Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. Juli 2022 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1965 geborene Kläger ist in der Türkei geboren und lebt seit 1989 in Deutschland. Er hat keinen Beruf erlernt und war nach seiner Übersiedlung nach Deutschland von 1992 bis 2018 als Produktionsmitarbeiter in Druckereien versicherungspflichtig beschäftigt. Seitdem ist der Kläger arbeitsunfähig erkrankt bzw. arbeitslos. Seit Januar 2021 bezieht er Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende/ Bürgergeld nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), vgl. Versicherungsverlauf Bl. 40 LSG-Akte.
Vom 05.06.2018 bis 28.06.2018 befand sich der Kläger zur stationären medizinischen Rehabilitation in der R1klinik in K1. Die Ärzte der dortigen Klinik stellten in ihrem Entlassbericht (Bl. 219 VA) folgende Diagnosen:
1. Fortb. Funktionseinschränkungen rechtes Schultergelenk bei Schulter-/Arm-Syndrom rechts
2. MRT rechtes Schultergelenk 02/2018: Geringe AC-Gelenksarthrose
3. Chron. Lumbalgie
4. Gastritis-Neigung
5. Durchschlafstörung
Die Ärzte führten in dem Bericht weiter aus, dass fortan leichte bis mittelschwere Arbeiten noch möglich seien. Zu vermeiden seien Überkopfarbeiten, Heben und Tragen von Lasten über 15 kg und häufige Zwangshaltungen. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestünden keine quantitativen Einschränkungen. Der Patient sei für alle leichten bis mittelschweren Arbeiten mit oben genannten Einschränkungen vollschichtig leistungsfähig. Nachtschichten seien wegen der Durchschlafstörungen nicht angeraten. Der Kläger habe angegeben, der zuletzt ausgeführten Tätigkeit als Arbeiter in einer Druckerei nach Genesung weiterhin nachzugehen. Diese Tätigkeit sei ihm auch weiterhin zumutbar.
Der Kläger stellte am 13.05.2019 (Bl. 184 VA im SG- Verfahren) bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.Im Rahmen der Beantragung vom Arbeitslosengeld bei der Bundesagentur für Arbeit beurteilte der dortige medizinische Dienst (M1) das Leistungsvermögen des Klägers mit unter drei Stunden täglich für länger als sechs Monate (vgl. Bl. 281 ff. VA im SG-Verfahren).
Der Kläger wurde sodann im Auftrag der Beklagten am 20.12.2019 von W1 ambulant untersucht. Dieser stellte in seinem orthopädischen Gutachten vom selben Tag (Bl. 340 VA im SG-Verfahren) folgende Diagnosen:
1. Chronisches HWS-Syndrom mit leichten Bewegungseinschränkungen und ohne sensomotorische Defizite, bei diagnostizierten Einengungen des Wirbelkanals C6/7 und C7/Th1 Links betont
2. Chronisches LWS-Syndrom mit teilweise Bewegungseinschränkung, ohne sensomotorische Defizite bei diagnostizierten geringen Verschleißveränderungen
3. Chronisches Schmerzsyndrom, Ganzkörperschmerzen seit über 20 JahrenDer Kläger könne weiterhin leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen, aber auch überwiegend in einer der genannten Positionen sechs Stunden täglich verrichten. Vermieden werden sollten Heben und Tragen von Lasten regelmäßig über 15 kg sowie regelmäßige tiefe Oberkörpervorneige, insbesondere verbunden mit Heben und Tragen von Lasten. Für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit bestehe ein aufgehobenes Leistungsvermögen.
Die Beklagte lehnte daraufhin den Rentenantrag des Klägers mit Bescheid vom 16.01.2020 (Bl. 135 VA) ab.
Hiergegen erhob der Kläger mit einem am 11.02.2020 bei der Beklagten eingegangen Schreiben Widerspruch (Bl. 200 VA). Zur Begründung machte er geltend, dass sein Gesundheitszustand sich weiter erheblich verschlechtert habe. Er sei nicht einmal in der Lage, eine Stunde am Tag zu arbeiten. Auch seine Hausärztin halte ihn für komplett arbeitsunfähig. Er legte zudem einen Entlassbrief (Bl. 434 VA im SG-Verfahren) der m2-Klinik O1 vor, wo er sich vom 10.01.2020 bis 16.01.2020 in stationärer Behandlung befand. Bei Diagnose eines chronischen multifokalen Schmerzsyndroms habe eine Optimierung der analgetischen Therapie bis zur Entlassung eine Besserung erbracht. Der Kläger habe entgegen ärztlichen Rates die Behandlung jedoch vorzeitig abgebrochen. Darüber hinaus legte der Kläger einen Bericht der H1-Klinik S1 vor (Bl. 440 VA im SG-Verfahren). Dort war am 24.03.2020 eine perkutane minimalinvasive Dekompressionsoperation an der HWS durchgeführt worden. Der postoperative Verlauf sei komplikationslos verlaufen.
