1. Bei der Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, Korrekturanträge im Verfahren über die abschließende Bewilligung von Kurzarbeitergeld einzureichen, handelt es sich mangels Regelungswirkung nicht um einen Verwaltungsakt.
2. Wird dem Aufforderungsschreiben dennoch eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt, so kann sich der Kläger hiergegen stathafter Weise mit der Anfechtungsklage wenden.
3. Verfahren, in denen der Umfang der Nachweispflichten des Arbeitgebers im Verfahren über die Bewilligung von Kurzarbeitergeld streitig ist, sind gerichtskostenfrei. Ein Streitwert ist nicht festzusetzen.
1. Der Bescheid der Beklagten vom 13.02.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2023 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte hat der Klägerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen ein mit Rechtsfolgen- und Rechtsbehelfsbelehrung versehenes Schreiben der Beklagten, mit dem sie zur Korrektur von Leistungsanträgen auf Kurzarbeitergeld aufgefordert wird.
Die Klägerin ist Inhaberin einer Kosmetikpraxis und beantragte und erhielt für die bei ihr beschäftigte Arbeitnehmerin H. Kurzarbeitergeld für den Zeitraum von November 2020 bis Mai 2021.
Mit Schreiben vom 11.01.2023 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie zur Prüfung des tatsächlichen Vorliegens der Leistungsvoraussetzungen (Abschlussprüfung) diverse Unterlagen benötige, die dem Schreiben entnommen werden konnten. Der Anforderung kam die Klägerin nach.
Mit Schreiben vom 13.02.2023 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass bei der Prüfung der eingereichten Unterlagen Fehler festgestellt worden seien. Das Soll-/Ist-Entgelt sei fehlerhaft ermittelt worden, was die Beklagte sodann näher ausführte. Es werde gebeten, das Entgelt zu korrigieren und Korrekturanträge einzureichen. Des Weiteren dürfe bei einem Arbeitsausfall von 100 % der Urlaubsanspruch zwar gekürzt werden, die Beklagte berücksichtige dies aber erst, wenn die Kürzung nach dem 30.11.2021 (Urteil des BAG) erfolge. Die betroffene Arbeitnehmerin habe noch 5 Resturlaubstage aus dem Jahr 2020 gehabt, die zur Vermeidung von Kurzarbeit hätten eingebracht werden müssen. Es werde gebeten, die Korrekturanträge für die Monate November 2020 bis Mai 2021 bis spätestens zum 28.02.2022 einzureichen. Unterhalb dieser Fristsetzung wurde die Klägerin auf die aus Sicht der Beklagten einschlägigen Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung hingewiesen. Der Arbeitgeber, so die Klägerin, sei zum Nachweis der Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen verpflichtet. Sofern solche Unterlagen fehlen und deshalb die Anspruchsvoraussetzung nicht hinreichend nachgewiesen werden können, gehe dies zulasten des Betriebs. Die Klägerin werde darauf hingewiesen, dass sie ordnungswidrig handelt und Schadensersatzforderungen auf sie zukommen werden, wenn die Klägerin ihren angegebenen Verpflichtungen weiterhin nicht nachkomme. Die Beklagte sei gehalten, sofern die Unterlagen nach Ablauf der gesetzten Frist nicht vorliegen, das Bußgeldverfahren gegen die Klägerin einzuleiten und Schadensersatzforderungen geltend zu machen. Anschließend wurde die Klägerin im Rahmen einer „Rechtsbehelfsbelehrung“ auf die Statthaftigkeit des Widerspruchs hingewiesen.
Mit Schreiben vom 28.02.2023 erhob die Klägerin sodann auch Widerspruch. Die Beanstandungen seien nicht nachvollziehbar. Die Übersendung von Korrekturanträgen werde demgemäß nicht erfolgen. Nicht nachvollzogen werden könne auch, dass die Beklagte die Rechtsprechung des BAG im Hinblick auf die Möglichkeit der Kürzung des Jahresurlaubes für Zeiten des vollständigen Arbeitsausfalls erst nach Urteilsdatum berücksichtige. Die Klägerin erwarte „eine Korrektur der Rechtsauffassung der Beklagten“.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.03.2023 (W-01336/23) wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Arbeitgeber habe der Beklagten auf Verlangen die Voraussetzungen für die Erbringung von Kurzarbeitergeld nachzuweisen. Er habe diese Leistungen kostenlos zu errechnen und auszuzahlen. Die von der Klägerin angeforderten Angaben seien für die Bearbeitung des Auszahlungsantrages notwendig.
Die Klägerin hat am 22.03.2023 unter inhaltlicher Präzisierung ihres Vorbringens, weshalb sie die Aufforderung der Beklagten nicht für statthaft erachtet und sie Korrekturanträge nicht einreichen werde, Klage vor dem Sozialgericht Gießen erhoben.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 13.02.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2023 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
und verweist begründend auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid sowie auf den Vorgang, wie er sich aus der Verwaltungsakte ergibt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf den Auszug der elektronischen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und im Sinne der Aufhebung des „Bescheides“ der Beklagten vom 13.02.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2023 begründet.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem von der Klägerin angegriffenen „Bescheid“ der Beklagten vom 13.02.2023 lediglich um einen sog. „Formverwaltungsakt“ handelt (vgl. zum Begriff des „Formverwaltungsakts“ bei einer Aufforderung zu Eigenbemühungen mit Rechtsfolgen- und Rechtsbehelfsbelehrung: BSG, Urteil vom 31.01.2006 - B 11a AL 13/05 R).
