Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 02.07.2019 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit vom 13.04.2017 bis zum 31.10.2019.
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Etwa seit November 1977 arbeitete sie in der Metallverarbeitung bei der Montage am Band bis etwa 1983. Darauf folgte eine weitere Tätigkeit in der Montage sowie als Pulverbeschichterin von circa Ende 1986 bis 1991. Seit dem 30.03.1998 war die Klägerin bei der Deutschen Post bis zum 31.12.2011 als Postzustellerin in Vollzeit beschäftigt und nach dem Entgelttarifvertrag für Arbeitnehmer der Deutschen Post AG vom 18.06.2003, zuletzt geändert durch Tarifvertrag Nr. 163, in Entgeltgruppe 3 beschäftigt. Am 07.12.2011 erkrankte sie arbeitsunfähig und bezog vom 01.01.2012 bis zum 25.01.2013 Krankengeld. Sodann erhielt sie bis zum 24.04.2014 Arbeitslosengeld I. Im Anschluss war sie arbeitslos ohne Leistungsbezug.
Erstmalig beantragte die Klägerin am 17.07.2012 eine Rente wegen Erwerbsminderung. Das gegen die ablehnende Entscheidung der Beklagten geführte Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund unter dem Aktenzeichen S 34 R 1439/13 nahm die Klägerin nach Einholung von gerichtlichen Sachverständigengutachten durch den Arzt für Psychiatrie und Neurologie X. vom 15.09.2014 und den Facharzt für Orthopädie S. vom 20.01.2015, welche beide ein vollschichtiges Leistungsvermögen feststellten, zurück.
Am 13.04.2017 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erneut die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Den Antrag begründete sie mit chronischen Gelenkerkrankungen, welche sie nicht mehr belastbar machen würden. Die Feinmotorik der Hände sei sehr stark eingeschränkt. Die starken Schmerzen seien ohne Tabletteneinnahme nicht zu ertragen.
Die Beklagte holte Befundberichte der behandelnden Ärzte ein. Der Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin I. gab an, dass die Klägerin insbesondere durch Ganzkörperschmerzen mit derzeitiger Betonung der Oberschenkelregion, der Sattelgelenke und der Lenden-Becken-Region beschwert sei. Es bestehe eine tägliche Anlaufsteifigkeit von gut einer Stunde. Auch die Ärzte der Gemeinschaftspraxis O./M./H. bestätigten das Vorliegen von zunehmenden Ganzkörperschmerzen, welche zu einer Leistungsminderung und Durchschlafstörungen führen würden. Insbesondere die Handkraft sei reduziert. Hinzu kämen schmerzhafte Funktionseinschränkungen der Sprunggelenke sowie eine Neigung zu Depressionen und Angstzuständen. Die Hausärztin und Fachärztin für Allgemeinmedizin Frau Diese teilte als Beschwerden ein starkes Steifheitsgefühl, Kraftlosigkeit und Bewegungseinschränkungen bei Polyarthrose und fortgeschrittener Veränderung an den Händen mit. Die Klägerin könne auch nicht lange Stehen oder Sitzen. Es bestünden auch in Bewegung starke Schmerzen an der Wirbelsäule, den Knien und den Füßen beidseits. Eine Besserungsmöglichkeit bestehe nicht.
Sodann holte die Beklagte ein Gutachten bei dem Facharzt für Nervenheilkunde V. ein. Am 25.10.2017 diagnostizierte dieser bei der Klägerin eine Panikstörung, Angst und depressive Störung, gemischt, ein chronisches Schmerzsyndrom bei degenerativer Wirbelsäulenveränderung und Polyarthrose sowie eine Schilddrüsenvergrößerung. Aus nervenärztlicher Sicht sei trotz der Panikstörung und auch der gemischten Angst und Depression von einem vollschichtigen Leistungsvermögen auszugehen. Die Hauptbeeinträchtigung bestehe auf rheumatologisch-orthopädischem Gebiet. In einer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 08.11.2017 hielt der Medizinaldirektor C. die Voraussetzung für eine Erwerbsminderung weiterhin für nicht gegeben, weil ein Leistungsvermögen von mehr als sechs Stunden täglich bestehen würde.
Mit Bescheid vom 24.11.2017 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab, weil die medizinischen Voraussetzungen unter Berücksichtigung einer Panikstörung, Angst und depressive Störung gemischt, eines chronischen Schmerzsyndroms bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen und einer medikamentös behandelten Schilddrüsenvergrößerung nicht erfüllt seien. Auch bei Beachtung einer vermeintlichen Berufsunfähigkeit bestehe kein Anspruch, weil es Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gebe, die die Klägerin mindestens sechs Stunden täglich ausüben könne und ihr aufgrund ihres beruflichen Werdeganges zumutbar seien.
Dagegen legte die Klägerin am 05.12.2017 Widerspruch ein und machte geltend, dass nicht sämtliche der zu der Feststellung ihres Grades der Behinderung (GdB) von 40 führenden Erkrankungen berücksichtigt worden seien. Es bestehe noch eine Fibromyalgie und eine Polyarthrose, wodurch sie in ihrer Bewegung äußerst eingeschränkt sei. Zudem kämen noch als weitere Leiden ein Erschöpfungssyndrom, ein chronischer Tinnitus, der sich zunehmend verschlechtere, ein Venenleiden sowie Borreliose hinzu. Trotz Schmerztherapie, Einnahme von Schmerzmedikamenten und verordnetem Reha-Sport sei sie nie schmerzfrei.
Die Beklagte holte weitere Befundberichte ein. Der Orthopäde R. teilte als Diagnosen eine Entzündung der Achillessehnen beidseits, links mit Partialruptur sowie rezidivierende Phlegmone der Großzehen beidseits mit. Die Klägerin leide unter Schmerzen an beiden Achillessehnen, insbesondere bei Belastung. Dadurch reduziere sich die Gehstrecke. Der Facharzt für Hals-, Nasen-und Ohrenheilkunde P. gab an, dass bei der Klägerin neben einem Tinnitus eine geringgradige Innenohrschwerhörigkeit beidseits bestehe. Dies führe zu einer Hörminderung sowie zu Konzentrations- und Einschlaf-/Durchschlafstörungen. In einem weiteren Befundbericht bekräftigte Herr I., dass ein seit Jahren unverändertes Schmerzbild bestehe. Der die Beklagte beratende Arzt G. empfahl sodann die Leistungsablehnung unter Anerkennung weiterer Diagnosen.