L1 und S2 kamen in einer sozialmedizinischen Stellungnahme vom Mai 2020 (Bl. 443 der VA im SG-Verfahren) zu den vorgelegten Unterlagen zu dem Ergebnis, dass keine Verschlechterung erkennbar sei und es daher bei der Leistungseinschätzung verbleibe.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers daraufhin unter Bezugnahme auf die Einschätzung des sozialmedizinischen Dienstes mit Widerspruchsbescheid vom 24.08.2020 (Bl. 211 VA) als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente lägen nicht vor. Das Leistungsvermögen des Klägers sei nicht auf unter sechs Stunden herabgesunken. Hiergegen ist am 22.09.2020 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart erhoben worden. Zur Begründung ist ausgeführt worden, dass der Gesundheitszustand des Klägers es entgegen der Ansicht der Beklagten nicht zulasse, dass er einer Tätigkeit von einer Stunde am Tage nachgehen könne. Die den Kläger behandelnde Hausärztin gehe ebenfalls von einer vollständigen Erwerbsunfähigkeit aus.
Das SG hat zunächst Beweis erhoben durch die Befragung der behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen.
Die P1 hat mit Schreiben vom 09.03.2021 mitgeteilt (Bl. 45f. SG-Akte), der Kläger habe sich dort einmal im Jahr 2018 und einmal im Jahr 2021 vorgestellt. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könne er wenigstens sechs Stunden täglich verrichten, eine dauerhafte Minderung bestehe nicht.Der Y1 (Bl. 47 SG-Akte) hat mit Schreiben vom 14.03.2021 erklärt, den Kläger seit 2018 ein bis fünfmal jährlich behandelt zu haben. Bezüglich des quantitativen Leistungsvermögens des Klägers sei ihm keine Einschätzung möglich. Vermieden werden sollten ständiges Stehen und Gehen und Sitzen, Tätigkeiten in gebückter Stellung, in Oberkörpervorneige, Überkopfarbeiten und Schulterabduktion mehr als 90°, längerdauernden Zwangshaltungen und größere Belastung für die LWS und HWS sowie schweres Heben und Tragen (nicht mehr als 5 kg).
R2 hat in ihrer Aussage vom 06.05.2021 ausgeführt (Bl. 63 SG-Akte), den Kläger seit dem Jahr 2000 zu behandeln. Er leide an einer schmerzbedingten und bewegungseingeschränkten Wirbelsäulenerkrankung. Der schlechte Allgemein- und Ernährungszustand des Klägers bedingten ein unterschichtiges Leistungsvermögen. Der Kläger sei total verbraucht, vorgealtert, hochdepressiv und nicht arbeitsfähig.
Das SG hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen bei dem Z1. Dieser hat den Kläger am 06.08.2021 ambulant untersucht und in seinem Gutachten vom 20.08.2021 (Bl. 103ff. SG-Akte) folgende Diagnosen gestellt:
Chronisches generalisiertes Schmerzsyndrom mit Ganzkörperschmerzen ohne orthopädisch fassbare BewegungseinschränkungChronisches Halswirbelsäulen-Schulter-Arm-Syndrom bei skoliotischer Fehlhaltung und degenerativen Veränderungen der unteren Halswirbelsäule, ohne klinisch fassbare senso-motorische DefiziteChronisches Lendenwirbelsäulen-Syndrom ohne klinisch fassbare senso-motorische DefiziteAusschluss einer entzündlichen rheumatischen Erkrankung.
