L 20 AL 47/22

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 21 AL 32/21
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 AL 47/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 07.02.2022 wird zurückgewiesen.

 

Die Beteiligten haben einander auch im Berufungs­ver­fahren keine Kosten zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Der Streitwert wird endgültig auf 5.000,00 € festgesetzt.

 

Tatbestand:

 

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Verlängerung einer Erlaubnis zur Arbeitnehmer-Überlassung (AÜ).

 

Der in Polen ansässigen Klägerin war unter dem 02.01.2015 eine AÜ-Erlaubnis für längstens ein Jahr erteilt worden. Unter dem 27.01.2016 erfolgte eine neuerliche Erlaubnis für längstens ein Jahr. Unter dem 06.12.2016 wurde die Erlaubnis bis zum 27.01.2018 verlängert, unter dem 14.11.2017 erneut bis zum 27.01.2019.

 

Bereits am 26.02.2016 hatte sich ein ehemaliger Mitarbeiter der Klägerin telefonisch aus Polen bei der Beklagten gemeldet. Laut Aktenvermerk der Beklagten habe dieser Kenntnis von einer anstehenden Betriebsprüfung und wolle darauf hinweisen, dass von der Klägerin im Antragsverfahren vorgelegte Vertragsmuster bei der Überlassung der Leiharbeitnehmer nach Deutschland nicht genutzt würden, so dass Sozialver­sicherungsbeiträge (SV-Beiträge) nicht oder nicht in ausreichender Höhe geleistet würden. Gelebt würden ausschließlich die polnischen Verträge. Die Klägerin rechne im Übrigen mit dem Widerruf der bestehenden Erlaubnis, wolle aber weiterhin Arbeit­nehmerüberlassung betreiben und plane, über ihren Sohn eine Erlaubnis zu erlangen.

 

Am 28.03.2018 wandte sich das Hauptzollamt Bielefeld an die Beklagte mit der Bitte um Vorlage aller Unterlagen über die Klägerin. Unter dem 09.07.2018 über­sandte das Hauptzollamt der Beklagten Protokolle vom 22.06.2018 bzw. 25.05.2018 einer Vernehmung der überlassenen Arbeitnehmer S. H. und K. P. T.; einige Angaben in diesen Protokollen waren geschwärzt. In einer später vom Sozialgericht beigezogenen und in Auszügen als Kopie zurückbehaltenen Akte des Sozialgerichts Berlin S 91 BA 63/20 (Klägerin ./. Deutsche Rentenversicherung) sind diese Schwärzungen (bis auf eine Schwärzung des Beschuldigten im Protokoll vom 22.06.2018) nicht enthalten; im Protokoll vom 25.05.2018 ist ein „Strafverfahren … gegen W. C.“ (Restaurantbetreiber, bei dem die beiden Vernommenen tätig waren) ungeschwärzt benannt. Auf die (ungeschwärzten, den Beteiligten im Berufungsverfahren übersandten) Vernehmungs­proto­kolle wird Bezug genommen. Das Hauptzollamt übersandte der Beklagten ferner einen Aktenvermerk vom 19.06.2018. Danach waren am 10.11.2017 ein Gastronomiebetrieb nach dem SchwarzArbG überprüft und alle angetroffenen Arbeit­nehmer befragt worden. Die dort tätigen Köche H. und T. hätten angegeben, als selbständige Köche für den polnischen Vermittlerbetrieb der Klägerin in Deutsch­land tätig zu sein. Im Nach­gang sei gegen den Inhaber des geprüften Betriebes ein Ermittlungsverfahren (§ 266 StGB) eingeleitet worden, im Rahmen dessen der Betriebsinhaber und die beiden Köche vernommen worden seien. Mindestens einem der Köche sei durch die Klägerin suggeriert worden, in einem normalen Arbeits­verhältnis zu stehen, und dass damit einher­gehenden SV-Pflichten in Polen nachgekommen werde; Letzteres sei jedoch teilweise ausgeblieben. Zum anderen sei teilweise unrichtig über Selbständigkeit und damit verbundene Verpflichtungen aufgeklärt worden. Es sei weitestgehend überein­stimmend angegeben worden, dass die Klägerin in der Vergangenheit unter Nutzung unlauterer Mittel versucht habe, bei dem deutschen Entleiher für sich bessere Ver­tragskondi­tionen im „Verleih“ durchzusetzen. So seien beide Köche aufgefordert worden, durch kurzfristige und unangekündigte Arbeitsniederlegungen das bedeut­same Weihnachts­geschäft (2017) des Entleihers zu sabotieren. Auch sei versucht worden, durch unangekündigten Personalabzug kurz­fristig weiteren Druck auf den Entleiher auszuüben. Weiter sollten Drohanrufe sowohl an den Entleiher als auch an mindestens einen der Köche erfolgt sein. Ergebnis der Ermittlungen sei eine Schein­selbständigkeit der beiden Köche gewesen, weshalb der Sachverhalt der für eine Nachberechnung von SV-Beiträgen zuständigen Deutschen Rentenversicherung (DRV) vorgelegt worden sei.

 

Am 05.10.2018 beantragte die Klägerin abermals die Verlängerung der AÜ-Erlaubnis. Im Zuge des Verwaltungsverfahrens wies sie die Beklagte darauf hin, dass nach dem deutsch-polnischen Doppel­besteuerungsabkommen in Deutsch­land keine Steuerpflicht des Lohnempfängers (überlassene Person) bestehe, solange dieser sich nicht länger als 183 Tage in Deutschland aufhalte, sich Sitz und Wohnort des Arbeitgebers nicht in Deutschland befänden und dieser in Deutschland keine feste Filiale habe. Sie sei deshalb von einer Abführung von Steuern in Deutschland befreit. Die Beklagte vertrat daraufhin die Ansicht (E-Mail vom 28.11.2018), diese 183-Tage-Regelung gelte nicht, wenn der in Polen ansäs­sige Arbeitnehmer Zahlungen von einem deutschen Arbeitgeber erhalte und in Deutschland arbeite. Nach einem Erlass des deutschen Bundesfinanzministeriums nehme bei grenzüberschreitender Arbeit­nehmerüberlassung grundsätzlich der Entlei­her die wesentlichen Arbeitgeber­funktionen wahr; der ausländische Verleiher müsse sich deshalb in Deutschland zur Steuerentrichtung anmelden und Steuern hier ent­richten. Über die zutreffende Anwendung des deutsch-polnischen Doppelbesteue­rungs­ab­kom­mens verblieb in der Folge zwischen den Beteiligten Streit.

 

Nach Mitteilung eines Steuerberaters (E-Mail vom 08.01.2019), dass für die Klägerin eine Steuernummer beantragt worden sei, verlängerte die Beklagte unter dem 10.01.2019 die AÜ-Erlaubnis der Klägerin bis zum 27.01.2020.

