpauschale i.H.v. 30 Prozent der Einnahmen sei damit erforderlich, um einen wirtschaftlich sinnvollen Betrieb des Fahrdienstes, soweit es die Nichtvertragsärzte betreffe, überhaupt gewährleisten zu können. Auch sonst bestünden besondere Vorteile für Nichtvertragsärzte. So werde die Klägerin erst durch die Einteilung zum ärztlichen Bereitschaftsdienst und die Benutzung der dafür vorgehaltenen Infrastruktur bzw. der Fahrbereitschaft in die Lage versetzt, überhaupt an der ambulanten Behandlung von Kassenpatienten teilzunehmen und sich hierdurch Einnahmen zu verschaffen. Auf diese Weise übersteige das Honorar der Klägerin im Quartal II/15 den durchschnittlichen Umsatz einer hausärztlichen Praxis, während sie gar nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehme. Die geforderte Beteiligung beziffere sich auf etwa 23,5 Prozent  des Gesamthonorars. Auch sei der Honorarumsatz eines Vertragsarztes nicht gleichzusetzen mit dem Netto- und/oder Bruttoeinkommen eines Arztes. Das Nettoeinkommen eines Vertragsarztes betrage durchschnittlich lediglich 23,5 Prozent des Honorarumsatzes. Aus den anderen 76,5 Prozent des Honorarumsatzes würden etwa die Praxiskosten, Steuerzahlungen sowie Aufwendungen für Kranken- und Pflegeversicherung finanziert. Die Klägerin aber habe keine Praxiskosten, z.B. für Personal, Miete, Energie oder Versicherungen. Der Widerspruch könne auch keinen Erfolg haben, soweit vorgetragen werde, dass wegen der grundlegenden Veränderung der Vergütung der Notfallleistungen im EBM eine Anpassung hätte erfolgen müssen. Das Bundessozialgericht habe in seinem Urteil vom Dezember 2012 festgestellt, dass ambulante Notfallbehandlungen im Krankenhaus so zu vergüten seien, als ob sie von Vertragsärzten geleistet worden seien. Seinerzeit sei es allerdings um die Zusatzpauschalen für die Besuchsbereitschaft gegangen. Zum         1. Oktober 2013 sei der Punktwert ausgabenneutral angehoben worden. Es treffe zwar zu, dass die EBM-Nr. 01418 höher bewertet sei als die zuvor gültige EBM-Nr. 01411; daraus lasse sich jedoch kein Anspruch auf Anpassung der Bestimmungen der Bereitschaftsdienstordnung  herleiten. In den streitgegenständlichen Quartalen seien die Änderungen im Übrigen bereits berücksichtigt worden. Bei der Ansetzung von 30 Prozent handele es sich um eine Pauschale, die schon aufgrund des Umstandes, dass die Höhe der Einnahmen aus den Verwaltungskosten und den Besuchsziffern sowie die tatsächlichen Kosten des ärztlichen Bereitschaftsdienstes quartalsweise Schwankungen unterlägen, immer nur einen Näherungswert darstellen könne. Der Bezug zu den tatsächlich entstehenden Aufwendungen gehe nicht verloren. Die erhobenen Beiträge aus den Verwaltungskosten bzw. die Fuhrkostenpauschale dienten der Kostendeckung.

 

Hiergegen richtet sich die am 14. Februar 2017 erhobene Klage. Zur Begründung hat die Klägerin ihr Widerspruchsvorbringen vertieft und im Wesentlichen angeführt: Die von ihr geforderte Fuhrkostenbeteiligung sei unverhältnismäßig, denn sie sei durch Anwendung der neuen EBM-Nr. 01418 ab dem Quartal II/15 zu ihren Lasten erheblich gestiegen, während die Kosten des ärztlichen Bereitschaftsdienstes, zu denen es im Übrigen keine verlässlichen Informationen gebe, gleich geblieben seien. Dass der ärztliche Bereitschaftsdienst defizitär betrieben werde, sei nicht belegt. Kostendeckung sei auch mit niedrigerer Fuhrkostenbeteiligung zu erzielen. Hinzu trete, dass ihr Quartalsumsatz regelmäßig wesentlich höher sei als derjenige einer allgemeinmedizinischen Vertragsarztpraxis, weshalb von ihr auch eine ungleich höhere Verwaltungskostenumlage zu zahlen sei. Die Ungleichbehandlung könne nicht hingenommen werden.

