Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 08.07.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt noch die Feststellung von Folgen eines Arbeitsunfalls vom 07.02.2012.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger erlitt am 07.02.2012 einen Arbeitsunfall, als er im Rahmen seiner Beschäftigung bei der F. AG aus einer Höhe von ca. drei Metern von einer Anlegeleiter stürzte und mit dem Gesäß und der linken Seite aufschlug. Der Durchgangsarzt O. erhob folgenden Befund: „Pat. ansprechbar, orientiert zu Zeit u. Ort. Pat. gibt heftige Schmerzen im Bereich der li. Hüfte an. Thorax stabil. Becken stabil. Keine Bauchschmerzen. Keine äußeren Verletzungszeichen. Schmerzen im Bereich der li. Schulter, Schulter frei beweglich. Puls peripher vorhanden. Keine Sensibilitätsstörungen. Keine motorischen Störungen der Gliedmaßen“. Die angefertigte Röntgenaufnahme des Beckens und der linken Hüfte mit Oberschenkel zeigte eine Oberschenkelhalsfraktur links (Durchgangsarztbericht vom 07.02.2012).
Noch am Unfalltag erfolgte im Y.-Krankenhaus I. eine geschlossene Reposition der Schenkelhalsfraktur sowie eine Stabilisierung mit dynamischer Hüftschraube (DHS) und Antirotationsschraube (Bericht vom 09.02.2012). Anschließend befand sich der Kläger bis zum 16.02.2012 in stationärer Behandlung. Ein am 13.02.2012 durchgeführtes neurologisches Konsil ergab nach den Feststellungen des Arztes für Neurologie V. keinen Hinweis auf eine Nervenschädigung im Beinbereich (Bericht vom 16.02.2012). Am 17.02.2012 wurde der Kläger mit deutlicher Besserung der Beschwerdesymptomatik in die ambulante Betreuung entlassen (Bericht vom 17.02.2012).
In der Zeit vom 20.03.2012 bis zum 10.04.2012 erfolgte eine berufsgenossenschaftliche stationäre Weiterbehandlung (BGSW) in der Fachklinik D.. Der Chirurg N. teilte anschließend mit Schreiben vom 18.04.2012 mit, dass sich der Kläger weiterhin in ambulanter Behandlung befinde. Die zuletzt durchgeführte Röntgen-Kontrollaufnahme habe eine leichtgradige Sinterung im Bereich des Schenkelhalses bei sonst unauffälliger konsolidierender Fraktur gezeigt.
Eine am 01.06.2012 aufgenommene Arbeitsbelastungserprobung brach der Kläger nach zwei Tagen aufgrund von Schmerzen im Bein ab.
Anlässlich einer Vorstellung des Klägers in der Chirurgischen Klinik und Poliklinik des C. X. am 09.07.2012 wurde bei unauffälligem neurologischem Befund nach Durchführung einer CT-Untersuchung der Verdacht einer Hüftkopfnekrose geäußert und der Kläger im Oktober 2012 zur stationären Behandlung aufgenommen. Am 09.10.2012 erfolgte die Entfernung der dynamischen Hüftschraube, der Verdacht auf eine Hüftkopfnekrose bestätigte sich intraoperativ nicht (Bericht vom 11.10.2012). Auch in dem anlässlich der Wiedervorstellung des Klägers am 02.11.2012 gefertigten MRT ließ sich keine Hüftkopfnekrose nachweisen. Die Einleitung einer BGSW-Maßnahme wurde empfohlen (Bericht vom 12.11.2012). Nach Durchführung der Maßnahme vom 22.11.2012 bis zum 12.12.2012 (Bericht vom 14.12.2012) und anschließender Arbeitsbelastungserprobung war der Kläger ab dem 07.02.2013 wieder arbeitsfähig.
Die Beklagte veranlasste sodann eine Begutachtung durch N.. Dieser stellte nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 14.02.2013 als Unfallfolgen die beschriebenen äußeren Narbenverhältnisse, die beschriebene funktionelle Einschränkung des linken Hüftgelenkes, die beschriebenen radiologischen Veränderungen mit Verkürzung des Schenkelhalses und resultierender relativer Beinverkürzung sowie glaubhafte subjektive Beschwerden fest. Unfallunabhängig sei ein Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbelsäule vor etwa 10 Jahren bekannt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde mit 20 v.H. eingeschätzt (Gutachten vom 19.02.2013). Die Beklagte bewilligte daraufhin mit Bescheid vom 23.04.2013 wegen der Unfallfolgen „Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenks und Muskelminderung des Oberschenkels links“ ab dem 07.02.2013 eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 20 %. Keine Unfallfolgen seien das Taubheitsgefühl im linken Bein aufgrund eines Bandscheibenleidens, die Schuppenflechte der Haut sowie die anlagebedingte Hauttrockenheit mit Austrocknungsekzemen und Juckreiz.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 22.05.2013 Widerspruch ein, mit welchem er auch die Anerkennung der bei ihm nach dem Unfall aufgetretenen Schuppenflechte als Unfallfolge begehrte. Der Widerspruch wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 21.05.2014), die dagegen beim Sozialgericht (SG) Münster erhobene Klage (S 10 U 223/14) abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 14.01.2015). Das anschließende Berufungsverfahren beim Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen (L 15 U 77/15) endete durch den Abschluss eines Vergleichs. Danach verpflichtete sich die Beklagte, für den Zeitraum vom 07.02.2013 bis zum 15.12.2013 als zusätzliche Unfallfolge eine Psoriasis im Bereich der Hände anzuerkennen und eine Rente nach einer MdE von 30 v.H. zu gewähren. Am 18.09.2018 erließ die Beklagte einen entsprechenden Ausführungsbescheid.
