Ein rechtswidriger Verwaltungsakt ist auch dann zurückzunehmen, wenn dessen Rechtmäßigkeit bereits durch rechtskräftiges Feststellungsurteil bestätigt worden ist.
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts BadenWürttemberg vom 5. Oktober 2020 aufgehoben und die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
G r ü n d e :
I
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Die Beteiligten streiten im Überprüfungsverfahren darüber, ob das LWSLeiden des Klägers als Berufskrankheit nach Nr 2108 (BK 2108) der Anlage 1 zur BKV festzustellen ist.
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Der Kläger arbeitete seit 1973 in der Produktion eines KfzHerstellers und wechselte wegen Rückenbeschwerden ab 1994 in den Bereich Nacharbeit und Analyse. Die Beklagte stellte ua fest, es bestehe keine BK 2108, weil ein belastungskonformes Schadensbild fehle (Bescheid vom 16.2.2012; Widerspruchsbescheid vom 29.11.2012). Das SG wies die Klage auf gerichtliche Feststellung der BK 2108 ab (Urteil vom 24.5.2016). Nachdem der Kläger im Berufungsverfahren beantragt hatte, die Beklagte zur behördlichen Feststellung der BK 2108 zu verurteilen, wies das LSG die Berufung zurück, weil zwischen dem Ende der relevanten Einwirkungen 1987 und der erstmaligen LWSbedingten Arbeitsunfähigkeit 1994 keine plausible zeitliche Korrelation bestehe und ein belastungskonformes Schadensbild fehle (Urteil vom 26.1.2018 L 8 U 2619/16 BeckRS 2018, 15156). Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde verworfen (BSG Beschluss vom 5.6.2018 B 2 U 72/18 B juris).
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Den Überprüfungsantrag des Klägers lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 27.8.2018; Widerspruchsbescheid vom 5.12.2018). Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 10.9.2019), das LSG die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 5.10.2020). Aufgrund des Berufungsurteils vom 26.1.2018 stehe rechtskräftig fest, dass keine BK 2108 vorliege. Damals habe der Kläger erfolglos die gerichtliche Feststellung der BK 2108 begehrt. Werde eine auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtete Klage rechtskräftig abgewiesen, stehe das Gegenteil der begehrten Feststellung, nämlich das Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses fest. Die Rechtskraft des Feststellungsurteils könne im Gegensatz zur Rechtskraft anderer Urteilsarten nicht durch § 44 SGB X überwunden werden.
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Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen (§ 103 SGG) und materiellen Rechts (§ 44 SGB X). Der Einwand der entgegenstehenden Rechtskraft des Berufungsurteils vom 26.1.2018 könne nicht erhoben werden, weil im Zugunstenverfahren über einen anderen Streitgegenstand gestritten werde.
5
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts BadenWürttemberg vom 5. Oktober 2020, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 10. September 2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. August 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Dezember 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 16. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. November 2012 teilweise zurückzunehmen und das Lendenwirbelsäulenleiden als Berufskrankheit nach Nr 2108 der Anlage 1 zur BerufskrankheitenVerordnung festzustellen.
6
Die Beklagte, die dem angefochtenen Urteil beipflichtet, beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
II
7
Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Die festgestellten Tatsachen reichen für eine abschließende Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch auf Rücknahme der Ablehnung im Ausgangsbescheid und Feststellung der BK 2108 nicht aus.
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Der Kläger begehrt im Wege der Kombination (§ 56 SGG) einer Anfechtungs und zweier Verpflichtungsklagen (§ 54 Abs 1 Satz 1 Var 1 und 3 SGG) die Ablehnungsentscheidung im Bescheid vom 27.8.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.12.2018 (§ 95 SGG) gerichtlich aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, ihren bestandskräftigen (§ 77 SGG) Verwaltungsakt (§ 31 Satz 1 SGB X) über die Ablehnung der BK 2108 im Ausgangsbescheid vom 16.2.2012 sowie den Widerspruchsbescheid vom 29.11.2012 zurückzunehmen und das LWSLeiden als BK 2108 behördlich festzustellen.
9
Die erstrebte Rücknahme richtet sich nach § 44 Abs 2 SGB X. Danach ist (gebundene Entscheidung) ein nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen, soweit er (anfänglich) rechtswidrig ist (Satz 1); er kann (Ermessen) auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Satz 2). Diese Bestimmungen sind hier anwendbar, weil die Voraussetzungen des grundsätzlich vorrangigen § 44 Abs 1 SGB X nicht vorliegen (dazu 1.). Der Bescheid vom 16.2.2012 verkörpert einen nicht begünstigenden Verwaltungsakt (dazu 2.), der wirksam und unanfechtbar geworden ist (dazu 3.). Ob er anfänglich rechtswidrig war, weil die Beklagte bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen ist, der sich als unrichtig erweist, lässt sich nicht abschließend beurteilen (dazu 4.).
