L 4 AS 834/17

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 16 AS 3753/16
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 4 AS 834/17
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Erwerbstätig i.S.d. § 11b Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SGB II a.F. ist, wer in einem bestimmten zeitlichen Umfang eine wirtschaftlich verwertbare Arbeitsleistung erbringt.

 

2. Allein die steuerrechtliche Einordnung der Einnahmen aus einer Photovoltaikanlage macht denjenigen, dem diese Einnahmen zufließen, nicht zu einem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, der i.S.d. § 11b Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SGB II erwerbstätig ist.

      1. Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 4. Juli 2017 wird zurückgewiesen.
      2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
      3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten um (damals vorläufige) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.08.2011 bis 31.12.2011.

 

Der 1949 geborene Kläger zu 1 und die 1953 geborenen Klägerin zu 2 sind Miteigentümer eines Eigenheims (Baujahr zwischen 1949 und 1970) auf einem 800 m² großen Grundstück, das sie selbst bewohnen. Das Grundstück ist mit einem dinglich gesicherten Wohnungsrecht zugunsten der Mutter der Klägerin zu 2, Y.... (*1924) belastet, die in der streitigen Zeit ebenfalls dort wohnte. Nach einem Auszug aus dem Wertgutachten beträgt die ermittelte Wohnfläche für vier Zimmer, Küche, Dielen und Bad/WC auf zwei Etagen 96,75 qm. Die Entwässerung erfolgt über eine Kleinkläranlage. An den Abwasserzweckverband X.... wurden am 29.11.2011 60,00 EUR überwiesen. Für Trinkwasser hatten die Kläger am 15.08.2011 und 15.12.2011 jeweils 38,00 EUR zu zahlen. Am 16.08.2011 und am 17.11.2011 war Grundsteuer B in Höhe von 27,70 EUR bzw. 27,71 EUR fällig und wurde eingezogen. Das Haus wird mit Wärmespeicheröfen elektrisch beheizt. Laut Abrechnung der W.... vom 11.08.2011 war für die Zeit vom 15.07.2010 bis 12.07.2011 eine Nachzahlung für Heizstrom (WSA-Zähler) in Höhe von 933,51 EUR am 28.08.2011 fällig, die abgebucht wurde. In den Folgemonaten wurden Abschläge für den WSA-Strom in Höhe von monatlich 161,00 EUR vom Konto des Klägers zu 1 eingezogen.

 

Die Kläger standen seit ihrem Zuzug von V.... am 09.07.2010 im laufenden Bezug vom Leistungen beim Beklagten. Aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage erzielte der Kläger zu 1 monatliche Erträge in Höhe von 519,00 EUR im August und September 2011 bzw. 235,00 EUR in der Zeit von Oktober bis Dezember 2011, von denen Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen waren. Laut Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes U.... vom 08.01.2013 hatte der Kläger zu 1 im Jahr 2011 Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer im Jahr 2011 in Höhe von 1.291,00 EUR, wobei (wie im Vorjahr) eine Abschreibung für die Photovoltaikanlage in Höhe von 3.757,00 EUR berücksichtigt wurde. Die Klägerin zu 2 bezog kalendertäglich Arbeitslosengeld I in Höhe von 11,65 EUR, somit monatlich 349,50 EUR (Bescheid der Bundesagentur für Arbeit [BA] vom 15.08.2011). Im August 2011 erhielt sie zusätzlich eine Zahlung der IKK Classic in Höhe von 174,15 EUR und eine Zahlung der BA in Höhe von 186,40 EUR. Für ihren Pkw war jeweils zum 01.01. eines Jahres der Jahresbeitrag für die Kfz-Haftpflichtversicherung fällig; Ratenzahlung hatte die Klägerin zu 2 mit dem Versicherer nicht vereinbart.

 

Auf den Weiterbewilligungsantrag der Kläger vom 10.05.2011 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 07.07.2011 für die Zeit vom 01.07.2011 bis 31.12.2011 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Höhe eines Gesamtbetrages von 535,80 EUR monatlich. Dem Kläger zu 1 wurden vorläufige Leistungen in Höhe von 112,02 EUR monatlich sowie ein monatlicher Zuschuss zu seiner privaten Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 311,77 EUR bewilligt, der Klägerin zu 2 vorläufige Leistungen zum Lebensunterhalt in Höhe von 112,01 EUR monatlich. Der Bescheid erging hinsichtlich der Höhe der bewilligten Leistungen und des Bewilligungszeitraumes vorläufig unter dem Vorbehalt der Überprüfung der tatsächlichen Einkünfte, da die Höhe des anrechenbaren Einkommens aktuell nicht habe abschließend geprüft und festgestellt werden können.

 

Mit weiterhin vorläufigem Änderungsbescheid vom 02.08.2011 hob der Beklagte den Bescheid vom 07.07.2011 für den Zeitraum vom 01.09.2011 bis 31.12.2011 gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) teilweise auf und reduzierte den dem Kläger zu 1 bewilligten monatlichen Zuschuss zu Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen auf 308,77 EUR (entsprechend den im Versicherungsschein der T.... vom 28.07.2011 aufgeführten Beiträgen). Es wurde Einkommen aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 256,31 EUR (420,39 EUR abzüglich eines Freibetrages vom Gewinneinkommen in Höhe von 164,08 EUR) berücksichtigt. Hiergegen richtete sich der Widerspruch der Kläger vom 25.08.2011 (W 2680/11), weil dem Kläger zu 1 Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in vollem Umfang auch ab September 2011 zustünden. Auch seien die Einnahmen von der W.... auf monatlich 152,13 EUR reduziert worden.

 

Mit weiterem vorläufigem Änderungsbescheid vom 29.08.2011 bewilligte der Beklagte Leistungen für den Kläger zu 1 in Höhe von 124,52 EUR monatlich und für die Klägerin zu 2 in Höhe von 124,51 EUR monatlich für die Zeit vom 01.08.2011 bis 31.12.2011 (also für August 2011 insgesamt 249,03 EUR). Nachdem der Kläger eine Rechnung der W.... vorgelegt hatte, aus der sich monatliche Einnahmen aus der Photovoltaikanlage von netto 197,48 EUR ergaben, erging am 07.10.2011 ein weiterer vorläufiger Änderungsbescheid, mit dem die Leistungen für die Zeit vom 01.09.2011 bis 31.12.2011 für die Kläger auf jeweils 213,68 EUR monatlich erhöht wurden (also insgesamt monatlich 427,36 EUR pro Monat). Hierbei legte der Beklagte Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit des Klägers zu 1 in Höhe von 77,98 EUR (197,48 EUR abzgl. 119,50 EUR Freibetrag) sowie Einkommen der Klägerin zu 2 in Höhe von 295,49 EUR (349,50 EUR abzgl. 30,00 EUR Versicherungspauschale und 24,01 EUR Kfz-Haftpflichtversicherung) zugrunde.