 

Das Hauptzollamt Bielefeld übersandte der Beklagten mit Schreiben vom 11.02.2019 seinen Schlussbericht an die Staatsanwaltschaft Bielefeld in dem „Ermittlungsverfahren gegen die polnische Staatsangehörige U. Q.“ sowie eine Anhörung der Klägerin durch die DRV vom 05.02.2019. Auf den Abschlussbericht wird Bezug genommen. In dem Anhörungsschreiben teilte die DRV der Klägerin mit, die Tätigkeit der Köche sei in der Zeit vom 01.10.2016 bis zum 31.03.2017 im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt worden, so dass SV-Pflicht bestanden habe; wegen der weiteren Einzel­heiten wird auf das Anhörungsschreiben Bezug genommen. In der Folge forderte die DRV von der Klägerin mit Bescheid vom 22.03.2019 SV-Beiträge in Höhe von 4.210,21 € für den Zeitraum 01.10.2016 bis 31.03.2017 nach. Die Klägerin wies in ihrem dagegen eingelegten Widerspruch darauf hin, sie habe das Anhörungsschreiben nicht erhalten. Alle in ihrem Unternehmen mitarbeitenden Personen seien allerdings als Subunternehmer tätig; diese Personen – und nicht sie selbst – seien insofern zur Antragstellung auf sog. A1-Beschei­nigungen (Entsendebescheinigungen) beim polnischen Sozialversicherungs­träger verpflichtet, und sie selbst sei nicht zur Entrichtung von Sozialversicherungs­beiträgen für diese Personen verpflichtet. Die DRV wies den Widerspruch mit Wider­spruchsbescheid vom 06.02.2000 zurück. Einer der beiden Köche (T.) habe erst zum 01.04.2017 ein Gewerbe in Polen angemeldet. Der andere Koch (H.) habe zwar ein Gewerbe in Polen angemeldet gehabt. Die Gewerbeanmeldung sei jedoch kein Indiz für eine selbständige Tätigkeit. Die beiden „entliehenen“ Köche seien in den Betrieb (des deutschen Arbeitgebers) eingegliedert gewesen, hätten keinerlei unternehmerisches Risiko zu tragen gehabt, und eine Entsendebescheinigung aus Polen habe nicht vorgelegen. Hiergegen führt die Klägerin ein sozialgerichtliches Verfahren (Sozialgericht Berlin S 91 BA 63/20, derzeit in der Berufung anhängig beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 9 BA 11/23).

 

Mit Schreiben vom 25.03.2019 (richtig: 20.05.2019) hörte die Beklagte die Klägerin zu einem beabsichtigten Widerruf der Erlaubnis an. Die Klägerin habe eine mit Bescheid vom 10.01.2019 erteilte Auflage zur Vorlage einer Steuernummer eines deutschen Finanz­amtes innerhalb der gesetzten Frist bis zum 15.03.2019 nicht erfüllt. Die Klägerin teilte (im Anschluss an E-Mail-Kontakt mit der Beklagten) mit E-Mail vom 20.05.2019 eine Steuernummer mit. Das Schreiben vom 25.03.2019 habe sie nie erhalten. Auf Nachfrage der Beklagten gab sie mit E-Mail vom 07.06.2019 ergänzend an, die Steuernummer sei durch das Finanzamt Kiel erteilt worden.

 

Das Finanzamt Kiel teilte der Beklagten am 16.09.2019 telefonisch mit, die Klägerin habe dort eine sog. Null-Meldung abgegeben; dies heiße, dass vorgeblich keine Leiharbeitnehmer überlassen worden seien. Das Finanzamt wolle weiter prüfen. Wegen der weiteren Korrespondenz der Beklagten mit dem Finanzamt wird auf den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.

 

Am 22.10.2019 beantragte die Klägerin eine weitere „befristete Verlängerung“ der AÜ-Erlaubnis.

 

Mit Bescheid vom 21.01.2020 lehnte die Beklagte eine Verlängerung der Erlaubnis ab. Eine Erlaubnis oder Verlängerung sei (u.a.) zu versagen, wenn der Arbeitgeber die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitze (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG). Zu dieser Zuverlässigkeit gehöre auch die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge für die Arbeitnehmer. Das Hauptzollamt Bielefeld habe gegen die Klägerin ein Ermitt­lungsverfahren wegen des Verdachts auf Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt (§ 266a Abs. 1 und 2 StGB) geführt. Im Zeitraum vom 26.10.2016 bis zum 29.03.2017 habe die Klägerin Sozialversicherungsbeiträge für die Arbeitnehmer T. und H. nicht ordnungsgemäß in Deutschland abgeführt. Entsendebe­scheinigungen seien von der polnischen Sozialversicherung nicht ausgestellt worden, so dass Beiträge in Deutschland hätten abgeführt werden müssen (Territorialitäts­prinzip). Dies habe die Klägerin bis heute nicht getan. Auch habe sie in der Vergangenheit keine Lohnsteuer für die Leiharbeitnehmer an das deutsche Finanzamt gezahlt. Sie sei im November 2018 ausführlich über die Rechtslage informiert worden, dass die sog. 183-Tage-Regelung für polnische Verleiher nicht gelte und Lohnsteuer bereits ab dem ersten Tag der Überlassung an das deutsche Finanzamt abzuführen sei. Eine deutsche Steuernummer habe sie erst im Zuge der Anhörung zu einem Widerruf der Erlaubnis mitgeteilt. Da die Klägerin bereits vom 03.01.2015 bis zum 02.01.2016 sowie seit dem 28.01.2016 eine Erlaubnis besessen habe, hätte sie sich bereits vor Beginn der Erlaubnis am 03.01.2015 über die geltenden Bestimmungen informie­ren müssen; dies habe sie allerdings bis heute nicht getan. Nach den Gesamt­umständen besitze sie nicht die notwendige Zuverlässigkeit.

 

Die Klägerin legte Widerspruch ein mit der Begründung, sie habe alle mit dem Antrag auf Verlängerung der Erlaubnis verbundenen notwendigen formellen Anforderungen erfüllt. Hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit könne keine negative Zukunfts­prognose gestellt werden. Es sei falsch anzunehmen, dass die Herren T. und H. Arbeitnehmer der Klägerin gewesen seien. Diese hätten für die Klägerin viel­mehr lediglich Dienstleistungen erbracht. Der Vertrag mit dem deutschen Vertrags­partner habe ebenfalls diese Form der Zusammenarbeit bestimmt und sei kein AÜ-Vertrag. Mit der Auffassung der DRV über eine Scheinselb­ständigkeit bestehe kein Einverständnis; deren Entscheidung werde angefochten. Solange das Verfahren gegen die DRV nicht rechtskräftig entschieden sei, dürfe die Beklagte nicht von einer Vorenthaltung von SV-Beiträgen ausgehen. Selbst wenn Scheinselbständigkeit be­standen hätte, hieße dies noch nicht, dass mangels Vor­liegens einer Entsende­bescheinigung das Territorialprinzip zur Anwendung gelange. Wenn die Beklagte auf das Ermittlungsverfahren des Hauptzollamtes Bielefeld ver­weise, so bedeute ein solches Verfahren noch nicht, dass auch eine Straftat verübt worden sei. Sie habe von diesem Verfahren bis heute keine Nachricht erhalten und gehe davon aus, dass es eingestellt worden sei. Der Ansicht der deutschen Finanzbehörden zum deutsch-polnischen Doppelbesteuerungs­abkommen werde im Übrigen durch polnische Behör­den und Steuerberater nicht gefolgt. Nach einem Gutachten eines Steuer­beratungs­büros aus Stettin bestehe Lohn­steuerpflicht für die entliehenen Arbeit­nehmer allein in Polen. Sie habe insofern beim polnischen Finanzministerium den Antrag auf eine verbindliche Auslegung gestellt. Jedenfalls habe sie vorsichts­halber Lohnsteuer an das Finanzamt Kiel gezahlt (Kontoauszug über eine Zah­lung unter Vorbehalt vom 21.08.2019 für die Quartale 1 und 2 aus 2016 und das Quartal 4 aus 2018). Bei vorherigen Verlänge­rungen der Erlaubnis seien ihr auch keine entsprechenden Auflagen gemacht worden. Der Bescheid über die Versagung der Verlängerung verliere auch keinen einzigen Satz zu einer negativen Zukunfts­prognose. Gehe es – allein – um die beiden Köche, werde auf Umstände zurückge­griffen, die drei Jahre vor diesem Bescheid lägen und nicht mehr entscheidungs­relevant seien. Die Versagung der Erlaubnisverlängerung stelle im Übrigen für sie – zumal im Rahmen der Coronapandemie – eine unbillige Härte dar. Wegen der weite­ren Einzelheiten wird auf den Widerspruch der Klägerin Bezug genommen.