Mit Widerspruchbescheid vom 11.04.2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Voraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung nicht erfüllt seien, da die Klägerin auch unter weiterer Berücksichtigung der Fibromyalgie, der Polyarthrose, des Tinnitus, des Venenleidens und einer stattgehabten Borreliose weiterhin in der Lage sei, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Sie könne auch kein Berufsschutz in Anspruch nehmen und sei daher auf sämtliche ungelernte Tätigkeiten zu verweisen.
Hiergegen hat die Klägerin am 23.04.2018 Klage vor dem SG erhoben. Sie hat vorgetragen, dass die Beklagte das Ausmaß der gesundheitlichen Beeinträchtigung und die Wechselwirkungen der einzelnen Erkrankungen verkenne. Eine weitere Beeinträchtigung bestehe aus der umfassenden Operation der Großzehe in der Zeit vom 03.01.2012 bis zum 10.01.2012. Eine weitere Verschlimmerung werde auch durch den ab dem 14.05.2018 höheren GdB von 50 deutlich.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.11.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2018 zu verurteilen, ihr ab Antragstellung Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die angegriffenen Bescheide für rechtmäßig erachtet.
Das SG hat Befundberichte von der Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie H., von Herrn I., von Herrn P., des psychologischen Psychotherapeuten A., sowie der Hausärztin T. eingeholt. Herr I. hat dabei mitgeteilt, dass er die Klägerin für nicht in der Lage halte, einer Erwerbstätigkeit von sozialversicherungspflichtigen Wert nachzugehen, da die bisherige Behandlung die Einschränkung der Aktivitäten des täglichen Lebens nur leidlich wiederkehrend habe verbessern können. Demgegenüber hat Herr A. mitgeteilt, dass er der Klägerin für die Zeit vom 09.04.2013 bis zum 10.09.2015 eine volle Erwerbsfähigkeit zutraue. Frau T. hat am 28.06.2018 angegeben, dass die Klägerin schnell erschöpft sei und ständig körperlichen Schmerz mit massivem Steifigkeitsgefühl habe. Die Hände seien kraftlos, sodass sie ungewollt Dinge aus den Händen fallen lasse. Auch der Schlaf sei durch den Schmerz gestört. Der Gesundheitszustand habe sich schleichend progredient verschlechtert. Sie halte die Klägerin für nicht mehr erwerbsfähig.
Weiterhin hat das SG Beweis erhoben durch Einholung eines Hauptgutachtens der Ärztin für physikalische und rehabilitative Medizin sowie Allgemeinmedizin Frau F. und eines nervenärztlichen Zusatzgutachtens von U.. Der Sachverständige U. hat in seinem auf Basis einer Untersuchung der Klägerin am 04.09.2018 erstellten Gutachten vom 07.09.2018 die Diagnosen einer Panikstörung, spezifischen Phobie (Angst vor Fahren auf der Autobahn mit Vermeidungsverhalten), Tinnitus rechts sowie rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig leicht- bis mittelgradige depressive Episode gestellt. Er ist zu der Beurteilung gelangt, die Klägerin könne unter Berücksichtigung einer psychophysisch herabgesetzten Belastbarkeit noch regelmäßig und unter betriebsüblichen Bedingungen körperlich leichte und geistig einfache Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, Gehen und Stehen auch im Freien unter Witterungsschutz vollschichtig mit weiteren qualitativen Leistungseinschränkungen verrichten. Lasten könnten bis 10 kg gehoben und getragen werden. Auf neurologischem Fachgebiet sei die Gebrauchsfähigkeit der Hände nicht eingeschränkt. Auch die Gehfähigkeit sei nicht beeinträchtigt und die Klägerin könne den ÖPNV nutzen. Lediglich beim Führen eines Kraftfahrzeuges könnte keine Autobahn genutzt werden. Das Leistungsvermögen bestehe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit seit April 2017 unverändert fort.
Die Sachverständige F. hat ihrem Gutachten vom 20.11.2018 auf Grundlage einer Untersuchung am 15.11.2018 bei der Klägerin ein chronisches undifferenziertes Schmerzsyndrom mit psychischen und somatischen Ursachen, eine degenerative Wirbelsäulenveränderung zervikal und lumbal, eine beginnende Polyarthrose des rechten Knies, der rechten Schulter, des rechten Daumensattelgelenks und der Fingergelenke der rechten Hand, Dysthymie, Angst und depressive Störung gemischt, Tinnitus, Panikstörung, Zustand nach Borreliose-Infektion, Fibromyalgiesyndrom sowie Verdacht auf Hyperurikämie/Gicht diagnostiziert. Unter Berücksichtigung der mit diesen Diagnosen einhergehenden Beeinträchtigungen verfüge die Klägerin noch über ein ausreichendes Leistungsvermögen für körperlich leichte und geistig einfache Arbeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen im Freien unter Witterungsschutz im Umfang von 6 Stunden und mehr. Arbeiten mit ständigem Bücken, in ständig gebückter Haltung sowie ständigem Knien und Hocken bzw. in sonstigen ständigen Zwangshaltungen seien ebenso wie Arbeiten auf Gerüsten, Leitern oder Regalleitern nicht mehr zumutbar. Arbeiten in Nachtschicht, unter besonderem zeitlichen Druck sowie mit häufigem Publikumsverkehr seien zu vermeiden. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände sei zwar eingeschränkt, nicht jedoch die Feinmotorik, sondern nur die Kraftentfaltung. Dies habe zur Folge, dass ein dauerhaftes Greifen oder Arbeiten mit der ganzen Hand und Kraftaufwand nur eingeschränkt möglich seien. Die Gehfähigkeit sei nicht eingeschränkt. Das Leistungsvermögen bestehe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit seit April 2017 und habe sich seither nicht wesentlich verändert.