 

Die Beklagte ist dem entgegen getreten und hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Höhe der Fuhrkostenbeteiligung ab dem Quartal II/15 könne nicht beanstandet werden, weil sie § 1 Abs. 3 der Bereitschaftsdienstordnung entspreche und die Abrechnung der Besuchsziffern des EBM abbilde. Die Höhe von etwa 23 Prozent im Verhältnis zum Gesamthonorar sei angemessen, weil die Klägerin durch Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst erst in die Lage versetzt werde, an der ambulanten Behandlung von Kassenpatienten teilzunehmen. Zudem habe sie, anders als Vertragsärzte, keine Ausgaben für den Betrieb einer Arztpraxis. Ihr verblieben ca. 77 Prozent vom Honorarumsatz, während Vertragsärzten im Schnitt nach Abzug von Betriebsausgaben noch 48,4 Prozent verblieben. Aufgrund der am 13. Dezember 1995 unterzeichneten Erklärung habe ihr auch klar sein müssen, einem 30prozentigen Abzug bei den Besuchsziffern zu unterliegen. Eine unterschiedliche Behandlung von Vertragsärzten und Nichtvertragsärzten sei gerechtfertigt, da letztere im Gegensatz zu ersteren freiwillig am ärztlichen Bereitschaftsdienst teilnähmen. Schließlich werde der ärztliche Bereitschaftsdienst auch ab dem Quartal II/15 mit der geänderten Bewertung der Besuchsziffern nicht kostendeckend betrieben, so dass von einem Verstoß gegen das Kostendeckungsprinzip nicht die Rede sein könne. Bezogen auf das Jahr 2015 seien Kosten für den Betrieb der Leitstelle einschließlich Zahlungen an Fuhrunternehmen in Höhe von ca. 3,7 Mio. Euro entstanden, wohingegen die Kostenbeteiligung der Krankenkassen 1,96 Mio. Euro betragen habe und die Kostenbeiträge der Nichtvertragsärzte rund 594.000 Euro ausgemacht hätten, so dass ein Defizit von etwa 1,1 Mio. Euro verbleibe; wegen der Berechnung wird auf Bl. 56 und 77 der Gerichtsakte Bezug genommen. Dieses Defizit werde aus in einem Sicherstellungsfond bereit gestellten Mitteln finanziert, der der Finanzierung von Maßnahmen zur Verbesserung der vertragsärztlichen Versorgung diene und sich aus der Verwaltungskostenumlage speise. Der pro Patient von der Klägerin geleistete Kostenbeitrag (II/15: 20,16 Euro; III/15: 19,37 Euro) liege auch nicht über den für einen kostendeckenden Betrieb des ärztlichen Bereitschaftsdienstes erforderlichen Kosten. Während im Jahre 2015 der Anteil der von Nichtvertragsärzten durchgeführten Hausbesuche bei 20,78 Prozent gelegen habe, liege der Anteil der Kostenbeiträge der Nichtvertragsärzte an den Gesamtausgaben des ärztlichen Bereitschaftsdienstes bei nur 16,1 Prozent. Der Anteil an den Kosten liege damit unter dem Anteil an den Gesamtbesuchsleistungen und sei nicht unangemessen.