Im Rahmen eines am 21.03.2013 gefertigten MRT wurde eine Hüftkopfnekrose Ficat III festgestellt (Bericht vom 11.04.2013), die zunächst konservativ mittels Analgesie behandelt wurde (Bericht vom 30.04.2013). Wegen Missempfindungen im rechten Fuß stellte sich der Kläger zudem am 23.04.2013 bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Q. vor, der einen unauffälligen Befund erhob (Bericht vom 23.04.2013).
Anlässlich einer Vorstellung im C. in X. am 30.06.2014 wurde dem Kläger eine Totalendoprothese empfohlen, der neurologische Befund war unauffällig. Auch N., bei dem sich der Kläger am 15.07.2014 aufgrund von erheblichen Leisten- und Hüftschmerzen vorstellte, hielt einen Hüftgelenkersatz für notwendig (Bericht vom 16.07.2014). Dies wurde vom Kläger jedoch zunächst abgelehnt.
Die Beklagte veranlasste sodann eine Begutachtung durch die Chefärztin der Chirurgischen Klinik T., K.. Diese stellte nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 08.10.2014 als Unfallfolgen einen Zustand nach medialer Schenkelhalsfraktur links mit daraus folgender Bewegungseinschränkung im Hüftgelenk links, das Vorliegen einer Hüftkopfnekrose Stadium Ficat III-IV Hüftgelenk links, eine herabgesetzte Gehstrecke von 150 Metern sowie dauerhafte Belastungsschmerzen und eine dauerhafte Analgetikaabhängigkeit fest und schätzte die MdE mit 25 % ein. Durch die geplante Implantation einer Hüftgelenkstotalendoprothese sei zu erwarten, dass die MdE 20 % betrage (Gutachten vom 10.10.2014).
In der Zeit vom 05.01.2015 bis zum 13.01.2015 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung im M.-Hospital E., wo am 06.01.2015 die Implantation eines zementfreien Hüftgelenktotalendoprothesensystems links erfolgte (Bericht vom 13.01.2015). Anschließend erfolgte in der Zeit vom 26.01.2015 bis zum 15.02.2015 eine BGSW-Maßnahme in der Fachklinik D.. Dort wurde Arbeitsunfähigkeit für einen Zeitraum von ca. 12 Wochen postoperativ angenommen (Bericht vom 18.02.2015). Eine am 27.04.2015 begonnene Arbeitsbelastungserprobung brach der Kläger wegen Schmerzen in der linken Leiste ab und klagte anlässlich einer Vorstellung im M.-Hospital am 25.06.2015 über heftige Beschwerden in beiden Beinen.
Am 03.07.2015 erlitt der Kläger einen Herzinfarkt und befand sich anschließend vom 20.07.2015 bis zum 17.08.2015 in einer stationären Rehabilitationsbehandlung in der Fachklinik D. (Entlassungsbericht vom 18.08.2015).
Am 21.08.2015 stellte sich der Kläger wegen brennender Muskelschmerzen beider Beine bei der Neurologin P. vor, die einen unauffälligen neurologischen Befund erhob und ein unklares neuropathisches Schmerzsyndrom beider Beine diagnostizierte sowie die Durchführung einer Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule und der unteren Brustwirbelsäule empfahl (Bericht vom 24.08.2015).
Anschließend stellte der Kläger sich am 28.08.2015 im Rahmen der Heilverfahrenskontrolle erneut im C. vor. Dort ging man davon aus, dass die aktuell geklagten Beschwerden auf das Unfallereignis vom 07.02.2012 zurückzuführen seien. Im Oktober 2015 sei von vollschichtiger Leistungsfähigkeit auszugehen (Bericht vom 02.09.2015).
Am 15.10.2015 entließ J. den Kläger aus der ambulanten Behandlung. Eine ärztliche Behandlung sei nicht mehr erforderlich, der Kläger sei ab dem 19.10.2015 wieder arbeitsfähig (Mitteilung vom 16.10.2015).
Für die Zeit vom 16.11.2015 bis zum 02.12.2015 bescheinigte die Fachärztin für Allgemeinmedizin R. Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Diagnosen M06.90 V (Verdacht auf Chronische Polyarthritis, nicht näher bezeichnet) und M54.4 G (Lumboischialgie).
