Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine von der Klägerin selbst beschaffte Hyperthermie-Behandlung in einer Privatpraxis.
Die 1964 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie leidet an einer Borrelioseinfektion, die 2019 labordiagnostisch nachgewiesen wurde. Nachdem andere Behandlungen erfolglos geblieben waren, entschied sich die Klägerin nach eigenen Recherchen für eine Hyperthermie-Behandlung bei der D-GmbH (nachfolgend: D). Die D ist ein nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenes Labor mit Privatpraxis.
Am 07. Dezember 2020 rief die Klägerin bei der Beklagten an und erhielt die allgemeine telefonische Auskunft, dass Hyperthermie keine Kassenleistung für die Behandlung der Borreliose sei.
Am 15. Dezember 2020 unterzeichnete die Klägerin einen „Auftrag zur privatärztlichen Behandlung und Abrechnung der extremen Ganzkörper-Hyperthermie (Patientenvertrag)“an die D . Am selben Tag wurde mit der Behandlung begonnen, in dem internistische Ausschlussfaktoren kontrolliert wurden. Unter dem 30. Dezember 2020 unterschrieb sie ein Aufklärungsprotokoll und Einverständniserklärung für eine „extreme Ganzkörper-Hyperthermie“ in dem u.a. ausgeführt wird, dass die Methode, bei der die Körperkerntemperatur auf 41,6 Grad Celsius erwärmt werde, in der Praxis vielfach erfolgreich angewendet werde, obwohl es sich nicht um eine wissenschaftlich allgemeine anerkannte Therapie-Methode handele. Sie werde derzeit nur in wenigen Einrichtungen durchgeführt. Am 06. Januar 2021 und am 13. Januar 2021 wurden jeweils Ganzkörperhyperthermie-Behandlungen mit anschließender Nachversorgung und Beobachtung durchgeführt. Für die Behandlung zahlte die Klägerin an die D insgesamt 17.750,00 €.
Unter dem 02. Februar 2021 beantragte die Klägerin die Erstattung dieser Kosten.
Mit Bescheid vom 05. Februar 2021 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab: Eine (neue) Behandlungsmethode müsse vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) zugelassen sein, damit die Leistung von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden könne. Eine Ausnahme könne nur im Einzelfall getroffen werden, wenn nach § 2 Abs. 1a Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) kumulativ die Krankheit akut lebensbedrohlich sei, es keine andere Therapiemöglichkeit gebe, die helfen könne, und die gewählte Methode Aussicht auf Heilung verspreche oder die Krankheit spürbar positiv beeinflusse. Die Krankheit der Klägerin sei nicht akut lebensbedrohlich. Es stünden auch alternative Therapien zur Verfügung.
Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin schaltete die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e. V. (MDK) ein. In dessen sozialmedizinischen Gutachten nach Aktenlage vom 19. März 2021 durch Dr. L gelangt dieser zu dem Ergebnis, dass die genannten Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Eine akut lebensbedrohliche Erkrankung liege nicht vor.
Die Beklagte wies daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2021 den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 16. August 2021 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat sie ausgeführt, eine lebensbedrohliche Erkrankung i. S. d. § 2 Abs. 1a SGB V liege vor. Anknüpfungspunkt für einen verfassungsrechtlich gebotenen Anspruch sei alleine das Vorliegen einer durch nahe Lebensgefahr gekennzeichneten individuelle Notlage. Es müsse eine lebensbedrohliche bzw. wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung vorliegen, die voraussichtlich entweder zum Tode führen oder einen wertungsmäßig vergleichbaren Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren überschaubaren Zeitpunkts mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen müsse. Es habe auch keine gleich effektive zugelassene Behandlungsmethode (mehr) zur Verfügung gestanden.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25. März 2022 abgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, als Rechtsgrundlage für das Erstattungsbegehren komme nur § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V in Betracht. Die Norm setze voraus, dass zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründeten Umstand eine rechtswidrige Ablehnung und der Kostenlast des Versicherten ein Ursachenzusammenhang bestehe. Ein Anspruch sei ausgeschlossen, wenn die Entscheidung der Krankenkasse das weitere Geschehen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme einer Leistung nicht mehr habe beeinflussen können, weil sich die Betroffene bereits unabhängig vom Verhalten der Krankenkasse endgültig auf eine bestimmte