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.08.2012 (W .....) wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Von den Kosten der Unterkunft und Heizung seien 2/3 der verbrauchsabhängigen Kosten übernahmefähig, die grundstücks- bzw. eigentumsbezogenen Kosten wie Grundsteuer, Gebäudeversicherung u.Ä. jedoch ganz. Aufgrund der vorliegenden Nachweise könnten Kosten der Unterkunft von monatlich 22,60 EUR (1/12) anerkannt werden. Der Abschlag für Heizkosten in Höhe von 161,00 EUR könne zu 2/3 anerkannt werden. Ab August 2011 bestehe ein monatlicher Bedarf von 785,93 EUR. Die Kläger verfügten über Einnahmen aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage in Höhe von monatlich 519,00 EUR, von denen keine Betriebsausgaben abzuziehen seien, weil solche nicht geltend gemacht würden. Mangels Nachweisen könne die Mehrwertsteuer nicht in Abzug gebracht werden. Dem Vortrag, dass dies für die Altersvorsorge des Klägers zu 1 vorgesehen und daher nicht anzurechnen sei, könne nicht gefolgt werden. So würden die Gutschriften auf ein Konto der Klägerin zu 2 gebucht, auf dem laufende Zahlungsein- und -ausgänge zu verzeichnen seien. Erst zum 01.12.2010 sei ein Konto eröffnet worden, auf das regelmäßig ein Betrag von 450,00 EUR überwiesen werde. Ebenso wenig könne eine Verrechnung der Gutschrift der W.... mit den Abschlägen für Strom in Höhe von 123,00 EUR monatlich und Heizung (WSA-Strom) von monatlich 161,00 EUR erfolgen. Das hälftig auf die Kläger zu verteilende Einkommen sei um die Absetzbeträge zu bereinigen. In der Zeit von 01.09.2011 bis 31.12.2011 übersteige der Gesamtbedarf das zu berücksichtigende bereinigte Nettoeinkommen nicht. Es könnten Leistungen in Höhe von monatlich 1,44 EUR gewährt werden. Im August 2011 sei die Bedarfsgemeinschaft nicht hilfebedürftig, sodass zu prüfen sei, ob durch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung Hilfebedürftigkeit eintrete. Der Kläger zu 2 habe grundsätzlich Anspruch auf einen Zuschuss nach § 26 Abs. 2 SGB II, der zum nachgewiesenen Beitrag in Höhe von monatlich 275,57 EUR zur Krankenversicherung gewährt werde sowie der volle Beitrag zur privaten Pflegeversicherung. Als Zuschuss könne für August 2011 ein Betrag von 205,88 EUR (maximal 311,77 EUR abzgl. übersteigendes Einkommen von 105,89 EUR) gewährt werden, in der Zeit von 01.09.2011 bis 31.12.2011 maximal 313,21 EUR monatlich. Somit hätten die Kläger bereits zu hohe Leistungen bewilligt bekommen. Für eine Verböserung sei keine Zuständigkeit der Widerspruchsstelle gegeben.

 

Die Kläger haben am 04.09.2012 beim Sozialgericht Dresden Klage erhoben, mit der sie sich gegen diverse Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide sowie vorläufige Bewilligungsbescheide des Beklagten für die Zeit ab 01.07.2010 bis 31.12.2011 gewandt haben (S 16 AS 6108/12), u.a. die o.g. vorläufigen Änderungsbescheide zur Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01.08.2011 bis 31.12.2011.

 

Mit Schreiben vom 11.11.2013 hat der Kläger zu 1 dem Beklagten mitgeteilt, dass warmes Wasser über Durchlauferhitzer bezogen werde, somit hätten sie rückwirkend Anspruch auf einen diesbezüglichen Mehrbedarfszuschlag. Die Photovoltaikanlage gehöre ihnen beiden, sodass diese Einnahmen nur zu 50 % bei ihm und zu 50 % bei der Klägerin zu 2 anzurechnen seien; auch dies sei rückwirkend zu korrigieren. Bei einem Vor-Ort-Besuch im Haus der Kläger am 03.12.2013 ist festgestellt worden, dass das Warmwasser für die Spüle mit einem Boiler und im Obergeschoss das Warmwasser zum Duschen über einen Durchlauferhitzer erwärmt wird. Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 09.12.2013 den Überprüfungsantrag u.a. hinsichtlich des hier streitigen Zeitraums ab, weil der Überprüfungsantrag nur auf die Zeit ab 01.01.2012 zurückwirke.

 

Mit Beschluss vom 31.08.2016 hat das Sozialgericht von dem Verfahren S 16 AS 6108/12 das Verfahren zum Klageantrag zu 4 aus der Klageschrift vom 03.09.2012 betreffend den Bescheid des Beklagten vom 29.08.2011 (richtig wohl: 02.08.2011) in der Fassung der Änderungsbescheide vom 29.08.2011 und 07.10.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.08.2012 abgetrennt und unter dem Aktenzeichen S 16 AS 3753/16 fortgeführt.

 

Hierzu haben die Kläger vorgetragen, der Klageantrag sei nicht zu beziffern. Es gehe einzig und allein darum, dass die Änderungsbescheide aus der Welt kämen. Tatsächlich sei die Frage der Einnahmen aus der Photovoltaikanlage der Dreh- und Angelpunkt der gesamten Entscheidung. Nach Ansicht der Kläger seien diese "Einnahmen" nicht als Einnahmen zu klassifizieren, da es sich um ein sogenanntes Return-on-Investment handele. Das Schonvermögen sei auf das Dach gepackt worden, als Photovoltaikanlage. Nunmehr fließe dieses Schonvermögen langsam wieder in Geld zurück. Insoweit müsste zumindest die Abschreibung auf die Photovoltaikanlage berücksichtigt werden, da ansonsten Schonvermögen angegriffen werden würde. Der Bruttoanschaffungspreis habe 85.085,00 EUR betragen. Hierzu wurde das Verzeichnis der abnutzbaren Wirtschaftsgüter zur entsprechenden Steuernummer …. vorgelegt, der einen Restwert zum 31.12.2011 von 64.319,00 EUR ausweist. Der Kläger zu 1 sei als Selbständiger nicht rentenversicherungspflichtig gewesen und daher frei, seine Altersvorsorge zu organisieren. 2011 seien 775,39 EUR Umsatzsteuer gezahlt worden

 

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Für den streitigen Zeitraum vom 01.08.2011 bis 31.12.2011 sei bislang keine endgültige Festsetzung vorgenommen worden. Im Falle einer endgültigen Festsetzung würde sich sogar eine nicht unerhebliche Rückforderung gegenüber den Klägern ergeben. Soweit die Kläger höhere Leistungen beantragten (Verpflichtungsbegehren), lasse dieser Antrag nicht erkennen, in welcher Höhe der Beklagte zu Leistungen verurteilt werden solle. Es müsse eine Konkretisierung des Klagebegehrens erfolgen, weil eine Verurteilung zu Leistungen in gesetzlicher Höhe nicht vollstreckungsfähig sei und der Beklagte ohnehin davon ausgehe, in gesetzlicher Höhe geleistet bzw. die Kläger sogar ggf. bereits rechtswidrig begünstigt zu haben. Die steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten seien unbeachtlich für die Berechnung der Leistungen nach dem SGB II.