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.07.2020 (der Klägerin in Polen bekanntgegeben) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine Erlaubnis sei bereits dann zu versagen, wenn Tatsachen lediglich die Annahme rechtfertigten, dass ein Versagungstatbestand erfüllt sei (§ 3 Abs. 1 AÜG). Die Vorschrift enthalte insofern eine Beweiserleichterung für die Beklag­te. Es müssten ausreichend sichere Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Verleiher seine Arbeitgeberpflichten ord­nungs­gemäß erfüllen und die schützens­werten Inte­ressen der Leiharbeitnehmer nicht verletzen werde. Eine solche positive Prognose sei für die Klägerin nicht möglich. Die Widerspruchsbegründung entkräfte nicht die im an­gefochtenen Bescheid erhobenen Vorwürfe. Die Klägerin sei bereits im November 2018 darüber informiert worden, dass die Lohnsteuer ihrer Arbeitnehmer ab dem ersten Tag der Überlassung an das deutsche Finanzamt abzuführen sei. Erst im Au­gust 2019 sei sie ihrer Verpflichtung zur Zahlung für die Jahre 2016 und 2018 ohne Anerkennung einer Rechtspflicht nachgekommen. Es sei deshalb davon auszugehen, dass sie auch künftig Lohnsteuer nicht oder nicht in richtiger Höhe abführe. Für zwei Köche habe sie zudem SV-Beiträge nicht abgeführt, weil sie diese für Subunternehmer halte. Das Hauptzollamt habe jedoch deren Scheinselbständigkeit festgestellt; der Widerspruch gegen die Entschei­dung der DRV sei zurückgewiesen worden. Unab­hängig davon habe das Finanzamt Kiel mitgeteilt, bei der Klägerin bestehe keine Bereitschaft, Unterlagen und Auskünfte zur Sachverhaltsermittlung vorzulegen. Lägen Versagungsgründe vor, so bestehe kein Ermessen der Beklagten. Die erforderliche Zukunftsprognose falle für die Klägerin negativ aus. Es komme auch nicht darauf an, ob der Verleiher wiederholt oder schwer­wiegend gegen Arbeitgeberpflichten versto­ßen habe. Entscheidend sei, ob die Ein­haltung der Arbeitgeberpflichten erwartbar erscheine. Zwar führe nicht jeder Verstoß zur Versagung der Erlaubnis. Angesichts der sozialpolitischen Zwecksetzung des AÜG sei ein schwerwiegender Verstoß jedoch stets dann anzunehmen, wenn durch die Handlungsweise des Verleihers der soziale Schutz der Leiharbeitnehmer nachteilig beeinträchtigt werde. Ein Verstoß gegen die Abführungspflicht von Lohnsteuer und SV-Beiträgen wiege schwer; die Ver­sagung sei deshalb verhältnismäßig. Eine Erlaub­nis unter Auflage komme nicht in Frage. Eine Auflage dürfe nicht lediglich eine allgemeine Pflicht wiederholen, deren Erfüllung ohne­hin vom Gesetz vorausgesetzt oder erwartet werde. Eine Auflage an die Klägerin, die AÜ gesetzmäßig durch­zuführen, komme deshalb nicht in Betracht.

 

Hiergegen hat die Klägerin am 14.10.2020 Klage beim Sozialgericht Nürnberg erho­ben. Dieses hat sich nach Anhörung der Klägerin mit Beschluss vom 04.11.2020 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Düsseldorf verwiesen.

 

Die Klägerin hat vorgetragen, sie sei der Behauptung der Beklagten von fehlender Zuverlässigkeit mit ihrem Widerspruchsschreiben substan­tiiert entgegengetreten. Laut einem Vermerk im Verwaltungsvorgang habe dem Widerspruch aufgrund der umfangreichen und nachvollziehbaren Begründung abge­holfen werden sollen; allerdings sei diesem Vorschlag dann nicht gefolgt worden. Auf den Hinweis des Sozialgerichts, dass die einjährige Verlängerungsfrist (§ 2 Abs. 4 Satz 1 AÜG) ohnehin bereits abgelaufen sei, hat die Klägerin ein Fortset­zungs­feststellungs­interesse geltend gemacht, weil ihr in einem erneuten Antragsverfahren wiederum die Ablehnung einer AÜ-Erlaubnis drohe. Ihr seien zudem wegen Nicht­erteilung der AÜ-Erlaubnis Gewinne und Verdienstmöglichkeiten entgangen. Es bestehe Wiederholungsgefahr, und neue Antragsverfahren seien mit hohen Kosten verbunden. Eine Entschei­dung des Sozialgerichts Berlin im Verfahren gegen die DRV (S 91 BA 63/20) stehe noch aus; von ihr könne jedoch eine Doppel­zahlung von SV-Beiträgen in Deutschland und in Polen nicht verlangt werden. Die Klägerin hat (in polnischer Sprache sowie in beglaubigter deutscher Übersetzung) eine „Individuelle Auslegung“ des Direktors der staatlichen Finanzinfor­mationsstelle Piotrkow Trybu­nalski vom 10.07.2020 zum deutsch-polni­schen Doppel­besteuerungsabkommen vor­gelegt, der zufolge nach dem von der Klägerin zur Prüfung dargestellten Sachverhalt die Vergütun­gen ihrer nach Deutschland ent­sandten polnischen Leih­arbeitnehmer nur in Polen besteuert würden. Wegen der Einzelheiten wird auf das vor­gelegte Dokument Bezug genommen. Die Klägerin macht sich die dort vertretene Auslegung des Doppel­besteue­rungs­abkommens zu eigen.

 

Die Klägerin hat sinngemäß beantragt,

festzustellen, dass die Ablehnung der von der Klägerin beantragten Verlängerung der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung im Bescheid vom 21.01.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2020 rechtswidrig war.

 

Die Beklagte hat schriftlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

 

Die Klägerin habe weder einen Neu- noch einen weiteren Verlängerungsantrag ein­gereicht. Sie habe kein Fortset­zungs­fest­stellungsinteresse; nach Ablauf der AÜ-Erlaubnis habe sie keinen weiteren entspre­chenden Antrag gestellt. Die sog. 183-Tage-Regelung im deutsch-polnischen Doppel­besteuerungsabkommen gelte nicht, wenn ein in Polen ansässiger Arbeit­nehmer von einem deutschen Arbeitgeber Zahlungen erhalte und der Arbeitnehmer in Deutschland arbeite.

 

Das Sozialgericht hat die Steuerakte der Klägerin (N01) vom Finanzamt Kiel beigezogen; aus dieser lässt sich nicht ersehen, dass die Klägerin auch für die beiden Köche H. und T. Steuern entrichtet hat. Das Sozialgericht hat ferner die Akte S 91 BA 63/20 des Sozialgerichts Berlin beigezogen und nach Fertigung von auszugsweisen Kopien nach Berlin zurück­gesandt.

