Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 07.11.2018 geändert und unter Änderung des Bescheides der Beklagten vom 25.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10.2016 festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) in seiner Tätigkeit für die Klägerin im Zeitraum ab dem 08.09.2015 bis zum 27.04.2018 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV), ob der Beigeladene zu 1) in seiner Tätigkeit als Apothekervertreter vom 08.09.2015 bis 27.04.2018 der Sozialversicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
Die Klägerin vermittelt approbierte Apothekerinnen und Apotheker an Apotheken mit befristetem Vertretungsbedarf. Mit ihren Kundenapotheken schloss sie jeweils einen „Dienstvermittlungsvertrag“ (im Folgenden: DVV). Die vertraglichen Regelungen lauten auszugsweise wie folgt:
„§ 1 Gegenstand des Vertrages
(1) Gegenstand des Unternehmens der A. GmbH ist die Vermittlung von approbierten Apothekern/Apothekerinnen an Apotheken mit entsprechendem, jeweils befristetem Vertretungsbedarf. Bei den vermittelten Vertretern handelt es sich um freie Mitarbeiter des Unternehmens, nicht um Arbeitnehmer.
(2) Gegenstand dieses Dienstvermittlungsvertrages ist es, die Rahmenbedingungen für eine Vermittlung der vorgenannten Dienstleistungen durch die Auftragnehmerin an den Auftraggeber / die Auftraggeberin festzulegen.
§ 2 Vermittlung
(1) Der Auftraggeber / die Auftraggeberin wird den gegebenen Vertretungsbedarf der Auftragnehmerin jeweils mit einem angemessenen Vorlauf von mindestens zwei Wochen mitteilen.
(2) Die Auftragnehmerin wird die Übernahme des Vertretungsdienstes sodann ihren freien Mitarbeitern zur Übernahme anbieten. Eine Verpflichtung zur Übernahme des angefragten Vertretungsdienstes durch die Auftragnehmerin oder ihre freien Mitarbeiter besteht nicht.
(3) Im Einzelfall kann kurzfristiger Vertretungsbedarf durch den Auftraggeber / die Auftraggeberin angemeldet werden. Die Auftragnehmerin wird sich auch in diesen Fällen um die Vermittlung eines approbierten Vertreters bemühen.
(4) Der / die von der Auftragnehmerin gestellte Apotheker / Apothekerin verfügt über eine Approbation und erfüllt alle berufs- und ordnungsrechtlichen Voraussetzungen für die selbstständige Leitung einer Apotheke.
…“
Die durch einen ihrer freien Mitarbeiter übernommenen Vertretungsdienste sowie etwaige Fahrtkosten rechnete die Klägerin nach vereinbarten Sätzen monatlich ab (§ 3 DVV). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von der Klägerin vorgelegten DVV Bezug genommen. Über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügte die Klägerin nicht. Von Apotheken angefragte Vertretungen konnten im streitigen Zeitraum zu ca. 50% vermittelt werden.
Der Beigeladene zu 1) (im Folgenden: C.) ist approbierter Apotheker. Er schloss mit der Klägerin am 03.09.2015 einen als „Rahmendienstvertrag“ bezeichneten „Dienstvertrag über eine freie Mitarbeit des freien Mitarbeiters“ (im Folgenden: RV). Hiernach werde der freie Mitarbeiter ab dem 07.09.2015 auf Anfrage als freiberuflicher Apotheker für die Klägerin tätig (§ 1 Abs. 2 RV). Er erbringe seine Leistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung als selbstständiger Unternehmer. Die Dienstleistung des freien Mitarbeiters bestehe darin, als approbierter Apotheker den Vertretungsdienst in den jeweiligen Apotheken wahrzunehmen. Der entsprechende Vertretungsbedarf werde der Klägerin von den Apotheken jeweils im Vorfeld mitgeteilt. Die Klägerin biete dem freien Mitarbeiter die Übernahme des angefragten Vertretungsdienstes an, der über die Annahme des Angebotes jeweils frei entscheiden könne. Eine Verpflichtung zur Übernahme von Vertretungsdiensten bestehe für den freien Mitarbeiter nicht (§ 1 Abs. 3 RV). Die notwendigen Hilfsmittel wie z.B. Arbeitskleidung habe er selbst vorzuhalten (§ 1 Abs. 4 RV) und unterliege keinerlei Weisungen durch die Klägerin (§ 1 Abs. 5 RV). Die Abrechnung gegenüber der Klägerin werde monatlich vorgenommen (§ 2 Abs. 6 RV), wobei die Vergütung für jede geleistete Stunde erfolge bzw. ein Pauschalbetrag für Nachtdienstübernahmen sowie eine Fahrkostenerstattung gezahlt würden (§ 2 Abs. 2, Abs. 4 RV). Steuern und Sozialabgaben habe der freie Mitarbeiter selbst abzuführen (§ 2 Abs. 7 RV). Ein Vergütungsanspruch bei Arbeitsverhinderung, Krankheit bzw. Urlaub sei ausgeschlossen (§ 2 Abs. 1, § 3 RV). Eine Tätigkeit für Dritte werde gestattet (§ 4 Abs. 2 RV). Auf die weiteren Bestimmungen des RV wird Bezug genommen.
