1. Bei der Blindheitsbegutachtung können im Rahmen von Plausibilitätskontrollen nicht bei der unmittelbaren Visus- und Gesichtsfeldbestimmung auch die Ergebnisse von Untersuchungen berücksichtigt werden, die nicht mit dem Goldmann-Perimeter (mit der Reizmarke III/4e) oder mit Landoltringen (Fernvisus) entsprechend der Vorgaben der Versorgungsmedizinischen Grundsätze bzw. der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft durchgeführt worden sind (st. Rspr. des Senats, vgl. bereits das Urteil v. 31.01.2013 L 15 BL 6/07).
2. Diesen zusätzlichen Untersuchungsmethoden darf jedoch keine Beweiskraft zugemessen werden. Etwas Anderes kann nur in seltenen Ausnahmefällen entsprechend Teil B Vorbem. Nr. 4 VG gelten.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 30. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch der Klägerin auf die Gewährung von Blindengeld nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz (BayBlindG) durch den Beklagten streitig.
Mit Antrag vom 31.01.1991 beantragte die Klägerin erstmals Blindengeld, im Einzelnen Pflegegeld an Zivilblinde nach dem Zivilblindenpflegegesetz (ZPflG). Mangels Blindheit wurde dieser Antrag (wohl am 06.04.1991) abgelehnt. Auch ein weiterer Antrag wurde abgelehnt und der hiergegen erhobene Widerspruch am 14.05.1992 als unbegründet zurückgewiesen.
Auf den weiteren Antrag auf Gewährung von Pflegegeld an Zivilblinde vom 11.06.1992 gewährte der Beklagte mit Bescheid vom 01.09.1992 ab 01.06.1992 Zivilblindengeld. Vorangegangen war ein "ärztliches Gutachten" von G, in dem am 29.07.1992 festgehalten wurde, dass nach Angaben der Klägerin seit 1989 Lesen und Schreiben nicht mehr möglich sei und sie nicht mehr allein zurechtkomme.
Am 18.04.1994 und 19.09.1994 kam es zu Nachbegutachtungen durch die Augenärzte H und S. Hieraus folgte, dass Blindheit jeweils nicht festzustellen gewesen sei, da Zweifel an den subjektiven Angaben der Klägerin bestanden hätten. Daraufhin nahm der Beklagte mit Bescheid vom 26.10.1994 die Bewilligung des Zivilblindengelds gemäß § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ab 01.04.1992 zurück und verpflichtete die Klägerin, die zu Unrecht empfangenen Leistungen zu erstatten. Es wurde ausdrücklich die Entscheidung in dem Bescheid getroffen, dass Blindheit nicht vorliege und auch nicht vorgelegen habe.
Rechtsmittel gegen den Rücknahmebescheid blieben ebenso erfolglos wie eine Eingabe an das StMAS. Entsprechendes gilt für den Widerspruch gegen die Ablehnung eines erneuten Antrags vom 16.04.1998 durch den Beklagten (Widerspruchsbescheid vom 15.04.1999) sowie für weitere Eingaben und Blindengeldanträge. Im Rahmen der Rechtsmittel ist auch ein Berufungsverfahren vor dem Senat (L 15 BL 5/96) anhängig gewesen, in dem u.a. ein Gutachten von K (L-Universität M) eingeholt worden ist. Mit Urteil vom 30.10.1997 wies der Senat die Berufung zurück; eine beim Bundessozialgericht (BSG) eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde wieder zurückgenommen. Im vorausgegangenen sozialgerichtlichen Verfahren hatte das Sozialgericht (SG) Bayreuth ein Gutachten von K1 (Universitäts-Augenklinik E) eingeholt, in dem u.a. eine Diskrepanz zwischen den Ergebnissen schlechter Sehfunktion bei den Untersuchungen, für welche die Mitarbeit der Klägerin erforderlich gewesen sei, und den Ergebnissen ihrer Sehfunktion bei allen nicht mitarbeitsbezogenen Untersuchungen gewesen (Urteil des SG Bayreuth vom 09.05.1996).
Der weitere Antrag der Klägerin auf Blindengeld vom 03.03.2010 wurde vom Beklagten mit Bescheid vom 28.06.2010 abgelehnt, nachdem zuvor der Augenarzt T die Klägerin untersucht und festgestellt hatte, dass ihre Angabe bei der Visusprüfung "nulla lux" mit dem morphologischen Befund nicht erklärbar sei und auch durch die erhaltene Lichtreaktion der Pupille und die Auslösbarkeit von Folgebewegungen widerlegt sei. Der gegen den Ablehnungsbescheid erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12.10.2010 als unbegründet zurückgewiesen.
Am 07.06.2013 stellte die Kläger einen weiteren Blindengeldantrag (Eingang 11.06.2013). Mit Bescheid vom 07.10.2013 lehnte der Beklagte auch diesen Antrag ab. Im anschließenden Widerspruchsverfahren erstellte R am 17.11.2014 bezüglich der Klägerin ein augenfachärztliches Gutachten, in dem er festhielt, dass die von der Klägerin angegebenen Gesichtsfeldausfälle in keiner Weise erklärbar seien. Die Sehschärfe sei bei der Klägerin schwierig zu bestimmen. Die Angabe der vollständigen Erblindung sei weder durch den morphologischen Befund noch durch die elektrophysiologische Untersuchung erklärbar. Es habe sich bei der Klägerin eine prompte Pupillenreaktion und auch ein normales ERG gezeigt. Das Ergebnis der Muster-VEP beweise eindeutig eine Sehfunktion, aber nicht sicher eine Sehschärfe von mehr als 1/50. Sichere Aussagen zum Sehvermögen seien, so der Gutachter, daher nicht möglich. Die Verhaltensbeobachtung spreche gegen die Angaben. Mit der Visustafel habe eine Folgebewegung der Augen ausgelöst werden können. Zusammenfassend bestünden erhebliche Zweifel an den subjektiven Angaben der Klägerin; der erforderliche Nachweis der Blindheit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit liege nicht vor.
Auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von H1 vom 26.11.2014 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.2014 den Widerspruch als unbegründet zurück und wies dabei auf die bestehenden Zweifel, u.a. auf eine Untersuchung bei L vom September 2013 und das Gutachten von R, hin. Ein Nachweis sei nicht erbracht.
Hiergegen erhob die Klägerin am 29.12.2014 Klage zum SG Bayreuth (S 4 BL 14/14). Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen, Leistungen nach dem BayBlindG begehren zu können, da die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen würden. Bei den Begutachtungen habe sie stets das wiedergegeben, was sie erkennen könne. Es sei ihr nicht möglich, Hindernisse und Umrisse zu erkennen; Gegenstände könne sie nur schemenhaft und undeutlich wahrnehmen, was auch sehr lange dauere. Sie habe daher bei Straßen, Treppen, unbekannten Wegen und Gebäuden Probleme, was auch von einem Angstgefühl begleitet werde, weil sie fürchte, zu fallen, was ihr auch oft passiere. Es sei ein weiteres Gutachten einzuholen.
