Durch im E-Mail-to-Fax-Verfahren übersandte Dokumente wird das Schriftformerfordernis jedenfalls dann nicht gewahrt, wenn das Dokument nur die E-Mail-Adresse als Absender, jedoch nicht dessen Faxnummer ausweist.
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 27. Oktober 2023 (Ablehnung von Prozesskostenhilfe) wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die am 28. November 2023 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingegangene Beschwerde des Klägers gegen den ihm am 4. November 2023 zugestellten und mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen (SG) vom 27. Oktober 2023 – mit welchem das SG die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt hat – ist bereits unzulässig. Denn der Kläger hat diese nicht binnen der einmonatigen, bis zum 4. Dezember 2023 laufenden Beschwerdefrist (§ 173, § 64 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) in formgerechter Weise eingelegt.
Nach § 173 Satz 1 Halbsatz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Beschwerde binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung beim Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Landessozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird (§ 173 Satz 2 SGG). Unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 65a SGG ist auch eine Einlegung mittels eines elektronischen Dokuments möglich.
Dem Schriftformerfordernis wird in der Regel durch die eigenhändige Unterschrift des Beschwerdeführers Rechnung getragen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage 2023, § 151 Rn. 3a ff.). Diese ist grundsätzlich ein zwingendes Wirksamkeitserfordernis für bestimmende Schriftsätze. Die Schriftform wird ebenfalls durch ein verschriftlichtes Rechtsschutzgesuch gewahrt, das mittels Telefax dem Gericht zugeleitet wird und dort ausgedruckt wird (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 1. August 1996 – 1 BvR 121/95 –). Mittels sog. Computerfax können bestimmende Schriftsätze ferner formwirksam durch elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf das Fax-Gerät des Gerichts übermittelt werden, soweit der Zweck der Schriftform auf diese Weise gewährleistet wird (vgl. auch § 130 Nr. 6 Zivilprozessordnung [ZPO]).
Dagegen wahrt das E-Mail-to-Fax-Verfahren das Schriftformerfordernis nicht (Finanzgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 1. Dezember 2010 – 3 K 1160/06 –, juris Rdnr. 25). Es entspricht weder einem Telefax noch einem Computerfax. Während beim Telefax ein unterschriebenes Original vorliegt und beim Computerfax durch die eingescannte Unterschrift sowie die mit übermittelte Anschlussnummer der am Gericht eingehenden Kopie hinreichend zuverlässig entnommen werden kann, dass die Erklärung abgeschlossen ist und von der Person, von der sie auszugehen scheint, willentlich in den Verkehr gebracht wurde, ist dies beim E-Mail-to-Fax-Verfahren nicht in gleicher Weise möglich. In diesem Verfahren liegt wie beim Computerfax lediglich eine eingescannte Unterschrift vor. Indem das Dokument aber sodann erst elektronisch per e-Mail oder per Upload zu einem Anbieter übermittelt wird, der den Faxversand vornimmt, ist diese Bewertung nicht in gleicher Weise zuverlässig möglich. Der Anbieter transportiert nicht lediglich wie ein Post- oder Telekommunikationsunternehmen eine fremde Erklärung in seinem Netz, einschließlich der gegebenenfalls nötigen technischen Übertragungen. Er wandelt vielmehr ein Dokument in das zu übermittelnde technische Format, ohne zuvor zu prüfen, ob das Dokument der Person zugeordnet werden kann, die den Übermittlungsauftrag erteilt hat. Damit ist dieses Verfahren einem Telefax vergleichbar, dem kein Original, sondern lediglich eine Kopie zugrunde liegt, was die Schriftform nicht wahren würde. Daher gewährleistet die Einreichung eines Schriftsatzes im E-Mail-to-Fax-Verfahren die Zuordnung des Schreibens zu einer bestimmten Person auch nicht besser als eine gewöhnliche E-Mail, die der Schriftform nicht genügt (Oberlandesgericht Dresden Beschluss vom 4. Dezember 2020 – 22 WF 872/20 –, juris Rdnr. 6; ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. April 2021 – L 12 AS 311/21 B ER –, juris Rdnr. 3).
Andernfalls würden die Vorgaben des § 65a SGG zur Einreichung von vorbereitenden Schriftsätzen, schriftlich einzureichenden Anträgen und Erklärungen der Beteiligten als elektronische Dokumenten umgangen, nach welchen das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg im Sinne des § 65a Abs. 4 SGG eingereicht werden muss (s. § 65a Abs. 3 Satz 1 SGG). Hiernach genügt etwa die Einlegung einer Beschwerde durch Übersendung eines – auch gegebenenfalls mit einer eingescannten Unterschrift versehenen – PDF-Dokuments per einfacher E-Mail an das Gericht den Formerfordernissen nicht. Die von dem Kläger gewählte Vorgehensweise, das Beschwerdedokument (mit eingescannter Unterschrift, wie der Senat trotz schlechter Erkennbarkeit unterstellt) nicht per einfacher E-Mail unmittelbar an das Gericht zu senden, sondern in einem nicht mit nennenswerten weiteren Authentifizierungsmaßnahmen einhergehenden Zwischenschritt per einfacher E-Mail an einen E-Mail-to-Fax-Dienst, welcher ihn dann an das Gericht übermittelt, ist nicht anders zu bewerten. Der Kläger hat zwar mit Schreiben vom 9. Dezember 2023 bestritten, einen E-Mail-to-Fax-Dienst genutzt zu haben. Das Gegenteil wird zur Überzeugung des Senats (§ 128 SGG) jedoch dadurch belegt, dass das Beschwerdedokument keine Absenderfaxnummer, sondern lediglich eine E-Mail-Adresse als Absender ausweist, auch hat der Kläger in dem vorgenannten Schreiben als genutzten Dienstleister „simple fax“ benannt, bei dem es sich aber um einen E-Mail-to-Fax-Dienst handelt (dort Mail2fax genannt, s. https://simple-fax.de/fax-per-mail, abgerufen am 10. Januar 2024).
Vor diesem Hintergrund kann vorliegend dahinstehen, ob die Nutzung eines E-Mail-to-Fax-Dienstes dann anders zu bewerten ist, wenn das übersandte Dokument eine die Erreichbarkeit des Absenders gewährleistende Faxnummer ausweist (so und zur Abgrenzung zur unmittelbaren Dokumentenübermittlung per einfacher E-Mail gerade auf diesen Umstand abstellend Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17. Januar 2023 – 3 AZR 158/22 –, juris Rdnr. 21).
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt vorliegend nicht in Betracht. Nach § 67 Abs. 1 SGG ist auf Antrag – oder gegebenenfalls von Amts wegen (§ 67 Abs. 2 Satz 4 SGG) – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist – hier die Beschwerdefrist nach § 173 Satz 1 SGG – einzuhalten. Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 67 Abs. 2 Satz 1 SGG). Gemäß § 67 Abs. 2 Satz 3 SGG ist die versäumte Rechtshandlung innerhalb der Antragsfrist nachzuholen. Ungeachtet der Frage, ob in der hiesigen Sache Fristversäumung ohne Verschulden angenommen werden kann, ist der Kläger jedenfalls bereits mit der am Tag der Verfahrenszuteilung verfügten Eingangsbestätigung vom 5. Dezember 2023 über den bestehenden Formmangel informiert worden und hat diesen Hinweis auch zur Kenntnis genommen, wie er mit dem Schreiben vom 9. Dezember 2023 bestätigt hat. Dennoch ist eine formgerechte Beschwerdeeinlegung bis zum Tag der hiesigen Entscheidung und damit während der Antragsfrist nicht erfolgt.
Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gem. § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).