Die Klägerin hat sodann weiter vorgetragen, dass sie sich bei der Begutachtung durch U. ohne Anwesenheit weiteren Personals bzw. ihres Ehemannes äußerst unwohl gefühlt habe. Die Begutachtung sei oberflächlich gewesen. Auch das Gutachten von Frau F. sei oberflächlich gestaltet und nahezu jeder dritte Satz unverständlich, weil offensichtlich mit einem Sprachcomputer gearbeitet worden sei, der nicht richtig funktioniert habe. Zudem habe die körperliche Untersuchung nur 20 Minuten gedauert. Im Übrigen habe die Sachverständige die Diagnose der Fibromyalgie nicht ernst genommen. Ferner habe sie große Probleme bei der Darstellung des Zehenstandes gehabt, sodass das Ergebnis der Sachverständigen, dass die Sensibilität und Motorik der unteren Extremitäten unauffällig gewesen sei, nicht haltbar sei. Es sei zudem augenfällig, dass an ihren beiden Händen mehrere Finger verdickt und deformiert seien, sodass schon für einen Laien erkennbar sei, dass beide Hände nicht mehr voll funktionsfähig seien. Aufgrund der Beeinträchtigung der Füße und des erkennbar dicken rechen Knies mit entsprechenden Bewegungseinschränkungen und starken Schmerzen könne sie keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen.
Mit Urteil vom 02.07.2019 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, die Klägerin sei nicht voll oder teilweise erwerbsgemindert, da sie noch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Dies folge aus den überzeugenden Sachverständigengutachten. Die Klägerin sei auch nicht berufsunfähig, da sie ausgehend von der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als angelernte Postzustellerin auf alle gesundheitlich zumutbaren Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verweisen sei. Der Benennung konkreter Tätigkeitsbilder bedürfe es insoweit nicht.
Gegen das ihr am 24.07.2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13.08.2019 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, dass das SG ihren Vortrag sowohl bezüglich der Durchführung als auch der Ergebnisse der Begutachtungen nicht ausgewertet habe. Zudem habe das SG die gesundheitlichen Beeinträchtigungen Beinvenenschwäche, Tendinitis der Achillessehne beidseits und systemische Polyarthrose/Gonarthrose nicht berücksichtigt. Sie sei nicht auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu verweisen, weil die meisten Verrichtungen, die in ungelernten Tätigkeiten in der Regel gefordert werden, den Einsatz der Hände bzw. Finger benötigen würden, was ihr jedoch nicht möglich sei. Dies gelte insbesondere für die Bedienung eines PC. Tätigkeiten gröberer Art seien häufig mit Bewegungen der Wirbelsäule verbunden. Bereits kurze Wegstrecken würden bei ihr starke Schmerzen auslösen. Überdies führe die Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeschränkungen dazu, dass ihr viele Arbeitsfelder einer ungelernten Tätigkeit versperrt seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 02.07.2019 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.11.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2018 zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, ab Antragstellung bis zum 31.10.2019 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Insbesondere sei die Klägerin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu verweisen und könne kein Berufsschutz geltend machen, da nur gewöhnliche Leistungseinschränkungen aufgeführt würden, die für eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen nicht ausreichen würden. Unter Bezugnahme auf die Gutachter sei nicht die Feinmotorik, sondern die Kraftentfaltung der Hände eingeschränkt. Tätigkeiten wie Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Kleben, Sortieren, Verpacken oder das Zusammensetzen von Teilen seien der Klägerin daher möglich. Zudem hat die Beklagte unter Beifügung des Versicherungsverlaufes mitgeteilt, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmalig am 01.04.2019 erfüllt gewesen seien.
Mit Bescheid vom 11.07.2019 hat die Beklagten der Klägerin eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 01.11.2019 bewilligt.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädisch-alegesiologisch-rheumatologischen Sachverständigengutachtens von B. vom 16.03.2020. Dieser hat nach Untersuchung der Klägerin am 02.03.2020 die Diagnosen beginnendes Verschleißleiden der Kniegelenke mit endgradigen Beweglichkeitsdefizit, rechtsbetonte geringe Minderbelastbarkeit, Vielgelenksleiden im Bereich der Hände mit geringem Funktionsdefizit, Verschleißleiden der Wirbelsäule mit Fehlhaltung der Lendenwirbelsäule, Übergewicht und erworbener Muskelschwäche, lumbale Instabilität, vorbeschriebenes Halswirbelsäulen-Syndrom aktuell ohne Funktionsdefizit, chronisches Schmerzleiden mit wechselndem Ganzkörperschmerz, Störung der affektiven Schmerzverarbeitung mit Hinweisen für seelisches Leiden sowie ein Krampfaderleiden gestellt. Unter Berücksichtigung der mit diesen Erkrankungen einhergehenden Beeinträchtigungen könne die Klägerin noch körperlich leichte und auch gelegentlich mittelschwere sowie geistig einfache und mittelschwierige Arbeiten in zeitweilig gehender, stehender oder sitzender Position mit der Möglichkeit einer bedarfsweise wechselnden Körperhaltung im Freien unter Witterungsschutz auch mit häufigen Publikumsverkehr im Umfang von sechs Stunden und mehr mit weiteren qualitativen Leistungseinschränkungen verrichten. Die Klägerin sei noch in der Lage bis zu 10 kg schwere Lasten regelmäßig bzw. bis 15 kg zumindest kurzfristig zu heben, tragen oder zu bewegen. Bezüglich Arbeiten mit voller Gebrauchsfähigkeit der Hände bestünden insofern Bedenken, dass es zu einer leichten Kraftminderung, jedoch ohne eine Beeinträchtigung der feinmotorischen Greiffunktion gekommen sei. Die Gehfähigkeit sei nicht wesentlich eingeschränkt. Im Vergleich zum Gutachten von Frau F. seien die dort seinerseits vorgetragenen und zu würdigenden Beschwerden in der hiesigen Begutachtung nicht mehr zur Sprache gekommen (z.B. im Bereich der rechten Schulter). Er weiche daher von ihrer Begutachtung nur dahingehend ab, dass sogar gelegentlich mittelschwere Arbeiten zumutbar seien.