 

Mit Gerichtsbescheid vom 07.02.2022 hat das Sozialgericht (nach entsprechender vorheriger Anhörung der Beteiligten) die Klage abgewiesen. Sie sei wegen Fehlens eines Fort­setzungsfeststellungsinteresses unzulässig. Schadenser­satzansprüche habe die Klägerin nicht weiter beziffert oder konkretisiert; es sei völlig unklar, ob sie bestünden. Es reiche nicht aus, allgemein auf eine erleichterte Geltend­machung solcher Ansprüche hinzuweisen. Anhaltspunkte für eine konkrete Wieder­holungs­gefahr gebe es nicht. Denn die Klägerin habe es versäumt, eine neue Erlaub­nis nach § 2 Abs. 4 Satz 1 AÜG zu beantragen. Im Falle eines Neuantrags wäre nunmehr ein neues Verwaltungsverfahren durchzuführen, was aufgrund der aktuellen Tatsachen zu beurteilen wäre. Mit Beschluss vom gleichen Tage hat das Sozialgericht den Streitwert auf 5.000,00 € festgesetzt.

 

Gegen den ihr am 14.02.2022 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 10.03.2022 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, ein Fortsetzungs­feststellungsinteresse ergebe sich zum einen aus der Möglichkeit, künftig wegen Verdienstausfalls und der geschäftsschädigenden Wir­kung des angefoch­tenen Bescheides Schadensersatz geltend zu machen. Auf Anforderung könne sie den Verlust von Vertragspartnern und Gewinnen glaubhaft machen. Sie habe ein Interes­se, weiterhin im Rahmen des AÜG Arbeitnehmer zu „entsenden“. Ihr gehe es auch darum, ggf. Schadensersatz für eine erlittene Rufschädigung zu erreichen; im zivil­gerichtlichen Verfahren müsste dafür ein Anspruch nicht beziffert werden. Zum anderen bestehe die Gefahr einer Wieder­holung, da sich die Umstände nicht wesentlich geändert hätten. Einen neuen Antrag zu stellen, sei für sie nicht zumutbar, wenn doch der ablehnende Ausgang eines solchen Antrags vorhersehbar wäre. Ein solcher Antrag wäre auch mit erheblichen Kosten verbunden (tatsächlich erhebt die Beklagte eine Gebühr von 1.000,00 € pro Antrag). Der sich ergebende Teufelskreis könne nur durch eine gerichtliche Feststellung der Rechts­widrigkeit der angefochtenen Versagung durchbrochen werden. Steuern i.H.v. 1.921,61 € habe sie unter Vorbehalt an das Finanzamt Kiel gezahlt, damit keine evtl. Rückstände entstünden. Auf Nachfrage des Senats trägt sie weiter vor, gegen den unter dem 28.01.2020 erfolgten Widerruf einer Beschei­nigung in Steuersachen vom 18.10.2019 des Finanz­amts Kiel (sog. Unbe­denklich­keits­bescheinigung) sei kein Rechtsbehelfs­verfahren an­hängig; eine solche Beschei­nigung sei auch nicht Voraussetzung für eine AÜ-Erlaubnis. Die jetzt wider­rufene Beschei­ni­gung habe sie aus freien Stücken vorgelegt. Im Übrigen sei der Widerruf der Bescheinigung unbegründet, wenn doch gar keine Steuerrückstände bestünden; eine Steuerrückerstattung habe sie nicht beantragt. Als polnische Steuer­ansässige habe sie alle gebotene Sorgfalt gewahrt, wenn sie sich für eine rechtliche Auslegung an den dortigen Direktor der Staatlichen Finanzinfor­mationsstelle gewandt habe. Wenn die Beklagte Entsprechendes bei einer deutschen Stelle nicht getan habe, könne sie dieses Versäumnis nicht auf die Klägerin abwälzen. Vom Verfahren beim Hauptzollamt Bielefeld habe sie weder aktuelle Kenntnis, noch habe sie in der Vergangenheit Kenntnis davon gehabt. Zum Verfahren gegen die DRV sei anzumerken, dass die beiden Köche nicht ihre Arbeitnehmer gewesen seien. Weder eine deutsche noch eine polnische Stelle habe Klage auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses erhoben, und beide Herren seien nach wie vor als Unternehmer tätig. Die polnische Sozial­versiche­rungsanstalt (ZUS) habe 2020 eine Unbedenklich­keits­bescheinigung ausgestellt, welche der Beklagten vorliege; wenn es im vorliegenden Verfahren um SV-Beiträge für einen Zeitraum vor 2020 gehe, hätte die ZUS eine solche Bescheinigung nicht erteilt (in dieser „Unbedenklichkeitsbe­scheini­gung in der Beitragszahlung“ vom 26.02.2020 wird bescheinigt, dass die Klägerin – mit für sie angegebener Firmennummer – zu Beitragszahlung an die Sozial­versicherung, Kranken­versiche­rung, Arbeitslosenversi­che­rung und den Fond für Arbeiterleistungen verpflich­tet sei und aktuell keine Beitragsrückstände bestünden). Sie fühle sich wegen ihrer Herkunft diskriminiert und hilflos, weil von ihr beige­brachte Beweise und Fakten nicht berück­sichtigt würden.

 

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 07.02.2022 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 21.01.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2020 rechtswidrig die von der Klägerin beantragte Verlängerung der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung abgelehnt hat.

 

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

 

Sie verweist auf ihren Widerspruchsbescheid sowie auf den angefochtenen Gerichts­bescheid. Insbesondere reiche die bloße Möglichkeit einer Schadensersatzklage für ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht aus. Die Klägerin habe weder vorgetragen, dass eine solche Klage beabsichtigt sei, noch sei erkennbar, dass sie mit hinreichender Sicherheit noch zu erwarten sei. Hinsichtlich einer Wieder­holungsgefahr widerspreche sich die Klägerin, wenn sie einerseits die Fest­stellung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides für nötig halte, anderer­seits aber die neue Antragstellung gerade wegen des Bescheides unterlasse, auch wenn für sie ein Kostenrisiko bestehe. Mit der Steuerzahlung unter Vorbehalt an das Finanzamt Kiel sei die streitige Besteuerungsfrage nicht beantwortet; sie befreie die Klägerin nicht vom Vorwurf der Unzuverlässigkeit. Dieser gründe sich insbesondere darauf, dass die Klägerin in der Vergangenheit Lohnsteuer – zu deren Entrichtung sie seit Beginn ihrer Tätigkeit in der AÜ verpflichtet gewesen wäre – nicht abgeführt habe und ihre diesbezügliche Verpflichtung auch nach wie vor anzweifle. An dem Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin sei sie nicht beteiligt. Das Gutachten des Direktors der Staatlichen Finanzinformationsstelle Polens beruhe auf der Angabe der Klägerin, sie trage die Verantwortung für die Arbeitsergebnisse der Leiharbeitnehmer; dies sei jedoch – wie sich auch aus einem Erlass des Bundesfinanz­ministeriums vom 03.05.2018 ergebe, wonach der Entleiher grundsätzlich die wesent­lichen Arbeit­geberfunktionen wahrnehme – unzutreffend. Trotz Aufforderung durch den Senat habe die Klägerin im Übrigen nicht nachgewiesen, dass für die beiden Köche in Polen SV-Beiträge entrichtet worden seien; dies werde auch durch die allgemeine Bescheinigung der ZUS, dass keine Beitragsrückstände bestünden, nicht belegt.