 

Das Sozialgericht hat Kontoauszüge für das gemeinsame Konto der Kläger bei der Volksbank U.... und das Konto des Klägers zu 1 bei der Kreissparkasse U.... beigezogen sowie Auskünfte der Finanzämter V.... und U.... eingeholt.

 

Nach vorheriger Anhörung hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 04.07.2017 abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, weil es bereits am Rechts­schutzbedürfnis fehle. Nach § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II in der hier anzuwendenden Fassung vom 13.05.2011 i.V.m. § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) könne über die Erbringung von Geldleistungen vorläufig entschieden werden. Um eine solche vorläufige Entscheidung handele es sich bei dem Bescheid vom 07.07.2011. Das Klagebegehren der Kläger sei allein darauf gerichtet, dass der vorläufige Bescheid vom 07.07.2011 in der ursprünglichen Fassung wieder auflebe. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage mit dem Ziel, höhere vorläufige Leistungen zu erhalten, fehle indes, wenn der betreffende Leistungszeitraum abgelaufen sei, weil dann der Antrag auf endgültige Festsetzung der Leistungen einen einfacheren Weg darstelle, rückwirkend höhere Leistungen zu erhalten. Dies gelte, wenn – wie hier – der Grund für die Vorläufigkeit durch den Ablauf des Leistungszeitraums entfallen sei. In diesem Zusammenhang bleibe festzustellen, dass mit dem angegriffenen Bescheid vom 02.08.2011 in der Fassung des Bescheides vom 29.08.2011 in der Fassung des Bescheides vom 07.10.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.08.2012 zwar für den Kläger zu 1 für den Zeitraum vom 01.09.2011 bis 31.12.2011 ein niedrigerer Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung bewilligt worden sei als mit dem ursprünglichen vorläufigen Bescheid vom 07.07.2011. Jedoch habe der Beklagte den Klägern bereits vorläufig höhere Leistungen zum Lebensunterhalt bewilligt. Für die von den Klägern begehrte Aufhebung unter Beibehaltung der Vorläufigkeit der Leistungsentscheidung sei somit auch insoweit kein Rechtsschutzbedürfnis ersichtlich, als dies für den streitigen Zeitraum im Ergebnis für die Kläger zu einem insgesamt niedrigeren Leistungsanspruch führen würde. Es handele sich bei den Bescheiden vom 02.08.2011, 29.08.2011 und 07.10.2011 jeweils um Änderungsbescheide nach § 48 SGB X, die auch nicht in einen Bescheid über die endgültige Festsetzung von Leistungen umgedeutet werden könnten. Damit hätten die Kläger vorrangig den Anspruch auf eine "abschließende Entscheidung" (Verweis auf Urteil des BSG vom 29.04.2015 – B 14 AS 31/14 R) und müssten zunächst einen Antrag auf endgültige Leistungsbewilligung nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 328 Abs. 2 SGB III beim Beklagten stellen. Die Klage sei auch insoweit als unzulässig abzuweisen, als sie eine nicht näher konkretisierte Verpflichtungsklage beinhalte (Verweis auf Urteil des BSG vom 10.08.2016 – B 14 AS 58/15 R). Da die Kläger im Ergebnis einen nach der Änderung um insgesamt 813,82 EUR niedrigeren Leistungsanspruch, als vom Beklagten vorläufig bewilligt, geltend machten, übersteige der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag von 750,00 EUR (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung sei somit zulässig.

 

Gegen den am 10.07.2017 zugestellten Gerichtsbescheid haben die Kläger am 01.08.2017 Berufung eingelegt, zunächst mit dem Antrag den Gerichtsbescheid aufzuheben und die Sache an das Sozialgericht Dresden zurückzuverweisen. Die zitierten Urteile seien falsch ausgelegt und in der Sache gehe es um die Frage, ob die Einnahmen aus der Photovoltaikanlage zu Recht als Erwerbseinkommen anzurechnen seien oder nicht. Diese Frage habe das Sozialgericht nicht beantwortet, da es allein darauf abstelle, dass ein Rechtsschutzbedürfnis wegen der Frage der Vorläufigkeit nicht gegeben wäre. Zuletzt haben die Kläger wiederum geltend gemacht, dass die Einnahmen aus der Photovoltaikanlage nicht als Einnahmen auf den Bedarf der Kläger anzurechnen seien. Jedenfalls seien sie als Einnahmen aus einer Erwerbstätigkeit zu bewerten, sodass auch der Erwerbstätigenfreibetrag abzusetzen sei. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) zu Zinseinnahmen sei nicht übertragbar, weil bei den Einnahmen aus der Photovoltaikanlage Mehrwertsteuer anzusetzen sei. Auch sei der Begriff der Erwerbstätigkeit weit zu fassen. Zudem müsse zur Erzielung einer Gleichbehandlung i.S.d. Art. 3 Grundgesetz (GG) dieser weite Begriff herangezogen werden, da es sonst zu einer verfassungswidrigen Diskrepanz zwischen Steuerrecht und Sozialrecht führe.

 

Der Prozessbevollmächtigte der Kläger beantragt,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 04.07.2017 aufzuheben und die Änderungsbescheide des Beklagten vom 02.08.2011, vom 29.08.2011 und den Beklagten unter Abänderung seiner Änderungsbescheide vom 02.08.2011, vom 29.08.2011 und vom 07.10.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.08.2012 (W ….) in der Fassung des Überprüfungsbescheides vom 09.12.2013 zu verpflichten, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.08.2011 bis 31.12.2011 ohne Anrechnung von Einnahmen aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage zu gewähren

 

und

 

die Revision zuzulassen.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

 

Er trägt vor, die Klage sei zu Recht als unzulässig abgewiesen worden. Eine reine Anfechtungsklage gegen eine vorläufige Leistungsbewilligung sei nur statthaft, wenn sie damit begründet werde, dass die Verwaltung rechtswidrig gehandelt habe, weil sei zu Unrecht vorläufig statt endgültig bewilligt habe. Auf Anfrage des Gerichts hat der Beklagte mitgeteilt, dass die vor die Zeit vom 01.07.2011 bis 31.12.2011 vorläufig bewilligten Leistungen als abschließend festgestellt gälten (vgl. § 41a Abs. 5 Satz 1 SGB II); eine gesonderte endgültige Festsetzung mittels Bescheid sei nicht erfolgt.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

 

Entscheidungsgründe

 

Die zulässige Berufung der Kläger ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

 

1. Streitgegenstand sind neben der erstinstanzlichen Entscheidung die von den Klägern (ausdrücklich nur) angegriffenen Änderungsbescheide vom 02.08.2011, vom 29.08.2011 und vom 07.10.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.08.2012 (W ….) in der Fassung des Überprüfungsbescheides vom 09.12.2013. Zwar waren die Bescheide ursprünglich vorläufig erlassen worden, sie gelten allerdings seit 01.08.2017 kraft Gesetzes als abschließende Festsetzungen. Die Vorläufigkeit hat sich durch Zeitablauf erledigt (vgl. BSG, Urteil vom 21.07.2021 – B 14 AS 31/20 R – juris Rn. 14 m.w.N. und Urteil vom 18.05.2022 – B 7/14 AS 1/21 R – Rn. 10).