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1. Die allgemeine Regelung des § 44 Abs 2 SGB X bildet einen Auffangtatbestand ("im Übrigen") für Fälle, in denen der spezielle § 44 Abs 1 SGB X wie hier nicht anwendbar ist (BSG Urteile vom 8.10.2014 B 3 KS 6/13 R SozR 45425 § 24 Nr 14 RdNr 13 und vom 16.2.2012 B 9 SB 2/11 R SozR 43250 § 69 Nr 14 RdNr 17). Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Außerhalb der Beitragserhebung erfasst § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X somit nur solche bindenden Verwaltungsakte, die unmittelbar Ansprüche auf nachträglich erbringbare Sozialleistungen (§ 11 Satz 1 SGB I) iS der §§ 3 ff und 18 ff SGB I betreffen (BSG Urteile vom 6.9.2018 B 2 U 10/17 R BSGE 126, 244 = SozR 45671 Anl 1 Nr 2108 Nr 9, RdNr 10, vom 21.10.2021 B 5 R 28/21 R BSGE 133, 64 = SozR 42600 § 56 Nr 11, RdNr 13, vom 30.10.2014 B 5 RS 1/13 R SozR 48570 § 6 Nr 6 RdNr 12 und grundlegend vom 29.5.1991 9a/9 RVs 11/89 BSGE 69, 14, 16 ff = SozR 31300 § 44 Nr 3 S 8 ff). Vorliegend verneint der Verwaltungsakt über die Ablehnung der BK 2108 im Ausgangsbescheid vom 16.2.2012 lediglich die Grundlage der in Frage kommenden Sozialleistungen, ohne sie unmittelbar selbst zu regeln, sodass der Anwendungsbereich des § 44 Abs 1 SGB X nicht eröffnet ist. Etwas anderes gilt nicht deshalb, weil die Beklagte im Ausgangsbescheid vom 16.2.2012 auch "Ansprüche auf Leistungen" pauschal versagt hat (vgl dazu BSG Urteil vom 6.9.2018 B 2 U 10/17 R BSGE 126, 244 = SozR 45671 Anl 1 Nr 2108 Nr 9, RdNr 10). Denn diese pauschale Leistungsablehnung verlautbart keine Verwaltungsakte (BSG Urteile vom 30.3.2023 B 2 U 1/21 R zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen = juris RdNr 45 und vom 28.6.2022 B 2 U 16/20 R BSGE 134, 203 = SozR 42700 § 8 Nr 82, RdNr 10 sowie grundlegend vom 16.3.2021 B 2 U 7/19 R BSGE 131, 297 = SozR 45671 Anl 1 Nr 4115 Nr 1, RdNr 11 ff mwN und B 2 U 17/19 R SozR 41500 § 55 Nr 28 RdNr 21 ff).
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2. Der Bescheid vom 16.2.2012 enthält nicht begünstigende Verwaltungsakte (§ 31 Satz 1 SGB X). Begünstigend ist gemäß § 45 Abs 1 SGB X ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt. Im Umkehrschluss dazu ist ein Verwaltungsakt nicht begünstigend, wenn er weder ein Recht noch einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt, dh entweder belastend oder neutral ist. Die behördliche (§ 1 Abs 2 SGB X) Entscheidung im Bescheid vom 16.2.2012, das LWSLeiden des Klägers nicht als BK 2108 festzustellen, war eine auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtete, einzelfallbezogene Regelung, die kein Recht und keinen rechtlich erheblichen Vorteil auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts begründete oder bestätigte.
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3. Dieser belastende Verwaltungsakt über die Ablehnung der BK 2108 ist wirksam (dazu a) und unanfechtbar geworden (dazu b).
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a) Der Verwaltungsakt ist wirksam und damit grundsätzlich rücknehmbar. Denn er ist ordnungsgemäß bekannt gegeben worden (dazu aa) und weder nichtig (dazu bb) noch vollständig erledigt (dazu cc).
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aa) Aufgrund der Bekanntgabefiktion des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB X bei Übermittlung durch die Post im Inland wurde der schriftliche Verwaltungsakt vom 16.2.2012 über die Ablehnung der BK 2108 am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post wirksam (§ 39 Abs 1 Satz 1 SGB X), dh hier am 19.2.2012.
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bb) Nichts anderes (§ 77 Halbsatz 2 SGG) folgt aus § 39 Abs 3 SGB X, wonach nichtige Verwaltungsakte von vornherein unwirksam sind. Zwar war der Rentenausschuss iS des § 40 Abs 1 SGB X "bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich" nicht befugt, durch Verwaltungsakt über die (Nicht)Feststellung der BK zu beschließen. Denn nach der abschließenden Aufzählung in § 36a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB IV können in der Unfallversicherung durch Satzung (vgl § 21 der Satzung der Beklagten) nur die erstmalige Entscheidung über Renten, Entscheidungen über Rentenerhöhungen, Rentenherabsetzungen und Rentenentziehungen wegen Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse (Buchst a) sowie Entscheidungen über Abfindungen mit Gesamtvergütungen, Renten als vorläufige Entschädigungen, laufende Beihilfen und Leistungen bei Pflegebedürftigkeit (Buchst b) besonderen Ausschüssen übertragen werden. Dieser Kompetenzkatalog erfasst die isolierte Ablehnung eines Versicherungsfalls nicht, auch wenn sie im Einzelfall die Entscheidung über die (Nicht)Gewährung einer Verletztenrente präjudizierend vorwegnimmt, wie der Senat bereits entschieden hat (BSG Urteil vom 30.1.2020 B 2 U 2/18 R BSGE 130, 1 = SozR 42700 § 8 Nr 70 RdNr 13). Diese Kompetenzüberschreitung durch den Rentenausschuss führt indes nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes (BSG aaO, RdNr 14 mwN). Deshalb kann offenbleiben, ob nichtige Verwaltungsakte überhaupt rücknehmbar sind (zweifelnd BSG Urteil vom 30.1.2020 B 2 U 2/18 R BSGE 130, 1 = SozR 42700 § 8 Nr 70, RdNr 13 f; dafür BSG Urteil vom 23.2.1989 11/7 RAr 103/87 SozR 1500 § 55 Nr 35) oder das behördliche (§ 40 Abs 5 SGB X) bzw gerichtliche Nichtigkeitsfeststellungsverfahren (§ 55 Abs 1 Nr 4 SGG) vorrangig ist (dafür Schütze in ders, SGB X, 9. Aufl 2020, § 44 RdNr 8).