 

Der Senat hat versucht, die beiden seinerzeit als Koch in Deutschland tätigen Herren H. und T. ausfindig zu machen. Herr H. war mittlerweile von Amts wegen nach unbekannt abgemeldet worden. Für Herrn T. war eine Anschrift in Hille/Nordrhein-Westfalen registriert; die Ladung als Zeuge zu einem Erörterungs­termin am 05.07.2023 war unter dieser Anschrift jedoch nicht möglich. Ein Erörte­rungstermin wurde im Anschluss daran nicht durchgeführt. Im Verfahren vor dem Sozial­gericht Berlin S 91 BA 63/20 sind beide Köche im März 2021 mangels Zustellbarkeit an eine bekannte Anschrift durch öffentliche Zustellung beigeladen worden. Der Senat hat der Klägerin Kopien der Vernehmungsprotokolle für beide Köche des Hauptzollamts Bielefeld übersandt und mitgeteilt, es sei nunmehr beab­sichtigt, diese Protokolle im Wege des Urkunden­beweises zu verwerten, sofern an­gesichts des Inhalts der Protokolle noch Interesse an einer gerichtlichen Ent­scheidung bestehe. Die Klägerin trägt im Anschluss daran weiter vor, die Protokolle beträfen den früheren deutschen Arbeitgeber der Köche W. C. und nicht sie. Sie sei am Ver­fahren des Hauptzollamtes Bielefeld nicht beteiligt gewesen; dennoch habe die Beklagte dieses Verfahren zur Begründung ihrer Entscheidung herangezogen, wofür es keine Rechts­grundlage gebe. Ihr sei insoweit kein rechtliches Gehör gewährt worden, und sie habe auch keine Einsicht in die Akten des Hauptzollamtes gehabt.

 

Beide Beteiligten haben sich abschließend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Vorgänge (Verwaltungsakte der Beklagten, Steuerakte des Finanzamts Kiel, vom Sozialgericht gefertigte Kopien aus Gerichtsakte und Verwaltungsvorgängen zum Verfahren der Klägerin gegen die DRV vor dem Sozialgericht Berlin S 91 BA 63/20) Bezug genommen. Der Inhalt liegt der vor­liegenden Entscheidung zugrunde.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

A. Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung über die Berufung der Klägerin entscheiden, weil die Beteiligten sich mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).

 

B. Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

 

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte hat es mit Bescheid vom 21.01.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2020 zu Recht abgelehnt, die zuletzt bis zum 27.01.2020 erteilte AÜ-Erlaubnis für ein weiteres Jahr zu verlängern.

 

I. Dabei lässt der Senat dahinstehen, ob die Klage (entgegen der Ansicht des Sozialgerichts) als sog. Fortset­zungs­feststellungklage zulässig ist.

 

1. Der Bescheid vom 21.01.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2020 versagte die Fortsetzung der bis zum 27.01.2020 reichenden AÜ-Erlaubnis der Klägerin für die Folgezeit, also ab dem 28.01.2020. Da eine Erlaubnis zur AÜ auf ein Jahr befristet wird (§ 2 Abs. 4 Satz 1 und 3 AÜG), hätte die Erlaubnis nur bis zum 27.01.2021 verlängert werden können. Eine (von diesem Regelfall abweichende) unbefristete Verlängerung (§ 2 Abs. 5 AÜG) kam schon deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin am 22.10.2019 aus­drücklich eine „befristete Verlängerung“ der AÜ-Erlaubnis beantragt hat.

 

Die von der Klägerin angefochtene Versagung hatte sich deshalb mit Ablauf des 27.01.2021 durch Zeitablauf erledigt (§ 39 Abs. 2 SGB X). Die Klägerin hätte an­schließend allenfalls eine Neuerteilung einer AÜ-Erlaubnis beantragen können; eine Verlängerung der bisherigen Erlaubnis kam indes nicht mehr in Betracht. Mit dieser Erledigung der Versagung war der von der Klägerin erhobenen Anfechtungsklage ab dem 28.01.2021 die Grundlage entzogen.

 

2. Ob deshalb die bisherige Anfechtungsklage als sog. Fortsetzungs­fest­stellungsklage fortgeführt werden kann und die Klägerin insbesondere – etwa weil eine sog. Wiederholungsgefahr besteht, d.h. eine hinreichend bestimmte konkrete Gefahr, dass die Beklagte wegen im Wesentlichen unver­änderter tatsächlicher und rechtlicher Umstände bei neuerlicher Beantragung einer AÜ-Erlaubnis eine gleichartige Entscheidung treffen werde (vgl. dazu Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 13. Aufl. 2020, § 131 Rn. 10b m.w.N.) – i.S.v. § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG ein berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen Feststellung hat, ob der von ihr angefochtene (sich zwischenzeitlich erledigt habende) Verwaltungsakt rechtswidrig ist, kann schon deshalb offenbleiben, weil der angefochtene Bescheid vom 21.01.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2020 rechtmäßig ist.

 

II. Die Fortsetzungsfeststellungklage ist jedenfalls unbegründet. Die von der Klägerin begehrte Feststellung kann auch im Falle der Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungklage nicht getroffen werden. Denn der Bescheid vom 21.01.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2020 lehnte zu Recht eine Verlängerung der AÜ-Erlaubnis der Klägerin ab.

 

1. Nach § 1 Abs. 1 AÜG (Erlaubnispflicht) bedürfen Arbeitgeber, die als Ver­leiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen (Arbeitnehmerüber­las­sung) wollen, der Erlaubnis (Satz 1). Arbeitnehmer werden zur Arbeitsleistung überlassen, wenn sie in die Arbeits­organisation des Entleihers eingegliedert sind und seinen Weisungen unterliegen (Satz 2). Die Überlassung und das Tätig­werdenlassen von Arbeitnehmern als Leiharbeitnehmer ist nur zulässig, soweit zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis besteht (Satz 3). Gemäß § 2 Abs. 4 AÜG ist die Erlaubnis auf ein Jahr zu befristen (Satz 1). Der Antrag auf Verlängerung der Erlaubnis ist spätestens drei Monate vor Ablauf des Jahres zu stellen (Satz 2). Die Erlaubnis verlängert sich um ein weiteres Jahr, wenn die Erlaubnisbehörde die Verlängerung nicht vor Ablauf des Jahres ablehnt (Satz 3). Gemäß § 3 Abs. 4 AÜG erhalten Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der „Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft“ (heute also der Euro­päischen Union) die Erlaubnis unter den gleichen Voraussetzungen wie deutsche Staatsan­gehörige.

 

2.a) Nach diesen Vorschriften kommt die Klägerin als Staatsangehörige eines Mitglied­staates der Europäischen Union (Polen) grundsätzlich für eine AÜ-Erlaubnis bzw. für die Verlängerung der ihr bis zum 27.01.2020 erteilten Erlaubnis in Betracht.

 

b) Die Klägerin war auch als Verleiherin i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG tätig.