In der Folge hat die Klägerin erneut beanstandet, dass ihr Ehemann der Begutachtung nicht beiwohnen durfte. Auch habe sie auf die Fragen des Gutachters nur kurz und knapp antworten dürfen. B. habe nicht berücksichtigt, dass sich der rechte Fuß gar nicht mehr Abrollen lasse. Der Sachverständige verkenne zudem die Beschwerden in der Schulter und der Halswirbelsäule. Auch habe sie bei vielerlei Berührungen und Bewegungen starke Schmerzen verspürt, sie habe jedoch nicht ständig rufen oder schreien wollen. Zudem hat sie eine aktuelle Bescheinigung bezüglich ihres unveränderten Beschwerdebildes durch Herrn I. vom 15.09.2020 vorgelegt.
Sodann hat der Senat auf Antrag der Klägerin ein Gutachten gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf dem Gebiet der Orthopädie - Unfallchirurgie bei Herrn Y. in Auftrag gegeben. Dieser hat in seinem Gutachten vom 20.07.2021 basierend auf einer Untersuchung der Klägerin mit eigener Bildgebung am 28.04.2021 eine Polyarthrose der Fingergelenke, Rhizarthrose, Valgus-Gonarthrose, Senk-Spreizfuß-Ausbildung beidseits, Verschleißleiden der Hüftgelenke, der Lendenwirbelsäule und der Halswirbelsäule, Impingement-Syndrom an beiden Schultergelenken sowie ein zumindest mit einer Fibromyalgie vergleichbares Schmerzsyndrom diagnostiziert. Unter Berücksichtigung der mit diesen Erkrankungen einhergehenden Gesundheitsbeeinträchtigungen sei die Klägerin nur noch in der Lage, körperlich leichte sowie geistig mittelschwierige bis einfache Arbeiten überwiegend im Sitzen mit kurzfristigen Heben und Tragen von Lasten bis ca. 5 kg in geschlossenen Räumen ohne Kälte, Hitze, Temperaturschwankungen, Nässe oder Lärm im Umfang von drei bis unter sechs Stunden täglich auszuführen. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände sei deutlich gemindert. Die Tastaturbedienung sei nur mit Einschränkungen verbunden. Daher erscheine nur ein gelegentliches und kurzzeitiges Arbeiten mit voller Gebrauchsfähigkeit der Hände möglich. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätten die festgestellten Gesundheitsstörung schon seit April 2017 bestanden. Gegenüber der Vorgutachter habe er in seiner Untersuchung andere Befunde auch wegen der Anwesenheit des Ehemanns feststellen können. Der Sachverständige B. habe zudem veraltete Aufnahmen aus den Jahren 2013 bis 2018 gewürdigt.
Herr B. hat in einer vom Senat eingeholten ergänzenden Stellungnahme vom 01.12.2021 mitgeteilt, dass dem Gutachten von Y. keine zusammenfassende Darstellung und Würdigung der Unterlagen zu entnehmen sei. Bereits aus der Anamnese werde deutlich, dass die Klägerin deutlich abgestimmt zwischen den von ihr angegebenen Beschwerden und den objektiven Befunden geantwortet habe. Das alleinige Vorliegen von bildgebenden Befunden rechtfertige nicht die Annahme von daraus resultierenden relevanten Funktionsstörungen. Im Übrigen sei eine wesentliche Differenz zwischen den Aufnahmen nicht zu konstatieren. Eine nachvollziehbare Veränderung des Beschwerdebildes zum negativen hin erscheine allein auf Grundlage der anamnestischen Angaben der Klägerin nicht hinreichend belegt. Die Einholung eines weiteren Gutachtens sei nicht erforderlich und er verbleibe bei seiner Beurteilung des Leistungsvermögens.
Die Klägerin hat vorgetragen, dass die ergänzende Stellungnahme von B. zeige, dass dieser bereits zu Beginn ihren Äußerungen äußerst skeptisch gegenübergestanden habe. Bestätigt werde die Einschätzung von Y. auch durch die zum 25.03.2022 erfolgte Anerkennung des Pflegegrades 1 wegen Polyarthrose und Fibromyalgie einhergehend mit schmerzhaften Bewegungseinschränkungen.
In der vom Senat eingeholten Arbeitgeberauskunft der Deutschen Post AG hat Herr Q. mitgeteilt, dass die Klägerin in der Verbundzustellung (kombinierte Zustellung von Brief- und Postsendung) tätig gewesen sei. Die Arbeiten als Fachkraft für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen würden eine Lehre erfordern, die die Klägerin nicht durchlaufen habe. Dennoch habe sie alle Arbeiten vollwertig wie beim normalen Ausbildungsweg in diesem Beruf verrichtet und auch den gleichen Lohn wie Beschäftigte mit abgeschlossener Ausbildung erhalten. Besondere Kenntnisse seien für die angelernte Tätigkeit nicht erforderlich. Die Klägerin habe nur drei Wochen, wie auch eine völlig ungelernte Kraft, angelernt werden müssen. Ein besonderes Verantwortungsbewusstsein oder Vertrauensverhältnis sei nicht erforderlich. Bei der Tätigkeit habe es sich um eine körperlich schwere Tätigkeit gehandelt, was sich alleine aus dem Heben und Tragen von Paketsendungen bis 31,5 kg ergebe. Die Tätigkeit habe im Wechsel von Sitzen 20 %, Gehen 65 % und Stehen 15 % überwiegend im Freien unter Witterungseinflüssen verrichtet werden müssen. Diese Anforderungen habe die Klägerin entsprechend des Entgeltes erfüllt. Die Klägerin sei in Entgeltgruppe 3 geführt und sogar etwas übertariflich entlohnt worden, was sich aus dem Anspruch auf Besitzstandslohn ergebe. 1.730 Arbeitsplätze in Teilzeit stünden aktuell zur Verfügung.