Angebote zu möglichen Vertretungen wurden in ein von der Klägerin betriebenes geschlossenes Internetportal eingestellt. Zum Teil waren diese mit individuellen Vergütungsmerkmalen versehen. C. hatte sowohl die Möglichkeit, auf diese Angebote zu reagieren, als auch seine Verfügbarkeitszeiten im Portal zu hinterlegen, um hierfür Anfragen zu erhalten. Ergänzt wurde dies durch weitere insbesondere schriftliche (E-Mail) und telefonische Kommunikation zwischen C. und der Klägerin. Ab dem 08.09.2015 übernahm C. nach seinen zeitlichen Kapazitäten und der Attraktivität der Angebote tage- oder wochenweise Vertretungen von ApothekeninhaberInnen. Zum Teil besprach er Einsätze und Details der jeweiligen Durchführung (z.B. höhere Vergütung, etwa bei kurzfristigen Vertretungen; Höhe der Fahrtkostenentschädigung; Dauer der Vertretung; Beginn und Ende des Einsatzes; Art der Unterkunft) unmittelbar mit den zu vertretenden Apothekeninhabern und setzte anschließend die Klägerin hierüber in Kenntnis.
Am 24.02.2016 beantragten C. und die Klägerin bei der Beklagten gem. § 7a SGB IV festzustellen, dass keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorliege.
Nach Anhörung stellte die Beklagte mit Bescheid vom 25.05.2016 fest, dass „die Tätigkeit des C. als Apotheker bei der Klägerin“ seit dem 07.09.2015 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Es bestehe Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung, hingegen infolge selbstständiger Erwerbstätigkeit nicht in der Kranken- und Pflegeversicherung. Die zu beurteilende Tätigkeit bestehe darin, im Rahmen der durch den Auftraggeber vermittelten Aufträge die jeweiligen Apothekerinnen/Apotheker im Verhinderungsfall zu vertreten. Dabei überwögen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Zwar könne C. Aufträge ablehnen. Sein Einsatz erfolge jedoch, um vertragliche Verpflichtungen der Klägerin zu erfüllen, in deren Namen und auf deren Rechnung er tätig werde und als deren Mitarbeiter er nach außen erscheine. Die Klägerin handele alle Modalitäten mit dem Kunden aus, sei deren Vertragspartner und rechne auch mit diesen ab. Der Tätigkeitsort (Apotheken) werde C. von der Klägerin zugewiesen, die Arbeitszeiten bei Auftragsannahme mit Einzelauftrag ohne Gestaltungsmöglichkeit vorgegeben. Nach Annahme eines Vertretungsdienstangebotes sei C. jeweils weisungsgebunden in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert. Ein unternehmerisches Risiko trage er im Hinblick auf die Vergütung nach Stunden und den fehlenden Einsatz eigenen Kapitals nicht. Auch das Tätigwerden für verschiedene Auftraggeber spreche nicht für Selbstständigkeit, da auf die Verhältnisse nach Annahme des jeweiligen Einzelauftrages abzustellen sei.
Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.10.2016 zurück.
Die Klägerin hat gegen die Bescheide am 07.11.2016 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf (SG) erhoben und unter Beifügung von u.a. E-Mails die Auffassung vertreten, dass die von der Beklagten vorgenommene Einstufung und Abwägung unzutreffend sei.
So handele sie z.B. in der Regel keine Modalitäten aus, sondern nehme nur das Angebot bzw. die Anfrage der Apotheke an, die sie dann online in das geschlossene System für die potentiellen Vertreter einstelle. Bevor es zu einer verbindlichen Zusage einer Vertretungskraft komme, handele diese noch weitere Umstände mit dem Auftraggeber aus. Auch würden Vertreter – so auch C. – von sich aus mit den jeweiligen Apothekeninhabern weitere Vertretungszeiten abstimmen und sie (selbst) dann nur in Kenntnis setzen. Weder die Dienste noch der Tätigkeitsort würden zugewiesen. Der Vertreter entscheide autonom, ob und in welchem Umfang er eine Vertretung übernehme. Der Tätigkeitsort ergebe sich zumeist kraft Natur der Sache, könne aber, wenn der Apotheker über eine Filiale verfüge, auch nachverhandelt werden. Eine solche Nachverhandlung finde auch zum Honorar sowie regelmäßig zu weiteren Bestandteilen der Vergütung bzw. zur Arbeitszeit (und damit der Vergütung) statt, so dass eine hohe Gestaltungsmöglichkeit gegeben sei.
C. unterliege auch einem unternehmerischen Risiko. So habe er Kapital für PC, Handy, Drucker, die übliche Büroausstattung, Arbeitskleidung und ein Kfz aufgewendet. Die Beklagte verkenne im Übrigen die in Rechtsprechung und Literatur anerkannten Besonderheiten, die bei Dienstleistungen höherer Art in einer modernen Dienstleistungsgesellschaft berücksichtigt werden müssten. Insbesondere sei die Tätigkeit vieler Akademiker nicht durch den Einsatz von Kapital geprägt, sondern durch den Einsatz von Wissen, das in einer kostenintensiven Ausbildung erworben worden sei. Die Vereinbarung eines Stundenhonorars stelle die bei Selbstständigen am weitesten verbreitete Form der Vergütung dar. Zudem seien C. keine Aufträge garantiert worden und als Vertreter des Apothekenleiters habe er ein persönliches Haftungsrisiko getragen.