Im sozialgerichtlichen Verfahren sind die zahlreichen medizinischen Unterlagen bezüglich der Klägerin ausgewertet worden und Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt worden. Mit Gerichtsbescheid vom 22.03.2017 wies das SG die Klage ab (S 4 BL 14/14). Zur Begründung hat das SG dargelegt, dass nach seiner Überzeugung der Nachweis von Blindheit nicht habe geführt werden können. Bei der Frage einer gleichzuachtenden Sehstörung im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BayBlindG bedürfe es einer zuverlässigen Mitarbeit; bei möglicherwiese widersprüchlichen Untersuchungsergebnissen komme aber der Verhaltensbeobachtung in komplexen ophthalmologischen Problemlagen eine unabdingbare Plausibilitätskontrolle zu. Der Augenarzt S1 habe in seinem Attest vom 22.09.2016 darauf hingewiesen, dass die bei der Visusbestimmung von der Klägerin angegebenen Sehwerte nicht mit der sicheren Bewegung im Raum und auf der Straße übereinstimmen würden. Diese Beobachtung sei, so das SG im Gerichtsbescheid, signifikant für alle Angaben der Klägerin im Laufe der Jahre. Die unzutreffenden Angaben hätten bereits infolge des Aufhebungsbescheids vom 26.10.1994 zu einer erheblichen Rückzahlungsverpflichtung der Klägerin geführt. Gleichwohl seien die Angaben der Klägerin in den Gerichtsverfahren, aber auch in jüngerer Zeit beim Gutachter T, bei der Augenärztin L sowie bei R nicht zuverlässiger geworden. Im Hinblick auf die Vorgeschichte und die zahlreichen Begutachtungen auch an vier Universitätskliniken verspreche eine weitere Begutachtung bei zu erwartender fehlender Objektivierbarkeit der klägerischen Angaben keine weitere Aufklärung.
Am 21.02.2018 stellte die Klägerin einen neuen, den streitgegenständlichen, Blindengeldantrag. Daraufhin holte der Beklagte einen Befundbericht des behandelnden Augenarztes S1 vom 26.03.2018 ein, in dem u.a. angegeben war, dass sich Allgemeinzustand und Verhalten der Klägerin als gleichbleibend dargestellt hätten und dass diese angegeben habe, maximal Handbewegungen zu sehen.
Der Beklagte beauftragte G1 mit der Erstellung eines Gutachtens. Der Augenarzt schilderte in seinem Gutachten vom 07.06.2018 u.a. die Beobachtung, dass die Klägerin auf den versehentlich abgestellten fünfbeinigen Stuhl des Gutachters, dessen eines Bein weit hervorrage, prompt reagiert habe und diesem ausgewichen sei. Von einer Angestellten (des Gutachters) sei beobachtet worden, dass die Klägerin die anderen im Wartebereich sitzenden Patienten genau gemustert habe und dass von einer der beiden Begleitpersonen der Klägerin zugeflüstert worden sei: "nur tasten".
Auf die Frage von G1 an die Klägerin, ob denn die Augenoperation 2016, die von der Klägerin geschildert worden sei, eine Sehverbesserung gebracht habe, sei ausgewichen worden, dass das operierte Auge ja zuerst einen Verband gehabt habe und nach dem Entfernen eine gewisse Sehverbesserung empfunden worden sei, die jedoch nach kurzer Zeit wieder "weggegangen" sei.
Bei der Erhebung des Visus sei jeweils nulla lux angegeben worden. Die Untersuchung des Gesichtsfelds (Prüfmarke III/4) sei nicht möglich gewesen, da die Punkte von der Klägerin nicht erkannt worden seien.
G1 diagnostizierte Pseudophakie und altersabhängige Makuladegeneration rechts und links. Der morphologische Befund erkläre nicht die Angaben der Klägerin zu Sehschärfe und Gesichtsfeld. Dieser lasse nicht wahrscheinlich machen, dass die Klägerin nicht einmal Lichtschein erkennen könne. Hierfür könnten keine entsprechenden Veränderungen gefunden werden. Aufgrund des regelrechten peripheren Netzhautbefundes sowie der normal gestalteten Pupillen sei kein morphologisches Korrelat vorhanden, das zur Annahme einer gutachterlich relevanten Gesichtsfeldeinengung berechtigen würde. Was die Frage einer hochgradigen Sehbehinderung anbelange, so müsste er, der Gutachter, sich in den Bereich rein spekulativer Annahmen begeben, wenn er hier eine Festlegung treffen würde.
Nach einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von K2 vom 25.06.218, die auch auf Vorbefunde einging, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 08.08.2018 den Blindengeldantrag ab. Zur Begründung wurde u.a. auf das Gutachten von G1 verwiesen. Dieser habe zwar feststellen können, dass ein OKN nicht ausgelöst habe werden können und es sei auch keine Reaktion auf den Spiegelreflextest erfolgt. Allerdings lasse sich das zu beobachtende Verhalten mit dem gegebenen Visus nicht vereinbaren. Aufgrund von Widersprüchen habe sich G1 nicht dazu entschließen können, Blindheit i.S.d. Gesetzes festzustellen. Auch lasse sich eine hochgradige Sehbehinderung nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit belegen. Der Beklagte verwies auf den Grundsatz der objektiven Beweislast.
Hiergegen erhob die Klägerin am 17.08.2018 Widerspruch. In der Begründung wurde darauf hingewiesen, dass sich die Sehfähigkeit der Klägerin trotz Katarakt-OP so verschlechtert habe, dass sie nur noch verschwommen hell und dunkel unterscheiden könne. Die Klägerin könne weder Farben noch Personen optisch erkennen und weder lesen und fernsehen. Sie benötige Hilfe Dritter beim Gehen, da sie selbst Wände oder Treppen nicht mehr sehen, sondern nur noch ertasten könne. Beim Gehen sei sie Anfang Oktober zweimal gestürzt. Eine weitere Behandlung der Augen würde nach Angaben des behandelnden Augenarztes S1 zu keiner Besserung mehr führen. Die Nichtauslösbarkeit des OKN und die fehlende Reaktion auf den Spiegelreflex seien objektive Anzeichen der Blindheit.
Nach einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von P vom 22.01.2019, in der darauf hingewiesen wurde, dass es angesichts der fehlenden Mitarbeit bei den Untersuchungen durch die Klägerin nicht möglich sei, das Ausmaß der tatsächlich bestehenden Sehbeeinträchtigung zu ermitteln, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.02.2019 den Widerspruch als unbegründet zurück. Die von der Klägerin am 04.06.2018 (s.o.) gemachten Angaben bei der Prüfung von Visus und Gesichtsfeld, so die Begründung, stünden im Widerspruch zu den objektiven Untersuchungsbefunden und dem beobachteten Verhalten während der Untersuchung. Auch der morphologische Augenbefund erkläre die subjektiven Angaben nicht. Angesichts des gezeigten Verhaltens bei der Begutachtung sei es nicht möglich, das genaue Ausmaß der Sehbeeinträchtigung zu ermitteln. Stürze seien kein Beleg für Blindheit etc. Selbst bei einer Sehschärfe von 0,1 werde nämlich von der Notwendigkeit einer Begleitperson ausgegangen.