Bei der Erhebung der Vorgeschichte und der körperlichen Untersuchung falle die Diskrepanz zwischen den geklagten Beschwerden und den vorgeblichen Einschränkungen der körperlichen Tätigkeit und den messbaren Untersuchungsergebnissen auf. Zu keinem Zeitpunkt der Untersuchung sei es zu einem schmerzbedingten „Wegziehen" eines Körperabschnittes oder zu Ausweichbewegungen, um einem Provokationsschmerz zu entgehen, gekommen. Diese Untersuchungsergebnisse seien nahezu identisch mit den Ergebnissen aus dem Gutachten des W1 aus dem Jahr 2019. Es sei in den zurückliegenden 1,5 Jahren zu keiner Verschlechterung der Bewegungsausschläge gekommen. Der Kläger trage einen nicht zu unterschätzenden Teil zu seiner verminderten körperlichen Situation bei, indem er einen intensiven Nikotinkonsum betreibe (eine Schachtel/ Tag) und offensichtlich eine Opiatabhängigkeit bestehe. Auf dem Boden der erhobenen Befunde bestehe beim Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine vollschichtige Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung zwischen Sitzen, Stehen und Gehen. Bei einer überwiegend sitzenden Tätigkeit sollte auf eine modernen Ansprüchen genügende ergonomische Büroeinrichtung geachtet werden.
Das SG hat sodann nach vorheriger Anhörung die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25.07.2022 abgewiesen. Die näher dargelegten Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente lägen nicht vor. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen lägen nach Mitteilung der Beklagten zwar vor, der Kläger sei aber weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.Die für die Beurteilung des Leistungsvermögens des Klägers maßgeblichen Gesundheitsstörungen lägen auf orthopädischem Fachgebiet. Der Kläger leide hier an einem chronischen Halswirbelsäulen-Schulter-Arm-Syndrom bei skoliotischer Fehlhaltung und degenerativen Veränderungen der unteren Halswirbelsäule, ohne klinisch fassbare sensomotorische Defizite sowie einem chronischen Lendenwirbelsäulensyndrom ohne klinisch fassbare sensomotorische Defizite. Darüber hinaus bestehe ein chronisches Schmerzsyndrom mit Ganzkörperschmerzen, welches allerdings keine orthopädisch fassbaren Bewegungseinschränkungen verursache. Diese Feststellung habe das SG dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Z1 entnommen, wobei die vorliegenden Erkrankungen diagnostisch auch den Feststellungen des behandelnden Y1 sowie des Gutachters im Verwaltungsverfahren W1 entsprächen.Eine rentenberechtigende Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens resultiere aus diesen Erkrankungen jedoch nicht. Zur Überzeugung des Gerichts sei der Kläger nach wie vor in der Lage leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Hierbei stützte das Gericht sich auf die umfassend schlüssig begründet und nachvollziehbaren Ausführungen der Gutachten von Z1 und W1. Berufsschutz bestehe aufgrund des Geburtsdatums des Klägers nicht. Beide Gutachter hätten im Rahmen der ambulanten Untersuchungen eine freie Beweglichkeit sämtlicher Extremitäten dokumentiert. Die gemessenen Bewegungseinschränkungen im Wirbelsäulenbereich seien leicht. Eine Kraftminderung oder Muskelatrophie könne nicht festgestellt werden. Insgesamt resultierten aus den vom Kläger geltend gemachten Schmerzen somit keine Einschränkungen, die ein quantitativ gemindertes Leistungsvermögen bezüglich leichter Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes begründen könnten.