Fehlerhaft sei auch die Annahme einer Eingliederung des C. in ihre Organisation. Wenn, dann komme allenfalls eine zeitweilige Eingliederung in die jeweilige Apotheke in Betracht. Da C. aber regelmäßig deren Leitung übernehme, könne auch dort von Eingliederung keine Rede sein. Die Klägerin habe C. im Übrigen nicht eingesetzt, um eigene vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen. Sie gehe keine Verpflichtung zur Bestellung von Vertretern ein, sondern schaffe eine Plattform zur Vermittlung ihrer beiden Vertragspartner.
Zu berücksichtigen seien weiter die Freiheit der Vertretungskräfte, einen Auftrag anzunehmen (und ihn dann noch zu modifizieren) und der Parteiwille, eine selbstständige Tätigkeit zu begründen. Zudem sei C. frei darin, selbst wiederum geeignete Vertreter einzusetzen. Schließlich widerspreche die Beurteilung der Beklagten auch der im Gemeinsamen Rundschreiben der Sozialversicherungsträger „Statusfeststellung von Erwerbstätigen“ (R19.3, Vertreter eines niedergelassenen Arztes, Zahnarztes oder Apothekers) veröffentlichten eigenen Anweisung, nach der die Vertretung regelmäßig nicht als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung anzusehen sei und entsprechenden Entscheidungen in Parallelfällen.
Die Klägerin hat beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 25.05.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.10.2016 festzustellen, dass C. ab dem 07.09.2015 in seiner Tätigkeit als Apotheker für die Klägerin nicht sozialversicherungspflichtig ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung bezogen. Der Ausschluss einer Weisungsbindung des C. sei reine Vertragsrhetorik und dem (unbeachtlichen) Willen der Vertragsparteien geschuldet, ein Beschäftigungsverhältnis zu vermeiden. C. habe unter Einhaltung von der Klägerin vorgegebener Standards die Leistung dann zu erbringen, wenn ein personeller Bedarf bestehe. Es spreche gerade für seine Eingliederung, dass er wie eine Aushilfe eingesetzt werde. Auch sich aus der Natur der Sache ergebende Sachverhalte seien zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung heranzuziehen. Die Möglichkeit, Aufträge ablehnen zu können, deute nicht auf das Vorliegen von selbstständiger Tätigkeit hin. Auch die bloße formalvertragliche Berechtigung, Arbeiten durch andere durchführen zu lassen, stelle kein relevantes Indiz für eine selbstständige Tätigkeit dar. Die vereinbarten Dienste habe C. – wie bei abhängigen Beschäftigungsverhältnissen üblich – unter kostenloser Nutzung der vorgegebenen Infrastruktur und bereitgestellter Arbeitsmittel erbracht. Auch die Abrechnung nach Stunden sei typisch. Ein unternehmerisches Risiko werde bei fehlenden betrieblichen Investitionen nicht erkennbar. Der Besitz von Handy, PC, Kleidung etc. spreche nicht gegen die Annahme einer abhängigen Beschäftigung, weil der wirtschaftliche Aufwand für deren Erwerb kein erhebliches Risiko darstelle. Die Nutzung des eigenen PKW zur Anfahrt zum Arbeitsort könne nicht als Kapitaleinsatz berücksichtigt werden, da diese auch bei Arbeitsverhältnissen üblich und dem privaten Bereich zuzurechnen sei. Bei Statusfeststellungsverfahren handele es sich jeweils um Einzelfallentscheidungen, so dass der Verweis auf andere von ihr vorgenommene Beurteilungen ins Leere gehe.
C. hat sich der Auffassung angeschlossen, er sei weder weisungsgebunden in die Betriebsorganisation der Klägerin noch der einzelnen Apotheken eingegliedert. Er habe über seine Einsätze autonom entscheiden können und sei in der Vertretung der Apothekeninhaber vor Ort der Chef, nicht aber ein kleines Rad im Getriebe gewesen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 07.11.2018 abgewiesen und auf die Begründung des Widerspruchsbescheides Bezug genommen. Obwohl der zwischen C. und der Klägerin geschlossene Vertrag einige Elemente enthalte, die für eine selbstständige Tätigkeit sprächen, ergäben sich aus der tatsächlichen Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses überwiegende Indizien für eine abhängige Beschäftigung. Insbesondere ließen sich keine wesentlichen, eine Selbstständigkeit prägenden Freiräume für die Tätigkeit des C. feststellen. Dieser habe seine Tätigkeit im Auftrag der Klägerin jeweils in der Apotheke des Vertragspartners mit einer Vergütung auf Grundlage der geleisteten Stunden ausgeübt, was regelmäßig für eine abhängige Beschäftigung spreche. C. und die jeweiligen Vertragspartner der Klägerin seien nicht untereinander vertraglich gebunden gewesen. Art und Umfang der Tätigkeit des C. hätten sich aus den Vorgaben der zwischen der Klägerin und ihren Kunden geschlossenen Vereinbarungen ergeben. Die Klägerin habe den Vertretungsdienst organisiert und abgerechnet; C. sei damit weisungsgebunden eingegliedert gewesen. Bei Übernahme eines Auftrages habe er die vertraglich übernommenen Stunden auch erbringen müssen. Seine Entscheidungs- und Gestaltungsbefugnisse bei der Ausgestaltung der Tätigkeit führten nicht zur Annahme von Selbstständigkeit. Vielmehr habe er bei seinen Diensten höherer Art einem verfeinerten Weisungsrecht der Klägerin unterlegen, da diese dem jeweiligen Vertragspartner letztverantwortlich gewesen sei. Zudem habe C. kein typisches Unternehmerrisiko getragen, da von ihm keine tatsächlichen Mittel in nennenswertem Umfang eingesetzt worden seien. Gegen ein unternehmerisches Risiko spreche auch die konkrete Vergütung; eine über die ggf. nachverhandelte Vergütung hinausgehende Verdienstmöglichkeit habe nicht bestanden.