 

aa) Die Köche T. und H. waren nach ihren nachvollziehbaren Angaben gegenüber dem Hauptzoll­amt Bielefeld am 25.05. bzw. 26.08.2018 durch Vermittlung der Klägerin im Restaurantbetrieb des Herrn W. C. als abhängig Beschäftigte tätig, Herr T. etwa seit Ende Oktober 2016, Herr H. ab Anfang März 2017. Beide haben als Zeugen übereinstimmend bekundet, dort nach einer bereits vorhandenen Speisekarte gekocht zu haben. Herr T. hat angegeben, dass die Dienstpläne ebenfalls vorgegeben gewesen seien, Herr H., dass die Öffnungszeiten vorbestimmt gewesen seien und Herr T. und er sich die Arbeits­zeiten (in diesem Rahmen) frei eingeteilt hätten. Beide Köche waren dort nach ihren Anga­ben in einem Stundenumfang beschäftigt, der auf eine Vollzeittätigkeit für einen einzigen Arbeitgeber schließen lässt (T.: monatlich zwischen 160 und 170 Stunden; H.: monatlich zwischen 160 und maximal 230 Stunden). Beide erhielten dafür einen Stundenlohn von der Klägerin (10,00 € netto); Herr H. hat angegeben, erfahren zu haben, dass der Restaurantbetreiber 17,00 € pro Stunde an die Klägerin habe zahlen müssen. Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in Polen seien durch die Klägerin entrichtet worden (H.) bzw. hätten von ihr dort entrichtet werden sollen, was jedoch abredewidrig nicht geschehen sei (T.). Beide hätten 2017 einen Urlaub genommen, und beide hätten sich selbst als Angestellter des Herrn C. (H.) bzw. als „ganz normalen Arbeiter“ (T.) angesehen.

 

Beide Aussagen machen deutlich, dass die Köche nicht selbständig (als „Subunter­nehmer“) tätig waren, sondern als abhängig Beschäftigte (vgl. zur Abgrenzung zwischen Arbeitnehmern und Selbständigen Brand in ders., SGB III, 9. Auflage 2021, § 138 Rn. 11 f.). Sie konnten sich selbst keine betriebliche Ordnung auswählen, son­dern waren ganz in die Betriebsorganisation des Restaurants eingebunden. Der Ge­schäftsablauf und die Geschäftsentscheidungen wurden maßgeblich vom Inhaber des Restaurants bestimmt, der damit auch das unternehmerische Risiko für das Restau­rant trug (während die Klägerin das unternehmerische Risiko eines Verleihers trug). Sie unterlagen dem Weisungsrecht des Herrn C.. Ihre Tätigkeit konnten sie allenfalls in puncto Aufteilung der vorgegebenen Arbeitszeiten unter­einander absprechen, nicht jedoch grundsätzlich über Arbeitskraft, Arbeitsort und Arbeitszeit frei verfügen. Sie arbeiteten nicht auf eigenen Unter­nehmens­gewinn hin, sondern gegen Stundenlohn.

 

bb) Die Angaben dieser beiden Köche gegenüber dem Hauptzollamt erscheinen glaubwürdig. Die Vernehmungen erfolgten zu einem Zeitpunkt, als beide Zeugen nicht mehr für die Klägerin tätig waren. Die Angaben beider decken sich im hier relevanten Aussagegehalt, obwohl die Verneh­mungen getrennt und in zeitli­chem Abstand voneinander durchgeführt wurden (25.05.2018 T., 22.06.2018 H.). Der Eindruck einer gegenseitigen Absprache, um der Kläge­rin zu schaden, kommt weder punktuell noch im Gesamtzusammenhang auf; es ist vielmehr keinerlei unredliche Belastungstendenz erkennbar.

 

Zwar wollte die Klägerin nach den Angaben des Herrn H. diesen von Anfang an als Subunternehmer einsetzen und dafür ein von diesem in Polen noch für ein zuvor von ihm selbständig geführtes Restaurant angemeldetes Gewerbe heranziehen. Sie habe dann jedoch Stundenlohn an ihn gezahlt, ohne dass er eigene Rechnungen hätte erstellen müssen, habe in Polen Steuern und Sozialversicherungsabgaben und „alles“ für ihn organisiert. Herr H. begann seine Tätigkeit im Restaurant nach seinen An­gaben Anfang März 2017. Etwa zu diesem Zeitpunkt (Anfang 2017) verlangte die Klägerin nach der Aussage des schon seit Ende Oktober 2016 aufgrund eines „nor­malen“ Arbeits­vertrages dort tätigen Herrn T. von diesem, seinen Arbeitsvertrag nicht weiter­zuführen und stattdessen in Polen ein Gewerbe anzumelden, um dann weiterhin in dem Restaurant zu arbeiten. Diese Gewerbeanmeldung sei dann zum 01.04.2017 erfolgt. Sozialabgaben in Polen hätten von der Klägerin (dennoch) weiter abgeführt werden sollen; er habe aber später bemerkt, von der Klägerin darum „betro­gen“ worden zu sein. Für ihn habe sich nach dem 01.04.2017 nichts geändert. Er habe weiterhin von der Klägerin je nach geleisteten Stunden Geld erhalten. Er habe keine Rechnungen schreiben müs­sen; das habe alles die Klägerin direkt mit dem Restau­rantinhaber erledigt.

 

cc) Gleichviel, wie die polnischen oder deutschen Verträge zwischen der Klägerin und den beiden Köchen gestaltet gewesen sein mögen, zeigt dies allein, dass die Klägerin die Köche als Scheinselbständige eingesetzt, sie tatsächlich aber abhängig beschäftigt hat. Ob sie dies aus unlauteren Absichten (etwa zum Ersparen von SV-Beiträgen oder Lohnsteuern) tat oder aus irrtümlichen Ansichten zum deutschen Recht, kann der Senat letztlich offenlassen.

 

dd) Ohne Bedeutung ist auch, dass das Hauptzollamt Bielefeld das dortige Verfahren zunächst gegen den Betreiber des Restaurants geführt haben mag. Hierauf deutet hin, dass sein Name aus einem der beiden aus der Akte der DRV entnommenen Verneh­mungsprotokolle als Beschuldigter in einem „Strafverfahren“ ersichtlich ist; später aller­dings ergibt sich aus dem Abschlussbericht des Hauptzollamtes an die Staatsan­waltschaft Bielefeld, dass nunmehr die Klägerin als Beschuldigte eines Ermittlungs­verfahrens benannt wurde.

 

Den Ausgang oder Stand dieses Verfahrens muss der Senat nicht klären; insbe­sondere kann offenbleiben, ob mit Rücksicht auf das Verfahren gegen die DRV das Ermittlungs- oder Strafverfahren ruht, oder ob es aus anderen Gründen eingestellt wurde. Eben­falls kann offenbleiben, ob die Klägerin von jenem Verfahren – wie sie vorträgt – nicht einmal Kenntnis erhalten hat.

 

ee) Denn jedenfalls kann der Senat die beiden Zeugenaussagen T. und H. vor dem Hauptzollamt Bielefeld vom 25.05. bzw. 22.06.2018 verwerten. Möglich ist dies (allein) durch Heranziehung der Ver­nehmungsprotokolle im Wege des Urkundenbeweises. Eine ergänzende Vernehmung beider Zeugen konnte nicht stattfinden, da deren jetziger Aufenthalt nicht ausfindig gemacht werden konnte; schon im Verfahren gegen die DRV konnten beide nur im Wege öffentlicher Zustellung (im März 2021) beigeladen werden. Beide Ver­nommenen sind ausweislich der Protokolle des Hauptzollamtes über ihre Wahrheitspflicht sowie über eine ggf. eintretende Straf­barkeit nach §§ 164, 258 oder 257 StGB bei falschen Angaben informiert worden. Die Verneh­mungsprotokolle verschaffen dem Senat deshalb eine ausreichende Beurtei­lungs­grundlage für das vorliegende Verfahren.