Die Klägerin hat gegenüber der Arbeitsplatzbeschreibung eingewandt, dass sämtliche Angaben zur Anlernzeit unzutreffend seien, insbesondere sei sie nicht nur drei Wochen angelernt worden. Unter Bezugnahme auf die Arbeitgeberauskunft dürfe sie nicht auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden. Einfachste Tätigkeiten wären für sie sozial nicht zumutbar. Sie habe zudem regelmäßig an Seminaren und Fortbildungen teilgenommen. Nach Tarifvertrag sei sie der Entgeltgruppe 3 Untergruppenstufe 7 zugeordnet gewesen. Außerdem sei sie seit dem 01.09.1998 auch aktives Mitglied der Deutschen Gewerkschaft gewesen und in den Betriebsrat gewählt worden. Nach dem Mehrstufenschema sei sie nicht in die Gruppe der ungelernten Berufe zuzuordnen, sondern es hätte ein Vergleichsberuf der Stufe II von der Beklagten aufgeführt werden müssen, was bisher nicht geschehen sei.
Die Beklagte hat weiter vorgetragen, dass die Klägerin nicht als Facharbeiter einzustufen sei, weil die Anlernzeit nur drei Wochen betragen habe. Die Entlohnung beruhe auf qualitätsfremden Merkmalen. Vorsorglich werde als Verweisungstätigkeit die Tätigkeit als Bürohelferin in einer Poststelle und Poststellenmitarbeiterin nach BAT III/E3 TVöD benannt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Das SG hat die Klage zu Recht mit Urteil vom 02.07.2019 abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 24.11.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente besteht nicht, da die Klägerin im streitigen Zeitraum nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren nicht voll oder teilweise erwerbsgemindert und auch keine Rente bei Berufsunfähigkeit zu gewähren ist.
Gemäß § 43 Abs. 1, 2 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Von diesen rechtlichen Voraussetzungen ausgehend ist die Klägerin weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, da sie noch zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes täglich mindestens sechs Stunden körperlich leichte und auch gelegentlich mittelschwere sowie geistig einfache und mittelschwierige Arbeiten mit weiteren qualitativen Leistungseinschränkungen im streitigen Zeitraum verrichten konnte. Diese Feststellung ergibt sich aus den plausiblen und überzeugenden, im Gerichtsverfahren eingeholten Gutachten von U., von Frau F. und von B.. Diese verfügen aufgrund ihrer jeweiligen Facharztausbildung, ihrer langjährigen Praxistätigkeit sowie aber auch als erfahrene Gerichtsgutachter über die erforderlichen medizinischen Qualifikationen und Erfahrungen um gesundheits- und behinderungsbedingte Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit in ihrem Fachgebiet untersuchen und feststellen zu können. Die sachverständigen Einschätzungen des Leistungsvermögens der Klägerin sind vor dem Hintergrund der erhobenen Befunde schlüssig und überzeugend. Dass die gerichtlichen Sachverständigen zu teilwiese abweichenden Diagnosen gelangt sind, schmälert ihre Überzeugungskraft nicht, da die festgestellten Befunde mit altersbedingter Verschlechterung im Verlauf von sämtlichen Gutachtern ähnlich beschrieben werden und daher Änderungen bei den Diagnosen plausibel erscheinen. Im Übrigen besteht zwischen den Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen im Hinblick auf das grundsätzlich noch vorhandene quantitative Leistungsvermögen der Klägerin Übereinstimmung mit den Gutachten aus dem vorangegangenen Gerichtsverfahren der X. und S. sowie mit dem Verwaltungsgutachten von V., welche im Wege des Urkundsbeweises von dem Senat zu würdigen sind.
Danach bestehen bei der Klägerin Leistungseinschränkungen durch die orthopädisch/chirurgischen sowie seelischen Leiden, wobei die orthopädischen/schmerztherapeutischen Leiden den Schwerpunkt bilden. Zur Überzeugung des Senats ist von folgenden Erkrankungen und Behinderungen auszugehen:
- Beginnendes Verschleißleiden der Kniegelenke mit endgradigem Beweglichkeitsdefizit, rechtsbetonte geringe Minderbelastbarkeit
- Vielgelenksleiden im Bereich der Hände mit geringem Funktionsdefizit
- Verschleißleiden der Wirbelsäule mit Fehlhaltung der Lendenwirbelsäule, Übergewicht und erworbener Muskelschwäche, lumbaler Instabilität, vorbeschriebenes HWS-Syndrom
- chronisches Schmerzleiden mit wechselndem Ganzkörperschmerz, Störung der affektiven Schmerzverarbeitung und Hinweisen für seelisches Leiden
- beginnender Polyarthrose des rechten Knies, der rechten Schulter des rechten Daumensattelgelenks und der Fingergelenke der rechten Hand
- degenerative Wirbelsäulenveränderung zervikal und lumbal
- Tinnitus
- Dysthymie
- Panikstörung
- Krampfaderleiden
Bei den insgesamt doch eher geringen bzw. endgradigen Funktionsbeeinträchtigungen auf chirurgisch-orthopädisch-schmerztherapeutischem Fachgebiet ist die Klägerin noch befähigt, körperlich leichte und auch gelegentlich mittelschwere sowie geistig einfache und mittelschwierige Arbeiten in zeitweilig gehender, stehender oder sitzender Position mit der Möglichkeit bedarfsweise wechselnder Körperhaltung im Freien unter Witterungsschutz und auch mit häufigen Publikumsverkehr im Umfang von sechs Stunden und mehr zu verrichten. Arbeiten im Knien und Hocken sind nicht mehr leidensgerecht. Arbeiten im Bücken sowie Überkopf- und Überschulterarbeiten sind nur noch gelegentlich bzw. kurzfristig zu erbringen. Die Klägerin ist auch noch in der Lage gewesen, bis zu 10 kg schwere Lasten regelmäßig bzw. bis 15 kg zumindest kurzfristig zu heben, tragen oder zu bewegen. Gerüst- und Leiterarbeiten scheiden aus. Bezüglich Arbeiten mit voller Gebrauchsfähigkeit der Hände bestehen insofern Bedenken, dass es zu einer leichten Kraftminderung, jedoch ohne eine Beeinträchtigung der feinmotorischen Greiffunktion gekommen ist. Arbeiten in Nachtschicht bzw. unter besonderen zeitlichen Druck sind nicht mehr geboten. Die Gehfähigkeit ist nicht wesentlich eingeschränkt.