Leistungsform festgelegt habe. Die Versicherte sei grundsätzlich gehalten, sich vor der Inanspruchnahme einer Behandlung außerhalb des Sachleistungssystems an ihre Krankenkasse zu wenden, die Leistungsgewährung zu beantragen und die Entscheidung der Krankenkasse darüber abzuwarten (Bezugnahme auf Bundessozialgericht – BSG, Urteil vom 22. März 2005 – B 1 KR 3/04 R -). Eine Kostenerstattung solle nach § 13 Abs. 3 SGB V nur erfolgen, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke festgestellt werde. Diese Feststellung zu treffen sei Sache der Krankenkasse. Ihre vorherige Prüfung verbunden mit der Möglichkeit einer Beratung sei sachgerecht und liege gerade auch im eigenen Interesse der Versicherten, weil sie diese von dem Risiko entlasteten, die Kosten ggf. selber tragen zu müssen, wenn eine zur Erstattungspflicht führender Ausnahmetatbestand nicht vorliege (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 08. September 2015 – B 1 KR 14/14 R -). Die Klägerin habe vor der Selbstbeschaffung der Hyperthermie-Behandlung keinen Antrag bei der Beklagten gestellt, sondern erst nach Durchführung der Leistung Kostenerstattung beantragt. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB V sei nicht erfüllt. Die Hyperthermie-Behandlung sei nicht unaufschiebbar gewesen. Unaufschiebbarkeit liege vor, wenn die beantragte Leistung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbringung so dringlich gewesen sei, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubes mehr bestanden habe. Ein Zuwarten sei aus medizinischen Gründen dann nicht mehr zumutbar, wenn der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten könne oder z.B. wegen der Intensität der Schmerzen ein sofortiges Handeln erforderlich sei (Bezugnahme auf BSG, a. a. O.). Eine derartige Eilbedürftigkeit aufgrund einer notstandsähnlichen Erkrankungssituation habe bei der Klägerin nicht vorgelegen. Die Frage der Unaufschiebbarkeit könne letztlich sogar offen bleiben, denn der Kostenerstattungsanspruch bestehe selbst in Fällen der Eilbedürftigkeit nur für medizinische Maßnahmen, die ihrer Art nach oder allgemein von den Krankenkassen als Sachleistungen zu erbringen sein oder nur deswegen nicht erbracht werden könnten, weil ein Systemversagen die Erfüllung der Leistungs-ansprüche Versicherter im Wege der Sachleistung gerade ausschließen (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 24. April 2018 – B 1 KR 29/17 R -). Die Krankenkasse habe nicht für Kosten einzustehen, wenn die Versicherte sich eine Maßnahme beschafft habe, die unter jedem Gesichtspunkt vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sei. Bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung bestehe eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nur dann, wenn zunächst der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben habe und der Bewertungsausschuss sie zudem zum Gegenstand des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für die vertragsärztlichen Leistungen gemacht habe (Bezugnahme auf ständige Rechtsprechung des BSG, z.B. Urteil vom 02. September 2014 – B 1 KR 11/13 R -). Die Richtlinie nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 i. V. m. § 135 Abs. 1 SGB V regele nicht nur, unter welchen Voraussetzungen die zur vertrags-ärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer wie Ärzte, neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürften, sondern lege auch den Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich fest (Bezugnahme auf BSG, a.a.O.). In der Richtlinie Methoden vertragsärztlicher Versorgung sei durch den GBA geregelt, welche Methoden nicht als vertragsärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürften. Anlage 2 Ziffer 42 nenne ausdrücklich die Hyperthermie, u. a. auch in Form der Ganzkörper-Hyperthermie. Darüber hinaus hätten Versicherte nur Anspruch auf Leistung durch zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzte. Die Ärzte der D seien jedoch nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Ein gesetzlicher oder von der Rechtsprechung anerkannter Ausnahmefall, in dem es eine positive Empfehlung durch den GBA ausnahmsweise nicht bedürfe, liege ebenfalls nicht vor. Eine solche Leistungspflicht könne sich ausnahmsweise aus § 2 Abs. 1a SGB V ergeben. Eine lebensbedrohliche Erkrankung i.S. dieser Vorschrift liege (aber) nur vor, wenn eine notstandsähnliche Situation i.S. einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliege, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch sei. Es muss nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen werde. Ähnliches könne für den ggf. gleichzustellenden nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorganes oder einer herausgehobenen Körperfunktion gelten (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 – B 1 KR 16/07 R -). Eine solche durch nahe Lebensgefahr oder die konkrete Gefahr des Verlustes eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gekennzeichnete individuelle Notlage sei bei der Klägerin zum Zeitpunkt der Selbstbeschaffung der Hyperthermie im Januar 2021 nicht gegeben, wie sich auch aus dem MDK-Gutachten vom 19. März 2021 ergebe. Ein Systemversagen liege schließlich ebenfalls nicht vor. Ein solches sei dann gegeben, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen sei, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt worden sei. Dazu könne es kommen, wenn das Verfahren vor dem GBA von den antragsberechtigten Stellen oder von diesem selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß betrieben werde und dies auf eine willkürliche oder sachfremde Untätigkeit oder Verfahrensverzögerung zurückzuführen sei (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 07. Mai 2013 – B 1 KR 44/12 R –, Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 23. März 2017 – 1 BvR 2861/16 -). Eine solche willkürliche oder sachfremde Untätigkeit oder Verfahrenszögerung scheide hier aus, da der GBA das Methodenbewertungsverfahren zur Hyperthermie durchgeführt und sogar abgeschlossen habe.
Gegen diese am 30. März 2022 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin vom 02. Mai 2022. Zu deren Begründung führt sie aus, das SG habe seine Verneinung einer Ausnahme nach § 2 Abs. 1a SGB V ohne entsprechende Sachkunde und unter Missachtung des klägerischen Vortrages getroffen. Eine medizinische Bewertung hätte es nicht treffen dürfen. Bei der Klägerin habe eine erhebliche Schmerzsituation bestanden, welche eine notstandsähnliche Situation rechtfertige. Nach der Rechtsprechung liege u.a. bei der Multisystemerkrankung CFS eine schwere Erkrankung i. S. d. § 2 Abs. 1a SGB V vor (Bezugnahme auf LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 14. Oktober 2022 – L 4 KR 73/22 BER).
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 25. März 2022 sowie den Bescheid vom 05. Februar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2021 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die Kosten für die selbstbeschaffte Hyperthermie-Behandlung zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Beschluss vom 01. Juni 2023 hat der Senat den Rechtsstreit dem Berichterstatter zur Entscheidung zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
Entscheidungsgründe
Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Besetzung durch den Berichterstatter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entschieden. Der Rechtsstreit weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf (§ 105 Abs. 1 S. 1 SGG).
Es konnte entschieden werden, obgleich in der mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist. Die Beteiligten sind nach § 110 Abs. 1 Satz 2 SGG darauf hingewiesen worden, dass im Falle des Ausbleibens nach Lage der Akten entschieden werden kann.
Der Berufung bleibt Erfolg versagt. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung bloßer Wiederholungen zunächst verwiesen wird (§ 153 Abs. 2 SGG) abgewiesen. Der streitgegenständliche Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGG V scheitert eigenständig bereits daran, wie das SG ausgeführt hat, dass die Klägerin die Durchführung der Hyperthermie-Behandlung nicht zunächst (förmlich) beantragt hat.
Die Versicherte darf sich die begehrte Leistung erst auf eigene Kosten beschaffen, nachdem ihr die Krankenkasse die Entscheidung über die Ablehnung des Leistungsantrags bekannt gegeben hat (Ablehnungsbescheid; vgl. z. B. BSG, Urteil vom 22. April 2015 – B 3 KR 3/14 R –, juris-Rdnr. 10).
Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das SG weiter auch zutreffend davon ausgegangen ist, dass bei der Klägerin keine Notfallsituation i.S.v. § 2 Abs. 1a SGB V bestanden hat.
Es konnte sich dabei wie der Senat auf die sachverständigen Äußerungen im Gutachten des MDK stützen, das eine Situation einen voraussichtlich tödlichen Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren Zeitraumes mit großer Wahrscheinlichkeit ausschließt, ebenso schwere irreversible Schädigungen wie Organversagen, Verlust von Gliedmaßen, Erblindung oder Ertaubung.
Zuletzt scheitert ein Kostenerstattungsanspruch wie vom SG ausgeführt auch an dem Umstand, dass die D nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.