 

Mit Urteil vom 2. Juni 2021 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Einwendungen der Klägerin gegen die Höhe der Fuhrkostenbeteiligung seien unbegründet. Die Regelungen der Bereitschaftsdienstordnung, denen sich die Klägerin in ihrer schriftlichen Erklärung vom 13. Dezember 1995 unterworfen habe, bildeten eine taugliche Rechtsgrundlage für die Erhebung der Fuhrkostenbeteiligung. Das Äquivalenzprinzip sei gewahrt, denn zwischen der Höhe des Beitrages und dem Nutzen des Beitragspflichtigen bestehe der erforderliche Zusammenhang; ein „krasses Missverhältnis“ sei nicht zu erkennen. Das Bundessozialgericht habe einen Betriebskostenanteil von sogar 35 Prozent als mit dem Äquivalenzprinzip vereinbar angesehen (B 6 KA 34/12 R), zumal der Nichtvertragsarzt durch die freiwillige Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst erst in die Lage versetzt werde, unter Nutzung der von einer Kassenärztlichen Vereinigung   zur Verfügung gestellten Infrastruktur an der ambulanten Versorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung teilzunehmen und sich hierdurch Einnahmen in beträchtlicher Höhe zu verschaffen. Der von der Klägerin geleistete Beitrag in Höhe von rund 23 Prozent ihres Bruttoumsatzes stehe hiermit in Einklang. Die Kostenbelastung der Nichtvertragsärzte sei auch verhältnismäßig, denn sie erbrächten zwar 20,78 Prozent der Besuchsleistungen, trügen aber nur 16,1 Prozent der Gesamtkosten des ärztlichen Bereitschaftsdienstes. Gegen das Kostendeckungsprinzip werde nicht verstoßen, denn die von den Nichtvertragsärzten erhobene Kostenbeteiligung diene ausschließlich der Finanzierung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes und mache nur einen Bruchteil von dessen Kosten aus. Dass der ärztliche Bereitschaftsdienst insgesamt nicht kostendeckend betrieben werde, habe die Beklagte nachgewiesen, indem sie angeführt habe, dass aus dem Sicherstellungsfond im Jahre 2015 1,142 Mio. Euro hätten zugeschossen werden müssen. Schließlich sei auch der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt. Während die Vertragsärzte über die Verwaltungskostenumlage wesentlich zur Finanzierung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes beitrügen, erbrächten die Nichtvertragsärzte aus ihrer Kostenbeteiligung einen weit geringeren Beitrag. Letztere nähmen freiwillig an einem für sie fremdfinanzierten System der kassenärztlichen Versorgung teil. Beide Vergleichsgruppen seien so unterschiedlich, dass eine unterschiedliche Beteiligung an den Kosten des ärztlichen Bereitschaftsdienstes gerechtfertigt sei. Die Erhöhung des Punktwerts für die EBM-Nr. 01418 habe die Beklagte nicht veranlassen müssen, die Bereitschaftsdienstordnung zu ändern und den Satz der Kostenbeteiligung abzusenken.

 

Gegen das ihr am 6. Juli 2021 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13. Juli 2021 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie ergänzend anführt: Sie genieße schutzwürdiges Vertrauen. Sie sei über die Änderung der Verwaltungspraxis der Beklagten zur Berechnung der Fuhrkostenbeteiligung nicht rechtzeitig informiert worden, so dass sie zu Beginn des Quartals II/15 keinen Anlass gehabt habe, gegebenenfalls von der Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst Abstand zu nehmen. Eine Information sei erst mit Bekanntgabe des Honorarbescheides II/15 im März 2016 erfolgt. Angesichts der Vervielfachung der Fuhrkostenbeteiligung hätte sie auf eine vorherige Information durch die Beklagte vertrauen dürfen. Zudem verstoße die wortlautgetreue Umsetzung von § 1 Abs. 3 der Bereitschaftsdienstordnung ab 1. April 2015 gegen das Kostendeckungs- sowie das Äquivalenzprinzip. Mit der Änderung der EBM-Besuchsziffern sei die Beklagte verpflichtet gewesen, die Regelung in § 1 Abs. 3 der Bereitschaftsdienstordnung anzupassen. Dies sei unterblieben. Einer in etwa gleichbleibenden Kostenlast durch den ärztlichen Bereitschaftsdienst stehe eine erheblich gesteigerte Fuhrkostenbeteiligung gegenüber. Die Kostenerhebung sei willkürlich und losgelöst von den tatsächlichen Kosten des ärztlichen Bereitschaftsdienstes erfolgt. Der Einschätzung, dass der ärztliche Bereitschaftsdienst defizitär betrieben werde, könne nicht gefolgt werden, weil die von der Beklagten eingestellten Berechnungselemente unvollständig seien; als Einnahmen seien nur die finanzielle Beteiligung der Krankenkassen sowie die Kostenbeiträge der Nichtvertragsärzte ausgewiesen. Es bestehe eine Finanzierungspflicht durch die Gesamtheit der Vertragsärzte; eine anteilige Finanzierung über die Verwaltungskostenumlage lasse nicht die Schlussfolge zu, der ärztliche Bereitschaftsdienst werde defizitär betrieben. Zudem dränge sich der Eindruck auf, dass die Beklagte die Fuhrkostenbeteiligung nicht ausschließlich zur Finanzierung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes verwende und damit gegen die Zweckbindung verstoße, weil die Fuhrkostenbeteiligungen offenbar dem Sicherstellungsfond zuflössen, aus dem auch andere Kosten finanziert würden.