Am 13.03.2019 hat die Klägerin hiergegen Klage zum SG Bayreuth erhoben (gegenständliches Aktenzeichen: S 4 BL 3/19). Zur Begründung der Klage wurde im Wesentlichen entsprechend der Widerspruchsbegründung vorgetragen. Die angeblichen Beobachtungen während der Behandlung würden dem objektiven Befund nicht entgegenstehen, zumal sie auch in der dargestellten Weise nicht zutreffen würden. Dies würde eine Parteivernehmung der Klägerin ergeben. Der Klägerin sei Blindengeld zu gewähren, was durch die Einholung eines fachärztlichen Gutachtens und durch die Parteivernehmung der Klägerin zu beweisen sei.
Zur Ermittlung des medizinischen Sachverhalts hat das SG Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt:
Im Bericht des Augenarztes S1 vom 30.04.2019 sind die Diagnosen Pseudophakie beidseits, Zustand nach YAG-Kapsulotomie beidseits, alter Junius Kuhnt beidseits, Makulanarbe links und Gesichtsfeldausfall beidseits gestellt. Es werde Blindheit angenommen.
Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie R1 berichtete am 29.04.2019, dass die Klägerin an einer leichten Demenz und an einer rezidivierenden depressiven Störung, leichte Episode, leide. Im Vergleich zur Voruntersuchung habe sich die demenzielle Symptomatik verschlechtert. Es zeigten sich auch weiterhin Verhaltensstörungen mit Impulsivität und Gereiztheit, wohl im Rahmen der demenziellen Symptomatik; auch diese schienen, so die Ärztin, zuzunehmen.
Die Hausärztinnen W/H listeten am 06.05.2019 die ärztlichen Behandlungen der Klägerin auf. Dabei zeigten sich Gesundheitsstörungen auf verschiedenen medizinischen Fachgebieten.
Sodann hat das SG R mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 22.02.2020, das auf der Untersuchung vom 18.02.2020 basiert - zwei andere Termine mussten aus gesundheitlichen Gründen aufgehoben werden -, hat R ausgeführt, dass bei der Visusprüfung kein Sehzeichen erkannt worden sei, was sowohl ohne Brille als auch mit der von der Klägerin mitgeführten Brille gelte. Auch eine Wahrnehmung von Handbewegungen oder Fingerzählen sei verneint worden. Bei direkter Beleuchtung sei dann eine Lichtscheinwahrnehmung angegeben worden. Bei der späteren Überprüfung sei unstetig eine Lichtscheinwahrnehmung angegeben worden.
Als Ergebnis der Gesichtsfelduntersuchung mit dem Projektionsperimeter nach Goldmann hat der Sachverständige angegeben, dass wegen nur inkonstanter Angabe von Lichtscheinwahrnehmung keine regelhafte Gesichtsfelduntersuchung möglich gewesen sei.
Eine Beurteilung des OKN mittels Visuskop nach Kotowski sei wegen der wechselnden Blickrichtung der Klägerin nicht sicher möglich gewesen. Mittels Nystagmustrommel sei ebenfalls nicht eindeutig ein Nystagmus auslösbar gewesen - bei in 50 cm Abstand bei einem Strichabstand von 1 cm -, da die Klägerin hin- und hergeschaut habe. Hinsichtlich der Muster-VEP hat R Folgendes festgehalten: Bei Prüfung des rechten Auges seien für Reizmuster mit 60 und 15 Winkelminutenauflösung reproduzierbare Reizantworten mit reduzierter Amplitude vorhanden; die Amplitude sei für die größeren Reizmuster mit 50 Winkelminuten normal, für die kleineren Reizmuster mit 15 Winkelminuten deutlich verlängert. Links seien weder für Reizmuster mit 60 noch mit 15 Winkelminutenauflösung reproduzierbare Antworten ableitbar.
Bei der Untersuchung mit dem Ganzfeld-ERG sei für beide Augen im skotopischen ERG eine in der Amplitude normale Antwort mit normaler Latenz nachweisbar gewesen. Das photopische ERG zeige an beiden Augen eine hochnormale Antwort mit normaler Latenz, auch auf Flimmerreize seien vollkommen normale Antworten nachweisbar. Der Untersuchungsbefund sei an beiden Augen identisch.
Als Diagnosen hat der Sachverständige jeweils für das rechte und für das linke Auge eine Atrophie des retinalen Pigmentepithels (zentraler Netzhautschwund) mit umgebender Pigmentepithelverschiebung, eine hochgradige Sehschärfeminderung (subjektive Angabe), ein erloschenes Gesichtsfeld (subjektive Angabe) und Astigmatismus gestellt. Im Rahmen der Beurteilung hat der Sachverständige dargelegt, dass sich ihm "nicht ganz erschließt", warum der Augenarzt S1 in der letzten Stellungnahme gegenüber dem SG (30.04.2019, s.o.) Blindheit annehme, obwohl der morphologische Befund unverändert beschrieben werde, nachdem er im Jahr 2016 die subjektiven Angaben der Wahrnehmung von Handbewegungen für nicht glaubhaft gehalten habe etc..
Angesichts der immer wieder zu beobachtenden Diskrepanzen zwischen den subjektiven Angaben und dem objektiven Befund in der Vergangenheit komme der Beurteilung der Augenveränderungen (Anmerkung: Gemeint ist der morphologische bzw. pathologische Befund) erhebliche Bedeutung zu. Die wesentliche Veränderung sei bei der Klägerin an beiden Augen die bestehende zentrale Netzhautschädigung mit einem großflächigen Schwund (Atrophie) des zentralen Pigmentepithels vor allem unterhalb der Makula. Diese ausgedehnte Atrophie könne eine schwerwiegende Sehschärfeminderung ausreichend erklären. Es sei grundsätzlich aber bekannt, dass aus dem Ausmaß einer solchen Veränderung nur bedingt auf die bestehende Funktionsminderung geschlossen werden könne. Mittlerweile sei die Veränderung nicht nur auf den unteren Anteil des hinteren Pols beschränkt, sondern im oberen Anteil seien auch deutliche Veränderungen des Pigmentepithels erkennbar. Leider sei es unverändert nicht möglich, diesen Befund zu dokumentieren, da die Klägerin bei der entsprechenden Untersuchung zu viel hin- und hergeschaut habe. Durch eine Aufnahme einer Autofluoreszenz könne man sonst sehr sicher beurteilen, ob es inzwischen zu einem vollständigen Schwund des Pigmentepithels im Zentrum gekommen sei oder ob doch noch funktionsfähige Anteile vorliegen würden. Allerdings deute der Befund der Muster-VEP, bei dem die Klägerin gut mitgearbeitet habe, mit der reproduzierbaren und normalen Antwort für die großen Stimuli (60 Winkelminuten) eindeutig auf eine noch vorhandene und funktionsfähige Netzhaut hin. Selbst für die kleineren Reizmuster seien eindeutig reproduzierbare Antworten ableitbar gewesen; der Befund des Muster-VEP habe sich gegenüber der Untersuchung vom 08.10.2014 nicht verschlechtert (s.o.). Auch wenn bei der Untersuchung des OKN eine genügend stabile Fixation nicht vorhanden gewesen sei, deute die Nichtauslösbarkeit auch in Zusammenhang mit dem morphologischen Befund prinzipiell auf eine eindeutige wesentliche Minderung der zentralen Sehschärfe hin.