Am 17.11.2015 stellte sich der Kläger wegen Muskelschmerzen in beiden Beinen sowie bewegungsabhängigen Schmerzen im LWS-Bereich bei der Fachärztin für Neurologie G. vor, die einen unauffälligen neurologischen Befund erhob und ein chronisches Schmerzsyndrom sowie ein chronisches degeneratives LWS-Syndrom diagnostizierte (Bericht vom 17.11.2015).
Sodann stellte sich der Kläger am 03.12.2015 wegen Schmerzen im Bereich des linken Beines erneut bei J. vor, welcher Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich zum 05.01.2016 bescheinigte.
Vom 09.12.2015 bis zum 11.12.2015 befand sich der Kläger aufgrund der Diagnose obstruktives Schlafapnoesyndrom in stationärer Behandlung im Y.-Krankenhaus I..
Ab dem 18.01.2016 erfolgte eine Arbeitsbelastungserprobung. Arbeitsunfähigkeit wurde bis zum 26.02.2016 bescheinigt. Die Krankenkasse gewährte dem Kläger auf Veranlassung der Beklagten Verletztengeld bis einschließlich 26.02.2016.
Die Beklagte veranlasste sodann eine Begutachtung durch den Arzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie W.. Dieser stellte nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 21.01.2016 als Unfallfolgen die Notwendigkeit der Implantation einer Hüftprothese links, eine endgradige geringfügige Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenks, eine Narbenbildung am linken Bein, eine geringfügige Muskelminderung am linken Oberschenkel und linken Unterschenkel, einen geringen Teil der angegebenen Beschwerden, eine Narbenbildung sowie die röntgenologisch erhobenen Befunde fest. Der Kläger sei nach der Implantation der Totalendoprothese am 19.10.2015 wieder arbeitsfähig gewesen, weitere Arbeitsunfähigkeiten gingen nicht zu Lasten der Beklagten (Gutachten vom 21.02.2016).
Die Beklagte erkannte daraufhin mit Bescheid vom 31.03.2016 einen Anspruch auf Heilbehandlung und Verletztengeld bis zum 18.10.2015 an. Darüber hinaus wurde ein Anspruch auf Heilbehandlung und Verletztengeld abgelehnt. Aufgrund der implantierten Totalendoprothese der linken Hüfte sei von einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 18.10.2015 auszugehen. Die darüberhinausgehende Arbeitsunfähigkeit sei durch Unfallfolgen nicht begründbar.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 19.04.2016 Widerspruch ein. Zugleich erhob er Einwände gegen das Gutachten von W..
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.2017 zurückgewiesen.
Dagegen hat der Kläger am 23.03.2017 Klage beim SG Münster erhoben, mit welcher er zunächst die Übernahme von Heilbehandlungskosten sowie die Gewährung von Verletztengeld über den 18.10.2015 hinaus begehrt hat.
Am 26.06.2017, 05.07.2017 und 10.07.2017 wurde der Kläger in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Z. aufgrund der Diagnosen chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, Verdacht auf chronifiziertes Schmerzsyndrom und depressive Episode ambulant behandelt (Berichte vom 07.07.2017 und 13.07.2017).
Der Kläger hat beantragt,
unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 31.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2017 die Beklagte zu verurteilen, wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 07.02.2012 Verletztengeld über den 18.10.2015 hinaus nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf die angefochtenen Bescheide gestützt.
Das SG hat nach § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Chefarztes der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie des L. Krankenhauses A., U.. Dieser hat nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 10.08.2017 als Unfallfolgen eine Implantation einer Kurzschaft-Totalendoprothese des linken Hüftgelenks, nicht zementiert, in Folge einer Hüftkopfnekrose nach osteosynthetisch versorgter Schenkelhalsfraktur links, eine endgradige Bewegungseinschränkung im Bereich des linken Hüftgelenks um insgesamt 40°, eine funktionell unbedeutende Narbenbildung im Bereich des linken Hüftgelenks sowie die beschriebenen radiologischen Veränderungen festgestellt. Die Arbeitsunfähigkeiten über den 18.10.2015 hinaus seien nicht unfallbedingt (Gutachten vom 23.10.2017).
Im September 2017 erlitt der Kläger einen erneuten Herzinfarkt.
Der Kläger hat zu dem Gutachten von U. ein Attest des Facharztes für Orthopädie B. vom 12.12.2017 übersandt, wonach auch die chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren auf das Unfallereignis zurückzuführen sei.
Das SG hat sodann von Amts wegen weiter Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Arztes für Neurologie und Psychiatrie, Schmerztherapie S.. Dieser hat nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 25.05.2018 ausgeführt, dass eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, so man sie derzeit überhaupt als belegbar akzeptieren wolle, nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall zurückgeführt werden könne. Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet habe über den 18.10.2015 hinaus keine Arbeitsunfähigkeit bestanden (Gutachten vom 14.06.2018).
Der Kläger ist mit dem Gutachten nicht einverstanden gewesen und hat eine Stellungnahme von B. vom 27.07.2018 übersandt. Das SG hat dazu eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen S. eingeholt. Dieser ist bei seiner Einschätzung verblieben (Stellungnahme vom 13.08.2018).