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 2. Juni 2021 aufzuheben sowie die Honorarbescheide der Beklagten für die Quartale II/15 und III/15 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2017 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, über den Honoraranspruch der Klägerin in Bezug auf die Fuhrkostenbeteiligung nach § 1 Abs. 3 der Bereitschaftsdienstordnung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden. 

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und verweist erneut darauf, dass die von den Nichtvertragsärzten erhobenen Fuhrkostenpauschalen im Jahre 2015 einen Anteil an den Gesamtausgaben für den Betrieb des ärztlichen Bereitschaftsdienstes in Höhe von 16,1 Prozent ausgemacht hätten, während ihr Anteil an den insgesamt durchgeführten Hausbesuchen bei 20,78 Prozent gelegen habe. Das habe Auswirkungen auf die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Fuhrkostenbeteiligung, denn die Quote der Kostenbeteiligung liege unter der Quote der erbrachten Leistungen. Zum 1. Juli 2019 habe die Beklagte die Fuhrkostenbeteiligung für Nichtvertragsärzte von 30 auf 15 Prozent abgesenkt, weil die Krankenkassen in den Honorarverhandlungen ihre Bereitschaft erklärt hätten, einen Betrag von 1,5 Mio. Euro zweckgebunden für die Sicherstellung des Notdienstes zur Verfügung zu stellen. Die Beklagte verfolge nicht die Absicht, den ärztlichen Bereitschaftsdienst allein durch die Fuhrkostenbeteiligung der Nichtvertragsärzte zu finanzieren. Die Ausgaben für den ärztlichen Bereitschaftsdienst überstiegen die Summe der Fuhrkostenbeteiligungen bei weitem. Die Einnahmen zur Fuhrkostenbeteiligung der Nichtvertragsärzte würden gemäß den Bilanzierungsvorschriften der Beklagten zunächst dem Sicherstellungsfond gutgeschrieben und von dort in voller Höhe dem ärztlichen Bereitschaftsdienst zugeführt, da sie zweckgebunden seien. Eine Verwendung für andere Zwecke des Sicherstellungsfonds sei rechtlich ausgeschlossen und finde nicht statt.

 

Im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 15. November 2023 haben die Beteiligten sich mit einer Entscheidung durch den Senat ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Entscheidungsfindung war.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

 

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. 

 

Wegen der Begründung nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die zutreffenden und überzeugenden Ausführungen der erstinstanzlichen Entscheidung vom 6. April 2021, § 153 Abs. 2 SGG. Ihnen ist auch in Würdigung der Berufungsbegründung nichts Wesentliches hinzuzufügen. 

 