Neben der Sehschärfenminderung werde von der Klägerin seit langer Zeit auch eine schwerwiegende Gesichtsfeldeinschränkung angegeben. Für diese gebe es, so R, unverändert keine Erklärung. Weder der morphologische Befund (mit unauffälligem Sehnervenkopf und unauffälliger periphere Netzhaut) noch der elektrophysiologische Befund (auch mit einem normalen Ganzfeld-ERG) könnten eine wesentliche Einengung des Gesichtsfelds von außen erklären, geschweige denn den angegebenen Verlust der Wahrnehmung. Daneben spreche auch die von seitlich jenseits 30° beobachtete Pupillenlichtantwort gegen eine hochgradige Gesichtsfeldeinengung; eine solche Funktionsschädigung stehe auch in Widerspruch zu der in der Vergangenheit immer wieder beobachteten Wahrnehmung im Raum. Eine Beurteilung bezüglich der Orientierungsfähigkeit anlässlich der Untersuchungssituation sei nicht möglich gewesen, nachdem sich die Klägerin bei der jetzigen Untersuchung (bei ihm, R) stets führen habe lassen und selbst beim Hinsetzen keine eigene Orientierung zu beobachten gewesen sei. Angesichts des gegenüber der Untersuchung am 08.10.2014 unverändert normalen ERGs sowie der ausschließlich auf den hinteren Pol beschränkten Veränderung am Augenhintergrund sei unverändert von einem normalen Gesichtsfeld auszugehen.
Weiter hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass selbst aus einer sicheren Orientierung grundsätzlich nicht auf eine Sehschärfe von mehr als 0,02 oder gar mehr als 0,05 geschlossen werden könne, da für die Orientierung nahezu ausschließlich das Gesichtsfeld verantwortlich sei.
Er, R, stimme der Einschätzung (von dem Augenarzt S1) zu, dass die Wahrnehmung von nur Handbewegungen nicht glaubhaft sei. Der Befund einer selbst weit fortgeschrittenen Makuladegeneration erlaube allein keine sicheren Rückschlüsse auf die dadurch hervorgerufene Sehminderung. Somit sei bei nicht glaubhaften oder bei eindeutig widersprüchlichen Angaben zur Sehschärfe nur mit einer Unsicherheit möglich, die tatsächlich vorhandene Sehschärfe zu schätzen. Selbst ein weiteres Voranschreiten der Makuladegeneration (mit nunmehr den gesamten hinteren Pol bis fast an die großen Gefäßbögen heran) könne eine Reduktion der Sehschärfe auf reine Lichtscheinwahrnehmung nicht erklären. Insofern bleibe eine solche subjektive Angabe nicht glaubhaft.
Auch die (gegenüber 2014 unveränderten) Ergebnisse der elektrophysiologischen Untersuchungen, bei denen sogar ein Muster-VEP eine Reizantwort auf die größeren Reizmuster mit eindeutig normaler Latenzzeit und eine zwar eindeutig verlängerte, jedoch reprozierbare Antwort selbst auf Reizmuster von 15 Winkelminuten nachweisbar gewesen seien, könnten eine weitere Verschlechterung des Sehvermögens (auf 1/50 oder weniger) nicht begründen. Es bleibe unverändert fraglich, ob Blindheit i.S.d. BayBlindG bestehe.
Angesichts der Problematik von wiederholten Simulationsprüfungen habe er, der Sachverständige, nun auf eine solche Prüfung zur Sehschärfe verzichtet; dies habe ja bereits 2014 kein ausreichend sicheres Ergebnis erbracht. Bezüglich des Gesichtsfelds sei bei der nur sporadischen Angabe einer Lichtscheinwahrnehmung keine entsprechende Untersuchung möglich.
Weiter hat der Sachverständige auf die Möglichkeit hingewiesen, dass durch weitere Verschlechterung des Befundes auch objektiv eine Funktionsabnahme eintreten habe können, die einen Anspruch begründen könne. Allerdings würden weder der Augenbefund noch zusätzliche, auch elektrophysiologische Befunde eine ausreichend sichere Bestimmung von Sehschärfe und Gesichtsfeld erlauben. Es werde somit "immer auf ein gewisses Abschätzen hinauslaufen". Eine solche Beurteilung sei jedoch zunehmend schwierig, da eine Beobachtung des Verhaltens oder der Orientierung der Klägerin inzwischen keine zusätzlichen Informationen mehr ergebe.
Es bestünden unverändert erhebliche Zweifel an den subjektiven Angaben der Klägerin zu dem bei ihr vorliegenden Sehvermögen, was sowohl die Sehschärfe als auch das Gesichtsfeld betreffe. Bezüglich des Gesichtsfeldes könne mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit von einer höchstens unwesentlichen Schädigung vor allem des äußeren Gesichtsfelds ausgegangen werden.
Bezüglich der Sehschärfe halte er, R, unverändert eine Sehschärfereduktion auf unter 0,1 für ausreichend sicher erklärt. Andererseits würden die Befunde des Muster-VEP für eine Sehschärfe von mehr als 1/50 sprechen, so dass Blindheit nicht ausreichend sicher nachgewiesen sei.
Bereits 2014 habe er eine hochgradige Sehbehinderung für wahrscheinlich angesehen. Unter Berücksichtigung der seitdem eingetretenen weiteren Veränderungen am Augenhintergrund sowie unter Berücksichtigung der Tatsache, dass bereits bei einer beidseitigen Sehschärfe von 0,06 nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen ein GdB von 100 zustehe, würde er, der Sachverständige, den GdB aufgrund der Sehminderung nunmehr eindeutig mit 100 bewerten. Er halte eine Sehschärfe von mehr als 0,06 aufgrund der vorliegenden Befunde "inzwischen für nicht vorstellbar".
Der Befund am Augenhintergrund habe sich verändert (s.o.). Der Befund des Muster-VEP sei von deutlich besserer Qualität als derjenige vom 08.10.2014, so dass angesichts der für die beiden präsentierten Reizmuster unterschiedlichen Reizantworten eindeutig eine Sehschärfe von weniger als 0,08 angenommen werden könne. Dennoch sei er, R, unverändert nicht ausreichend sicher, dass hier dauerhaft von einer Sehschärfe von nicht mehr als 1/20stel ausgegangen werden könne.
Allerdings lägen Störungen des Sehvermögens vor, die einen GdB von 100 nach dem SGB IX bedingen würden, nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG, Anlage zu § 2 der VersMedV) auch dann vor, wenn die Sehschärfe eindeutig weniger als 0,08 betrage. Dies sei bei einer entsprechend dieser Vorgaben nach DIN 58220 erfolgenden Sehschärfeprüfung z.B. auch bei einer Sehschärfe von 0,06 der Fall. Das Muster-VEP weise mit der normalen Latenz für Reizmuster von 60 Winkelminuten und der eindeutigen Latenzverlängerung für Reizmuster mit 15 Winkelminuten bei der Klägerin auf eine derartige Einschränkung hin. Die Auflösung eines Musterreizes von 15 Winkelminuten entspreche formal einer Sehschärfe von 0,066. Für diesen Reiz sei die Reizantwort bei der Klägerin eindeutig verlängert gewesen. Auch wenn eine derartige Korrelation nicht scharf einer gutachtlich korrekten Sehschärfeprüfung nach der DIN 58220, mithin den VG, entspreche, habe er, R, "doch in der Zusammenschau aller vorliegenden Befunde keinen Zweifel an einer auf unter 0,08 herabgesetzten Sehschärfe und damit nach den Vorgaben der MdE-Tabelle der DOG einem GdB von 100. Damit liege bei der Klägerin eine hochgradige Sehbehinderung vor.