Auf Antrag des Klägers hat das SG sodann nach § 109 SGG Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Facharztes für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin OG.. Dieser hat nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 02.05.2019 und 23.07.2019 eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie eine leichte depressive Episode diagnostiziert. Die chronische Schmerzstörung sei ursächlich durch den Arbeitsunfall bedingt. Auch die Entwicklung einer leichten depressiven Episode werde in diesem Kontext gewertet (Gutachten vom 29.10.2019).
Die Beklagte ist dem Gutachten unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme von UE. entgegengetreten (Stellungnahme vom 09.01.2020). Das SG hat dazu eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen OG. eingeholt, welcher bei seiner Einschätzung verblieben ist (Stellungnahme vom 23.09.2020). Die Beklagte hat dazu erneut eine beratungsärztliche Stellungnahme von UE. übersandt (Stellungnahme vom 09.11.2020).
Mit Urteil vom 08.07.2021 hat das SG die Klage gestützt auf die Gutachten von W., U. und S. abgewiesen. Danach sei die Arbeitsunfähigkeit über den 18.10.2015 hinaus nicht Folge des Arbeitsunfalls. Dem Gutachten von OG. könne hingegen nicht gefolgt werden, da seine Kausalitätsbewertung in sich nicht schlüssig und nachvollziehbar sei.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 19.07.2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30.07.2021 Berufung eingelegt und zunächst die Weitergewährung von Verletztengeld über den 18.10.2015 begehrt.
Nach einem Hinweis des Senats im Termin zur mündlichen Verhandlung am 27.09.2023, dass Verletztengeld bis einschließlich 26.02.2016 gewährt worden ist, beantragt der Kläger nunmehr,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 08.07.2021 zu ändern und unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 31.03.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2017 festzustellen, dass die bei dem Kläger vorliegende chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10 F45.41) sowie eine leichte depressive Episode Folgen des Arbeitsunfalls vom 07.02.2012 sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.
Der Senat hat zwei ergänzende Stellungnahmen des Sachverständigen S. (Stellungnahmen vom 21.10.2021 und vom 25.04.2022) eingeholt. Dieser hat zusammenfassend ausgeführt, dass er bereits das Vorliegen einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren nicht für im Vollbeweis gesichert halte. Auch eine relevante Depression habe er in seinem Untersuchungsbefund nicht bestätigen können. Jedenfalls ein kausaler Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall sei zu verneinen.
Auf Antrag des Klägers hat der Senat sodann eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen OG. eingeholt, welcher bei seiner Einschätzung verblieben ist (Stellungnahme vom 27.02.2023).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Kläger durch den angefochtenen Bescheid vom 31.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2017 nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG ist. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung, dass die bei ihm vorliegende chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie die leichte depressive Episode Folgen des Arbeitsunfalls vom 07.02.2012 sind.
Soweit der Kläger mit seiner Berufung statt der zunächst erhobenen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und Abs. 4 SGG) nunmehr die gerichtliche Feststellung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG) begehrt, handelt es sich um eine nach §§ 153 Abs. 1, 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG auch noch im Berufungsverfahren zulässige Beschränkung des Klageantrags in der Hauptsache, die nicht als Klageänderung anzusehen ist (B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 99 Rn. 4, 12 jeweils m.w.N.). Eine Änderung des Klagegrundes liegt nicht vor, da der Kläger nach wie vor aus dem Arbeitsunfall vom 07.02.2012 Rechte herleitet und auch die zuvor begehrte Gewährung von Verletztengeld auch mit psychischen Folgen begründet hat. Der Senat hat dementsprechend über den geänderten Antrag auf Berufung zu entscheiden.
Die Feststellungsklage ist zulässig.
Nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG kann mit der Klage u.a. die gerichtliche Feststellung verlangt werden, dass eine Gesundheitsstörung Folge eines Arbeitsunfalls ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Ein berechtigtes Interesse erfasst jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse wirtschaftlicher oder ideeller Art (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a.a.O., § 55 Rn. 15a). Ist der Verletzte (wie im Regelfall) gesetzlich krankenversichert, ist das (Nicht-)Vorliegen eines Versicherungsfalls und seiner Folgen schon deshalb rasch und verbindlich zu klären, weil nach § 11 Abs. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ein Anspruch auf Krankenversicherungsleistungen - z.B. Heilbehandlung - ausgeschlossen ist, wenn der Leistungsbedarf im Wesentlichen durch Folgen eines Versicherungsfalls bedingt ist. Damit dient die Feststellung von Unfallfolgen - auch im Interesse des Kranken- und Unfallversicherungsträgers - dazu, die sich gegenseitig ausschließenden Leistungs- und Zuständigkeitsbereiche der gesetzlichen Kranken- und Unfallversicherung voneinander abzugrenzen. Stellt der Unfallversicherungsträger eine Gesundheitsstörung als Folge eines Versicherungsfalls fest, können Versicherte auf dieser Basis entsprechende Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung geltend machen und sich als Leistungsberechtigte gegenüber Leistungserbringern legitimieren. Lehnt der Unfallversicherungsträger die Feststellung dagegen ab, kann sich der Krankenversicherungsträger nicht zu Lasten des Versicherten auf den Leistungsausschluss nach § 11 Abs. 5 SGB V berufen. Ist damit primär für den Versicherten sowohl die negative als auch die positive Feststellung relevant, besteht ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung, ob Gesundheitsstörungen Folgen eines Versicherungsfalls sind (vgl. Bundessozialgericht <BSG>, Beschluss vom 15.12.2020 - B 2 U 142/20 B -, juris, Rn. 7 m.w.N.).