Zu betonen bleibt lediglich: Die Erhebung der streitigen Fuhrkostenbeteiligung beruht auf § 1 Abs. 3 der Bereitschaftsdienstordnung der Beklagten und entspricht den Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm. Zu Recht hat das Sozialgericht diese Vorschrift auch für rechtlich beanstandungsfrei erklärt. Die Beklagte ist Körperschaft des Öffentlichen Rechts (§ 77 Abs. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V]). Ihre Vertreterversammlung hat die Satzung und sonstiges autonomes Recht zu beschließen (§ 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB V). Nach § 75 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen; der Sicherstellungsauftrag umfasst auch die vertragsärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst, § 75 Abs. 1b Satz 1 SGB V). Die Satzung der Beklagten bestimmt demgemäß in § 5 Abs. 2 Nr. 9, dass zu den Aufgaben der Vertreterversammlung auch die Beschlussfassung über die Bereitschaftsdienstordnung gehört. Zur Verwirklichung des gesetzlichen Sicherstellungsauftrages hat die Vertreterversammlung der Beklagten demgemäß eine Bereitschaftsdienstordnung beschlossen, die in § 1 Abs. 3 regelt, dass dem am fahrenden ärztlichen Bereitschaftsdienst teilnehmenden Nichtvertragsarzt 30 % des Honorars für die abgerechneten EBM-Besuchsziffern als Beitrag zu den Kosten des fahrenden ärztlichen Bereitschaftsdienstes in Abzug gebracht werden.

 

Diese Regelung haben die streitigen Honorarbescheide der Quartale II/15 und III/15 wortlautgetreu umgesetzt, denn der Abzug von 30 Prozent knüpfte an die „EBM-Besuchsziffern“ 01413 und (vor allem) 01418 an. Hiergegen ist rechtlich nichts zu erinnern.

 

Den Abzug eines „Betriebskostenanteils“ zur Finanzierung eines von einer Kassenärztlichen Vereinigung organisierten Notdienstes hat das Bundessozialgericht sogar in Höhe von 35 Prozent für beanstandungsfrei erklärt (Urteil vom 17. Juli 2013, B 6 KA 34/12 R, zitiert nach juris, dort Rdnrn. 15ff.). Diese Entscheidung führt eine ältere Rechtsprechung fort (Urteil vom 12. Mai 1993, 6 RKa 33/92), nach der die Heranziehung von Nichtkassenärzten zu einem Fuhrkostenbeitrag für rechtlich beanstandungsfrei, insbesondere für mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar erklärt wurde; dort wurde die Fuhrkostenbeteiligung „im Wesentlichen als ein Benutzungsentgelt“ bezeichnet (Rdnr. 14). Die Rechtmäßigkeit der Beteiligung von Nichtvertragsärzten an der Finanzierung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes hat das Bundessozialgericht auch jüngst bestätigt (siehe Terminsbericht zu B 6 KA 16/22 R, Urteil vom 25. Oktober 2023).

 

An diesen Grundsätzen, denen die Klägerin nichts Entscheidendes entgegen gesetzt hat, ist festzuhalten.

 

Vertrauensschutz der Klägerin steht einer Anwendung der geltenden Regelungen zur Erhebung der Fuhrkostenbeteiligung in den beiden streitigen Quartalen nicht entgegen. Die Klägerin kann nicht verlangen, dass eine vormals nicht wortlautgetreue Handhabung von § 1 Abs. 3 der Bereitschaftsdienstordnung durch die Beklagte bzw. eine gegebenenfalls rechtswidrige Verwaltungspraxis grenzenlos fortgesetzt bzw. erst nach Vorwarnung eingestellt werde; es besteht nie ein Anspruch darauf, dass bei gleicher Sachlage künftig wieder in gleicher Weise falsch entschieden werden müsste, denn einen „Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht“ kennt die Rechtsordnung nicht (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. September 2007,      2 BvR 1413/06, zitiert nach juris, dort Rdnr. 16; Bundessozialgericht, Urteil vom 21. März 2012, B 6 KA 22/11 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 69; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. Dezember 2020, L 7 KA 10/20 WA, zitiert nach juris, dort Rdnr. 27). Die Klägerin ist durch die wortlautgetreue, an die EBM-Besuchsziffern und nicht an die Notfallpauschalen anknüpfende Anwendung der Vorschrift nicht in ihren Rechten verletzt. Ganz allgemein kann niemand verlangen, dass eine ihn begünstigende unkorrekte Handhabung von Vorschriften des Steuer- oder Abgabenrechts dauerhaft fortgesetzt wird. Auch die Beklagte unterliegt der Gesetzesbindung nach Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes und hat geltendes Recht jederzeit umzusetzen. Dazu gehört auch, gegebenenfalls von einer nicht wortlautgetreuen Auslegung von Vorschriften wie § 1 Abs. 3 Bereitschaftsdienstordnung Abstand zu nehmen. 