Auch der behandelnde Y1 benenne an Einschränkungen des Klägers bezüglich einer beruflichen Tätigkeit lediglich Einschränkungen qualitativer Art. Diese Einschränkungen qualitativer Art seien für das SG bei Schmerzen des Bewegungsapparates nachvollziehbar. Auch die Gutachter W1 und Z1 bestätigten das Vorliegen qualitativer Leistungseinschränkungen, die jedoch nicht über die von Y1 aufgeführten Einschränkungen hinausgingen. Die Einschätzung der behandelnden R2 könne demgegenüber nicht überzeugen. Für die Beurteilung der orthopädischen Leiden sei die Einschätzung der befragten Fachärzte bereits aufgrund deren fachlicher Qualifikation für das SG überzeugender. Auch begründe die Hausärztin eine quantitative Minderung des Leistungsvermögens damit, dass der Kläger hoch depressiv sei und aufgrund seiner Schmerzen keine berufliche Tätigkeit mehr ausüben könne. Soweit hier Diagnosen auf nervenärztlichem Fachgebiet gestellt würden (Depression, Schmerzsyndrom), ergebe sich aus der Aktenlage hierfür keine fachärztliche Bestätigung. In der Schweigepflichtentbindungserklärung habe der Kläger angegeben, alle drei Monate in der Praxis R2 & Kollegen aufgrund seiner psychischen Probleme in Behandlung zu sein. Auf eine entsprechende Nachfrage des Gerichts sei vonseiten der Praxis jedoch lediglich ein Besuch im Jahr 2018 und ein Besuch im Jahr 2021 wegen Spannungskopfschmerzen bestätigt. Dies lasse Zweifel an Therapiebemühungen des Klägers bezüglich möglicherweise vorliegender psychischer Erkrankungen aufkommen. Zwar sei das Vorliegen entsprechender Therapiebemühungen nicht allein ausschlaggebend für die Frage einer aus psychischen Erkrankungen resultierenden quantitativen Leistungsminderung, wenn allerdings Therapiebemühungen behauptet würden, welche sich als falsche Angabe erwiesen, so widerspreche dies deutlich einem vorliegenden Leidensdruck des Klägers und spreche vielmehr für ein Rentenbegehren. Bezüglich der Einschränkungen durch das geltend gemachte Schmerzsyndrom könne sich das Gericht auch aufgrund der Schilderungen des gerichtlichen Sachverständigen über den Ablauf der ambulanten Untersuchung nicht davon überzeugen, dass für den Kläger hieraus wesentliche objektive Einschränkungen resultierten. Z1 beschreibe eine Diskrepanz zwischen den geklagten Beschwerden und den vorgeblichen Einschränkungen der körperlichen Tätigkeit und den messbaren Untersuchungsergebnissen. Zu keinem Zeitpunkt der Untersuchung sei es zu einem schmerzbedingten „Wegziehen" eines Körperabschnittes oder zu Ausweichbewegungen, um einem Provokationsschmerz zu entgehen, gekommen. Dies sei aber zu erwarten gewesen, wenn die vom Kläger geltend gemachten Schmerzen für ihn tatsächlich zu einer fassbaren Einschränkung führen würden. Abschließend hat das SG festgestellt, dass beim Kläger auch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung in Gestalt einer Einschränkung seiner Wegefähigkeit vorliege.
Gegen den seinem Bevollmächtigten gegen elektronisches Empfangsbekenntnis am 10.08.2022 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 24.08.2022 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erheben lassen. Zur Begründung ist vorgetragen worden, dass der Kläger unter chronischen Schmerzen leide und diese dazu führten, dass dem Kläger eine normale Lebensführung, geschweige denn ein regelmäßiges Arbeiten unmöglich sei. Die Schmerzen seien so stark ausgeprägt, dass der Kläger sich mehrmals am Tag mit dem Rücken auf den Boden legen müsse, da ihm buchstäblich keine andere Körperhaltung mehr möglich sei. Da den Kläger diese überwältigen Schmerzen jederzeit übermannen könnten, scheue sich dieser das Haus zu verlassen, um nicht in der Öffentlichkeit zusammenzubrechen. Das Risiko eines solchen Zusammenbruchs bestehe selbstverständlich auch und insbesondere beim Durchführen von Arbeiten. Der Kläger könne daher nicht mehr mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. Juli 2022 sowie den Bescheid vom 16. Januar 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2020 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen. Die Berichterstatterin hat mit den Beteiligten am 23.11.2022 einen Termin zur Erörterung des Sachverhaltes durchgeführt. Hier hat der Kläger u.a. auf Nachfrage mitgeteilt, dass eine psychiatrische Behandlung derzeit nicht stattfinde. Er habe allerdings eine Schmerztherapie angefangen.