 

Gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 SGB II (in der seit 01.08.2016 geltenden Fassung des Neunten Gesetzes zur Änderung des SGB II – Rechtsvereinfachung – vom 26.07.2016, BGBl. I S. 1824) gilt für die abschließende Entscheidung über zunächst vorläufig beschiedene Leistungsansprüche für Bewilligungszeiträume, die – wie hier – vor dem 01.08.2016 beendet waren, § 41a Abs. 5 Satz 1 SGB II mit der Maßgabe, dass die Jahresfrist mit dem 01.08.2016 beginnt. § 41a Abs. 5 Satz 1 SGB II bestimmt, dass die vorläufig bewilligten Leistungen als abschließend festgesetzt gelten, wenn innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Bewilligungszeitraums keine abschließende Entscheidung ergeht. Die Vorschrift ist zur Erhaltung eines Anwendungsbereichs der Übergangsregelung des § 80 Ab. 2 Nr. 1 SGB II dahingehend auszulegen, dass nicht nur fehlende abschließende Entscheidungen nach § 41a Abs. 3 SGB II erfasst werden, sondern auch unterbliebene endgültige Festsetzungen gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in seiner früheren Fassung i.V.m. § 328 SGB III, wobei die Klageerhebung gegen die vorläufigen Leistungsbewilligungen den Eintritt der Fiktionswirkung nicht verhindert (BSG, Urteil vom 18.05.2022 – B 7/14 AS 1/21 R – juris Rn. 14, 15 m.w.N.).

 

Da der Beklagte bis zum Ablauf des 31.07.2017 in Bezug auf den hier streitigen Leistungszeitraum vom 01.08.2011 bis 31.12.2011 keine abschließende Entscheidung getroffen hat, gelten die für diesen Leistungszeitraum vorläufig gewährten Leistungen nunmehr seit 01.08.2017 als abschließend festgesetzt. Die hier angegriffenen Bescheide bleiben Gegenstand des gegen die vorläufige Bewilligung gerichteten gerichtlichen Verfahrens, weil die durch bloßen Zeitablauf eintretende Änderung des Inhalts der angefochtenen Verwaltungsentscheidung kraft gesetzlicher Anordnung gemäß § 41a Abs. 5 Satz 1 SGB II bewirkt wird (BSG, Urteil vom 18.05.2022 – B 7/14 AS 1/21 R – juris Rn. 25). Dies bedeutet zugleich, dass die Entscheidung des Sozialgerichts vom 04.07.2017 wegen der kraft Gesetzes eingetretenen Endgültigkeit der damals vorläufigen Leistungsbewilligung seit 01.08.2017 hinfällig geworden ist. Denn ein Antrag der Kläger nach § 328 Abs. 2 SGB III auf abschließende Festsetzung durch den Beklagten kommt infolge des Eintritts der Fiktionswirkung seit 01.07.2017 nicht mehr in Betracht.

 

2. Gegen die als abschließende Festsetzung geltende Bewilligung des Arbeitslosengeld II in den Änderungsbescheiden vom 02.08.2011, vom 29.08.2011 und vom 07.10.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.08.2012 in der Fassung des Überprüfungsbescheides vom 09.12.2013 wenden sich die Kläger nunmehr zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG). Ihr Klagebegehren zielt auf die Zahlung höherer als vorläufig bewilligter und jetzt als abschließend festgesetzt geltender Leistungen. Dies war von Anfang an Ziel ihres Rechtsschutzbegehrens, mit dem sie sich gegen die Berücksichtigung der Einnahmen aus der Photovoltaikanlage als anrechenbares Einkommen auf ihren Grundsichtungsbedarf gewandt haben. Zutreffend hat daher der Prozessbevollmächtigte der Kläger im Berufungsverfahren auf die Erledigung der Vorläufigkeit der angegriffenen Bescheide infolge des Eintritts der Fiktion reagiert und nunmehr auch ein Leistungsbegehren formuliert.

 

Dennoch hat die Berufung der Kläger keinen Erfolg.

 

Zwar sind die von den Klägern angegriffenen Änderungsbescheide vom 02.08.2011, vom 29.08.2011 und vom 07.10.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.08.2012 in der Fassung des Überprüfungsbescheides vom 09.12.2013 teilweise rechtswidrig, aber die Kläger werden dadurch nicht in ihren Rechten verletzt (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG). Denn sie können vom Beklagten keine höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im streitigen Zeitraum beanspruchen, als ihnen mit diesen Bescheiden bereits zugesprochen worden waren. So hatten sie höhere Einnahmen als vom Beklagten in den angegriffenen Änderungsbescheiden berücksichtigt. Außerdem hat der Beklagte beim Kläger zu 1 einen Erwerbstätigenfreibetrag berücksichtigt, obwohl dieser bei den ihm zugeflossenen Einspeisungsvergütungen für den durch die Photovoltaikanlage erzeugten Strom nicht abzusetzen ist.

 

Materiell-rechtlich beurteilt sich der mit der Klage verfolgte Anspruch der Kläger auf höhere Leistungen für die Zeit von August bis Dezember 2011 nach §§ 19 ff i.V.m. §§ 7 ff SGB II in der seit 01.04.2011 geltenden Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Sozialgesetzbuches vom 24.03.2011 (BGBl. I. S. 453; neugefasst durch Bekanntmachung vom 13.05.2011, BGBl. I S. 850; zum Geltungszeitraumprinzip st. Rspr. nur BSG vom 19.10.2016 – B 14 AS 53/15 R – juris Rn 14).

 

Die Kläger erfüllten die Grundvoraussetzungen hinsichtlich des Alters, der Erwerbsfähigkeit und des gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland, um Arbeitslosengeld II zu erhalten (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Ausschlusstatbestände lagen nicht vor und die Kläger konnten in der hier streitigen Zeit ihren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht vollständig aus eigenem Einkommen decken.