R hat hervorgehoben, dass der eindeutige Nachweis einer derartigen weiteren Verschlechterung des Sehvermögens sich neben dem Vergleich der Befunde (08.10.2014 und 18.02.2020) auf die Ableitung des Muster-VEP stütze. Damit sei der sichere Nachweis erst mit der Untersuchung vom 18.02.2020 erbracht. Zwar sei anzunehmen, dass die Verschlechterung des Augenhintergrundbefunds und die damit einhergehende Funktionsminderung bereits früher eingetreten seien, ein im Sinne eines Vollbeweises vorliegender Nachweis sei jedoch vorher nicht erbracht.
Im Schriftsatz des Beklagten vom 27.02.2020 ist hervorgehoben worden, dass R nicht ausreichend sicher von einer Sehschärfe von nicht mehr als 1/20 ausgegangen sei. Der Bewertung, dass ein GdB von 100 für die Störungen des Sehvermögens anzunehmen sei, werde nachdrücklich entgegengetreten. Die Definition von Art. 1 Abs. 3 Nr. 3 BayBlindG entspreche den Formulierungen von Teil A Nr. 6 lit. d der VG, wonach hochgradig in der Sehfähigkeit behindert ein Mensch sei, dessen Sehschärfe auf keinem Auge und auch nicht beidäugig mehr als 1/20 betrage oder wenn andere hinsichtlich des Schweregrads gleichzusetzende Störungen der Sehfunktion vorliegen würden. Dies sei der Fall, so der Text, wenn die Einschränkungen des Sehvermögens einen GdB von 100 bedingen würden und noch keine Blindheit vorliege. Der Text sei somit so zu verstehen, dass der vom Gerichtsgutachter angenommene Visus von 0,06 mehr als 1/20 betrage und damit eben noch kein GdB von 100 vorliege. Schließlich liege ein Visus von 0,06 über dem Wert von 0,05. Folglich sei nach Anwendung von der in Teil B Nr. 4.3 VG enthaltenen Tabelle ein GdB von 100 erst ermittelt, wenn die Sehschärfe rechts wie links die Visusstufe 0,05 erreiche. Dies sei vorliegend aber nachweislich nicht der Fall.
Vorliegend würden bei der Bewertung des GdB Gesichtsfeldeinschränkungen keine Rolle spielen, da entsprechend der Ausführungen des Sachverständigen kein glaubhafter Anhalt für eine wesentliche Einengung der Gesichtsfelder von außen oder für das Vorliegen eines zentralen Gesichtsfeldausfalls bestehe.
Dagegen hat der Bevollmächtigte der Klägerin am 06.03.2020 die Auffassung vertreten, dass entsprechend des Gutachtens von R bei der Klägerin eine hochgradige Sehbehinderung zumindest seit dem 18.02.2020 vorliege, die zweifelsfrei einen GdB von 100 bedinge.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 17.08.2020 hat das SG darauf hingewiesen, (trotz des Antrags der Klägerseite auf Durchführung der mündlichen Verhandlung) an der Absicht, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, festzuhalten, da aufgrund der Covid-19-Pandemie derzeit nur ein eingeschränkter Sitzungsbetrieb stattfinde.
Mit Gerichtsbescheid vom 30.10.2020 hat das SG die Klage gegen den Bescheid vom 08.08.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.02.2019 abgewiesen. Nach Überzeugung des Gerichts habe der Nachweis von Blindheit oder hochgradiger Sehbehinderung nicht geführt werden können; der erforderliche Vollbeweis liege nicht vor. Das Gericht ist dabei den tatsächlichen Feststellungen im Gutachten von R ausdrücklich gefolgt.
Allerdings überzeuge der Schluss von einer Visusbestimmung von 0,066 - jedenfalls unzweifelhaft unter 0,08 - auf einen GdB von 100 nicht. Das SG halte die Argumentation des Beklagten für zutreffend. Die MdE-Tabelle der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft (DOG) sehe eine MdE von 100 bei einem Visus auf beiden Augen von 0,05 vor. Dies erreiche die Klägerin aber nicht. Die vom Gutachter angenommene Visusbestimmung von unter 0,08 auf beiden Augen rechtfertige nur einen GdB von 80, so das SG.
Gegen den Gerichtsbescheid hat die Klägerin über ihren Bevollmächtigten am 27.11.2020 Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) eingelegt. Diese ist damit begründet worden (vgl. den Schriftsatz vom 06.04.2021), dass die Klägerin so gut wie nichts mehr sehen könne, nachdem ihre Sehfähigkeit so weit abgenommen habe. Sie sei blind im Sinne von Art. 1 Abs. 3 Nr. 1 BayBlindG.
Weiter ist wie bei der Begründung des Widerspruchs vorgetragen worden (s.o.). Das Sehvermögen sei nach Angaben des behandelnden Augenarztes S1 nicht mehr zu verbessern. Der Arzt könne zur Blindheit der Klägerin Stellung nehmen; es ist Beweis angeboten worden durch das Zeugnis des genannten Arztes bzw. durch Einholung eines fachlichen Gutachtens von diesem. Weiter ist in der Berufungsbegründung auf die fehlenden Reaktionen auf den Spiegelreflex und die Nichtauslösbarkeit des OKN verwiesen worden. Diese objektiven Blindheitsanzeichen seien weder vom Beklagten noch vom SG entsprechend berücksichtigt worden. Selbst wenn bei der Klägerin keine Blindheit vorliege, so liege zumindest eine hochgradige Sehbehinderung im Sinne des BayBlindG vor. Hilfsweise für den Fall, dass keine Blindheit vorliege, werde die hochgradige Sehbehinderung durch Einholung eines fachärztlichen Gutachtens unter Beweis gestellt.
Im Schriftsatz vom 28.04.2021 hat der Beklagte aufgezeigt, dass das SG hinsichtlich der Frage einer hochgradigen Sehbehinderung davon ausgegangen sei, dass erst bei einem Visus von 0,05 auf beiden Augen ein GdB von 100 erreicht werde. Auf die VG Teil A Nr. 6 Buchst. d und Teil B Nr. 4.3 VG werde Bezug genommen.
Sodann hat der Senat einen Befundbericht des behandelnden Augenarztes S1 vom 17.06.2021 eingeholt. Der Augenarzt hat als Diagnosen Pseudophakie beidseits, Zustand nach YAG-Kapsulotomie beidseits, Gesichtsfeldausfall beidseits, Junius Kuhnt beidseits und Strabismus convergenz alternans diagnostiziert. Am 24.04.2021 sei letztmals ein Befund erhoben worden mit Sehschärfe mit Korrektur rechts und links jeweils Lichtscheinwahrnehmung. Allgemein bestehe Diabetes mellitus.