Der Senat hat sodann auf Antrag des Klägers ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei der H2 eingeholt. Diese hat den Kläger am 04.04.2023 ambulant untersucht und in ihrem Gutachten vom 17.04.2023 (Bl. 67 ff. LSG-Akte) ausgeführt, dass beim Kläger auf neurologischem und psychiatrischem Fachgebiet nach aktuellem Befund und der Sichtung der Vorinformationen sowie der Längsschnittbetrachtung keine fassbaren Erkrankungen vorlägen. Eine somatoforme Schmerzstörung sei vordiagnostiziert, könne aber auf Grund der aktuellen Untersuchungsergebnisse nicht mit der erforderlichen Sicherheit verifiziert werden. Insbesondere lasse sich Aggravation nicht zweifelsfrei ausschließen. Es müsse hier nicht um bewusste Aggravation gehen, es sei dem Probanden offenbar bislang nicht möglich, ein adäquates Krankheitskonzept auszubilden. Jedenfalls stimmten die geklagten Beschwerden nicht mit dem Verhalten in der Untersuchungssituation überein. Während der gesamten Untersuchungssituation habe der Kläger 1 ½ Stunden keinerlei Schmerzen vorgetragen, habe auch Gangproben und erschwerte Gangproben einwandfrei demonstrieren können, wohingegen andererseits jegliche Berührungen als äußerst schmerzhaft geschildert worden seien. Dies lasse sich letztlich mit dem Krankheitsbild der somatoformen Schmerzstörung bzw. Fibromyalgie nicht in Einklang bringen. Die Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet seien nur fachfremd zu beurteilen, eine völlige Schonhaltung mit Darniederliegen sämtlicher Aktivitäten sei aber sicherlich nicht förderlich für die zugrundeliegenden orthopädischen Erkrankungen und könne auch auf Dauer eine psychiatrische Erkrankung wie Depressionen nach sich ziehen. Die psychiatrische Vorgeschichte sei im Wesentlichen leer. Weder gebe es in der Kindheit trotz der schwierigen Bedingungen klinisch fassbare Symptome, noch sei es im Erwachsenenalter zu psychischen Problemen gekommen, die behandlungsbedürftig gewesen seien. Auf psychiatrischem Fachgebiet existierten bislang auch keine Vorbefunde. Es bestehe im psychiatrischen Befund außer einem ausgiebigen Rückzug und regressiven Tendenzen kein Hinweis auf eine depressive Symptomatik. Die Stimmung sei unbeeinträchtigt, die Schwingungsfähigkeit sei erhalten, auffallend sei lediglich eine Appetitstörung mit Gewichtsabnahme. Diese sei allerdings bislang offenbar nicht hausärztlich-internistisch abgeklärt. Ansonsten imponierten keine spezifischen Symptome, die etwa auf eine depressive Episode hindeuten würden, auch nicht auf eine wahnbildende Erkrankung, eine Persönlichkeitsstörung oder gar eine süchtige Entwicklung. Die regelmäßige Einnahme von Opiaten werde allerdings vom Kläger auch nicht kritisch hinterfragt.Im Rahmen der psychopathologischen Befunderhebung hat die Gutachterin u.a. festgestellt, dass sich ein wacher, bewusstseinsklarer und zu allen Qualitäten voll orientierter Proband, der mit erheblicher Sprachbarriere Kontakt aufgenommen habe, präsentiert habe. Es sei ein Dolmetscher benötigt worden. Der Kläger habe zunächst sehr widerwillig Kontakt aufgenommen, er habe im Winterparka und mit Mütze gekleidet den Untersuchungsraum betreten und spontan angegeben, dass er keinesfalls mehr arbeiten könne, ohne die Erklärungen der Gutachterin zu Beginn der Untersuchung abzuwarten. Dabei habe er einen eher kindlich-trotzigen Eindruck gemacht. Nach einigen Erklärungen habe er sich erst auf die Untersuchung eingelassen, habe jammerig und vorwürflich Kontakt aufgenommen. Zwischenzeitlich sei er freundlich-zugewandt und auskunftsbereit gewesen. Insgesamt bestehe keinerlei Behandlungsbereitschaft bei Krankheitsverständnis oder nicht ausschließbarer Aggravationsneigung mit deutlich vorgetragenem Rentenbegehren. Die Antriebslage sei reduziert mit Schonhaltung und Aufenthalt den Tag über nahezu ausschließlich im Bett, zusätzlich Versorgungswünsche und regressive Tendenzen. Im Affekt sei keine deutliche Verschiebung zum depressiven oder manischen Pol feststellbar bei leicht eingeschränkter Schwingungsfähigkeit. Die Psychomotorik sei regelrecht trotz der vorgetragenen multiplen Ganzkörperschmerzen. In der Schmerzschilderung sei er eher vage, kaum ins Detail gehend, auch auf Nachfrage nicht weiter präzisierend. Es sei ein reduzierter Appetit mit Gewichtsabnahme geschildert worden, das Schlafverhalten sei durch regelmäßiges Aufwachen gekennzeichnet. Die Konzentration sei subjektiv schlecht, im Verlauf der Untersuchung aber nicht weiter nachlassend. Merkfähigkeit und Gedächtnis seien regelrecht gewesen, ebenso Gedächtniszugriff. Es hätten keine Hinweise auf phobische Ängste oder Zwangsverhalten gegeben und keine Hinweise auf inhaltliche Denkstörungen wie Sinnestäuschung, Ich-Störungen oder paranoides Erleben. Im formalen Gedankengang sei er gut geordnet bei dezenter Grübelneigung gewesen. Von Suizidalität habe er sich klar distanziert.Da keine wesentlichen Gesundheitseinschränkungen auf psychiatrisch-neurologischem Fachgebiet festgestellt worden seien, könne hieraus auch keine Leistungseinschränkung folgen. Selbst wenn eine somatoforme Schmerzstörung festgestellt werden könnte, würde diese darüber hinaus keine Auswirkungen auf die quantitative Leistungsfähigkeit des Betroffenen haben. Die qualitativen Einschränkungen seien auf orthopädischem Fachgebiet bereits in mehreren Gutachten beschrieben worden. Schwere Arbeiten in einer Druckerei mit Heben und Tragen von Lasten seien insofern sicherlich nicht mehr leidensgerecht. Leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könnten noch vollschichtig ausgeübt werden.