Für dieses Leistungsbild spricht insbesondere, dass in der Längsschnittbetrachtung Übereinstimmung zwischen sämtlichen gerichtlichen Sachverständigen im hiesigen und auch im vorangegangen Gerichtsverfahren sowie den Rentengutachtern besteht, wobei die Sachverständigen in den zeitlich aktuelleren Gutachten aber auch ein schleichende (altersbedingte) Verschlechterung anschaulich befundet, erklärt und bei der Leistungsbeurteilung nachvollziehbar berücksichtigt haben. Dies wird auch aus dem Umstand deutlich, dass der Therapieansatz der behandelnden Ärzte im streitigen Zeitraum nahezu unverändert geblieben ist und die Klägerin im Wesentlichen auch nur nicht verschreibungspflichtige Schmerzmittel eingenommen hat.
Gegen eine quantitativ stärker ausgeprägte Leistungsminderung spricht insbesondere bei der von der Klägerin geltend gemachten Beeinträchtigung ihrer Hände, dass sämtliche Gutachter, auch Y., nur eine Kraftminderung, aber keine erhebliche Einschränkung der Feinmotorik festgestellt haben. Besonders deutlich geht dies für den Senat aus den sehr anschaulichen Beschreibungen und Befundungen bei B. hervor, welcher eine beidseits zureichende Feinmotorik unter anderem im Umgang mit der Handtasche und bei der Handhabung der Maus ohne Ausweichbewegung oder Schmerzäußerung bei fühlbaren Verspannungen und einer Schwellung im Bereich der Daumengelenksreihe mit Druckdolenz beschrieben hat, jedoch auch ein freies Spiel der Finger, in voller, aktiver Streckung und beim Griff zur Faust keine Distanz zur Regelfunktion sowie einen sicheren Spitz- und der Oppositionsgriff zum Kleinfinger hat feststellen können. Eine Einschränkung für Arbeiten am Computer erscheint dem Senat daher sowie vor dem Hintergrund, dass die Klägerin bei den Testverfahren im Rahmen der Begutachtungen auch Maus und Tastatur nutzen konnte, ohne dass von einem der Sachverständigen relevante Einschränkungen beobachtet worden sind, nicht plausibel. Aus den Befundungen sämtlicher Sachverständiger geht überdies hervor, dass die Klägerin unter Berücksichtigung eines leicht rechts hinkenden Gangbildes noch über ein Gehvermögen im ausreichenden Maß verfügt.
Den von einigen behandelnden Ärzte geäußerten Zweifeln an einer Leistungsfähigkeit vermag der Senat nicht zu folgen, weil diese zugleich über ein gleichbleibendes Beschwerdebild berichten, was überhaupt nicht in Einklang mit den Befunden der Gutachten und dem damaligen Behandlungssetting zu bringen ist.
Auch das Gutachten von Y. führt zu keiner anderen Beurteilung. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass das Gutachten erst auf Basis einer Untersuchung der Klägerin aus April 2021 und damit eineinhalb Jahre nach dem streitgegenständlichen Zeitraum bzw. zwei Jahre nach dem Auslaufen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erstellt worden ist. Vor diesem Hintergrund erschiene es nachvollziehbar, dass sich die Befunde bei diesem und damit auch die jedenfalls zum Begutachtungszeitpunkt festgestellte Leistungsfähigkeit der Klägerin weiter im Vergleich zu den Vorgutachten verschlechtert hat. Wie B. bereits ausgeführt hat, weicht die Befunderhebung bei Y. jedoch im Ergebnis gar nicht derart gravierend ab, dass von einer erheblichen Differenz auszugehen ist. Die dann jedoch von Y. allein auf seine aktuelle Befunderhebung gestützte zeitliche Rückdatierung des von ihm mitgeteilten Leistungsbildes überzeugt den Senat nicht, da stattdessen eine gründliche Auswertung sämtlicher Vorgutachten und Vorbefunde hätte erfolgen müssen, um eine rückwirkende Leistungsminderung zu belegen. Erschwerend kommt noch hinzu, dass Y. jedenfalls in Teilen die subjektiven Beschwerdeangaben der Klägerin ohne eigene kritische Überprüfung übernommen hat sowie dass die Selbständigkeit der Klägerin durch die Anwesenheit des Ehemanns, der aktiv auch im Rahmen der Befunderhebung durch Hilfestellung eingewirkt hat, eingeschränkt gewesen sein könnte. Zudem überhöht er den Stellenwert einer bildgebenden Diagnostik bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit. In Summe schmälern diese Punkte die Überzeugungskraft seiner Leistungsbeurteilung erheblich. Demgegenüber besticht gerade das Gutachten von B. durch ein gründliches Aktenstudium unter plausibler Würdigung der Vorbefunde.
Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder einer Summierung von ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen liegt bei Klägerin nicht vor, da diese nach den Ausführungen sämtlicher Sachverständiger noch in der Lage ist, beispielsweise leichte Büro-, Poststellen-, Pförtnertätigkeiten sowie die weiteren dort genannten Tätigkeiten wie Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen, Messen, Prüfen, Überwachen und die Qualitätskontrolle von Produktionsvorgängen zu verrichten. Eine regelmäßige feste Kraftentfaltung oder ausgesprochen feinmotorische Fähigkeiten sind hierbei nicht erforderlich, da es sich schon um nur leichte körperliche Tätigkeiten handelt. Auch Y. geht insofern aus orthopädischer Sicht von einem hinreichenden Leistungs- und Umstellungsvermögen für die zuvor benannten Tätigkeiten aus.
Ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI besteht zur Überzeugung des Senats ebenfalls nicht, da die Klägerin ausgehend von dem Hauptberuf als Postzustellerin im Verbund allenfalls als angelernte Arbeiterin im oberen Bereich anzusehen ist und auch auf ungelernte Arbeiten nicht aller einfachster Art auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar ist (vgl. zum Mehrstufenschema: BSG, Urteil vom 15.11.1983 – 1 RJ 112/82 –, Rn. 15 ff).
Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind.
Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Satz 2). Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die der Versicherte durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden ist (Satz 3). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Satz 4).
Auf welche Berufstätigkeiten ein Versicherter nach seinem fachlichen und gesundheitlichen Leistungsvermögen noch zumutbar verwiesen werden kann, beurteilt das BSG nach einem von ihm entwickelten Mehrstufenschema. Dieses gliedert die Berufe hierarchisch in vier Gruppen mit verschiedenen Leitberufen. An oberster Stelle steht die Gruppe der Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion und der besonders qualifizierten Facharbeiter. Es folgen die Facharbeiter in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei bis drei Jahren, danach die angelernten Arbeiter mit einer Ausbildungszeit von bis zu zwei Jahren. Zuletzt folgen die so genannten Ungelernten, auch mit einer erforderlichen Einarbeitungs- oder Einweisungszeit von bis zu drei Monaten. Eine vom Versicherten vollschichtig ausübbare Tätigkeit ist ihm zumutbar im Sinne des § 240 SGB VI, wenn er irgendwelche Tätigkeiten der eigenen Qualifikationsstufe oder aber der nächst niedrigeren Stufe spätestens nach einer Einarbeitung und Einweisung von drei Monaten zum Erwerb der notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten vollwertig ausüben kann. Dabei muss dem Versicherten ein konkreter Verweisungsberuf benannt und zugeordnet werden können, anhand dessen sich die Zumutbarkeit seiner Ausübung beurteilen lässt. Kann ein anderer Beruf nicht konkret in Betracht gezogen werden, liegt bei der Unfähigkeit der Ausübung des bisherigen Berufs Berufsunfähigkeit vor. Eine Ausnahme vom Erfordernis der konkreten Benennung eines Verweisungsberufs besteht aber dann, wenn dem Versicherten fachlich-qualitativ ungelernte Tätigkeiten und jedenfalls leichte körperliche, seelische und geistige Belastungen zumutbar sind. Einem Versicherten ist die Ausübung einer ungelernten Arbeitstätigkeit grundsätzlich zuzumuten, wenn sein bisheriger Beruf entweder dem Leitberuf des angelernten Arbeiters oder dem des ungelernten Arbeiters zuzuordnen ist. Allerdings ist bei den angelernten Arbeitern weiter zu differenzieren: Angelernte mit einer Regelausbildungszeit von bis zu einem Jahr (sog. untere Angelernte) sind auf alle ungelernten Tätigkeiten verweisbar. Demgegenüber können Angelernte mit einer Regelausbildungszeit von mehr als einem Jahr bis zu zwei Jahren (sog. obere Angelernte) nur auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden, die sich durch bestimmte Qualitätsmerkmale auszeichnen. Daher sind für Angelernte des oberen Bereichs Verweisungstätigkeiten konkret zu benennen (z.B. BSG, Urteil vom 21.07.1987 – 4a RJ 39/86 - und vom 29.03.1994 – B 13 RJ 35/93 -; siehe auch Nazarek in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 3. Aufl., § 240 SGB VI (Stand: 01.04.2021), Rn. 109-111 m.w.N).
Für die Frage, ob ein Versicherter berufsunfähig ist, ist sein "bisheriger Beruf" maßgebend. Wenn er diesen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann, ist die Zumutbarkeit einer anderen Tätigkeit zu prüfen. Bisheriger Beruf im Sinne des § 240 SGB VI ist grundsätzlich die zuletzt ausgeübte und auf Dauer angelegte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Diese muss mit dem Ziel verrichtet werden, sie bis zur Erreichung der Altersgrenze auszuüben. Dieser Grundsatz gilt jedenfalls dann, wenn die Tätigkeit zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist (BSG, a.a.O.; vgl. z.B. Nazarek in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 3. Aufl., § 240 SGB VI (Stand: 01.04.2021), Rn. 36-37 m.w.N.).
Die Klägerin ist vor dem maßgebenden Stichtag geboren. Ausgehend von einer Tätigkeit als Postzustellerin im Verbund, bei welcher der Senat unter Bezugnahme auf die Arbeitgeberauskunft von einer körperlich schweren Tätigkeit ausgeht, konnte die Klägerin dieser Arbeit im streitigen Zeitraum aufgrund der von den Sachverständigen geschilderten qualitativen Leistungseinschränkungen, insbesondere im Hinblick auf das Gewicht der zu tragenden und bewegenden Lasten sowie der jedenfalls zum Teil auch eingetretenen Einschränkung der Gehfähigkeit und der Kraftminderung der Hände nicht mehr nachgehen.
Zutreffend und sozial zumutbar hat die Beklagte die Klägerin auf die Tätigkeit als Bürohelferin in einer Poststelle und Poststellenmitarbeiterin nach BAT III/E3 TVöD verwiesen.
Die Klägerin hat zuletzt auf Dauer eine Tätigkeit als Postzustellerin im Verbund ausgeübt, wobei sie keine Ausbildung zur Fachkraft für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen absolviert hat. Nach der im Berufungsverfahren eingeholten Arbeitgeberauskunft ist für die von der Klägerin verrichtete Tätigkeit lediglich eine dreiwöchige Einarbeitungszeit erforderlich gewesen, wobei unerheblich ist, ob die Einarbeitung gegebenenfalls im konkreten Fall der Klägerin länger gedauert haben mag. Denn selbst unter Berücksichtigung einer längeren Anlernphase, ihrer langen Tätigkeit und der tatsächlich ausgeübten vollwertigen Verrichtung unter Aneignung sämtlicher theoretischer und praktischer Kenntnisse einer Fachkraft für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen, ist die Klägerin lediglich als Angelernte im oberen Bereich in das Mehrstufenschema einzuordnen, weil es sich bei dieser Tätigkeit nur um eine zweijährige Ausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz i.V.m. § 2 der Verordnung über die Berufsausbildung handelt.