Im Schriftsatz des Beklagten vom 28.06.2021 ist darauf hingewiesen worden, dass nicht ersichtlich sei, nach welchen Kriterien die Sehschärfe von dem genannten Augenarzt (am 24.04.2021) erhoben worden sei und dass eine Überprüfung der Angaben der Klägerin aufgrund objektiver Untersuchungen wohl nicht stattgefunden haben dürfte.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 13.08.2021 hat der Senat darauf hingewiesen, dass derzeit keine weiteren Ermittlungen veranlasst seien. Es ist angefragt worden, ob ein Antrag gemäß § 109 SGG im Raum stehe. Zudem ist anheimgestellt worden, zur Begründung des SG, weshalb kein GdB von 100 alleine für die Sehbehinderung angenommen werden könne (Art. 1 Abs. 3 BayBlindG), noch näher auszuführen. Dies ist jedoch nicht aufgegriffen worden.
Am 15.11.2022 ist R mit der Begutachtung der Klägerin gemäß § 109 SGG beauftragt worden. Im weiteren Verlauf hat der Sachverständige mehrmals mitgeteilt, dass die Klägerin zum jeweiligen Untersuchungstermin (unentschuldigt) nicht erschienen ist. Der Gutachtensauftrag ist vom Senat daraufhin aufgehoben worden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 30.10.2020 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 08.08.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.02.2019 zu verurteilen, der Klägerin ab Antragstellung Blindengeld nach dem BayBlindG zu gewähren
und hilfsweise, ihr ab Antragstellung Blindengeld für hochgradig Sehbehinderte zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten des Beklagten und des SG im vorliegenden Klageverfahren beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte, die allesamt Gegenstand der Entscheidung gewesen sind, Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige (Art. 7 Abs. 3 BayBlindG i.V.m. §§ 143, 151 SGG) Berufung ist nicht begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Blindengeld durch den Beklagten, weil die Klägerin weder blind noch hochgradig sehbehindert im Sinne von Art. 1 Abs. 2, 3 BayBlindG ist. Der Gerichtsbescheid des SG Bayreuth ist nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid vom 08.08.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.02.2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Gemäß Art. 1 Abs. 1 BayBlindG erhalten blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen, soweit sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Freistaat Bayern haben oder soweit die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 dies vorsieht, zum Ausgleich der durch diese Behinderungen bedingten Mehraufwendungen auf Antrag ein monatliches Blindengeld.
Blind ist, wem das Augenlicht vollständig fehlt (Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayBlindG). Als blind gelten gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 2 BayBlindG auch Personen,
1. deren Sehschärfe auf dem besseren Auge nicht mehr als 0,02 (1/50) beträgt,
2. bei denen durch Nr. 1 nicht erfasste Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad bestehen, dass sie der Beeinträchtigung der Sehschärfe nach Nr. 1 gleichzuachten sind.
Hochgradig sehbehindert ist gemäß Art. 1 Abs. 3 BayBlindG, wer nicht blind in diesem Sinne (Art. 1 Abs. 2 BayBlindG) ist und
1. wessen Sehschärfe auf keinem Auge und auch beidäugig nicht mehr als 0,05 (1/20) beträgt oder
2. wer so schwere Störungen des Sehvermögens hat, dass sie einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) bedingen.
Vorübergehende Sehstörungen sind nicht zu berücksichtigen. Als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten.
Eine der Herabsetzung der Sehschärfe auf 0,02 oder weniger gleichzusetzende Sehstörung im Sinn des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BayBlindG liegt, den Richtlinien der DOG folgend, bei folgenden Fallgruppen vor (siehe VG, Teil A Nr. 6):
aa) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,033 (1/30) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfelds in keiner Richtung mehr als 30° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
bb) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,05 (1/20) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 15° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
cc) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,1 (1/10) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfelds in keiner Richtung mehr als 7,5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
dd) bei einer Einengung des Gesichtsfelds, auch bei normaler Sehschärfe, wenn die Grenze der Gesichtsfeldinsel in keiner Richtung mehr als 5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
ee) bei großen Skotomen im zentralen Gesichtsfeldbereich, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und im 50°-Gesichtsfeld unterhalb des horizontalen Meridians mehr als die Hälfte ausgefallen ist,
ff) bei homonymen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und das erhaltene Gesichtsfeld in der Horizontalen nicht mehr als 30° Durchmesser besitzt,
gg) bei bitemporalen oder binasalen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und kein Binokularsehen besteht.
Dass der Klägerin das Augenlicht vollständig fehlen oder dass bei ihm faktische Blindheit im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Satz 2 BayBlindG oder eine hochgradige Sehbehinderung im Sinne von Art. 1 Abs. 3 BayBlindG vorliegen würde, steht nicht zur Gewissheit des Senats fest. Vielmehr hat der Senat hieran ganz massive Zweifel.
Wie der Senat wiederholt (vgl. z.B. die Urteile vom 26.09.2017 - L 15 BL 8/14, 07.03.2023 - L 15 BL 20/21, 11.07.2023 - L 15 BL 23/21 - und 11.12.2023 - L 15 BL 5/22) unterstrichen hat, sind nach den Grundsätzen im sozialgerichtlichen Verfahren die einen Anspruch begründenden Tatsachen grundsätzlich im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachzuweisen (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999 - B 9 VS 2/98 R). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000 - B 9 VG 3/99 R), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993 - 9/9a RV 1/92, Beschluss vom 29.01.2018 - B 9 V 39/17 B, Urteil vom 17.04.2013 - B 9 V 3/12 R). Auch dem Vollbeweis können gewisse Zweifel innewohnen; verbleibende Restzweifel sind bei der Überzeugungsbildung unschädlich, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (z.B. BSG, Urteil vom 17.04.2013 - B 9 V 3/12 R, m.w.N.). Dies alles gilt ausdrücklich auch für die Verfahren bezüglich des BayBlindG, was das BSG in den Urteilen vom 11.08.2015 (B 9 BL 1/14 R) und 14.06.2018 (B 9 BL 1/17 R) klargestellt hat.
1. Dass der Kläger keinen Anspruch auf Blindengeld hat, weil ihr das Augenlicht vollständig fehlen würde (Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayBlindG), ist offensichtlich und bedarf im Grunde keiner weiteren Darlegungen. Jedoch hat die Klägerin bei den Untersuchungen zum Teil eine Lichtscheinwahrnehmung verneint. Dies ist jedoch in keiner Weise nachvollziehbar und weckt in erheblichem Umfang Zweifel an allen weiteren subjektiven Angaben der Klägerin. Der Senat geht mit R und sogar mit dem behandelnden Augenarzt S1 ohne Weiteres davon aus, dass selbst die Wahrnehmung von nur Handbewegungen nicht glaubhaft ist. Wie der Sachverständige überzeugend dargestellt hat, erlaubt der Befund einer selbst weit fortgeschrittenen Makuladegeneration allein keine sicheren Rückschlüsse auf die dadurch hervorgerufene Sehminderung. Auch ein weiteres Voranschreiten der Makuladegeneration bei der Klägerin (mit nunmehr den gesamten hinteren Pol bis fast an die großen Gefäßbögen heran) kann eine Reduktion der Sehschärfe auf reine Lichtscheinwahrnehmung nicht erklären. Insofern bleibe eine solche subjektive Angabe nicht glaubhaft. Dies gilt erst recht für die Verneinung einer Lichtscheinwahrnehmung durch die Klägerin. Warum sie diese unzutreffenden Angaben gemacht hat, muss dabei im Einzelnen nicht geklärt werden.