 

Die Klägerin kann auch nicht damit gehört werden, ihr sei insoweit kein rechtliches Gehör gewährt worden. Der Senat hat ihr eigens die hinsichtlich der Aussagen unge­schwärz­ten Vernehmungsprotokolle übersandt, und die Klägerin hat hierzu auch tat­sächlich Stellung genommen.

 

2. Die Klägerin erfüllte ab dem 28.01.2020 gleichwohl nicht die Voraussetzungen, die für eine Verlängerung der ihr bis zum 27.01.2020 bestandskräftig erteilten Erlaubnis hätten erfüllt sein müssen.

 

Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG ist die Erlaubnis oder ihre Verlängerung zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die für die Ausübung der Tätigkeit nach § 1 AÜG erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere weil er die Vorschriften des Sozialversicherungsrechts, über die Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer, über die Arbeitsvermittlung, über die Anwerbung im Ausland oder über die Ausländerbeschäftigung, über die Überlas­sungshöchstdauer nach § 1 Abs. 1b AÜG, die Vorschriften des Arbeits­schutz­rechts oder die arbeitsrechtlichen Pflichten nicht einhält.

 

a) Der Senat kann die zwischen den Beteiligten streitige Frage offenlassen, ob die Klägerin die Vorschriften über die Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer einge­halten hat, oder ob jedenfalls die nachträgliche Entrichtung von Lohnsteuer an das Finanz­amt Kiel unter Vorbehalt am 21.08.2019 diese Voraussetzung als erfüllt unterstellen lässt. Insbesondere muss der Senat nicht klären, ob die Klägerin – entsprechend der von ihr unter Beibringung einer gutachterlichen Äußerung des Direktors der polnischen staatlichen Finanzinformationsstelle vertretenen Ansicht – in Polen Lohnsteuer entrichten musste, oder ob dies – entsprechend dem von der Beklagten unter Hinweis auf einen Erlass des Bundesfinanzministeriums eingenom­menen Standpunkt – in Deutschland zu erfolgen hatte. Der Klägerin steht es indes frei zu prüfen, ob sie vom Finanzamt Kiel eine Rückzahlung der unter Vorbehalt (und ohnehin nur für andere Arbeitnehmer als die Köche H. und T.) gezahlten Lohnsteuer fordern und im Falle einer Ablehnung diese einer finanzgerichtlichen Prüfung zuführen will.

 

Ebenso kann für das vorliegende Verfahren offenbleiben, ob die Klägerin für die Tätig­keit der Köche H. und T. in Deutschland SV-Beiträge zu entrichten hatte bzw. noch zu entrichten hat. Diese Frage wird derzeit nach Angaben der Klägerin im Berufungsverfahren gegen die DRV vor dem Landes­sozialgericht Berlin-Brandenburg L 9 BA 11/23 gerichtlich geklärt. Auch die Frage, ob eine Entrichtung in Polen an die ZUS für die beiden Köche tatsächlich stattgefunden hat (aus der Unbedenklich­keitsbescheinigung der ZUS geht nicht hervor, für welche konkreten Arbeitnehmer die Klägerin dort Beiträge entrichtet hat), kann für die Zwecke des vorliegenden Verfah­rens dahinstehen.

 

b) Denn die erforderliche Zuverlässigkeit der Klägerin für eine Tätigkeit in der AÜ lässt sich schon aus anderen Gründen nicht feststellen.

 

aa) Der Begriff der Unzuverlässigkeit ist ein unbestimmter, gerichtlich voll überprüf­barer Rechtsbegriff. Die Tatbestände, die § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG für eine Unzu­verlässigkeit anführt, sind lediglich Regelbeispiele (Höpfner in Henssler/Willem­sen/Kalb, Arbeits­recht Kom­men­tar, 10. Auflage 2022, § 3 AÜG Rn. 8 m.w.N.). Aus dem Gesetzes­wortlaut („insbe­sondere“) folgt vielmehr, dass es sich nicht um einen abschließenden Katalog von Unzuverlässigkeits-Tat­beständen handelt. Unzuver­läs­sigkeit kann sich vielmehr auch aus anderen Umständen ergeben (a.a.O. Rn. 14). Maßgeblich ist, ob im Einzelfall aufgrund der Schwere des jeweiligen Verstoßes eine Unzuverlässigkeit des Antragstellers angenommen werden kann (a.a.O. Rn. 15).

 

Dabei ist die Erlaubnisbehörde nicht verpflichtet, den Sachverhalt vor ihrer Ent­scheidung vollständig aufzuklären oder das Vorliegen eines Versagungs­grundes zu beweisen. Vielmehr genügt der Nachweis von Tatsachen, aus denen mit hin­reichender Sicherheit auf das Vorliegen von Versagungsgründen geschlos­sen werden kann. Maßgeblich ist dabei der Zeitpunkt, in dem die Entscheidung der Erlaubnisbehörde ergeht. In diesem Zeitpunkt ist eine Prognose darüber anzu­stellen, ob der Antragsteller unter Berücksichtigung seines bisherigen Verhaltens auch in Zukunft die Pflichten des § 3 Abs. 1 AÜG beachten wird (a.a.O. Rn. 6 m.w.N.); bei länger zurückliegendem Fehlverhalten des Antragstellers nimmt die Bedeutung dieses Verhaltens für die Zuverlässigkeitsprognose mit wachsendem zeitlichen Abstand ab (a.a.O. Rn. 14).

 

bb) Nach Ansicht des Senats begründet sich eine fehlende Zuverlässigkeit auch darin, wenn der Verleiher seine nicht (allein) gegenüber den Arbeitnehmern, sondern auch gegenüber dem Entleiher eingegangenen Verpflichtungen unzureichend erfüllt oder sie gar konterkariert. Auch dann ist – außerhalb der Regelbeispiele des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG – eine Versagung der Erlaubnis bzw. der Verlängerung einer Erlaubnis begründet. Bei der Erlaubnispflicht zur AÜ handelt es sich um ein präventives Verbot mit Erlaub­nisvorbehalt (Henss­ler, a.a.O. Rn. 2). Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass derjenige, der eine Erlaubnis beantragt, seine Pflichten als Verleiher auch erfüllt. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG werden Arbeitnehmer „zur Arbeitsleistung“ überlassen (Hs. 1); dazu müssen sie in die Arbeitsorganisation des Entleihers ein­gegliedert sein und dessen Weisungen unterliegen (Hs. 2). Auch wenn das AÜG den arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Schutz der überlassenen Arbeit­nehmer sicher­stellen soll (a.a.O., § 1 Rn. 1), ist – schon wegen möglicher negativer Rückwir­kungen auf die Interessen der beim Entleiher tätigen Leiharbeitnehmer – eine Unzuver­lässigkeit etwa dann anzunehmen, wenn der Verleiher ganz oder teil- bzw. zeitweise die Leih­arbeitnehmer dazu auffordert, gerade keine bzw. nur eine unzureichende Arbeitsleistung für den Ent­leiher zu erbringen und damit dessen Arbeits­organisation bewusst zu sabo­tieren.