Vor diesem Hintergrund ist ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Feststellung, dass die chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie die leichte depressive Episode Folgen des Arbeitsunfalls sind, zu bejahen.
Der Zulässigkeit steht auch nicht entgegen, dass sich der Kläger mit seinem Begehren nicht zunächst an die Beklagte gewandt hat und kein korrespondierender, die geltend gemachten Gesundheitsstörungen als Unfallfolge - durch Verfügungssatz - ablehnender und damit insoweit anfechtbarer Verwaltungsakt vorliegt.
Zwar ist das Interesse gerade an einer gerichtlichen Feststellung grundsätzlich erst "berechtigt", nachdem sich der Versicherte an den Unfallversicherungsträger gewandt und ihm Gelegenheit gegeben hat, das (Nicht-)Vorliegen einer Unfallfolge behördlich festzustellen, weil dies im Regelfall der einfachste, schnellste und prozessökonomischste Weg ist, um eine rasche und verbindliche Klärung zu erlangen. Lehnt es der Unfallversicherungsträger ab, die Gesundheitsstörung als Folge des Versicherungsfalls behördlich festzustellen, sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit dieses Verwaltungsakts (§ 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch <SGB X>) in einem Vorverfahren nachzuprüfen (§ 78 Abs. 1 Satz 1 SGG), bevor gegen den Verwaltungsakt in der Gestalt des Widerspruchsbescheids (§ 95 SGG) zulässigerweise Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG) erhoben werden kann. Erst mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids (§ 87 Abs. 2 SGG) entsteht in diesen Fällen das berechtigte Interesse an einer gerichtlichen Feststellung der Unfallfolge, deren Anerkennung der Unfallversicherungsträger durch Verwaltungsakt abgelehnt hat. Insofern sind Anfechtungs- und Feststellungsklage eng miteinander verknüpft. Dieses Erfordernis gilt jedoch nicht ausnahmslos: Ist dem Versicherten nicht zuzumuten, die Verwaltungsentscheidung abzuwarten oder hat die Behörde besonderen Anlass zur Klageerhebung gegeben, liegt darin das berechtigte Interesse an einer baldigen gerichtlichen Feststellung, wie es § 55 Abs. 1 SGG voraussetzt. In diesen Fällen kann der Versicherte die Feststellungsklage isoliert erheben und muss sie nicht mit einer Anfechtungsklage kombinieren (BSG, Beschluss vom 15.12.2020, a.a.O., Rn. 8 m.w.N.; Keller, a.a.O., § 55 Rn. 3b).
Eine Entscheidung über das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Unfallfolgen hat die Beklagte im angefochtenen Bescheid vom 31.03.2016 nicht getroffen.
Bei der Auslegung von Verwaltungsakten, also Verfügungssätzen im Sinne des § 31 SGB X, ist in Anwendung der für Willenserklärungen maßgeblichen Grundsätze (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) vom objektiven Sinngehalt ihrer Erklärungen auszugehen, wie sie Empfänger und ggf. Drittbetroffene bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen mussten und durften (BSG, Urteil vom 03.04.2014 - B 2 U 25/12 R -, juris, Rn. 15 m.w.N.; Urteil vom 16.11.2005 - B 2 U 28/04 R- , juris, Rn. 13 m.w.N.). Maßgebend ist demnach der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten (§ 133 BGB), wobei alle Zusammenhänge zu berücksichtigen sind, die die Behörde erkennbar in ihre Entscheidung einbezog.
Der Bescheid vom 31.03.2016 beschränkt sich nach seinem Regelungsgehalt auf die Gewährung bzw. Nichtgewährung von Heilbehandlung und Verletztengeld. Selbst wenn damit konkludent eine Entscheidung über das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen von Unfallfolgen getroffen worden wäre, hätte sich eine solche Regelung jedenfalls nicht auf die erst nach Erlass des Bescheides erstmals gestellten Diagnosen „chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren“ und „leichte depressive Episode“ beziehen können.