Die Klägerin hat gegen das Urteil des SG Düsseldorf am Tag der Zustellung (20.12.2018) unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens Berufung eingelegt.
Ergänzend hat sie die Auffassung vertreten, dass eine Nachzahlungspflicht nicht mit dem verfassungsrechtlich begründeten Prinzip des Vertrauensschutzes vereinbar sei. Die veröffentlichte, normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift der Beklagten zur Einordnung der Vertretungs-Apotheker begründe zusammen mit dem Gemeinsamen Rundschreiben und der Verwaltungspraxis einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand, so dass eine rückwirkende Nachzahlung verfassungswidrig sei. Zudem begründe die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Selbstständigkeit eines Arztvertreters (BSG Urt. v. 27.05.1959 – 3 RK 18/55) und deren Bestätigung für Apothekenvertreter (LSG NRW Urt. v. 20.04.1967) eine Präjudizwirkung. Auch die Beachtung neuer Entwicklungen in der Rechtsprechung biete keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung. Insofern sei u.a. auf das Urteil des erkennenden Senates vom 10.06.2020 (L 8 BA 6/18) zur Selbstständigkeit einer Apothekervertreterin zu verweisen. Wenn schon im Falle der unmittelbaren Vertretung ein Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Apothekeninhaber und dem Vertreter verneint werde, müsse dies erst recht für den Fall der Klägerin gelten, in dem eine Agentur lediglich eine solche Vertretungstätigkeit vermittele. Im vorliegenden Fall sprächen die meisten Kriterien für Sozialversicherungsfreiheit. Zumindest jedoch müsse man einen Zweifelsfall annehmen, in dem dann dem Parteiwillen ausschlaggebende Bedeutung zukomme.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 07.11.2018 zu ändern und unter Änderung des Bescheides der Beklagten vom 25.05.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10.2016 festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) aufgrund seiner Tätigkeit für die Klägerin im Zeitraum ab dem 08.09.2015 bis zum 27.04.2018 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
Die Beklagte beantragt
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.
Die Entscheidung des erkennenden Senates vom 10.06.2020 (L 8 BA 6/18) sei auf den vorliegenden Fall nicht zu übertragen und überzeuge zudem auch nicht. Anders als im dort entschiedenen Fall gehe es vorliegend nicht um ein Auftragsverhältnis zwischen einer Apotheke und einem potentiellen Vertreter des Apothekenleiters. Vielmehr setze die Klägerin C. im Rahmen ihres Geschäftsmodells ein. Die im genannten Senatsurteil dargestellte Einschätzung, wonach die Vertretung eines Apothekers für einen Apothekeninhaber eine selbstständige Tätigkeit darstelle, werde nicht geteilt. Nach Übernahme der einzelnen Dienste sei C. in den Betrieb der jeweiligen Apotheke eingegliedert tätig geworden. Anders als der Senat in seiner Entscheidung vom 10.06.2020 messe sie, die Beklagte, § 2 Abs. 5 der Verordnung über den Betrieb von Apotheken (Apothekenbetriebsordnung – ApBetrO) keine relevante Bedeutung bei. Es erscheine lebensfern, dass bei einer zum Teil lediglich tageweisen Vertretung eines Apothekeninhabers eine betriebliche Eingliederung ausscheide, weil der Vertreter die Arbeitgeberfunktion als Unternehmer übernehme, wie es in der Konstellation der Entscheidung des BSG zur Selbstständigkeit des Vertreters eines niedergelassenen Arztes (BSG Urt. v. 27.05.1959 – 3 RK 18/55) der Fall gewesen sei. Das BSG habe in seiner jüngeren Rechtsprechung vielmehr eine Schärfung des Kriteriums der betrieblichen Eingliederung vorgenommen und dessen maßgebliche Bedeutung für die Statusbeurteilung u.a. von Honorarärzten, Pflegekräften, Notärzten im Rettungsdienst und Fahrkartenkontrolleuren hervorgehoben. Entsprechend habe es eine sozialversicherungsrechtlich relevante Eingliederung einer kurzzeitig krankheits- oder urlaubsbedingt in einer Gemeinschaftspraxis vertretenden Ärztin bejaht (BSG Urt. v. 19.10.2021 – B 12 R 1/21 R). Die argumentativen Anknüpfungspunkte dieser Entscheidung seien auf die vorliegende Konstellation übertragbar. Nach der herrschenden Eingliederungstheorie des BSG spreche ein Tätigwerden ohne unternehmerische Chancen im Rahmen einer fremden Betriebsorganisation für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung. Auch ein Fremdgeschäftsführer entscheide etwa über den gewöhnlichen (fremden) Geschäftsbetrieb einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und habe die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht über das in der GmbH tätige (fremde) Personal; dennoch sei er (ohne Rechtsmacht und gegenüber der Gesellschafterversammlung) weisungsgebunden in eine fremde Betriebsorganisation eingegliedert und insofern abhängig beschäftigt. Es stelle sich die Frage, weshalb dies im Fall eines Apothekenvertreters anders sein solle. Wenngleich ein unternehmerisches Tätigwerden bei reinen Dienstleistungen nicht mit größeren Investitionen einhergehe, handele es sich bei der Vertretung des Apothekeninhabers gerade nicht um eine reine Dienstleistung, sondern um das äußerst kostenintensive Betreiben einer Apotheke.