2. Auch die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 BayBlindG sind nicht erfüllt. Denn es ist nicht zur Gewissheit des Senats dargelegt, dass die Sehschärfe der Klägerin entsprechend der gesetzlichen Vorgabe auf 1/50 (0,02) oder weniger herabgesunken wäre oder dass eine gleichzuachtende Sehstörung vorliegen würde. Gleiches gilt für die Voraussetzungen einer hochgradigen Sehbehinderung gemäß Art. 1 Abs. 3 BayBlindG. Dies alles folgt aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme.
Wie sich aus der obigen Darstellung des Sachverhalts bereits ergibt, kann nicht im Entferntesten die Rede davon sein, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des vorliegenden Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der blindheitsbegründenden Tatsachen zweifeln würde. Vielmehr hat seit der oben genannten Rücknahme der Blindengeldbewilligung Mitte der 1990er Jahre keiner der beauftragten Sachverständigen die Blindheit der Klägerin bestätigt. Alle Gutachter, vor allem auch die in den gerichtlichen Verfahren beauftragten Sachverständigen, haben jeweils mehrere Aspekte aufgezeigt, die sie zu erheblichen Zweifeln am Vorliegen faktischer Blindheit der Klägerin veranlasst haben. An dieser Stelle kann in vollem Umfang auf die ausführlichen Darlegungen in den oben genannten Gutachten, insbesondere in dem des vorliegenden erstinstanzlichen Verfahrens, von R verwiesen werden. Der Sachverständige hat die bei der Klägerin vorliegenden Sehbeeinträchtigungen vollständig erfasst und unter Beachtung der maßgeblichen Vorgaben zutreffend gewürdigt. Der Senat macht sich die Feststellungen des genannten Sachverständigen, die auch in Übereinstimmung mit der vorliegenden Befunddokumentation stehen, nach eigener Prüfung zu eigen. Es besteht auch aus Sicht des Senats keinerlei Veranlassung, an der Plausibilität der sachverständigen Feststellungen des Gutachters zu zweifeln.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass die Klägerin sehbeeinträchtigt ist durch Atrophie des retinalen Pigmentepithels (zentraler Netzhautschwund) mit umgebender Pigmentepithelverschiebung und Astigmatismus. Auch hier folgt der Senat dem plausiblen Sachverständigengutachten von R. Inwieweit daneben bei der Klägerin auch eine hochgradige Sehschärfenminderung und ein Gesichtsfeldausfall bestehen, ist strittig und Gegenstand des Verfahrens.
Mit dem Sachverständigen geht der Senat davon aus, dass der Befund am Augenhintergrund der Klägerin eine schwerwiegende Sehminderung begründet. Hierfür sprechen auch, wie R hervorgehoben hat die Ergebnisse seiner Untersuchung bezüglich der Muster-VEP begründet. Der Senat folgt dem Sachverständigen, der plausibel dargelegt hat, dass eine Sehschärfe der Klägerin unter 0,1 für ausreichend sicher erklärt ist, die Befunde des Muster-VEP jedoch für eine Sehschärfe von mehr als 1/50 sprechen. Damit ist (faktische) Blindheit nicht ausreichend sicher nachgewiesen.
Nicht sicher nachgewiesen ist jedoch auch eine solche im Hinblick auf Gesichtsfeldausfälle (vgl. den Fallgruppenkatalog der DOG bzw. Teil A Nr. 6 VG). Entsprechend den nachvollziehbaren Darlegungen des Sachverständigen R besteht für eine wesentliche Einengung der Gesichtsfelder von außen oder für das Vorliegen eines zentralen Gesichtsfeldausfalls, der mindestens 50 % der unteren Gesichtsfeldhälfte innerhalb von 50° einnehmen würde, kein glaubhafter Anhalt. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass bezüglich des Gesichtsfeldes mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit von einer höchstens unwesentlichen Schädigung vor allem des äußeren Gesichtsfelds ausgegangen werden. Somit kommen andere Störungen des Sehvermögens, die einer Sehschärfeminderung auf 1/50 gleichzuachten wären, wie R ausdrücklich festgestellt hat, nicht in Betracht.
3. Die Klägerin ist jedoch auch nicht hochgradig sehbehindert im Sinne von Art. 1 Abs. 3 BayBlindG, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt sind.
a. Dass bei der Klägerin nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Visus von nicht mehr als 0,05 (1/20) vorliegt, ergibt sich - neben den grundsätzlichen Zweifeln an den subjektiven Angaben der Klägerin, die sogar Lichtscheinwahrnehmung verneint hat - vor allem aus den plausiblen Feststellungen von R in seinem im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten, im Hinblick auf die Befunde des Muster-VEP könne zwar "eindeutig eine Sehschärfe von weniger als 0,08 angenommen werden". Ausreichende Sicherheit dafür, dass eine Sehschärfe von nicht mehr als 0,05 vorliegt, hat der Sachverständige jedoch ausdrücklich verneint.
b. Jedoch ist die Klägerin auch nicht hochgradig sehbehindert gemäß Art. 1 Abs. 3 Nr. 2 BayBlindG. Nach dieser Vorschrift sind - wie oben dargelegt - die Voraussetzungen bei Personen erfüllt, die so schwere Störungen des Sehvermögens haben, dass sie einen GdB von 100 nach dem SGB IX bedingen. Dabei kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse des sehbehinderten Menschen und nicht auf die z.B. durch Bescheid getroffenen Feststellungen der Versorgungsverwaltung an (vgl. im Einzelnen jüngst das Urteil des Senats vom 11.12.2023 - L 15 BL 5/22).
Maßgeblich ist somit Teil B Nr. 4 VG. Danach umfasst die Sehbehinderung alle Störungen des Sehvermögens. Maßgeblich ist primär die (korrigierte) Sehschärfe, daneben jedoch unter anderem auch die Ausfälle von Gesichtsfeld und Blickfeld. Die Sehschärfe ist grundsätzlich entsprechend den Empfehlungen der DOG nach DIN 58220 zu prüfen; nach Teil B Vorbem. Nr. 4 VG sind Abweichungen hiervon nur in Ausnahmefällen zulässig (die VG nennen hier beispielhaft Bettlägerigkeit oder Kleinkindern).
Bei Beachtung dieser Vorgaben ergibt sich für die Klägerin allein aufgrund der Sehbehinderung kein GdB von 100. Gemäß Teil B Nr. 4.3 VG wäre dies erst bei einer Sehschärfe von 0,05 (1/20) der Fall. Hiervon ist jedoch bei der Klägerin, wie sich aus den eben dargelegten Feststellungen von R unzweifelhaft ergibt, bei der Klägerin nicht mit Sicherheit auszugehen. Der angenommene Visus von 0,06 liegt über dem Wert von 0,05. Wie der Beklagte zutreffend annimmt, ist nach Anwendung von der in Teil B Nr. 4.3 VG enthaltenen Tabelle ein GdB von 100 erst dann (auch rechtssicher) anzunehmen, wenn die Sehschärfe rechts wie links - anders als vorliegend - die Visusstufe 0,05 erreicht.