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cc) Die Rücknehmbarkeit des Verwaltungsaktes ist auch nicht deshalb entfallen, weil er iS des § 39 Abs 2 SGB X vollständig erledigt wäre (vgl dazu BSG Urteile vom 10.8.2021 B 2 U 15/20 R BSGE 132, 295 = SozR 41300 § 44 Nr 42, RdNr 11 und vom 30.10.2014 B 5 RS 1/13 R SozR 48570 § 6 Nr 6 RdNr 13). Denn er verneint den Eintritt des Versicherungsfalls der BK 2108, entzieht damit etwaigen Sozialleistungen die Grundlage und entfaltet entsprechende Rechtswirkungen.
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b) Der Verwaltungsakt im Bescheid vom 16.2.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2012 wurde mit dem Beschluss des Senates vom 5.6.2018 über die Verwerfung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem die Berufung des Klägers zurückweisenden Urteil des LSG vom 26.1.2018 unanfechtbar. Damit waren die gegebenen Rechtsbehelfe (Widerspruch, Klage, Berufung, Nichtzulassungsbeschwerde) erfolglos geblieben, sodass der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend wurde (§ 77 Halbsatz 1 SGG).
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4. Es kann jedoch nicht abschließend entschieden werden, ob der Verwaltungsakt im Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war. Die Rechtmäßigkeit steht nicht schon aufgrund der Rechtskraftwirkung (§ 141 Abs 2 Nr 1 SGG) des Berufungsurteils vom 26.1.2018 oder des erstinstanzlichen Urteils vom 24.5.2016 fest, die beide im Ausgangsverfahren ergangen sind (dazu a). Die tatrichterlichen Feststellungen reichen nicht aus, um die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts beurteilen zu können (dazu b).
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a) Das BSG hat bereits entschieden, dass § 44 SGB X als andere Bestimmung iS des § 77 Halbsatz 2 SGG die Bindungswirkung bestandskräftiger Verwaltungsakte (§ 77 Halbsatz 1 SGG) durchbricht und einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts auch dann vermittelt, wenn dessen Rechtmäßigkeit im Rahmen einer (kombinierten) Anfechtungs, Leistungs oder Verpflichtungsklage bereits durch rechtskräftiges Urteil (§ 141 Abs 1 Nr 1 SGG) inzident bestätigt wurde (stRspr; BSG Urteile vom 30.1.2020 B 2 U 2/18 R BSGE 130, 1 = SozR 42700 § 8 Nr 70, RdNr 17, vom 7.5.2019 B 2 U 34/17 R BSGE 128, 104 = SozR 42700 § 2 Nr 50, RdNr 13, vom 26.10.2017 B 2 U 6/16 R SozR 42200 § 547 Nr 1 RdNr 16, vom 10.12.2013 B 13 R 91/11 R SozR 42600 § 249b Nr 1 RdNr 18, vom 5.9.2006 B 2 U 24/05 R BSGE 97, 54 = SozR 42700 § 8 Nr 18, RdNr 12, vom 23.5.2006 B 13 RJ 14/04 R SozR 42600 § 315a Nr 3 RdNr 14 und grundlegend vom 15.10.1987 1 RA 15/86 SozSich 1988, 127 = juris RdNr 19). Die Rechtskraft dieser Urteile steht einer behördlichen oder erneuten gerichtlichen Entscheidung im Zugunstenverfahren nicht entgegen. Denn nach § 141 Abs 1 Nr 1 SGG binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger im Zugunstenverfahren nur, soweit im Ausgangsverfahren über denselben Streitgegenstand entschieden worden ist. Derselbe Streitgegenstand liegt indes nur vor, wenn im Ausgangs und Zugunstenverfahren über denselben Klageantrag aufgrund desselben Klagegrundes (Lebenssachverhalts) gestritten würde (zweigliedriger Streitgegenstandsbegriff dazu BSG Urteile vom 23.1.2018 B 2 U 4/16 R BSGE 125, 120 = SozR 42700 § 123 Nr 3, RdNr 10, vom 7.11.2017 B 1 KR 2/17 R SozR 41500 § 171 Nr 2 RdNr 13 und vom 17.12.2013 B 1 KR 70/12 R BSGE 115, 95 = SozR 42500 § 2 Nr 4, RdNr 32). Dies ist hier nicht der Fall: Während der Kläger im Ausgangsverfahren die gerichtliche Aufhebung der Ablehnungsentscheidung im Bescheid vom 16.2.2012 und des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2012 mit dem Ziel beantragt hatte, die BK 2108 gerichtlich bzw behördlich festzustellen, begehrt er nunmehr im Zugunstenverfahren die gerichtliche Aufhebung der abgelehnten Rücknahme im negativen Zugunstenbescheid vom 27.8.2018 sowie des Widerspruchsbescheids vom 5.12.2018 und die Verpflichtung der Beklagten, die Ablehnungsentscheidung im Bescheid vom 16.2.2012 zurückzunehmen und die BK 2108 behördlich festzustellen. Damit sind die Klageanträge und Inhalte der angefochtenen Bescheide im Ausgangs und Zugunstenverfahren nicht deckungsgleich, sodass über einen anderen Streitgegenstand gestritten wird und der Einwand entgegenstehender Rechtskraft nicht erhoben werden kann (vgl BSG Urteil vom 30.1.2020 B 2 U 2/18 R BSGE 130, 1 = SozR 42700 § 8 Nr 70, RdNr 17). Dabei wäre auch unerheblich, wenn der Kläger sowohl im Ausgangs als auch im Zugunstenverfahren die behördliche Feststellung seines LWSLeidens als BK 2108 verlangt hätte und die Streitgegenstände jedenfalls insofern (teil)identisch wären. Denn der Gesetzgeber hat die gegenläufigen Werte der Rechtssicherheit und der materiellen Gerechtigkeit abgewogen und mit § 44 SGB X der materiellen Gerechtigkeit den Vorzug eingeräumt (BSG Urteil vom 5.9.2006 B 2 U 24/05 R BSGE 97, 54 = SozR 42700 § 8 Nr 18, RdNr 12). Damit ist sichergestellt, dass die sozialen Rechte im Sinne des Effektuierungsgrundsatzes in § 2 Abs 2 Halbsatz 2 SGB I und in Ausprägung des Sozialstaatsprinzips (Art 20 Abs 1, Art 28 Abs 1 Satz 1 GG) möglichst weitgehend verwirklicht werden (zum sozialrechtlichen effet utile s BSG Urteile vom 30.1.2020 B 2 U 2/18 R BSGE 130, 1 = SozR 42700 § 8 Nr 70, RdNr 34 und vom 31.5.1988 2/9b RU 8/87 BSGE 63, 214, 218 = SozR 1300 § 44 Nr 34).