Sie, die Beklagte, sehe C. weiterhin als Erfüllungsgehilfen der Klägerin an, der zur Erfüllung der von ihr übernommenen Leistungspflichten funktionsgerecht dienend in die fremden Betriebsorganisationen der jeweiligen Apotheken eingegliedert tätig geworden sei. Hierfür sprächen nicht nur die jeweils geschlossenen Verträge, sondern auch die Abrechnung des C. gegenüber der Klägerin und der Klägerin gegenüber den Apotheken. Nach den Vereinbarungen zwischen den Apotheken und der Klägerin sei letztere dazu verpflichtet, eine Apothekerin/einen Apotheker zur Verfügung zu stellen. Damit sei das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung nicht ausgeschlossen und zu prüfen. Nicht nachvollziehen könne sie die in einem Hinweis mitgeteilte Ansicht des Senats, dass eine Erfüllungsgehilfenkonstellation nicht vorliegen solle, weil die Klägerin nicht zum Vertretungsdienst verpflichtet sei, sondern dem Endkunden (den Apotheken) nur schulde, den Vertretungsdienst Apothekerinnen/Apothekern anzubieten. Maßgeblich seien die tatsächlichen Verhältnisse. Komme eine Vermittlung zustande, erbringe der Vertreter als Erfüllungsgehilfe der Klägerin tatsächlich die von ihr angebotenen Dienstleistungen im Betrieb des Endkunden. Auf die Einwände der Klägerin gegen eine Nachzahlungspflicht komme es vorliegend nicht an, da die Erhebung von Beitragsforderungen und Säumniszuschlägen nicht Gegenstand des Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a SGB IV sei.
Auf Aufforderung des Senats hat die Klägerin u.a. eine Übersicht zu den Einsätzen des C., Auftragsbestätigungen sowie Korrespondenz zwischen ihr und dem C. (per E-Mail und Kurznachrichten), ferner die mit Kundenapotheken geschlossenen Verträge, eine Übersicht über Eingangs- wie Ausgangsrechnungen sowie Dokumentationen zu ihrem Internetportal vorgelegt.
Wegen des Inhalts der vorgelegten Unterlagen und der weiteren Einzelheiten des Sach- Streitverhältnisses wird auf die Gerichtsakte sowie die von der Beklagten beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Düsseldorf vom 07.11.2018 ist zulässig und begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 25.05.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10.2016 (§ 95 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Mit diesem hat die Beklagte die Versicherungspflicht des C. in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung hinsichtlich dessen Tätigkeit als Apotheker für die Klägerin im Zeitraum ab dem 07.09.2015 festgestellt. Der streitgegenständliche Zeitraum ist durch die das Klagebegehren konkretisierende Antragsfassung der Klägerin im Berufungsverfahren auf den Zeitraum der Einsätze des C. vom 08.09.2015 bis zum 27.04.2018 begrenzt (§ 123 SGG).
I. Die Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG statthaft. Sie ist form- und fristgemäß erhoben (§ 151 SGG).
II. Die Berufung ist auch begründet. Das SG hat die von der Klägerin zulässig erhobene, auf die Feststellung der Versicherungsfreiheit der Tätigkeit des C. gerichtete Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1 Alt. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1, 56 SGG) zu Unrecht als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid beschwert die Klägerin im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 SGG, da er zwar formell rechtmäßig (dazu 1.), materiell aber rechtswidrig ist (dazu 2.)