 

3. Zutreffend ist der Beklagte davon ausgegangen, dass die beiden Kläger jeweils einen Regelbedarf in Höhe von damals 328,00 EUR monatlich beanspruchen konnten. Von den Kosten der Unterkunft und Heizung entfallen zwei Drittel der tatsächlichen Kosten auf die Bedarfsgemeinschaft der Kläger, die ihr Haus zusammen mit der Mutter der Klägerin zu 2 bewohnten.

 

Die Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden im Rahmen der Bewilligung von Arbeitslosengeld II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Bei Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen werden die Aufwendungen grundsätzlich nach Kopfteilen auf die nutzenden Personen aufgeteilt (sogenanntes Kopfteilprinzip). Das Kopfteilprinzip zielt auf die generalisierende und typisierende Zuweisung individueller Bedarfe für alle wohnungsnutzenden Personen, unabhängig von ihren schuldrechtlichen Verpflichtungen gegenüber Dritten und davon, ob alle Personen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind sowie unabhängig von Alter und Nutzungsintensität (st. Rspr. vgl. nur BSG, Urteil vom 21.07.2021 – B 14 AS 31/20 R – juris Rn. 24 m.w.N.). Zeitlich sind nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich alle unterkunfts- und heizungsbezogenen Zahlungsverpflichtungen, denen die Leistungsberechtigten im jeweiligen Monat des Bewilligungszeitraums ausgesetzt sind, die sie also ungeachtet der tatsächlichen Zahlung in diesem Monat als fällige Forderung zu erfüllen haben (st. Rspr.; vgl. BSG, Urteil vom 08.05.2019 – B 14 AS 20/18 R – juris Rn. 11). Dies gilt auch für einmalige unterkunftsbezogene Aufwendungen, die als tatsächlicher Bedarf im Monat ihrer Fälligkeit anzuerkennen und nicht auf längere Zeiträume zu verteilen sind (st. Rspr.; vgl. z.B. BSG, Urteil vom 13.07.2017 – B 4 AS 12/16 R – juris Rn. 17 m.w.N.). Ebenso verhält es sich bei Aufwendungen für Eigenheime, bei denen die Betriebskosten regelmäßig nicht monatlich, sondern ggf. jährlich, halbjährlich oder vierteljährlich anfallen (vgl. BSG, Urteil vom 08.05.2019 – B 14 AS 20/18 R – juris Rn. 12 m.w.N..).

 

Daran gemessen war die Berücksichtigung von jeweils einem Zwölftel der jährlich anfallenden Hauslasten als Unterkunftsbedarf der Kläger durch den Beklagten rechtswidrig. Zu berücksichtigen sind vielmehr die tatsächlich in den jeweiligen Monaten des hier streitigen Leistungszeitraums fälligen Beträge zu zwei Dritteln. Dies betrifft die Grundsteuer, die in Höhe von jeweils 18,47 EUR im August 2011 und im November 2011 zu berücksichtigen ist, der Abschlag für Trinkwasser in Höhe von jeweils 25,33 EUR im August 2011 und im Dezember 2011 und die Gebühr für Abwasser bzw. Fäkalienabfuhr in Höhe von 40,00 EUR im November 2011. Wartungskosten für die Kleinkläranlage sind in den hier streitigen Monaten nicht angefallen, auch keine Schornsteinfegerkosten. Die Aufwendungen für die Wohngebäudeversicherung in Höhe von 244,82 EUR, die von den Klägern geltend gemacht wurden, sind allerdings nicht zu berücksichtigen. Zwar waren diese ausweislich des Versicherungsscheins (Blatt I/118 der Verwaltungsakte) im August 2011 fällig und sollten nicht überwiesen, sondern abgebucht werden. Der Versicherungsschein der S.....-Versicherung lautet allerdings nicht auf A…. sondern  auf Y..... Auch findet sich in den vollständig vorliegenden Kontoauszügen der Kläger keine Abbuchung zugunsten der S.....-Versicherung, sodass davon auszugehen ist, dass der Versicherungsbeitrag vom Konto der Y.... abgebucht wurde. Dasselbe gilt für die Müllgebühren in Höhe von 62,01 EUR (Blatt II/51 der Verwaltungsakte), die im September 2011 fällig waren; auch hier findet sich keine Zahlungsverpflichtung der Kläger und kein entsprechender Zahlungsnachweis. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Kläger einer anteiligen Erstattungsforderung der Mutter der Klägerin zu 2 ausgesetzt waren.

 

Hinzu kommen zwei Drittel der tatsächlich angefallenen Heizkosten, da der Beklagte die Kläger insoweit nicht zur Kostensenkung aufgefordert hatte. Damit sind im August 2011 für die Bedarfsgemeinschaft der Kläger 622,34 EUR zu berücksichtigen aus der Jahresabrechnung der W.... vom 11.08.2011 für den WSA-Strom, die einen Gesamtbetrag von 933,51 EUR mit Fälligkeit zum 28.08.2011 zur Nachzahlung ausweist. In den folgenden Monaten September bis Dezember 2011 sind zwei Drittel des monatlichen Abschlags von 161,00 EUR, also monatlich 107,33 EUR als Heizkostenbedarf der Kläger zu berücksichtigen.

 

4. Außerdem haben die Kläger Anspruch auf Mehrbedarf für die dezentrale Warmwasserbereitung, der im hier streitigen Zeitraum für jeden der Kläger 7,75 EUR monatlich betrug.

 

Gemäß § 21 Abs. 7 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB II (auch hier in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des SGB II vom 13.05.2011, BGBl I S. 850) wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 SGB II anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils 2,3 % des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Abs. 2 Satz 1 oder Satz 2 Nr. 2, Abs. 3 oder 4 SGB II, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht oder ein Teil des angemessenen Warmwasserbedarfs nach § 22 Abs. 1 SGB II anerkannt wird. Eines gesonderten Antrags bedurfte es hierfür nicht, weil der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung alle Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Abschnitt des SGB II, also auch die Mehrbedarfe, umfasst. Dies gilt auch für Fallgestaltungen – wie hier –, in denen die Voraussetzungen für den Mehrbedarf erst während des laufenden Leistungsbezugs eintreten (vgl. Behrend/König in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 21 (Stand: 21.12.2022), Rn. 16).

 

Diese Voraussetzungen liegen bei den Klägern vor, denn das Warmwasser wurde in der Küche durch einen Boiler und in der Dusche mittels Durchlauferhitzer erwärmt. Nach den Ermittlungen des Beklagten anlässlich des Hausbesuchs am 03.12.2013 wurde kein zentral bereitgestelltes Warmwasser festgestellt; hierfür gibt es auch sonst keine Anhaltspunkte.