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Für gerichtliche Feststellungen im Rahmen rechtskräftiger Feststellungsurteile gilt nichts anderes. Auch hier geht § 44 SGB X der allgemeinen Regelung über die Rechtskraft nach § 141 SGG vor. Dagegen spricht nicht, dass gerichtliche Feststellungen zum (Nicht)Bestehen eines Rechtsverhältnisses in rechtskräftigen Feststellungsurteilen anders als bloße Inzidentfeststellungen in Leistungs oder Gestaltungsurteilen das materielle Recht unmittelbar konkretisieren und deshalb verfahrensübergreifende Verbindlichkeit für nachfolgende Zugunstenverfahren haben können. Denn diese verfahrensübergreifende Wirkung kommt der Abweisung einer positiven Feststellungsklage im Streit über die Feststellung eines Versicherungsfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 7 Abs 1 SGB VII) nicht zu. Hat ein Berechtigter iS des § 44 SGB X im Ausgangsverfahren die gerichtliche Feststellung eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall oder BK) beantragt und ist seine positive Feststellungsklage abgewiesen worden, so steht das Gegenteil der begehrten Feststellung im Zugunstenverfahren nicht zu seinen Lasten rechtskräftig fest.
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Dies folgt aus der prinzipiellen Korrekturanfälligkeit auch solcher Verwaltungsakte, die bereits durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt worden sind (dazu aa) und den Spezifika des Unfallversicherungsrechts (dazu bb). Deshalb ist auf die Frage, ob das negative Feststellungsurteil des SG im Berufungsverfahren gegenstandslos geworden ist, nicht näher einzugehen (dazu cc).
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aa) Negative Feststellungsurteile, die aus erfolglosen, positiven Feststellungsanträgen resultieren, haben keine höhere Richtigkeitsgewähr als andere Gerichtsentscheidungen. Dabei kann sich eine Unrichtigkeit sowohl auf die Rechtsanwendung als auch auf den zugrunde gelegten Sachverhalt beziehen, wobei es im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nicht auf den Erkenntnisstand bei Erlass des Verwaltungsakts, sondern im Zeitpunkt seiner Überprüfung ankommt (BSG Urteile vom 26.10.2017 B 2 U 6/16 R SozR 42200 § 547 Nr 1 RdNr 10 und vom 26.1.1988 2 RU 5/87 BSGE 63, 18, 23 = SozR 1300 § 44 Nr 31 S 84). Stellt sich der Sachverhalt im Überprüfungsverfahren anders dar oder haben sich zwischenzeitlich die (zB technischwissenschaftlichen) Erkenntnisse (dazu zB BSG Urteil vom 6.9.2018 B 2 U 10/17 R BSGE 126, 244 = SozR 45671 Anl 1 Nr 2108 Nr 9, RdNr 20), Rechtsansichten oder Rechtsvorschriften rückwirkend zugunsten des Versicherten geändert, ist die Überprüfungsentscheidung auf der Basis des richtigen Sachverhalts, der geläuterten Rechtsaufassung oder des rückwirkenden Rechts zu treffen (zuletzt BSG Urteil vom 30.1.2020 B 2 U 2/18 R BSGE 130, 1 = SozR 42700 § 8 Nr 70 und Beschluss vom 9.8.2022 B 2 U 26/22 B juris RdNr 12). Verwaltungsakte, die Gerichtsentscheidungen zugrunde liegen, sind somit genauso korrekturanfällig und bedürftig wie andere Verwaltungsentscheidungen. Unter Gleichheitsgesichtspunkten (Art 3 Abs 1 GG) ist daher kein Sachgrund ersichtlich, die Rechtskraft von negativen Feststellungsurteilen aufgrund abgewiesener, positiver Feststellungsklagen im Anwendungsbereich des § 44 SGB X anders zu behandeln als die Rechtskraft anderer Urteilsarten. Verpflichtungs und Feststellungsklage sind "gleich rechtschutzintensiv" (BSG Urteile vom 15.5.2012 B 2 U 8/11 R BSGE 111, 37 = SozR 42700 § 2 Nr 20, RdNr 13 und B 2 U 31/11 R juris RdNr 17). Dementsprechend räumt der Senat den Versicherten mittlerweile ein Wahlrecht zwischen beiden Klagearten ein (zuletzt BSG Urteil vom 31.3.2022 B 2 U 13/20 R BSGE 134, 109 = SozR 42700 § 3 Nr 3, RdNr 11 und grundlegend Urteile vom 29.11.2011 B 2 U 10/11 R SozR 42700 § 8 Nr 42 RdNr 9, vom 5.7.2011 B 2 U 17/10 R BSGE 108, 274 = SozR 42700 § 11 Nr 1, RdNr 12 mwN sowie vom 27.4.2010 B 2 U 23/09 R juris RdNr 9), nachdem er die Verpflichtungsklage ursprünglich für unzulässig und die Feststellungsklage trotz ihrer Subsidiarität (vgl BSG Urteil vom 8.5.2007 B 2 U 3/06 R SozR 42700 § 136 Nr 3 RdNr 21) für geboten gehalten hatte (BSG Urteile vom 30.10.2007 B 2 U 29/06 R SozR 42700 § 8 Nr 25 RdNr 8, vom 13.12.2005 B 2 U 29/04 R SozR 42700 § 8 Nr 16 RdNr 10, vom 15.2.2005 B 2 U 1/04 R SozR 42700 § 8 Nr 12 RdNr 13 und vom 7.9.2004 B 2 U 46/03 R SozR 42700 § 2 Nr 3 RdNr 11).