Der Kläger hat nach Erhalt des Gutachtens mit Schreiben vom 03.05.2023 mitteilen lassen, dass er das Verfahren fortführen möchte. Weiterer Vortrag ist nicht erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe liegen nicht vor (§ 144 SGG).
Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG Stuttgart vom 25.07.2022 und der Bescheid vom 16.01.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2020 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Rente wegen Erwerbsminderung (§ 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]) dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nicht besteht, weil der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leistungsfähig ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung uneingeschränkt an, sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheides zurück.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Berufungsverfahren. Der Senat kann sich nach der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen nicht davon überzeugen, dass der Kläger unter Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen nicht mehr in der Lage ist, einer leichten körperlichen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für sechs Stunden und mehr nachzugehen. Wie das SG ist auch der Senat davon überzeugt, dass keine so weitreichenden Einschränkungen bestehen, als dass das Leistungsvermögen des Klägers hier auf unter sechs Stunden herabgesunken ist.
Zu einem anderen Ergebnis führen insbesondere auch nicht die Ermittlungen im Berufungsverfahren. Vielmehr hat auch das nach § 109 SGG eingeholte Gutachten der H2 ein noch vollschichtiges Leistungsvermögen für zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bestätigt. Die Ausführungen der Gutachterin sind schlüssig, widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Die Gutachterin hat den Krankheitsverlauf ausführlich geschildert, ist den Beschwerden nachgegangen und hat den Kläger sorgfältig und umfassend untersucht. Sie hat eine ausführliche Anamnese erhoben, den Kläger umfassend zu seinen Beschwerden, seiner Biographie und Krankheitsgeschichte, dem Tagesablauf und zur aktuellen Therapie befragt und einen neurologischen und psychopathologischen Befunde erhoben. Der Senat hat daher keinen Anlass an der Vollständigkeit der erhobenen Befunde und an der Richtigkeit der daraus gefolgerten Leistungsbeurteilung von H2, wie auch an den Feststellungen des in erster Instanz eingeholten Gutachtens bei Z1, zu zweifeln, zumal nach Erhalt des Gutachtens von H2 kein weiterer Vortrag des Klägers mehr erfolgt ist.
Der Senat ist nach alledem der Überzeugung, dass der Kläger noch leichte Tätigkeiten mit den bereits vom SG festgestellten qualitativen Einschränkungen, aus denen sich auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen ableiten lässt, noch sechs Stunden und mehr arbeitstäglich im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche zumutbar verrichten kann.
Anhaltspunkte dafür, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers aufgrund einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes - beispielsweise wegen eingeschränkter Wegefähigkeit oder dem Erfordernis betriebsunüblicher Pausen - beeinträchtigt ist, liegen nicht vor. Z1 hat keine Einschränkungen bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und der Fähigkeit vier Mal täglich jeweils mehr als 500 m in weniger als 20 Minuten zurückzulegen, festgestellt und auch aus dem Gutachten von H2 lässt sich keine Einschränkung der Wegefähigkeit ableiten. Der Senat kann auch keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass der Kläger betriebsunübliche Pausen benötigt. Auch dies entnimmt er den genannten Gutachten.
Weitere Ermittlungen waren nicht geboten. Der Senat sieht den Sachverhalt durch die eingeholten Gutachten in erster und zweiter Instanz sowie im Verwaltungsverfahren als umfassend aufgeklärt an, zumal der Kläger auch keine substantiierten Einwände gegen das eingeholte Gutachten von H2 erhoben hat.
Nach alledem besteht kein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Ein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit besteht schon deshalb nicht, weil der Kläger 1965 und damit nach dem maßgeblichen Stichtag des § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI geboren ist.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).