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 7a Abs. 1 S. 3 SGB IV in der bis zum 31.03.2022 gültigen Fassung (a.F.). Danach entscheidet auf Antrag eines Beteiligten gemäß § 7a Abs. 1 S. 2 SGB IV abweichend von § 28h Abs. 2 SGB IV die Deutsche Rentenversicherung Bund, ob eine Beschäftigung vorliegt. Einen entsprechenden Antrag haben die Klägerin und C. am 24.02.2016 gestellt. Nach ständiger Rechtsprechung ermächtigte § 7a SGB IV a.F. nicht zur bloßen (unzulässigen) Elementenfeststellung einer abhängigen Beschäftigung, sondern verpflichtete – wie von der Beklagten hier vorgenommen – zur Feststellung der Versicherungspflicht (vgl. BSG Urt. v. 04.09.2018 – B 12 KR 11/17 R – juris Rn. 12 m.w.N.; BSG Urt. v. 11.03.2009 – B 12 R 11/07 R – juris Rn. 17 ff.). Die ebenfalls vorgenommene Feststellung einer abhängigen Beschäftigung sieht der Senat in Auslegung des Bescheides als Begründungselement an. Soweit nach der seit dem 01.04.2022 geltenden Fassung des § 7a SGB IV (n.F.) eine Entscheidung nicht mehr zur Versicherungspflicht, sondern zum Erwerbsstatus, d.h. zur Frage, ob bei einem Auftragsverhältnis eine Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt, beantragt werden kann, entfaltet dies keine prozessuale Wirkung auf Vorgänge, die wie hier verwaltungsrechtlich noch nach § 7a SGB IV a.F. abgeschlossen worden sind (vgl. ausführlich Senatsurt. v. 14.12.2022 – L 8 BA 159/19 – juris Rn. 57 ff. m.w.N.; Senatsurt. v. 30.11.2022 – L 8 R 597/17 – juris Rn. 61 ff. m.w.N.; vgl. für Tätigkeiten, die – wie die vorliegende – jedenfalls vor dem 01.04.2022 beendet worden sind BSG Beschl. v. 15.06.2023 – B 12 BA 6/23 B – juris Rn. 9).
1. Der Bescheid vom 25.05.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10.2016 ist formell rechtmäßig. Insbesondere ist die Klägerin vor seinem Erlass mit Schreiben vom 11.04.2016 ordnungsgemäß angehört worden (§ 7a Abs. 4 SGB IV i.V.m. § 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz <SGB X>). Die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens war auch nicht nach § 7a Abs. 1 S. 1 HS 2 SGB IV ausgeschlossen, weil weder die Einzugsstelle noch ein anderer Versicherungsträger im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet hatte.
2. Der Bescheid ist jedoch in materieller Hinsicht rechtswidrig. C. unterlag in seiner Tätigkeit für die Klägerin nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.
Der Versicherungspflicht in den genannten Zweigen der Sozialversicherung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung <SGB VI>, § 25 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung <SGB III>).
Das Vorliegen einer Beschäftigung beurteilt sich nach § 7 Abs. 1 SGB IV, wenn – wie im vorliegenden Fall – in Bindungswirkung erwachsene (§ 77 SGG) Feststellungen zum sozialversicherungsrechtlichen Status fehlen. Hiernach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (st. Rspr., vgl. etwa BSG Urt. v. 04.06.2019 – B 12 R 11/18 R – juris Rn. 14 m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl. BVerfG Beschl. v. 20.05.1996 – 1 BvR 21/96 – juris Rn. 6 ff.).
Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu ermitteln. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (st. Rspr., vgl. z.B. BSG Urt. v. 04.06.2019 – B 12 R 11/18 R – juris Rn. 15 m.w.N.).
Sind – wie vorliegend – Einzelvertretungen individuell vereinbart und entsteht erst durch die Zusage des C. eine rechtliche Verpflichtung, die Vertretung auch tatsächlich zu leisten, ist für die Beurteilung auf die jeweiligen Einzelvertretungen abzustellen (vgl. BSG Urt. v. 19.10.2021 – B 12 R 6/20 R – juris Rn. 19, juris; Urt. v. 04.06.2019 – B 12 R 11/18 R – juris Rn. 21 m.w.N.). Wird eine Tätigkeit im Rahmen weiterer Vertragsbeziehungen zwischen dem Auftraggeber und Dritten erbracht, sind auch diese Vertragsbeziehungen zu berücksichtigen (vgl. BSG Urt. v. 14.03.2018 – B 12 KR 12/17 R – juris Rn. 33; Urt. v. 04.06.2019 –B 12 R 12/18 R – juris Rn. 14; Senatsurt. v. 30.11.2022 – L 8 R 597/17 – juris Rn. 86; Urt. v. 15.12.2021 – L 8 R 13/15 – juris Rn. 151 f.).
Unter Berücksichtigung der genannten Abgrenzungskriterien ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass C. bei den (Einzel-)Einsätzen als Apothekenvertreter (jedenfalls) nicht – wie von der Beklagten im streitigen Bescheid allein festgestellt – in seiner für die Klägerin ausgeübten Tätigkeit der Versicherungspflicht unterlag. Dies gilt (auch) unabhängig davon, ob man seinen jeweiligen Einsatz als Vertreter des Apothekenleiters in den Apotheken als abhängige Beschäftigung oder als selbstständige Tätigkeit ansieht. Denn jedenfalls bestünde ein etwaiges Beschäftigungsverhältnis nicht mit der Klägerin, sondern allenfalls mit deren Kundenapotheken.
Eine Beschäftigung des C. (gerade) bei der Klägerin läge (nur) dann vor, wenn er entweder unmittelbar in ihrem eigenen Betrieb oder bei den Apotheken als ihr Erfüllungsgehilfe tätig geworden wäre. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor (hierzu unter a.). Ebenso wenig wird eine Beschäftigung bei der Klägerin aufgrund von Arbeitnehmerüberlassung begründet (dazu b.).
a. C. ist ausweislich des Rahmenvertrags und der gelebten Vertragsbeziehung zu keiner Zeit in der originären Arbeitsorganisation des klägerischen Unternehmens selbst tätig geworden. Deren Betriebszweck bestand nach den aktenkundigen und zwischen den Beteiligten auch unstreitigen Umständen in der Vermittlung von Apothekenvertretern an Apotheken mit Vertretungsbedarf. C. sollte und wurde jedoch nicht eingesetzt, um Vertreter zu vermitteln, sondern zählte selbst zu den vermittelten Vertretern und damit ebenso wie die Apotheken nicht zum Personal, sondern zu den Leistungsabnehmern der Klägerin.