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Diese gleichwertige Rechtsschutzintensität erfordert es mit Blick auf nachfolgende Überprüfungsverfahren, die Durchbrechung der Rechtskraft bei beiden Urteilsarten in gleicher Weise zu ermöglichen. Dafür spricht vor allem, dass § 44 SGB X dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1, Art 28 Abs 1 Satz 1 GG) und auf das Gebot der Sozialrechtsoptimierung (§ 2 Abs 1 Halbsatz 2 SGB I; BSG Urteile vom 16.3.2021 B 2 U 7/19 R BSGE 131, 297 = SozR 45671 Anl 1 Nr 4115 Nr 1, RdNr 19, vom 30.1.2020 B 2 U 2/18 R BSGE 130, 1 = SozR 42700 § 8 Nr 70, RdNr 34 und vom 31.5.1988 2/9b RU 8/87 BSGE 63, 214, 218 = SozR 1300 § 44 Nr 34) den Vorrang vor dem Prinzip der Rechtssicherheit einräumt (BSG Urteil vom 5.9.2006 B 2 U 24/05 R BSGE 97, 54 = SozR 42700 § 8 Nr 18, RdNr 12). Dies ist bereits im Wortlaut des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X angelegt: Danach "ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, … zurückzunehmen". Hieraus folgt zugleich, dass Betroffene (Versicherte, deren <Sonder> Rechtsnachfolger oder Hinterbliebene), die im Ausgangsverfahren die gerichtliche Feststellung eines Versicherungsfalls zu ihren Gunsten begehren, für den Fall des Unterliegens weder die rechtskräftige Feststellung des kontradiktorischen Gegenteils zu ihren Lasten in Kauf nehmen noch die Möglichkeit aufs Spiel setzen, die Rücknahme des bestandskräftigen Verwaltungsakts nach § 44 SGB X erfolgreich zu beantragen. Jedenfalls im Streit über die Feststellung eines Versicherungsfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung ist nicht davon auszugehen, dass Versicherte im Sozialgerichtsprozess einen ergebnisoffenen Antrag auf Feststellung der Rechtslage stellen und damit den Komplettverlust der Korrekturmöglichkeiten nach § 44 SGB X riskieren (möchten).
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bb) Ein solcher Komplettverlust entspräche weder dem unfallversicherungsrechtlichen Grundgedanken der Haftungsablösung noch läge er im wohlverstandenen Interesse des Betroffenen oder im öffentlichen Interesse: Fordert der Betroffene nach rechtskräftiger Ablehnung der Feststellung des Versicherungsfalls im Zivilrechtsweg Schadenersatz von haftungsbeschränkten Personen (§§ 104 bis 107 SGB VII), so können diese gemäß § 109 Satz 1 SGB VII das behördliche Feststellungsverfahren, ob ein Versicherungsfall vorliegt (§ 108 Abs 1 SGB VII), wiederholen und ggf das sozialgerichtliche Verfahren bis zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung betreiben, sofern sie im Ausgangsverfahren wie faktisch im Regelfall weder hinzugezogen (§ 12 Abs 1 Nr 4, Abs 2 SGB X) noch beigeladen (§ 75 iVm § 69 Nr 3 SGG) waren. Endet dieses zweite Feststellungsverfahren anders als das erste mit der Feststellung des Versicherungsfalls, erreicht der Betroffene die Rücknahme der ursprünglichen Ablehnungsentscheidung im Wege des § 44 SGB X selbst dann, wenn die Feststellung des Versicherungsfalls ihm gegenüber zuvor rechtskräftig verneint wurde. Schon deshalb darf der Streit über die gerichtliche Feststellung eines Versicherungsfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht auf eine endgültige "AllesoderNichtsEntscheidung" hinauslaufen, die lediglich im Wiederaufnahmeverfahren (§§ 179, 180 SGG) korrigiert werden kann. Bereits wegen dieser Besonderheiten weicht der Senat nicht von der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 16.1.2008 XII ZR 216/05 juris RdNr 9) oder des BVerwG (Beschluss vom 22.12.2011 2 B 71.10 juris RdNr 6) ab, die ihn zur Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes verpflichten würde (§ 2 Abs 1 RsprEinhG).