Der Senat geht jedoch für den hier zu entscheidenden konkreten Sachverhalt davon aus, dass dem Kläger die erneute Durchführung eines Veraltungsverfahrens zur Herbeiführung einer ausdrücklichen, förmlichen Entscheidung über die Anerkennung der erst mehrere Jahre nach dem Arbeitsunfall diagnostizierten und nunmehr geltend gemachten Gesundheitsstörungen nicht zumutbar ist. Die Beklagte hat im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens - unabhängig vom ursprünglichen Streitgegenstand - eine Anerkennung der chronischen Schmerzstörung sowie der depressiven Episode als Unfallfolge bereits konkludent abgelehnt. Die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens zur Feststellung der betreffenden Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen wäre deshalb eine bloße Formalität. Die von der Beklagten zu erwartende Verwaltungsentscheidung stünde bereits jetzt fest.
Der begehrten Feststellung steht im konkreten Fall auch kein denselben Gegenstand regelnder bindender Verwaltungsakt (§ 77 SGG) entgegen.
Der angefochtene Bescheid vom 31.03.2016 enthält - wie ausgeführt - keine Regelung zu den nunmehr geltend gemachten Unfallfolgen.
Auch dem im Verfahren L 15 U 77/15 zwischen den Beteiligten geschlossene Vergleich sowie dem im Anschluss erteilten Ausführungsbescheid vom 18.09.2018 lässt sich keine umfassende und abschließende Regelung hinsichtlich sämtlicher Unfallfolgen des Arbeitsunfalls vom 07.02.2012 entnehmen. Geregelt wird vielmehr - ausschließlich - die zusätzliche Anerkennung einer Psoriasis als vorübergehende Unfallfolge für einen begrenzten Zeitraum.
Weitere Bescheide, die eine bestandskräftige Regelung zu den hier gelten gemachten Unfallfolgen enthalten, liegen nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten nicht vor.
Die Feststellungsklage ist jedoch unbegründet.
Als Unfallfolgen sind nur solche Gesundheitsstörungen zu berücksichtigen, die entweder als Gesundheitserstschäden kausal (haftungsbegründende Kausalität) auf das Unfallereignis selbst oder als Gesundheitsfolgeschäden kausal (haftungsausfüllende Kausalität) auf den Gesundheitserstschaden bzw. die Gesundheitserstschäden zurückzuführen sind. Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt dabei, dass Gesundheitserst- bzw. Gesundheitsfolgeschäden, ebenso wie die Merkmale versicherte Tätigkeit, Verrichtung zur Zeit des Unfalls, Unfallereignis im Rahmen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der wesentlichen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen (haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität) die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 29/07 R -, juris, Rn. 16 m.w.N.).
Soweit bestimmte Gesundheitsstörungen geltend gemacht werden, die im Übrigen sowohl Gesundheitserstschäden als auch Gesundheitsfolgeschäden sein können, ist Voraussetzung für ihre Anerkennung als Unfallfolge zunächst die Feststellung der konkreten Gesundheitsstörungen, die bei dem Verletzten vorliegen. Dazu ist eine exakte Diagnose der Krankheit nach einem der international anerkannten Diagnosesysteme (z.B. ICD-10 oder DSM IV, nunmehr DSM V) erforderlich (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, juris, Rn. 22; BSG, Urteil vom 26.11.2019 - B 2 U 8/18 R -, juris, Rn.19).
Für die im nächsten Schritt erforderliche Beurteilung des Ursachenzusammenhangs (haftungsbegründende und/oder haftungsausfüllende Kausalität) zwischen dem Unfallereignis und den festgestellten physischen und/oder psychischen Gesundheitsstörungen gilt die Zurechnungslehre der Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R -, juris, Rn. 12 m.w.N.).
Diese Kausalitätsprüfung erfordert zunächst die Ermittlung der objektiven - naturwissenschaftlichen - Verursachung, bei der es darauf ankommt, ob die versicherte Verrichtung für das Unfallereignis und dadurch für den Gesundheitserstschaden oder den Tod eine Wirkursache war (BSG, Urteil vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112,177 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 46, Rz.31 ff; hierzu auch Ricke, WzS 2013, 241). Wirkursachen sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die infrage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen. Insoweit ist Ausgangspunkt die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der schon jeder beliebige Umstand als notwendige Bedingung eines Erfolges gilt, der nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Ob die versicherte Verrichtung eine Wirkursache in diesem Sinne war, ist eine rein tatsächliche Frage. Sie muss aus der nachträglichen Sicht (ex post) nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand des Fach- und Erfahrungswissens über Kausalbeziehungen beantwortet werden (grundlegend BSG, Urteil vom 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 44, Rz.55 ff; BSG, Urteil vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 46, Rn. 31 ff.). Dies schließt die Prüfung mit ein, ob ein Ereignis nach medizinisch-wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen und welche Vorerkrankungen/Schadensanlagen ggfls. bestanden haben, die nach den genannten wissenschaftlichen Kriterien ebenfalls geeignet sind, die geltend gemachte Gesundheitsstörung zu bewirken (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit eines naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhangs zwischen einem Körper- und/oder einem psychischen Gesundheitsschaden und einem Unfall ist gegeben, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernstliche Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 09.12.2003 - B 2 U 8/03 R - SozR 4-2200 § 589 Nr. 1 m. w. N). Allein das zeitliche Zusammentreffen der Beschwerden mit einem Unfallereignis und/oder das Fehlen von Alternativursachen reichen für die Bejahung eines Ursachenzusammenhangs dabei nicht aus.