 

Für ein solches konterkarierendes Verhalten der Klägerin bestanden im Zeitpunkt der von der Beklagten zu treffenden Zuverlässigkeitsprognose hinreichende und gewich­tige tatsächliche Anhaltspunkte, welche die zwischen den Beteiligten streitige Versagung der Verlängerung der AÜ-Erlaubnis rechtfertigten. Im Übrigen gibt es solche Anhaltspunkte auch hinsichtlich einer Verletzung von schützenswerten Interessen der beiden Köche T. und H..

 

(a) Allerdings reicht hierfür eine telefonische Mitteilung vom 26.02.2016 eines ehema­ligen Mitarbeiters der Klägerin aus Polen nicht aus. Dieser hatte der Beklagten gemel­det, er habe Kenntnis von einer anstehenden Betriebsprüfung und wolle darauf hinwei­sen, dass von der Klägerin im Antragsverfahren vorgelegte Vertragsmuster bei der Überlassung der Leiharbeitnehmer nach Deutschland nicht genutzt würden, so dass SV-Beiträge nicht oder nicht in ausreichender Höhe geleistet würden. Gelebt würden ausschließlich die polnischen Verträge. Die Klägerin rechne im Übrigen mit dem Widerruf der bestehenden Erlaubnis, wolle aber weiterhin Arbeit­nehmerüberlassung betreiben und plane, über ihren Sohn eine Erlaubnis zu erlangen. Die Beklagte ist – soweit aus ihrem Verwaltungsvorgang ersichtlich – diesem Hinweis nicht weiter nach­gegangen; ob er ganz oder teilweise zutraf, kann deshalb vom Senat von vornherein nicht beurteilt werden. Auf die Frage, ob die geschilderten Umstände bei der von der Beklagten Anfang 2020 zu treffenden Prognose noch hinreichende Aktualität besaßen, kommt es deshalb nicht an.

 

(b) Eine Zuverlässigkeit der Klägerin zum Prognosezeitpunkt Anfang des Jahres 2020 lässt sich jedoch wegen der Zeugenaussagen nicht feststellen, welche die beiden in Deutschland tätigen, von der Klägerin hierher vermittelten Köche T. und H. am 25.05.2018 bzw. am 22.06.2018 bei ihrer Vernehmung als Zeugen durch das Hauptzollamt Bielefeld gemacht machen.

 

Aus den Angaben der beiden Zeugen vor dem Hauptzollamt folgt, dass eine Zuverlässigkeit der Klägerin i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG nicht feststellbar ist.

 

(aa) Bereits das Ansinnen der Klägerin, die beiden Köche als Scheinselbständige statt als abhängig Beschäftigte tätig werden zu lassen, begründet eine Unzuverlässigkeit. Zumindest im Fall des Kochs T. führte dies nach dessen Angaben zudem dazu, dass abredewidrig keine SV-Beiträge abgeführt wurden (ob diese ohnehin statt in Polen in Deutschland hätten abgeführt werden müssen – was sie ersichtlich nicht wurden –, ist im Verfahren der Klägerin gegen die DRV zu klären). Beide Köche gaben darüber hinaus an, während ihres Urlaubs kein Entgelt erhalten zu haben; zumindest den An­gaben des Herrn T. ist zu entnehmen, dass dies eigentlich „hätte passie­ren müssen“. Dem Koch H. wurde zunächst der Lohn für Dezember 2017 vorent­halten. Die Klägerin wollte ihn auf diese Weise zwingen, eine neue Stelle in Berlin anzutreten, statt weiterhin im Restaurant des Herrn C. tätig zu sein. Erst nach Unterschreiben eines neuen Vertrages für eine Stelle in Berlin (die er dann aber nicht ange­treten hat) wurde ihm der zustehende Lohn ausgezahlt.

 

(bb) Schwer wiegt zudem, dass die Klägerin versucht hat, die beiden Köche in der Weih­nachtszeit 2017 – in der das Restaurant, wie allgemein üblich, besonders gut gebucht war – zum Verweigern der Arbeitsleistung zu veranlassen. Sie wollte so den Betreiber des Restaurants unter Druck setzen und letztlich eine Erhöhung der von den Köchen zu leistenden Arbeitsstunden erreichen, welche aber im Dauer­betrieb des Restaurants nicht anfielen. Denn die Klägerin rech­nete (vgl. die Angaben des Zeugen H. zu den Netto-Stundenlöhnen im Vergleich zu dem vom Inhaber an die Klägerin zu zahlenden Stundenlohn) mit dem Betreiber nach der Anzahl der von den Köchen geleisteten Stunden ab und hatte daher ein eigenes wirtschaftliches Interesse an möglichst hohen Stundenzahlen. Ein solches Unterdrucksetzen des Entleihers durch den Verleiher (das zudem auch die Leih­arbeitnehmer im Verhältnis zu Ersterem zumindest in eine unangenehme Situation bringt) begründet die Unzuverlässigkeit des Verleihers zur AÜ.

 

c) Diese Geschehnisse – im Wesentlichen im Laufe und zum Ende des Jahres 2017 – waren im Zeitpunkt der von der Beklagten zu treffenden Zuverlässigkeitsprognose Anfang 2020 nicht etwa schon so lange her, dass darauf nicht mehr abgestellt werden könnte. Denn zum einen zeugt das Unterdrucksetzen des Entleihers im Dezember 2017 – als denkbar unakzeptables Gebaren – von einer tief­greifenden Fehl­vorstellung der Klägerin davon, was in der (von den jeweiligen nationalen Behörden naturgemäß schwerer zu überwachenden) transnationalen AÜ ein hinnehmbares geschäftliches Verhalten sei. Der Senat geht davon aus, dass es sich bei dieser Fehlvorstellung der Klägerin nicht um einen kurzfristigen Verlust des Redlichkeitsempfindens handelt, welcher von ihr alsbald als inakzeptabel erkannt und bedauert worden wäre. Entsprechendes gilt für das Vorenthalten von Lohn für Urlaubszeiten oder bis zur Unterschrift unter einen von der Klägerin gewünschten neuen Arbeitsvertrag für eine Tätigkeit an einem anderen Ort. Zum anderen hält die Klägerin selbst aktuell an Rechtsstand­punkten fest, die eine redliche Tätigkeit der AÜ ausschließen, wenn sie die beiden Köche nach wie vor nur als selb­ständige Subunternehmer betrachten will.

 

3. Was im Falle eines etwa künftigen Neuantrags der Klägerin auf Erlaubnis zur AÜ ange­sichts des dann weiteren zeitlichen Abstands anzunehmen wäre, muss der Senat nicht klären. Jedenfalls im Zeitpunkt der Prognoseentscheidung der Beklagten Anfang bzw. Mitte 2020 stand fest, dass die Klägerin die zur AÜ notwendige Zuverlässigkeit nicht besaß. Zusammenfassend hat deshalb die Beklag­te die Verlängerung der bis zum 27.01.2020 bestehenden Erlaubnis für ein weite­res Jahr zu Recht abgelehnt; ein Fortsetzungs­feststellungsinteresse an einer Rechtswidrigkeit dieser Ablehnung kann deshalb von vornherein nicht bestehen.

 

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2
VwGO.

 

D. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) bestehen nicht.

 

E. Die Festsetzung des Streitwertes auf 5.000,00 € beruht auf 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 2 und 3 und § 47 Abs. 1 Satz 1 GKBerlin Der Sach- und Streitstand bietet für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhalts­punkte, so dass der sog. Auffangstreitwert von 5.000,00 € anzunehmen ist.

Rechtskraft
Aus
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