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cc) Steht der Rücknahme des Verwaltungsakts damit nicht entgegen, dass seine Rechtmäßigkeit bereits durch rechtskräftiges Feststellungs, Gestaltungs oder Leistungsurteil bestätigt worden ist, kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, ob das SG die positive Feststellungsklage im Ausgangsverfahren rechtskräftig abgewiesen hat oder ob das daraus resultierende negative Feststellungsurteil was näher liegt nicht rechtskräftig werden konnte, weil es im Berufungsverfahren gegenstandslos geworden ist, als der Kläger zulässigerweise (BSG Urteile vom 31.3.2022 B 2 U 13/20 R BSGE 134, 109 = SozR 42700 § 3 Nr 3, RdNr 11 und vom 19.6.2018 B 2 U 1/17 R SozR 42700 § 2 Nr 42 RdNr 8 mwN) von der kombinierten Anfechtungs und Feststellungsklage auf die kombinierte Anfechtungs und Verpflichtungsklage überging.
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b) Die tatrichterlichen Feststellungen genügen nicht, um die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts über die Ablehnung der BK 2108 abschließend beurteilen zu können. Ein Verwaltungsakt ist rechtswidrig, wenn die Behörde das im Erlasszeitpunkt geltende Recht aus heutiger Sicht ("geläuterte Rechtsauffassung", BSG Urteile vom 30.1.2020 B 2 U 2/18 R BSGE 130, 1 = SozR 42700 § 8 Nr 70, RdNr 16, vom 26.10.2017 B 2 U 6/16 R SozR 42200 § 547 Nr 1 RdNr 17, vom 4.6.2014 B 14 AS 30/13 R BSGE 116, 86 = SozR 44200 § 21 Nr 18, RdNr 14 und grundlegend vom 26.1.1988 2 RU 5/87 BSGE 63, 18, 23 = SozR 1300 § 44 Nr 31 S 84) unrichtig angewandt hat oder von einem Sachverhalt ausgegangen ist, der sich als unrichtig erweist (so die Formulierung in § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X; vgl grundlegend BVerwG Urteil vom 30.1.1969 III C 153.67 BVerwGE 31, 222 = juris RdNr 14).
27
Rechtsgrundlage für die Anerkennung der streitigen BK ist § 9 Abs 1 Satz 1 SGB VII iVm Nr 2108 der Anl 1 zur BKV. Zum Zeitpunkt des Erlasses des zu überprüfenden Verwaltungsakts am 16.2.2012 hatte die BK 2108 noch folgenden Wortlaut: "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugenhaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können". Das Siebte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 12.6.2020 (7. SGB IVÄndG BGBl I, 1248) hat den sog Unterlassungszwang indes zum 1.1.2021 aufgehoben, den entsprechenden Halbsatz gestrichen (Art 24 Nr 3 Buchst a des 7. SGB IVÄndG) und stattdessen einen neuen Halbsatz angefügt (Art 24 Nr 3 Buchst c des 7. SGB IVÄndG). Seit dem 1.1.2021 (Art 28 Abs 6 des 7. SGB IVÄndG) lautet die BK 2108 daher: "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugenhaltung, die zu chronischen oder chronischrezidivierenden Beschwerden und Funktionseinschränkungen (der Lendenwirbelsäule) geführt haben". Für die Überprüfung, ob die Beklagte das Recht im Erlasszeitpunkt richtig angewandt hat, ist hier noch die Altfassung der BK 2108 maßgebend. Sollte sich dabei herausstellen, dass damals alle Voraussetzungen für die Anerkennung der BK 2108 mit Ausnahme der tatsächlichen Aufgabe der zur Schädigung geeigneten Tätigkeiten erfüllt waren, wird das LSG die Beklagte auch bei fortgesetzter Nichtaufgabe der schädigenden Tätigkeiten verpflichten müssen, die BK 2108 ab dem 1.1.2021 festzustellen. Dem entspricht die Übergangsregelung des § 12 BKV.
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Nach § 9 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind BKen nur diejenigen Krankheiten, die durch die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als solche bezeichnet sind (sog ListenBK) und die der Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist für die Feststellung einer ListenBK (Versicherungsfall) erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (vgl BSG Urteile vom 16.3.2021 B 2 U 7/19 R BSGE 131, 297 = SozR 45671 Anl 1 Nr 4115 Nr 1, RdNr 27 und B 2 U 11/19 R SozR 42700 § 9 Nr 30 RdNr 12, vom 6.9.2018 B 2 U 13/17 R SozR 45671 Anl 1 Nr 2108 Nr 10 RdNr 9, vom 23.4.2015 B 2 U 6/13 R SozR 45671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 10, B 2 U 10/14 R BSGE 118, 225 = SozR 45671 Anl 1 Nr 2108 Nr 6, RdNr 11 sowie B 2 U 20/14 R BSGE 118, 267 = SozR 45671 Anl 1 Nr 2108 Nr 8 RdNr 10).
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Den Feststellungen (§ 163 SGG) des LSG lässt sich noch hinreichend entnehmen, dass der Kläger ab 1973 als Mitarbeiter eines KfzHerstellers Beschäftigter iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII war und deshalb zum Kreis der versicherten Personen zählte. Ob er auch die übrigen Anerkennungsvoraussetzungen erfüllte, wird das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren festzustellen haben.