Steht die versicherte Tätigkeit als eine der Wirkursachen fest, und sie also eine – von möglicherweise mehreren – Bedingungen für den Erfolg ist, ist auf der ersten Prüfungsstufe weiter zu klären, ob es für den Eintritt des Erfolgs noch andere Ursachen im Sinne der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie gibt. Erst wenn sowohl das versicherte Unfallereignis als auch andere Umstände als Ursachen des Gesundheitsschadens feststehen, ist auf einer zweiten Prüfungsstufe rechtlich wertend zu entscheiden, welche der positiv festzustellenden adäquaten Ursachen für die Gesundheitsstörung die rechtlich „wesentliche“ ist (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 15.05.2012 - B 2 U 31/11 R -, juris, Rn. 27 m.w.N.). Hierbei muss sich die Einwirkung unter Würdigung auch aller weiteren auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr darstellen. Kriterien zur Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache bei medizinischen Sachverhalten sind die versicherte Ursache als solche hinsichtlich Art und Stärke, einschließlich des zeitlichen Ablaufs, die konkurrierende(n) Ursache(n) hinsichtlich Art und Stärke, Krankheitsbild und Krankengeschichte, also die weitere Entwicklung und mögliche Vorgeschichte (siehe hierzu statt vieler BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, juris, Rn. 15 f. m.w.N.).
Gab es neben dem versicherten Ereignis noch konkurrierende Ursachen, z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, solange die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine Krankheitsanlage war von überragender Bedeutung, wenn sie so stark und so leicht ansprechbar war, dass die (naturwissenschaftliche) Verursachung akuter Erscheinungen/Störungen nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes alltäglich vorkommende Ereignis zu etwa derselben Zeit die Erscheinungen/Störungen verursacht hätte (BSGE 62,220-224, SozR 2200 § 589 Nr.10). War die Krankheitsanlage von überragender Bedeutung, so ist die versicherte naturwissenschaftliche Ursache nicht als wesentlich anzusehen und scheidet als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung aus; sie ist dann bloß eine sog. Gelegenheitsursache.
Unter Zugrundelegung der dargelegten Grundsätze sind die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen in Form einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie einer leichten depressiven Episode nicht wesentlich ursächlich auf den Arbeitsunfall vom 07.02.2012 zurückzuführen.
Zwar geht der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon aus, dass die vom Kläger auf den Arbeitsunfall zurückgeführten Gesundheitsstörungen in Form einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie einer leichten depressiven Episode im Vollbeweis feststehen. Der Sachverständige OG. hat in seinem Gutachten vom 29.10.2019 nach ambulanter Untersuchung des Klägers sowie Durchführung einer neuropsychologischen Testung eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F45.41) sowie eine leichte depressive Episode (F32.0) diagnostiziert und seine Diagnostik ausführlich begründet. Dieser diagnostischen Einordnung, die mit der im Bericht des Universitätsklinikums Z. vom 07.07.2017 übereinstimmt, ist auch der Beratungsarzt UE. in seiner Stellungnahme vom 09.01.2020 gefolgt. Der Sachverständige S. hat zwar die vorgenannten Diagnosen nicht ausdrücklich gestellt, jedoch ausgeführt, dass er grundsätzlich durchaus der diagnostischen Einordnung von OG. folge, allerdings einen Ursachenzusammenhang mit dem Arbeitsunfall ausschließe.
Die chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie die leichte depressive Episode sind jedoch zur Überzeugung des Senats nicht wesentlich ursächlich auf den Arbeitsunfall vom 07.02.2012 zurückzuführen.
Der Sachverständige S. hat zwar ausgeführt, dass es ohne das Unfallereignis syndromal naturgemäß nicht zu einer Schmerzstörung gekommen wäre und somit den auf der ersten Stufe zu prüfenden naturwissenschaftlich-philosophischen Kausalzusammenhang bejaht. Es liegt jedoch zur Überzeugung des Senats keine auf der zweiten Stufe zu prüfende „wesentliche“ Verursachung im Rechtssinne vor.