Dies hat zur Folge, dass die Klägerin zumutbar auf eine Tätigkeit als Büro- oder Poststellenhilfskraft verwiesen werden kann. Diese Tätigkeiten stellen schon nach der tarifvertraglichen Einstufung (vgl. zum Wert einer tarifvertraglichen Einstufung: BSG, Urteil vom 28.11.1985 – 4a RJ 51/84 –, Rn. 12) keine Tätigkeiten von nur ganz geringem Wert dar (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 13.12.2011 – L 6 R 539/07 –, Rn. 22 zu Tätigkeiten als Poststellen- und Bürohilfskraft nach dem bis 2005 geltenden BAT). Nach der Entgeltordnung zum TV-L (beispielsweise, die Einordnung ist nach dem TVÖD für Bund und Kommunen entsprechend) werden u.a. Beschäftigte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst in die Entgeltgruppen 2 – 4 eingestuft, dabei bezeichnet die Entgeltgruppe 2 Beschäftigte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst mit einfachen Tätigkeiten, während die Entgeltgruppe 1 Beschäftigte mit einfachsten Tätigkeiten bezeichnet:
Entgeltgruppe 4
1. Beschäftigte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst
mit schwierigen Tätigkeiten.
(Hierzu Protokollerklärungen Nrn. 3 und 8)
2. Beschäftigte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst,
deren Tätigkeit sich dadurch aus der Entgeltgruppe 3 heraushebt, dass sie mindestens zu einem Viertel gründliche Fachkenntnisse erfordert.
(Hierzu Protokollerklärungen Nrn. 3 und 7)
Entgeltgruppe 3
Beschäftigte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst
mit Tätigkeiten, für die eine eingehende Einarbeitung bzw. eine fachliche Anlernung erforderlich ist, die über eine Einarbeitung im Sinne der Entgeltgruppe 2
hinausgeht.
(Hierzu Protokollerklärung Nr. 3)
Entgeltgruppe 2
Beschäftigte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst
mit einfachen Tätigkeiten.
(Hierzu Protokollerklärungen Nrn. 3 und 9)
Entgeltgruppe 1
Beschäftigte mit einfachsten Tätigkeiten.
(Hierzu Protokollerklärung Nr. 10)
Protokollerklärungen:
Nr. 9 Einfache Tätigkeiten sind Tätigkeiten, die weder eine Vor- noch eine Ausbildung, aber eine Einarbeitung erfordern, die über eine sehr kurze Einweisung oder Anlernphase hinausgeht. Die Einarbeitung dient dem Erwerb derjenigen Kenntnisse und Fertigkeiten, die für die Beherrschung der Arbeitsabläufe als solche erforderlich sind.
Nr. 10 Einfachste Tätigkeiten üben z. B. aus - Essens- und Getränkeausgeber, - Garderobenpersonal, - Beschäftigte, die spülen, Gemüse putzen oder sonstige Tätigkeiten im Haus und Küchenbereich ausüben, - Reiniger in Außenbereichen wie Höfen, Wegen, Grünanlagen, Parks, - Wärter von Bedürfnisanstalten, - Servierer, - Hausarbeiter und - Hausgehilfen. Ergänzungen können durch landesbezirklichen Tarifvertrag geregelt werden.
Hieraus ergibt sich eine Einstufung (mindestens) in die Entgeltgruppe 2, die nicht nur einen ganz geringen qualitativen Wert hat, da die einfachsten Tätigkeiten noch darunter in die Entgeltgruppe 1 eingestuft werden. Diese Einstufung entspricht im Übrigen auch dem Entgeltgruppenverzeichnis der Deutschen Post AG, wo die Klägerin zutreffend in Entgeltgruppe 3 geführt wurde und wiederum das Berufsfeld des Bürohelfers der Gruppe 2 zugeordnet ist. Zudem wird der Abschluss einer Ausbildung in Entgeltgruppe 3 „in der Regel“ auch gar nicht zwingend verlangt.
Die Klägerin ist aus den oben bei der Feststellung des Leistungsvermögens aufgeführten Gründen auf Tätigkeiten im Bereich der besonders leichten angelernten Pack-, Montier-, Produktions-, Prüf-, Etikettier-, Muster- und Kommissionierungsarbeiten, die in den verschiedensten Wirtschaftszweigen anfallen, verweisbar. Hierunter fällt auch die von der Beklagten benannte Verweisungstätigkeit als Bürohelferin in einer Poststelle und Poststellenmitarbeiterin nach BAT III/E3 TVöD (vgl. hierzu Thüringer LSG, Urteil vom 28.01.2013 – L 6 R 658/08 –, Rn. 30 und LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13.07.2011 – L 3 R 330/07 –, Rn. 60). Berufstätigkeiten mit den genannten Bezeichnungen kommen im heutigen Berufsleben weiterhin auch in Teilzeit tatsächlich vor.
Diese Tätigkeiten sind der Klägerin als leichte, vorwiegend im Sitzen und mit der Möglichkeit des Wechsels der Körperhaltung und in geschlossenen Räumen zu verrichtende Tätigkeiten gesundheitlich vollschichtig zumutbar, da sie weder häufiges und anhaltendes Bücken noch häufige oder anhaltende Überkopfarbeiten beinhalten. Auch wird keine besondere Gehfähigkeit oder über eine nur geringe Kraftaufwendung der Hände hinausgehender Einsatz abverlangt. Die ohnehin nur gering eingeschränkte Feinmotorik der Hände steht dieser Tätigkeit ebenfalls nicht entgegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, § 160 Abs. 2 SGG.