 

Davon abgesehen sind die Ausführungen des Sozialgerichts zum Äquivalenzprinzip, zum Gebot der Kostendeckung, zur Verhältnismäßigkeit und zum Gleichbehandlungsgrundsatz in jeder Hinsicht überzeugend. Hier springt insbesondere ins Auge, dass Nichtvertragsärzte wie die Klägerin auf der Grundlage der nicht substantiiert bestrittenen Darstellung der Beklagten im Jahre 2015 20,78 Prozent der insgesamt abgerechneten Besuchsleistungen erbrachten, aber über die Fuhrkostenbeteiligung  nur in Höhe von 16,1 Prozent an den Gesamtkosten des ärztlichen Bereitschaftsdienstes beteiligt waren, von dessen Durchführung sie unmittelbar profitieren. Schon dieses Zahlenverhältnis macht deutlich, dass die Kostenbeteiligung der Nichtvertragsärzte gar nicht inäquivalent oder unverhältnismäßig sein kann. Dabei darf im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin keine arithmetische Deckungsgleichheit der beiden genannten Prozentwerte verlangt werden. Zum einen dürfte gar nicht im Vorhinein  absehbar sein, in welchem Umfang Nichtvertragsärzte jahresweise genau am ärztlichen Bereitschaftsdienst teilnehmen bzw. zu welchem Prozentsatz gerade sie EBM-Besuchsleistungen erbringen; zum anderen liegt eine Pauschalierung hier in der Natur der Sache und es ist, anders als die Klägerin wohl meint, nicht zu verlangen, dass die Fuhrkostenbeteiligung der Nichtvertragsärzte exakt ihrer Beteiligungsquote am ärztlichen Bereitschaftsdienst entspricht. Das von der Beklagten zu beachtende Äquivalenzprinzip gebietet vielmehr nur, dass zwischen der Höhe des Beitrags und dem Nutzen des Beitragspflichtigen ein Zusammenhang besteht; die Beitragshöhe darf nicht in einem groben Missverhältnis zu den Vorteilen stehen, die der Beitrag abgelten soll (vgl. nur Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Juli 2013, B 6 KA 34/12 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 20). Ein solches „krasses Missverhältnis“ (a.a.O., Rdnr. 21) ist vorliegend nicht im Ansatz zu erkennen. Bei dieser Bewertung ist in Rechnung zu stellen, dass Ärzte wie die Klägerin erst durch die Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst und die Benutzung der dafür von der Beklagten vorgehaltenen Einrichtungen wie Leitstelle, Fuhrpark mit Fahrern und Abrechnungsinfrastruktur in die Lage versetzt wird, überhaupt an der ambulanten Behandlung von gesetzlich Versicherten teilzunehmen und hierdurch Einnahmen zu erzielen, die signifikant höher sind als Umsatz und Ertrag einer herkömmlichen Vertragsarztpraxis. Angesichts dessen kann von fehlender Äquivalenz nicht die Rede sein; die mit der Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst erzielten Vorteile sind gegenüber der Belastung durch die 30prozentige Fuhrkostenbeteiligung „gleichwertig“.

 

Einen Verstoß gegen das Kostendeckungsprinzip kann die Klägerin schon deshalb nicht mit Erfolg anführen, weil nichts dafür ersichtlich ist, dass der von der Beklagten getragene ärztliche Bereitschaftsdienst Überschüsse erwirtschaftet, im Verhältnis zu welchen die Kostenbeteiligung der Nichtvertragsärzte als überhöht angesehen werden müsste; es kann zur Überzeugung des Senats nicht davon die Rede sein, dass die Erhebung der Fuhrkostenbeteiligung über die Deckung des für die Unterhaltung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes erforderlichen Verwaltungsaufwands hinaus in unzulässiger Weise der Finanzierung allgemeiner Aufgaben der Beklagten dient. Hierfür fehlt jeder Anhaltspunkt. Weiterer Sachaufklärung bedurfte es insoweit nicht.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

 

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
Saved