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Im Rahmen der sog arbeitstechnischen Voraussetzungen wird zunächst zu ermitteln sein, ob der Kläger während seines Berufslebens langjährig schwere Lasten gehoben oder getragen hat oder langjährig Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung verrichten musste. Hierfür wird das LSG auf das sog Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) zurückgreifen müssen, das der Senat auf der Grundlage der "Deutschen Wirbelsäulenstudie" (https://www.dguv.de/ifa/fachinfos/ergonomie/deutschewirbelsaeulenstudien/index.jsp) weiterentwickelt und in mehreren Punkten modifiziert hat. Danach ist der im MDD vorgeschlagene Orientierungswert für die Gesamtbelastungsdosis bei Männern von 25 MNh auf 12,5 MNh zu halbieren (grundlegend BSG Urteil vom 30.10.2007 B 2 U 4/06 R BSGE 99, 162 = SozR 45671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 25; s zur Handhabung der hälftigen Orientierungswerte als Mindestbelastungswerte BSG Urteile vom 23.4.2015 B 2 U 20/14 R BSGE 118, 267 = SozR 45671 Anl 1 Nr 2108 Nr 8, RdNr 26, dort zugleich zur Feststellung von Einwirkungen in Form von Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, sowie B 2 U 6/13 R SozR 45671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 und vom 18.11.2008 B 2 U 14/07 R UVRecht Aktuell 2009, 295). Ferner ist zu klären, ob die Einwirkungen langjährig erfolgt sind, wobei zehn Berufsjahre als im Durchschnitt untere Grenze der belastenden Tätigkeit gefordert werden (so wörtlich das aktuelle Merkblatt 2108, BArbBl 2006, Heft 10, S 30, Abschnitt IV; BSG Urteile vom 6.9.2018 B 2 U 10/17 R BSGE 126, 244 = SozR 45671 Anl 1 Nr 2108 Nr 9, RdNr 16, vom 23.4.2015 B 2 U 10/14 R BSGE 118, 255 = SozR 45671 Anl 1 Nr 2108 Nr 6, RdNr 14; vgl zum Merkmal "langjährig" bei der BK 2109 BSG Urteil vom 4.7.2013 B 2 U 11/12 R BSGE 114, 90 = SozR 45671 Anl 1 Nr 2109 Nr 1, RdNr 15).
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Im Rahmen der medizinischen Voraussetzungen wird zunächst zu prüfen sein, ob der Kläger an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS leidet. Darunter sind insbesondere zu verstehen (vgl BRDrucks 773/92, S 8): Bandscheibendegeneration (Diskose), Instabilität im Bewegungssegment, Bandscheibenvorfall (Prolaps), degenerative Veränderungen der Wirbelkörperabschlussplatten (Osteochondrose), knöcherne Ausziehungen an den vorderen und seitlichen Randleisten der Wirbelkörper (Spondylose), degenerative Veränderungen der Wirbelgelenke (Spondylarthrose) mit den durch derartige Befunde bedingten Beschwerden und Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule. Nach den sog Konsensempfehlungen (U. BolmAudorff et al, Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule, Trauma und Berufskrankheit 2005, 211, 215 f) sind eine Höhenminderung der Bandscheibe oder ein Bandscheibenvorfall notwendige, aber nicht hinreichende Bedingungen für eine bandscheibenbedingte Erkrankung. Hinzukommen muss eine korrelierende klinische Symptomatik, die sich in entsprechenden chronischen oder chronischrezidivierenden Beschwerden und Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule manifestiert. Schließlich wird das LSG auch für die Klärung der haftungsbegründenden Kausalität die Konsensempfehlungen heranziehen müssen. Denn diese sind nach wie vor eine geeignete Orientierungshilfe bei der Beurteilung, ob Bandscheibenschäden nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand durch berufliche Einwirkungen verursacht worden sind (BSG Urteile vom 6.9.2018 B 2 U 10/17 R BSGE 126, 244 = SozR 45671 Anl 1 Nr 2108 Nr 9, RdNr 25 sowie vom 23.4.2015 B 2 U 10/14 R BSGE 118, 255 = SozR 45671 Anl 1 Nr 2108 Nr 6, RdNr 22, B 2 U 6/13 R SozR 45671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 und B 2 U 20/14 R BSGE 118, 267 = SozR 45671 Anl 1 Nr 2108 Nr 8).