Die von der Klägerin vermittelte – streitige – Vertretungstätigkeit in den Apotheken hat C. auch nicht als deren Erfüllungsgehilfe ausgeübt.
Wer als Erfüllungsgehilfe eine Dienstleistung für einen Auftraggeber erbringt, ist typischerweise in die Arbeitsorganisation seines Auftraggebers eingegliedert (vgl. Senatsurt. v. 22.06.2020 – L 8 BA 78/18 – juris Rn. 52; Senatsurt. v. 14.12.2022 – L 8 BA 159/19 – juris Rn. 87 m.w.N.; Senatsurt. v. 30.11.2022 – L 8 R 597/17 – juris Rn. 99; vgl. auch BSG Urt. v. 14.03.2018 – B 12 KR 12/17 R – juris Rn. 33). Ebenso kann eine im Rahmen der Entsendung weisungsgebundene organisatorische Eingliederung bei dem Kunden der Rechtsmacht des Auftraggebers zurechenbar sein (vgl. BSG Urt. v. 04.06.2019 – B 12 R 12/18 R – juris Rn. 15; Urt. v. 14.03.2018 – B 12 KR 12/17 R – juris Rn. 34; BSG Urt. v. 04.06.1998 – B 12 KR 5/97 R – juris Rn. 19). Weisungen und Vorgaben des Endkunden wirken dann gegenüber dem Erwerbstätigen so, als ob sein Auftraggeber sie geäußert hätte; von diesen Kunden zur Verfügung gestellten Arbeits- und Betriebsmittel kommt die gleiche Bedeutung zu wie den unmittelbar vom Auftraggeber überlassenen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg Urt. v. 23.06.2022 – L 4 BA 52/18 – juris Rn. 122 m.w.N.; vgl. auch BSG Urt. v. 04.06.1998 – B 12 KR 5/97 R – juris Rn. 18, 22).
Erfüllungsgehilfe ist, wer nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Falles mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Hauptverbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig wird (vgl. LSG Berlin-Brandenburg Urt. v. 23.06.2022 – L 4 BA 52/18 – juris Rn. 122 m.w.N.; BGH Urt. v. 25.01.2017 – VIII ZR 249/15 – juris Rn. 43 m.w.N.; Ulber in: Erman BGB, Kommentar, 17. Aufl. 2023, § 278 Rn. 18 m.w.N.; Seichter in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl. 2023, § 278 Rn. 19 m.w.N.). Die Hilfsperson übernimmt entsprechend eine Aufgabe, die im Verhältnis zum Gläubiger dem Schuldner selbst obliegt (vgl. BGH Urt. v. 25.01.2017 – VIII ZR 249/15 – juris Rn. 43 m.w.N.).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Klägerin hat C. nicht als (ihren) Gehilfen zur Erfüllung einer eigenen, gegenüber den Apotheken bestehenden Pflicht an diese entsendet. Eine Verpflichtung, für die anfragenden Apotheken Vertretungsdienste selbst oder mit Hilfspersonen zu übernehmen, bestand für sie nicht. Der entsprechenden Behauptung der Beklagten mangelt es an jeglichen rechtlichen oder tatsächlichen Anhaltspunkten.
In den DVV, die ausdrücklich als „Dienstvermittlungsvertrag“ bezeichnet sind und auch in den Paragraphen 1 bis 3 durch den Begriff der „Vermittlung“ geprägt werden, findet sich keine Regelung dazu, dass die Klägerin den Apotheken die konkrete Erbringung einer angefragten Vertretungsleistung schulde. Allein vereinbart war, die Übernahme des Vertretungsdienstes approbierten Apothekerinnen/Apothekern „anzubieten“ (§ 2 Abs. 2 S. 1 DVV) und sich um eine Vermittlung „zu bemühen“ (vgl. § 2 Abs. 3 S. 2 DVV). Die von der Beklagten in den Vertrag interpretierte Pflicht zur Vertretung war vielmehr (sogar) ausdrücklich ausgeschlossen (§ 2 Abs. 2 S. 2 DVV). Dem entsprechend sahen die DVV auch keinerlei etwaige wirtschaftliche Sanktionen für den (prozentual häufigen) Fall vor, dass ein gewünschter Vertretungsdienst nicht besetzt werden konnte.