Gesundheitsstörungen, die nicht durch einen Gesundheitserstschaden verursacht sind, sondern allein wesentlich auf Auswirkungen einer durch das Unfallereignis verursachten Gesundheitsstörung auf die Lebensumstände zurückgeht, sind nicht als Unfallfolge anzuerkennen. Rechtlich relevante Glieder der Kausalkette sind neben dem Versicherungsfall nur Gesundheitsschäden. Ein wesentlicher unfallbedingter Zusammenhang eines psychischen Leidens liegt nicht schon dann vor, wenn in der Persönlichkeitsstruktur des Versicherten angelegte Eigenschaften durch das Unfallereignis, die physischen Unfallfolgen oder die Unfallabwicklung des Unfallversicherungsträgers stimuliert werden, da Maßstab der wertenden Beurteilung ist, dass nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand aus objektiver Sicht ein Zusammenhang herzustellen ist und allein die subjektive Sicht des Versicherten nicht ausreicht. Es würde den Rahmen des Schutzbereiches der gesetzlichen Unfallversicherung sprengen, wenn jede Ursache, die ein allgemeines Lebensrisiko darstellt, als „wesentlich“ durch das Ereignis bedingt anzusehen wäre. Selbst wenn keine Krankheitsanlage oder kein Vorschaden im Sinne einer bereits bestehenden psychischen Erkrankung vor dem Unfallereignis feststellbar ist, bedeutet dies nicht, dass damit automatisch das Unfallereignis als wesentliche Ursache einer psychogenen Störung zu werten ist. Vielmehr muss bei psychischen Störungen der Schweregrad des Unfallereignisses, der Schweregrad des Unfallerlebens, der zeitliche Zusammenhang zwischen Unfall und psychischen Folgen, die Persönlichkeit des betroffenen Menschen in seinem sozialen Gefüge und seiner jeweiligen Lebenssituation sowie mögliche sekundäre Motive und psychosoziale Faktoren aus dem persönlichen Umfeld berücksichtigt werden (vgl. zum Ganzen LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.01.2023 - L 3 U 984/21 -, juris, Rn. 62 m.w.N.).
Nach den schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen S., denen sich der Senat vollumfänglich anschließt, stehen in der Entwicklungsdynamik ab 2015 völlig unfallfremde Maßnahmen in Form von dominierenden persönlichkeitsgebundenen Faktoren, auch bedingt durch die kardiale Erkrankung, im Vordergrund. So schilderte der Kläger im Rehabilitationsbericht der Fachklinik D. vom 18.08.2015 neben der Belastung durch den Arbeitsunfall und seine Folgen eine seit mehreren Jahren bestehende psychische Belastungssituation mit familiärer (Tod des Vaters und des Schwiegervaters, psychische Probleme des Sohnes) und vor allem auch beruflicher (mehr Stress und „Druck von oben“) Belastung. Zudem gab er an, er habe Angst, dass es unter einer Stresssituation zu einem erneuten Herzinfarkt komme. Darüber hinaus ist nach den Ausführungen des Sachverständigen als unfallunabhängiger Faktor die persönlichkeitsimmanente Kränkungsreaktion auf die Arbeitsplatzumsetzung auf den als minderwertig erachten Arbeitsplatz als Pförtner zu berücksichtigen. Schließlich ist nach den Ausführungen von S. auch der zeitliche Verlauf zu berücksichtigen, da nach der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung eine unfallbedingte chronische Schmerzstörung zeitnah Erstsymptome zeigen sollte. Eine relevante psychische Symptomatik im Sinne einer Brückensymptomatik war jedoch nach seinen Ausführungen nicht vorhanden, eine Stimmungsstörung war vielmehr erst im späteren Zeitverlauf und bedingt durch persönlichkeitsimmanente Faktoren, Fehlverwindungen und auch andere körperliche Erkrankungen wie Herzinfarkte begründbar. Neuropathische Schmerzen bzw. ein chronisches Schmerzsyndrom wurden - bei konstant unauffällig neurologischen Befunden - erstmals ab August 2015 diagnostiziert. Zu diesem Zeitpunkt bestanden jedoch auf unfallchirurgischem Fachgebiet keine wesentlichen Beeinträchtigungen mehr, allerdings hatte der Kläger zwischenzeitlich einen Herzinfarkt erlitten. Im Anschluss sind - vereinzelte - Behandlungen erst wieder ab Juni 2017 dokumentiert, wobei auch Prof. Dr. Heuft in seinem Bericht vom 07.07.2017 darauf hinweist, dass sich in der Anamnese Hinweise auf überdauernde neurotische Konflikte mit repetitiv dysfunktionalen Beziehungsmustern erkennen ließen, die die Entstehung bzw. Aufrechterhaltung der Symptomatik herleiten ließen. Vor diesem Hintergrund sind unfallfremde Faktoren für die Entstehung, Ausbildung und Aufrechterhaltung der bei dem Kläger vorliegenden psychischen Erkrankungen nach der Überzeugung des Senats von überragender Bedeutung.
Soweit der Sachverständige OG. ausgeführt hat, die chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie die Entwicklung einer leichten depressiven Episode im Rahmen der chronischen Schmerzkrankheit sei ursächlich durch den primären Arbeitsunfall bedingt, folgt der Senat dessen Einschätzung nicht. Das Gutachten ist bereits nicht schlüssig, da - worauf sowohl der Sachverständige S. als auch der Beratungsarzt UE. zutreffend hingewiesen haben - es an der zwingend erforderlichen Kausalitätsbeurteilung nach den vorgenannten Maßstäben der gesetzlichen Unfallversicherung unter Berücksichtigung der - u.a. im Rehabilitationsbericht aus 2015 vom Kläger selbst vorgetragenen - konkurrierenden unfallfremden Faktoren fehlt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.