 

5. Auf diesen Bedarf der Kläger ist deren Einkommen anzurechnen.

 

Als Einkommen zu berücksichtigen sind nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II (alle) Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge und mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen. Dabei ist Einkommen i.S.d. § 11 Abs. 1 SGB II nach der ständigen Rechtsprechung des BSG und des erkennenden Senats grundsätzlich alles das, was jemand nach der Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was die Person vor der Antragstellung bereits hatte. Auszugehen ist vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt (vgl. nur BSG, Urteil vom 29.08.2019 – B 14 AS 42/18 R – juris Rn. 17 m.w.N.).

 

Bei der Klägerin zu 2 sind im August 2011 das von der BA gezahlte Arbeitslosengeld I und das von der IKK Classic gezahlte Krankengeld (BSG, Urteil vom 16.12.2008 – B 4 AS 70/07 R – juris Rn. 16) als Einkommen zu berücksichtigen, also insgesamt 710,65 EUR, wobei lediglich gemäß § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 2. Alt. SGB II die Versicherungspauschale von 30,00 EUR für Beträge zu privaten Versicherungen, die nach Grund und Höhe angemessen sind (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld [AlgII-V; in der von 01.07.2011 bis 31.12.2011 geltenden Fassung der Fünften Verordnung zur Änderung der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung vom 21.06.2011; BGBl. I S. 1175]), abzusetzen ist (vgl. BSG, Urteil vom 13.07.2022 – B 7/14 AS 75/20 R – juris Rn. 40), ohne dass es eines Nachweises darüber bedarf (BSG, Urteil vom 18.06.2008 – B 14 AS 55/07 R – juris Rn. 34). In den übrigen Monaten September bis Dezember 2011 ist jeweils der von der BA gezahlte Monatsbetrag von 349,50 EUR abzüglich 30,00 EUR Versicherungspauschale zu berücksichtigen. Gesetzlich vorgesehene Versicherungen i.S.d. § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 1. Alt. SGB II waren im streitigen Bewilligungszeitraum nicht zur Zahlung fällig. Insbesondere Beiträge zur Kfz-Haftpflichtversicherung sind weder im August 2011 noch in den nachfolgenden Monaten des streitigen Bewilligungszeitraums abzusetzen. Ausgehend vom Monatsprinzip im SGB II sind Beiträge zu gesetzlich vorgesehen Versicherungen für die Zeit bis zur Änderung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 AlgII-V zum 01.08.2016, also auch im hier streitigen Zeitraum, nur im Monat der Fälligkeit zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 11.11.2021 – B 14 AS 41/20 R – juris Rn. 32). Die Kfz-Haftpflichtversicherung der Klägerin zu 2 war bereits im Januar 2011 für das gesamte Jahr zur Zahlung fällig.

 

Beim Kläger zu 1 sind die von der W.... auf die Vergütung der Stromeinspeisung aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage gezahlten Abschläge, die auf seinem Girokonto (Kreissparkasse U.... Konto-Nr. ….) zugeflossen sind, als Einkommen i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II bei der Berechnung des Leistungsanspruchs zu berücksichtigen. Ein Fall der in § 11a SGB II geregelten Fallgruppen liegt nicht vor und es handelt sich entgegen der Ansicht der Klagepartei auch nicht um Vermögen. Denn wie bei Zinsgutschriften aus einem Sparguthaben hat der Kläger zu 1 Einnahmen in Geld i.S.v. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II, das als Einkommen zu berücksichtigen ist, weil die Vergütung ihm zeitlich nach Stellung seines Antrags auf Grundsicherungsleistungen (§ 37 SGB II) zugeflossen (vgl. BSG, Urteil vom 30.09.2008 – B 4 AS 57/07 R – juris Rn. 18 m.w.N.).

 

Die Photovoltaikanlage selbst, die sich auf dem im Eigentum der Kläger befindlichen Hausgrundstück befindet, stellt zwar Vermögen dar. Die hieraus während des laufenden Bezugs von Grundsicherungsleistungen zufließenden Einnahmen sind dennoch als Einkommen zu berücksichtigen. Soweit der Kläger zu 1 meint, es handele sich lediglich um eine Umwandlung seines Vermögens, das er für seine Altersvorsorge benötige und dementsprechend gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II bestimmen könne, ist dem nicht zu folgen. Denn das (Geld-)Vermögen, das der Kläger zu 1 im Jahr 2007 in die Errichtung der Photovoltaikanlage mit einer Größe von 15.910 KWP bestehend aus 86 Modulen und vier Wechselrichtern investiert hat, bleibt unangetastet. Lediglich die Früchte aus dem nun in Form einer Photovoltaikanlage vorhandenen Vermögen, nämlich die daraus erzielten laufenden Einnahmen sind als sein Einkommen zu berücksichtigen. Der Kläger zu 1 konnte über diese Einnahme ohne weiteres verfügen und sie zur Deckung der Bedarfe des täglichen Lebens einsetzen. Es ist auch nicht erkennbar, dass er in der Verfügungsbefugnis tatsächlich beschränkt gewesen wäre. Insofern ist die Photovoltaikanlage, mit der Erträge erwirtschaftet werden, vergleichbar mit Kapitalvermögen, das Zinserträge bringt. So wie die Früchte des Kapitals rechtlich nicht dem Kapital bzw. Vermögen i.S.v. § 12 SGB II zuzurechnen sind, sind die Erträge aus der Photovoltaikanlage ebenso wenig Teil dieses Vermögengegenstandes (vgl. BSG, Urteil vom 30.09.2008 – B 4 AS 57/07 R – juris Rn. 17).

 

a) Von den Einnahmen aus der Photovoltaikanlage abzusetzen sind die Beträge gemäß § 11b SGB II, soweit sie tatsächlich angefallen sind. Dies könnte neben der Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR allenfalls die auf diese Einnahmen entfallende Umsatzsteuer sein, die als auf das Einkommen entrichtete Steuer i.S.d. § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II zu bewerten ist, wenn sie im hier streitigen Zeitraum gezahlt worden wäre. Tatsächlich hat der Kläger zu 1, der als Inhaber der Anlage auftritt und als Einzelunternehmer insoweit der Steuerpflicht unterliegt, im Jahr 2011 aber keine Umsatzsteuer auf die Erträge entrichtet. Dies ergibt sich aus der Abrechnung für 2011 über Umsatzsteuer des Finanzamtes U.... vom 31.01.2012, wonach zum Stichtag 20.01.2012 Umsatzsteuer in Höhe von 775,39 EUR abgerechnet wurde, von der aber noch nichts getilgt war (Blatt III/253 der Verwaltungsakte). Erst auf diese Aufforderung hat der Kläger am 06.02.2012 die abgerechnete Umsatzsteuer an das Finanzamt überwiesen, also außerhalb des hier streitigen Bewilligungszeitraums. Andere Absetzbeträge i.S.d. § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis Nr. 8 SGB II, insbesondere mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben i.S.d. § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB II haben die Kläger nicht geltend gemacht und solche sind auch sonst nicht ersichtlich.