Die Berücksichtigung weiterer Sehstörungen kommt nicht in Betracht. Dies hat z.B. der Beklagte zutreffend für den wichtigsten Fall der Gesichtsfeldeinschränkungen (siehe oben) hervorgehoben. In seinem Schriftsatz vom 27.02.2020 hat er plausibel betont, dass bei der Bewertung des GdB Gesichtsfeldeinschränkungen keine Rolle spielen, weil in Übereinstimmung mit den Ausführungen des genannten Sachverständigen kein nachvollziehbarer Hinweis für eine wesentliche Einengung der Gesichtsfelder von außen oder für das Vorliegen eines zentralen Gesichtsfeldausfalls besteht. Auch andere Sehstörungen sind nicht zu berücksichtigen. Dies ergibt sich ohne Weiteres aus dem gesamten vorliegenden Befundmaterial, insbesondere aber auch aus den Sachverständigengutachten, in denen insoweit keine weiteren Feststellungen getroffen worden sind (im Übrigen wird auf die so gut wie nicht erhöhende Wirkung von Sehstörungen gemäß Teil B Nr. 4.6 VG verwiesen).
Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus den ausdrücklichen Feststellungen des Sachverständigen R, dass nach der von ihm angenommenen beidseitigen Sehschärfe von 0,06 der Klägerin ein GdB von 100 zustehe. Zum einen gehen sowohl der Beklagte als auch das SG zutreffend davon aus, dass bei einem solchen Visus angesichts der Regelung von Teil B Nr. 4.3 VG kein GdB von 100 anzunehmen ist (vgl. eben oben). Zum anderen ist aus Sicht des Senats auch der Schluss des Sachverständigen auf eine solche Sehschärfe nicht im Sinne des BayBlindG rechtssicher zwingend möglich. Zwar hat R die Annahme eines Visus von 0,06 eingehend begründet und insbesondere die Befundverschlechterung (Erklärbarkeit durch morphologischen Befund!) sowie die Objektivierbarkeit durch die genannte Funktionsuntersuchung (VEP) dargelegt. Vor allem hat er aufgezeigt, dass die Auflösung eines Musterreizes von 15 Winkelminuten formal einer Sehschärfe von 0,066 entspricht; für diesen Reiz sei die Reizantwort bei der Klägerin eindeutig verlängert gewesen. Jedoch entspricht der Rechtsprechung eine solche Sehschärfenprüfung grundsätzlich nicht. Der Sachverständige als ausgewiesener Experte im Bereich der Blindheitsbegutachtung selbst hat durchaus zugestanden, dass "eine derartige Korrelation nicht scharf einer gutachtlich korrekten Sehschärfeprüfung nach der DIN 58220, mithin den VG," entspricht. Zwar können auch nach der Rechtsprechung des Senats (siehe das Urteil bereits vom 31.01.2013 - L 15 BL 6/07) bei der Blindheitsbegutachtung im Rahmen von Plausibilitätskontrollen auch die Ergebnisse von Untersuchungen berücksichtigt werden, die nicht mit dem Goldmann Perimeter (mit der Reizmarke III/4e) oder mit Landoltringen (Fernvisus) entsprechend der Vorgaben der VG bzw. der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft durchgeführt worden sind. Der Senat hat jedoch in dem genannten Urteil ausdrücklich entschieden, dass solchen zusätzlichen Untersuchungsmethoden und Kontrollen jedoch keine Beweiskraft zugemessen werden kann (a.a.O.). Zudem handelt es sich vorliegend auch nicht um eine Plausibilitätskontrolle, sondern um die unmittelbare Visuserhebung bzw. Abschätzung. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass entsprechend Teil B Vorbem. Nr. 4 VG ein Ausnahmefall vorliegen würde, der zu einem anderen Vorgehen Anlass geben würde. Schließlich ist die Hauptproblematik bei der Prüfung von Sehschärfe und Gesichtsfeld im Falle der Klägerin deren unzuverlässige Angaben und keine besonderen Schwierigkeiten der Befunderhebung.
Nach alldem ist zwar nicht völlig auszuschließen, dass das Sehvermögen der Klägerin unter die maßgeblichen Grenzen des Art. 1 Abs. 2 oder Art. 1 Abs. 3 BayBlindG herabgesunken sein könnte. Dafür fehlt es aber jedenfalls am notwendigen Beweis. Kann das Gericht bestimmte Tatsachen trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nicht feststellen (non liquet), so gilt der Grundsatz, dass jeder die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen (vgl. z.B. Schmidt, in: B.-Ladewig/Keller/ Ders., SGG, 14. Aufl. 2020, § 103, Rn. 19a mit Nachweisen der höchstrichterlichen Rechtsprechung). Die Klägerin muss daher nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast die Folgen daraus tragen, dass eine große Ungewissheit bezüglich der für sie günstigen Tatsachen verblieben ist. Denn für das Vorliegen der Voraussetzungen der Blindheit gemäß Art. 1 Abs. 2 BayBlindG und der hochgradigen Sehbehinderung gemäß Art. 1 Abs. 3 BayBlindG trägt der in seinem Sehvermögen beeinträchtigte Mensch die objektive Beweislast. Das BSG hat in seinen Urteilen vom 11.08.2015 (B 9 BL 1/14) und 14.06.2018 (B 9 BL 1/17 R) eine Beweiserleichterung - selbst für die besonders schwierigen Fälle der Blindheit bei zerebralen Schäden - klar abgelehnt.
Weitere Ermittlungen sind nicht veranlasst. Der Senat hat die sehr zahlreichen Befundunterlagen und in Verwaltungs- und erstinstanzlichen Verfahren erstellte Sachverständigengutachten ausgewertet. Weitere Gesichtspunkte, die zur erneuten Einholung eines Gutachtens hätten veranlassen müssen, sind nicht erkennbar. So besteht insbesondere keinerlei Anlass für die Erwartung, bei einer erneuten Untersuchung könnten nun Bedenken hinsichtlich der Objektivität der klägerischen Angaben ausgeräumt bzw. es könnte bei einer Begutachtung nun (endlich) eine adäquate Mitwirkung des Klägers erreicht und somit letztlich Angaben ermöglicht werden, welche die Realität seines Sehvermögens zutreffend wiedergeben. Dabei kann die naheliegende Frage offenbleiben, inwieweit das Gericht überhaupt verpflichtet wäre, weitere Ermittlungen durchzuführen, (nur) weil sich der Kläger entschlossen hätte, es nun zu keinen Mitwirkungsdefiziten mehr kommen zu lassen. Hinzu kommt vor allem auch, dass sich auch aus dem vom Senat eingeholten Befundbericht des behandelnden Augenarztes kein weiterer Ermittlungsbedarf ergibt. Schließlich sind weitere Ermittlungen im Wege weiterer Untersuchungen der Klägerin auch nicht möglich (vgl. unten).
Der oben genannte Antrag der Klägerin auf die Erstellung eines weiteren Sachverständigengutachtens von R gemäß § 109 SGG ist von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht aufrechterhalten worden. Zudem wäre er auch abzulehnen gewesen, da der Beweis durch den genannten Sachverständigen im Ergebnis unerreichbar ist, weil dieser nicht in der Lage ist, das aufgrund persönlicher Untersuchung zu erstellende Gutachten über die Klägerin anzufertigen. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens, u.a. nach dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Attest steht fest, dass eine Untersuchungsbegutachtung der Klägerin durch R nicht (mehr) möglich ist.
Die Berufung hat somit keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Zahlung von Blindengeld durch den Beklagten. Die Berufung ist damit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).