Die vertraglichen Regelungen der DVV sind in der Vertragspraxis auch so gelebt worden. Korrespondierend mit diesen haben sich die Klägerin und C. nach dem RV vom 03.09.2015 (lediglich) darüber verständigt, dass die Klägerin C. die Übernahme von Vertretungsdiensten in Apotheken „anbiete“. Die Übernahme des angefragten Dienstes wurde – auch hier unter ausdrücklichem Ausschluss einer Verpflichtung – der jeweils freien Entscheidung des C. überlassen (vgl. § 1 Abs. 3 S. 4, 5 RV). Die Behauptung der Beklagten, C. habe seine Leistungen bei personellem Bedarf unter Einhaltung von der Klägerin vorgegebener Standards erbringen müssen, geht an den vertraglichen Grundlagen und den tatsächlichen Verhältnissen vorbei. Aus der vorliegenden Korrespondenz zwischen der Klägerin und C. per E-Mail und Kurznachrichten ist gegenteilig zu erkennen, dass C. auch faktisch in der Annahme jedes einzelnen Angebots frei war. Er konnte zudem ändernden Einfluss auf dessen jeweilige Bedingungen nehmen bzw. seine Dienstübernahme von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen abhängig machen. Nach Absprache mit der Klägerin und/oder der anfragenden Apotheke wurden im Einzelfall, so insbesondere bei kurzfristigen Einsätzen, eine höhere Vergütung vereinbart, als dies der RV vorsah, die Fahrtkostenregelungen modifiziert, Übernachtungsgelegenheiten ausbedungen und aus angefragten Zeiträumen einzelne Abschnitte ausgewählt. Sogar bereits erteilte Zusagen zur Übernahme vermittelter Vertretungsdienste konnte C. wieder zurücknehmen.
Allein die von den Vertragspartnern gewählte Abrechnungsmodalität (C. gegenüber der Klägerin und die Klägerin gegenüber den Apotheken) vermag weder eine Verpflichtung der Klägerin zur Leistung von Vertretungsdiensten noch eine Verpflichtung des C., hierbei als Hilfsperson tätig zu werden, zu begründen. Vielmehr stellt sich die gewählte Abrechnung nur als eine (einzelne) Unterstützungsleistung der Klägerin im Rahmen der Abwicklung einer erfolgreich vermittelten Tätigkeit dar (vgl. auch BSG Urt. v. 19.10.2021 – B 12 R 17/19 R – juris Rn. 15).
Den Vertragsmodalitäten und der (unbestrittenen) Vertragspraxis folgend war die Klägerin zur Überzeugung des Senats (damit) lediglich verpflichtet, etwaig interessierte Apothekenvertreter für angefragte Vertretungsdienste „anzubieten“, d.h. sich um „Vermittlung zu bemühen“. Ist der Auftraggeber gegenüber seinen Vertragspartnern – wie hier die Klägerin gegenüber den Apotheken – (aber) lediglich zum Angebot der Vermittlung eines Dienstleisters verpflichtet, scheidet ein Beschäftigungsverhältnis des Vermittelten (hier des C.) zum Vermittler (hier der Klägerin) aus (vgl. BSG 14.03.2018 – B 12 KR 12/17 R – juris Rn. 33; Urt. v. 04.06.2019 – B 12 R 12/18 R – juris Rn. 15; Urt. v. 19.10.2021 – B 12 R 17/19 R – juris Rn. 3, 15; Urt. v. 07.06.2019 – B 12 R 6/18 R – juris Rn. 3, 13).
b. Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung nicht ausgeschlossen werden könne, vermag auch dies das von ihr angenommene Beschäftigungsverhältnis zwischen der Klägerin und C. nicht zu stützen.
Selbst wenn man die Tätigkeit des C. als Vertretungsapotheker – entgegen der Auffassung des Senats im Urteil vom 10.06.2020 – L 8 BA 6/18, an der auch für den vorliegenden Fall ausdrücklich festgehalten wird, – als Beschäftigung beurteilte und seine Überlassung an die Apotheken im Kern (entsprechend) als Überlassung eines Arbeitnehmers qualifizierte, würde nach den Bestimmungen des Gesetzes zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung – Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) keine Beschäftigung (gerade) zur Klägerin begründet. Unabhängig von weiteren, hier fehlenden Voraussetzungen einer zulässigen Arbeitnehmerüberlassung gem. §§ 1, 9 AÜG (vgl. z.B. vgl. dazu BSG Urt. v. 19.10.2021 – B 12 R 17/19 R – juris Rn. 15) wären die Verträge zwischen der Klägerin und C. sowie zwischen der Klägerin und den Apotheken jedenfalls schon in Ermangelung der erforderlichen Erlaubnis (§ 1 S. 1 AÜG) unwirksam (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 AÜG). Dies hätte zur Folge, dass (allenfalls) ein Beschäftigungsverhältnis des C. zu den Apotheken als (vermeintlichen) Entleihern, nicht aber zur Klägerin als (vermeintlicher) Verleiherin, fingiert würde (§ 10 Abs. 1 S. 1 AÜG) (vgl. BSG Urt. v. 19.10.2021 – B 12 R 17/19 R – juris Rn. 15; Urt. v. 07.06.2019 – B 12 R 6/18 R – juris Rn. 12).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe gem. § 160 Abs. 2 SGG für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
In Verfahren vor den Sozialgerichten ist der Streitwert bei fehlender anderer Bestimmung nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG). Wenn der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts – wie hier – keine genügenden Anhaltspunkte bietet, ist ein Streitwert von 5.000 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG). Davon geht der Senat im Rahmen von Statusfeststellungsverfahren aus (vgl. z.B. Senatsurt. v. 26.02.2020 – L 8 BA 121/19 – juris Rn. 72 m.w.N.).