 

b) Ein Erwerbstätigenfreibetrag gemäß § 11b Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. Abs. 3 SGB II ist nicht abzusetzen, denn es handelt sich bei den Einnahmen aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage nicht um Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit des Klägers zu 1.

 

Gemäß § 11b Abs. 3 Satz 1 SGB II ist bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die erwerbstätig sind, von dem monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit ein weiterer Betrag abzusetzen. Der Wortlaut knüpft den Freibetrag damit an Einkommen, das aus der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gezogen wird (vgl. BSG, Urteil vom 27.09.2011 – B 4 AS 180/10 R – juris Rn. 17 m.w.N.).

 

Nach der Gesetzesbegründung zum früheren § 30 SGB II, der vom 01.01.2005 bis 31.12.2010 die Absetzbeträge für erwerbsfähige Hilfebedürftige regelte (zuletzt in der Fassung des Freibetragsneuregelungsgesetz vom 14.08.2005; BGBl. I S. 2407) legte die Vorschrift fest, in welcher Höhe Erwerbseinkommen angerechnet wird. Das Anrechnungssystem trage dem Grundsatz Rechnung, dass derjenige, der arbeite, mehr Geld zur Verfügung haben solle, als derjenige, der trotz Erwerbsfähigkeit nicht arbeite (vgl. BT-Drucks. 15/1516 S. 59 zu § 30). Noch deutlicher formulierte der Gesetzgeber in der Begründung zu § 11b SGB II, in dem nunmehr alle Absetzbeträge und alle Freibeträge zur Berechnung des zu berücksichtigenden Einkommens geregelt sind: Die Neuregelung der Erwerbstätigenfreibeträge stärke die Anreize zur Aufnahme einer voll sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung und das vorhandene System der Erwerbstätigenfreibeträge werde weiterentwickelt. Durch Ausweitung des Freibetrages werde ein Anreiz geschaffen, die Arbeitszeit auszudehnen und in eine Vollzeitbeschäftigung zu wechseln. Die Schwelle zur Aufnahme einer voll sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit werde verringert (vgl. BT-Drucks.17/3404 S. 95). Diese Zielsetzung geht bei Einnahmen, die ohne eigene Erwerbstätigkeit erwirtschaftet werden, jedoch ins Leere (so schon zu Entgeltersatzleistungen: BSG, Urteil vom 27.09.2011 – B 4 AS 180/10 R – juris Rn. 18).

 

Bereits in der sozialhilferechtlichen Rechtsprechung war anerkannt, dass Erwerbstätiger nur jemand ist, der "eine wirtschaftlich verwertbare Leistung gegen Entgelt erbringt, um damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen" (vgl. Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Urteil vom 21.07.1994 – 5 C 32/91 – juris Rn. 12 m.w.N.). Als Erwerbstätigkeit könne nur eine Tätigkeit angesehen werden, die zu Erträgen zur Bestreitung des Lebensunterhalts führe (BVerwG, Urteil vom 19.11.1992 – 5 C 15/89 – juris Rn. 9) . Demnach sollte es darauf ankommen, dass der Hilfeempfänger tatsächlich einer Erwerbstätigkeit nachgeht und durch eigenes Erwerbseinkommen in der Lage ist, jedenfalls zu einem Teil für seine Lebensgrundlage aus eigenen Kräften zu sorgen. Demensprechend liegt rentenrechtlich auch keine Erwerbsminderung vor bei Personen, die unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein können (vgl. § 43 Abs. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch). Erwerbstätig ist also, wer in einem bestimmten zeitlichen Umfang täglich eine wirtschaftlich verwertbare Leistung erbringt.

 

Eine Erwerbstätigkeit in diesem Sinne hat der Kläger zu 1 nicht ausgeübt. Insbesondere erforderte der Bezug von Einkünften aus der Photovoltaikanlage keinen Einsatz seiner Arbeitskraft (vgl. Landessozialgericht [LSG] Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24.06.2015 – L 2 EG 2/15 – juris Rn. 27). Eine Erwerbstätigkeit hat der Kläger zu 1 mit der Inbetriebnahme der Photovoltaikanlage nicht aufgenommen, selbst wenn deren Betrieb einen gewissen, allerdings geringfügigen Verwaltungsaufwand (Steuererklärung, Abrechnungsprüfung, ggf. Wartungstermine etc) erfordert. Tatsächlich war der Kläger zu 1 jedenfalls bis Juli 2010 in V.... als Gastronom selbständig tätig und bereits damals wurden Einnahmen aus der Photovoltaikanlage erzielt. Es ist auch nicht ersichtlich, was ihn hindern könnte, neben dem Betrieb der Photovoltaikanlage vollschichtig einer nicht selbständigen Beschäftigung oder einer selbständigen Tätigkeit nachzugehen, um Erwerbseinkünfte zu erzielen.

 

Nur die Qualifizierung der Einnahmen aus der Photovoltaikanlage als Einnahme aus Gewerbetrieb als Einzelunternehmer nach § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG – in der von14.12.2010 bis 19.06.2015 geltenden Fassung des Jahressteuergesetzes 2010 vom 08.12.2010; BGBl. I S. 1768) macht den Kläger zu 1 mit Inbetriebnahme der Photovoltaikanlage aus steuerlicher Sicht zum umsatzsteuerlichen Unternehmer. Die Frage, wie die erzielte Einnahme grundsicherungsrechtlich einzuordnen ist, lässt sich allerdings nicht aus dem Einkommensteuerrecht beantworten (so schon zu sozialhilferechtlichen Fragen BVerwG, Urteil vom 04.06.1981 – 5 C 46/80 – juris Rn. 8). Allein die steuerrechtliche Einordnung der Einnahmen aus der Photovoltaikanlage macht den Kläger zu 1 daher nicht zu einem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, der i.S.d. § 11b Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SGB II erwerbstätig ist.

 

c) Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung durch die unterschiedliche Bewertung der Einkünfte im Steuerrecht einerseits und im Grundsicherungsrecht andererseits ist nicht festzustellen.

 

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt auch für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (st. Rspr. z.B. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Stattgebender Kammerbeschluss vom 20.03.2023 – 1 BvR 669/18 – juris Rn. 14, Beschluss vom 09.11.2004 – 1 BvR 684/98 – juris Rn. 56). Umgekehrt verbietet Art. 3 Abs. 1 GG ebenfalls die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem, insbesondere die Gleichbehandlung einer Gruppe von Normadressaten mit einer anderen, obwohl zwischen beiden Gruppen gewichtige Unterschiede bestehen, die deren Gleichbehandlung als sachwidrig erscheinen lassen.