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Die Frage, ob der Kläger die arbeitstechnischen und medizinischen Voraussetzungen im Zeitpunkt des Erlasses des zu überprüfenden Verwaltungsakts vom 16.2.2012 erfüllt hat, wird das LSG mit sachkundiger Hilfe beantworten müssen. Es wird dabei berücksichtigen müssen, dass das Überprüfungsverfahren das abgeschlossene Ausgangsverfahren nicht fortführt, sondern beide Verfahren unterschiedlich und deshalb nicht identisch sind. Ob das LSG der Verwertung eines verfahrensfremden Gerichtsgutachtens aus dem Ausgangsverfahren als vollwertigen Sachverständigenbeweis oder aber der Einholung eines neuen Gutachtens im Zugunstenverfahren den Vorzug geben wird, obliegt seinem pflichtgemäßen Ermessen (BTDrucks 15/1508, S 20, s dort auch zur Darlegung der ermessenleitenden Umstände im Urteil). Sollte es die im Tatbestand des Berufungsurteils erwähnten medizinischen Sachverständigengutachten des Orthopäden C vom 13.1.2014 und des Chirurgen S vom 16.9.2017 aus dem Ausgangsverfahren ersatzweise heranziehen und nunmehr im gerichtlichen Zugunstenverfahren ggf unter Verzicht auf eine Begutachtung nach § 106 SGG verwerten wollen, wird es diese Gerichtsgutachten entweder im Wege des Urkundenbeweises (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 416 ZPO) oder als Sachverständigengutachten (§ 118 Abs 1 Satz 1 iVm § 411a ZPO) einführen müssen (zum Ganzen: BVerwG Beschluss vom 15.6.2020 2 B 30/19 juris RdNr 21 ff). Dabei wird es zu berücksichtigen haben, dass der Beweiswert von Gerichtsgutachten, die lediglich als (Privat)Urkunden (s dazu BVerwG Beschluss vom 15.6.2020 2 B 30/19 juris RdNr 27) verwertet werden, gegenüber Sachverständigengutachten gemindert sein kann. Denn bei einem Vorgehen nach § 106 Abs 3 Nr 5 SGG oder ersatzweise nach § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 411a ZPO ist der jeweilige Sachverständige dem Gericht voll verantwortlich (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 404a, 407 ZPO), unterliegt der Strafandrohung der §§ 153 ff StGB, kann beeidigt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 410 ZPO), abgelehnt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 406 ZPO) und insbesondere von den Beteiligten befragt werden (§§ 116 Satz 2, 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO; vgl dazu BSG Urteile vom 7.5.2019 B 2 U 25/17 R BSGE 128, 78 = SozR 42700 § 200 Nr 5, RdNr 14 und B 2 U 26/17 R juris RdNr 14 sowie Beschlüsse vom 6.10.2020 B 2 U 94/20 B juris RdNr 10 und vom 30.3.2017 B 2 U 181/16 B juris RdNr 9). Außerdem wird das LSG zu prüfen haben, ob den Sachverständigen mit Blick auf die angeblich fehlende zeitliche Korrelation zwischen dem Ende der relevanten Einwirkungen 1987 und der erstmaligen LWSbedingten Arbeitsunfähigkeit 1994 im Lichte der im Überprüfungsverfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen (Befundberichtsanforderung der A BKK vom 22.9.1992, Bericht des niedergelassenen praktischen Arztes J aus September 1992 für den vertrauensärztlichen Dienst, sozialmedizinisches Gutachten des MDK BadenWürttemberg vom 10.11.1992) neue Anknüpfungstatsachen vorzugeben sind.
33
Sollten die Tatbestandsvoraussetzungen des § 44 Abs 2 SGB X erfüllt sein, wird das LSG die Ablehnung der BK 2108 im Ausgangsbescheid vom 16.2.2012 mit Wirkung für die Zukunft zurücknehmen müssen (Satz 1). Dagegen stellt § 44 Abs 2 Satz 2 SGB X die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit in das Ermessen der Behörde, weil grundsätzlich anzunehmen ist, dass dabei das Prinzip der Rechtssicherheit und der Grundsatz materieller Gerechtigkeit gleichrangig nebeneinander stehen (BSG Urteil vom 24.2.1987 11b RAr 60/86 SozR 1300 § 44 Nr 28 = juris RdNr 23). Gleichwohl kommt ausnahmsweise auch eine Ermessensreduktion auf null in Betracht (BSG Urteil vom 27.5.2014 B 8 SO 1/13 R BSGE 116, 80 = SozR 45910 § 89 Nr 1, RdNr 14), wenn an der Aufrechterhaltung des Verwaltungsakts weder öffentliche noch private Interessen des Verletzten oder haftungsprivilegierter Personen bestehen (vgl zB BSG Urteil vom 17.7.1990 12 RK 10/89 SozR 31200 § 16 Nr 2 S 8).
34
Sollte das LSG zu dem Ergebnis gelangen, dass die Ablehnung der BK 2108 im Ausgangsbescheid vom 16.2.2012 materiell rechtmäßig war, wird es die Beklagte nicht allein deshalb zur Rücknahme verpflichten können, weil der Rentenausschuss bei seiner Beschlussfassung außerhalb seines Kompetenzrahmens gehandelt hat und der Verwaltungsakt deshalb formell rechtswidrig ist (s dazu bereits oben 3 a bb). Denn § 44 SGB X soll materiellrechtliche Fehler beheben. Ist in der Sache richtig entschieden worden, hat sich die formelle Rechtswidrigkeit materiellrechtlich nicht nachteilig ausgewirkt, sodass in diesem Fall das Interesse am Fortbestand des Verwaltungsakts und damit das Prinzip der Rechtssicherheit überwiegt. In dieser Situation kann der Betroffene nicht verlangen, dass die Behörde verpflichtet wird, einen bestandskräftigen Verwaltungsakt zurückzunehmen, den sie sogleich wieder erneut erlassen müsste (vgl dazu BSG Urteil vom 7.9.2006 B 4 RA 43/05 R BSGE 97, 94 = SozR 42600 § 118 Nr 4, RdNr 66 ff). Ob Ähnliches im Ausgangsverfahren gilt, lässt der Senat offen.
35
Schließlich kann auch dahinstehen, ob die vom Kläger im Revisionsverfahren erhobene Verfahrensrüge zulässig und begründet ist. Sie ist nicht mehr entscheidungserheblich, weil das Urteil des Berufungsgerichts schon aus anderen Gründen aufzuheben und der Rechtsstreit zur Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen war.
36
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.