Ein Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist, § 31 S. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Das Kriterium der „Regelung“ kennzeichnet den Verwaltungsakt dabei als verwaltungsrechtliche Willenserklärung und ist im Zusammenhang mit den weiteren Kriterien, insbesondere der Außenwirkung, Abgrenzungsmerkmal zu verwaltungsinternen Handeln und mit dem Erfordernis der unmittelbaren Rechtswirkung zu sehen.
Eine Aufforderung wie sie hier im Streit steht, bestimmte Unterlagen (im Sinne der Beklagten) zu korrigieren, ist der Sache nach keine Regelung im Sinne des § 31 SGB X, die auf eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Eine Regelung liegt vielmehr nur dann vor, wenn die Behörde eine potentiell verbindliche Rechtsfolge gesetzt hat; dabei verlangt die Formulierung „unmittelbare Rechtswirkung“, dass die angestrebte Rechtsfolge ohne Zwischenschaltung anderer Entscheidungen, d.h. ohne weitere Umsetzungsakte eintritt (BSG, Urteil vom 04.10.1994 – 7 KIAr 1/93; Siewert in: Diering/Timme/Stähler, SGB X, 6. Aufl. 2022, § 31 Rn. 69). Die Erklärung der Behörde ist hierbei entsprechend der Grundsätze für die Auslegung von Willenserklärungen, §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auszulegen. Maßgebend ist der objektive Sinngehalt der Erklärung, wie der Empfänger diese bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalles objektiv verstehen musste. Eine Regelung zielt auf die Begründung rechtlicher Verpflichtungen ab. Das ist der Fall, wenn Rechte begründet, (jedenfalls teilweise) abgelehnt, aufgehoben, festgestellt oder geändert werden. Eine solche unmittelbare Rechtsfolge wird jedoch durch das Schreiben vom 13.02.2023 (noch) nicht gesetzt. Auch die Ankündigung, im Falle des Verstreichenlassens der Frist ein Bußgeldverfahren einzuleiten, ist selbst noch keine Regelung im Sinne der Norm, sondern lediglich eine Ankündigung, eine Regelung für den Fall der Nichtbefolgung treffen zu wollen. Das Aufforderungsschreiben diente daher allenfalls der Vorbereitung zum Erlass eines Verwaltungsaktes und stellt selbst noch keinen Verwaltungsakt dar. Wurde, wie im vorliegenden Falle, das Schreiben jedoch mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, so macht allein dies das Aufforderungsschreiben formal zu einem Verwaltungsakt (BSG, Urteil vom 03.04.2003 - B 13 RJ 39/02 R).
Gegen diesen Formverwaltungsakt kann sich die Klägerin, die allein durch die Existenz dieses formellen Verwaltungsakts beschwert und in ihren Rechten verletzt ist (BSG, Urteil vom 05.09.2006 – B 4 R 71/06 R), zutreffend mit der Anfechtungsklage wenden (BSG, Urteil vom 03.04.2003 - B 13 RJ 39/02 R; Littmann in: Hauck/Noftz SGB X, 1. Ergänzungslieferung 2024, § 31 Rn. 19). Eine inhaltliche Prüfung hat hierbei nicht stattzufinden.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183 S. 1, 193 SGG; das Verfahren ist gerichtskostenfrei. Ist ein Anspruch oder ein Rückforderungsanspruch auf Kurzarbeitergeld streitig, findet § 197a SGG zweifelsfrei keine Anwendung, da der Arbeitgeber in Streitigkeiten über Kurzarbeitergeld nur Prozessstandschafter der leistungsempfangenden Arbeitnehmer ist, sich demnach am Charakter des Kurzarbeitergeldes als Sozialleistung nichts ändert (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.03.2021 - L 20 AL 184/20 B). Wenngleich vorliegend kein (Rückforderungs-)Anspruch streitig ist, so findet die Kostenprivilegierung dennoch Anwendung. Das streitgegenständliche Aufforderungsschreiben der Beklagten betrifft die Frage nach Verpflichtungen/Obliegenheiten des Arbeitgebers im Verfahren über die (abschließende) Bewilligung von Kurzarbeitergeld und qualifiziert eine potentiell fehlende Reaktion der Klägerin hierauf als ordnungswidrig und bußgeldbewehrt. Es ist damit in untrennbarem Zusammenhang mit der Inanspruchnahme des Arbeitgebers als Prozessstandschafter der leistungsberechtigten Arbeitnehmer zu sehen. Hierfür spricht auch, dass beispielsweise in nichtkontradiktorischen Beschwerdeverfahren gegen einen Ordnungsgeldbeschluss der Beschwerdeführer immer auch dann kostenprivilegiert ist, wenn er im Hauptsacheverfahren nach § 183 SGG privilegiert ist. Die Begünstigung durch die Kostenfreiheit bezieht sich dem Schutzzweck der Vorschrift entsprechend nicht nur auf das Hauptsacheverfahren, sondern auch auf Neben- und Zwischenverfahren (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.07.2020 - L 32 AS 1879/19 B). Auch im Streit um den Umfang der Inanspruchnahme des Arbeitgebers im Verfahren über die Bewilligung von Kurzarbeitergeld besteht damit Kostenfreiheit.