 

Daran gemessen ist es folgerichtig, dass steuerrechtliche Vorgaben für die Ermittlung der Höhe der zu zahlenden Abgaben eines Steuerpflichtigen nicht maßgeblich sein können für die Ermittlung von Leistungsansprüchen eines Hilfebedürftigen gegenüber der Leistungsverwaltung. Denn die Zielrichtung des Steuerrechts ist derjenigen des Grundsicherungsrechts genau entgegengesetzt, weil es darum geht, was der Bürger dem Staat geben muss, nicht was der Staat dem Bürger gibt. Daher liegt es auf der Hand, dass es bei der Auslegung der Normen des SGB II nicht auf die steuerrechtliche Einordnung ankommt.

 

Soweit § 11b Abs. 2 und Abs. 3 SGB II eine Gruppe von Normadressaten, nämlich diejenigen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die erwerbstätig sind, gegenüber anderen, nämlich erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die nicht erwerbstätig sind, begünstigt, ist diese ungleiche Behandlung nicht nur gerechtfertigt, sondern – ausweislich der Gesetzesbegründung – sogar beabsichtigt. Hilfebedürftigen, die sich der Mühe unterziehen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, soll von ihrem Erwerbseinkommen mehr "übrig" bleiben. Ein solches gesetzgeberisches Ziel erscheint nicht von vornherein willkürlich. Maßgebliches und zugleich sachgerechtes Kriterium ist also der Umstand, ob die betreffende Person erwerbstätig ist oder nicht. Ausdrückliches Ziel der Norm ist es, damit einen Anreiz zu schaffen, eine voll sozialversicherungspflichtige Beschäftigung beizubehalten oder aufzunehmen. Es ist nicht erkennbar, dass die getroffene Regelung ungeeignet wäre, um dieses Ziel zu erreichen. Auch haben es die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten selbst in der Hand, in den Genuss der begünstigenden Regelung zu kommen, indem sie sich um eine Erwerbstätigkeit bemühen. Damit bezieht sich die unterschiedliche Behandlung auf ein Merkmal, das für die betroffenen Normadressaten nicht unverfügbar ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.07.2016 – 1 BvR 371/11 – juris Rn. 69 m.w.N.). Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen daher nicht.

 

Das bedeutet, dass von Einkommen, das aus anderen Quellen als Erwerbstätigkeit stammt, Erwerbstätigenfreibeträge ebenso wie der Grundfreibetrag i.S.d. § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II von vornherein nicht abgesetzt werden können (Dietrich Hengelhaupt in: Hauck/Noftz SGB II, 8. Ergänzungslieferung 2023, § 11b SGB II, Rn. 467 m.w.N.). Hierzu gehören die Gewinne aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.02.2018 - L 1 AS 3710/16 – juris Rn. 21 ff., zustimmend Söhngen in jurisPK-SGB II, § 11b (Stand 07.03.2023) Rn. 64 und Lange, jurisPR-SozR 5/2019 Anm. 1; ebenso Sozialgericht Oldenburg, Urteil vom 25.01.2018 – S 32 AS 1096/16 – juris Rn. 28), ohne dass es darauf ankommt, ob diese strukturell mit Einnahmen aus einer Vermietung oder Verpachtung vergleichbar sind oder mit Einkünften aus Kapitalvermögen.

 

Da es sich bei den Einnahmen aus der Photovoltaikanlage also nicht um Einkommen aus selbständiger Arbeit i.S.d. § 3 AlgII-V handelt und auch kein sonstiges Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit vorliegt, ist § 2 AlgII-V gemäß § 4 Satz 1 AlgII-V nur entsprechend anzuwenden. Es ist lediglich die Pauschale nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 AlgII-V abzusetzen; die Pauschalen gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 Alg II-V sind – mangels Erwerbstätigkeit – nicht zu berücksichtigen.

 

Die Bruttoeinnahmen aus der Photovoltaik sind somit monatlich in der Höhe als Einkommen zu berücksichtigen, in der sie dem Kläger zu 1 tatsächlich zugeflossen sind. Soweit der Beklagte im Rahmen der vorläufigen Bewilligung eingewandt hatte, dass der Kläger zu 1 nicht berechtigt sei, gegenüber der W.... die Abschläge auf die Einspeisungsvergütung einseitig zu verringern, ist dies im Rahmen der hier nun anzustellenden Ermittlung des endgültigen Leistungsanspruchs hinfällig. Da tatsächlich im hier streitigen Zeitraum keine Umsatzsteuer abgeführt worden ist, ist die Einnahme lediglich um die Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR zu vermindern.

 

Es kann offenbleiben, ob der jährliche Beitrag für die Haftpflichtversicherung bei der Mannheimer Holding AG für die Photovoltaikanlage gemäß § 11b Satz 1 Nr. 3 1. HS oder Nr. 5 SGB II von den Einnahmen aus der Photovoltaikanlage abzusetzen ist. Denn vorliegend wurde auch dieser Beitrag am 28.07.2023 vom gemeinsamen Konto der Kläger bei der Volksbank U.... (Konto-Nr. ….) abgebucht, also außerhalb des hier streitigen Zeitraums.

 

Nach alledem errechnen sich folgende Beträge:

 

2011

 

/jeweils in EUR

Regelbedarf und Kosten der Unterkunft und Heizung

Einkommen des Klägers zu 1

Einkommen der Klägerin zu 2

Ungedeckter Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft

Bewilligte Leistungen

August

1.337,64

489,00

680,65

167,99

249,03

September

778,83

489,00

319,50

0,00

427,36

Oktober

778,83

205,00

319,50

254,33

427,36

November

837,30

205,00

319,50

314,80

427,36

Dezember

804,16

205,00

319,50

279,66

427,36

 

Der nach den obigen Ausführungen materiell-rechtlich zutreffend errechnete Bedarf der Kläger ist durch die vom Beklagten mit den hier angegriffenen Bescheiden bewilligten und bereits ausgezahlten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vollständig gedeckt. Soweit die Kläger mehr als die ihnen zustehenden Leistungen erhalten haben, sind sie nicht beschwert.

 

Bei dieser Sachlage kann offenbleiben, ob der Zufluss von der T.... Krankenversicherung auf dem Konto des Klägers am 23.11.2011 in Höhe von 38,16 EUR zusätzlich als Einkommen bedarfsmindernd zu berücksichtigen ist.

 

6. Zusätzlich hatte der Kläger zu 1 Anspruch auf einen monatlichen Zuschuss gemäß § 26 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB II zu den Aufwendungen für seine private Krankenversicherung und seine private Pflegeversicherung. Diesen Zuschuss hat der Beklagte in der maximal zu bezuschussenden Höhe zutreffend berechnet. Die in den angegriffenen Bescheiden ausgewiesenen Beträge sind tatsächlich geflossen. Eine Beschwer des Klägers zu 1 liegt auch insoweit nicht vor.

 

Nach alledem hat die Berufung keinen Erfolg.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf die grundsicherungsrechtliche Einordnung der Einnahmen aus der Photovoltaikanlage als sonstiges Einkommen zugelassen.

 

Rechtskraft
Aus
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