L 6 AS 127/23

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 33 AS 820/20
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 127/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze


Zahlt der Vermieter das Nebenkostenguthaben direkt an das Jobcenter aus, besteht kein Auszahlungsanspruch des Leistungsberechtigten gegen das Jobcenter. Wenn es sich bei der Direktzahlung nach § 22 Abs. 7 Satz 2- 4 SGB II nicht um eine eigene Leistung des Beklagten handelt (vgl. BSG, Urteil vom 9. August 2018 – B 14 AS 38/17 R –, Rn. 30 ff, juris), dann folgt daraus im Umkehrschluss, dass der Leistungsberechtigte die Auszahlung des Guthabens vom Vermieter verlangen und dies gegebenenfalls auf dem Zivilrechtsweg durchsetzen muss. Im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens wäre dann zu klären, ob der Vermieter schuldbefreiend an das Jobcenter leisten konnte. 


I.    Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 3. März 2023 wird zurückgewiesen. 

II.    Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III.    Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten über, eine Aufrechnung in Höhe von 96,00 € und ob das Guthaben aus den Nebenkostenabrechnungen des Vermieters des Klägers vom 4. November 2020 in Höhe von 1.123,51 € dem Kläger auszuzahlen ist.

Der Kläger bezieht seit dem 24. Oktober 2018 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) vom Beklagten aufgrund Bewilligungsbescheides vom 8. Januar 2019, mit welchem dem Kläger Leistungen für den Zeitraum vom 24. Oktober 2018 bis zum 30. Juli 2019 bewilligt wurden.

Am 17. April 2019 reichte der Kläger beim Beklagten eine Beschäftigungsbescheinigung des M. e.V. C-Stadt ein, in welcher bestätigt wurde, dass der Kläger dort seit 1. März 2019 als Platzwart für einen Stundenlohn von 10,00 € bis zu einer maximalen Höhe von 400,00 € im Monat arbeite. Außerdem legte er einen Überweisungsbeleg vor, wonach am 8. April 2019 an den Kläger eine Lohnzahlung für März 2019 i.H.v. 220,00 € erfolgt war. Am 27. Mai 2019 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass die Leistungen für April 2019 ohne Einkommensanrechnung erfolgt sei. Es sei im April eine Überzahlung von 96,00 € entstanden sei. Für Mai errechne sich eine vorläufige Nachzahlung von 160,00 €. Den Differenzbetrag von 64,00 € werde man jetzt an den Kläger überweisen. Mit Bescheid vom 12. Juni 2019 nahm der Beklagte die Leistungsgewährung für April 2019 teilweise zurück und verpflichtete den Kläger zu Erstattung überzahlter Leistungen i.H.v. 96,00 €. Mit Schreiben vom 16. Juni 2019, eingegangen beim Beklagten am 17. Juni 2019, erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 12. Juni 2019. Daraufhin zahlte der Beklagte den einbehaltenen Betrag von 96,00 € wieder an den Kläger aus. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 2019 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 12. Juni 2019 zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 10. Oktober 2019 zugestellt. Der Kläger hat gegen den Widerspruchsbescheid keine Klage erhoben.

Mit Bescheid vom 12. März 2020 erklärte der Beklagte die Aufrechnung des Rückforderungsbetrages aus dem Bescheid vom 12. Juni 2019 in Gestalt Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2019 mit den laufenden Leistungen des Klägers i.H.v. 42,40 € ab 1. Mai 2020. Der Kläger legte, mit beim Beklagten am 15. April 2020 eingegangenen Schreiben, Widerspruch gegen den Bescheid des Beklagten vom 12. März 2020 ein. Daraufhin führte der Beklagte die Aufrechnung zunächst nicht durch. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2020 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Aufrechnungsbescheid vom 12. März 2020 zurück. Dieser Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 17. Juni 2020 zugestellt. Der Kläger hat gegen den Widerspruchsbescheid keine Klage erhoben.

Mit Bescheid vom 8. September 2020 gewährte der Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 1. Oktober 2020 bis 30. September 2021. In dem Bescheid vom 8. September 2020 wurde von dem Leistungsbetrag im Oktober 2020 ein Betrag von 42,40 € und im November 2020 ein Betrag von 11,20 € aufgerechnet und die Regelleistungen nur in entsprechend geringerer Höhe ausgezahlt.

Mit Schreiben vom. 12. September 2020, eingegangen beim Beklagten am 18. September 2020, legte der Kläger gegen den Bescheid vom 8. September 2020 Widerspruch ein. Der Widerspruch richtete sich gegen die Aufrechnung für Oktober 2020 (42,40 €) und November 2020 (11,20 €). Er könne dies nicht nachvollziehen und halte die Abzüge für nicht gerechtfertigt. Er beantrage die Auszahlung der vollen Regelleistungen in den Monaten Oktober und November 2020.

Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 8. September 2020 mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2020 als unzulässig zurück. Im Rahmen des Bewilligungsbescheides vom 8. September 2020 sei keine erstmalige Regelung hinsichtlich der Aufrechnung erfolgt, sondern lediglich eine Durchführung der Aufrechnung. Es handele sich hierbei um eine wiederholende Verfügung. Eine Regelung hinsichtlich der Aufrechnung sei mit den ergangenen Bescheiden vom 12. März 2020 und 9. Juni 2020 getroffen worden. Der Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2020 sei rechtskräftig. Klage sei hiergegen nicht erhoben worden. Der Widerspruch sei hinsichtlich der Durchführung der Aufrechnung im Bescheid vom 8. September 2020 bereits unzulässig gewesen.

Der Kläger hat am 16. November 2020 Klage zum Sozialgericht Darmstadt erhoben.

Der Kläger hat vorgetragen, dass er die Summe von 96,00 € dem Beklagten nicht schulde, da er diese Summe durch Verrechnung seitens des Beklagten bereits längst gezahlt habe. Ob es sich um eine erstmalige Regelung oder eine wiederholende Verfügung handle, sei entgegen dem Vortrag des Beklagten völlig unerheblich. Der Beklagte versuche, sich durch sich im Kern immer wiederholende Bescheide und Argumente vor der Rückzahlung der einbehaltenen insgesamt 96,00 € zu drücken. Der Kläger habe der Beklagten durch sein sparsames Heizverhalten Aufwendungen erspart. Der Beklagte habe die streitgegenständlichen 96,00 € bereits durch Aufrechnungen im Rahmen der Bescheide für Dezember 2019 und Januar 2020 vorgenommen. Er habe die Summe also bereits erhalten. Mit dem Ergebnis, dass er 96,00 € erhalten habe und diese ihm wieder abgezogen würden könnte er sich arrangieren, nicht aber damit, dass die bereits abgezogenen 96,00 € nochmals abgezogen würden. Er schulde der Beklagten nichts mehr. Die erneut einbehaltenen 96,00 € sei zu Unrecht abgezogen worden.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Aufrechnung im angegriffenen Bescheid vom 8. September 2020 lediglich umgesetzt bzw. wiederholt worden sei. Ein erneuter Widerspruch gegen die Aufrechnung sei hingegen nicht zulässig gewesen. Andere Bedenken habe der Kläger jedoch im Widerspruch nicht vorgebracht. Die Zurückweisung als unzulässig sei daher zu Recht erfolgt. Der Betrag von 96,00 € sei zwar vom Beklagten zunächst einbehalten worden, nach Einlegung eines Widerspruchs sich den Kläger gegen den Rückforderungsbescheid aber wieder ausbezahlt worden. Der Beklagte habe daher den fraglichen Betrag nicht doppelt einbehalten. Das angebliche Ersparen von Heizkosten habe mit der Aufrechnungsentscheidung nichts zu tun.

Mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2020 hat der Kläger den Vortrag in der Klageschrift nochmals bekräftigt und angekündigt, dass er die Klage erweitern werde, wenn der Beklagte im nicht bis zum 28. Januar 2021 96,00 € anweise.

Mit Änderungsbescheid vom 7. Januar 2021 hat der Beklagte die Erhöhung des Regelbedarfs ab 1. Januar 2021 von 430,00 € auf 446,00 € umgesetzt. Im Übrigen entsprach die Leistungsberechnung dem Ausgangsbescheid vom 18. September 2020, den der Beklagte ab dem 1. Januar 2021 gemäß § 48 SGB X aufhob.

Mit Widerspruch vom 12. Januar 2021 hat sich der Kläger gegen den Änderungsbescheid vom 7. Januar 2021 gewandt und eine Reduzierung der anerkannten Nebenkosten von 132,00 € auf 60,00 € verlangt. Der Differenzbetrag von 72,00 € für Januar 2021 solle an ihn ausbezahlt werden. Der Kläger hat außerdem vom Beklagten eine Erstattung von eingesparten Heiz- und Nebenkosten von 1.313,58 € gefordert.

Mit Schriftsatz vom 2. Februar 2021 hat der Kläger vorgetragen, dass er seine Klage dahingehend erweitere, dass der Beklagte dazu verurteilt werde, ihm auch die zu Unrecht einbehaltenen Beträge für November und Dezember 2018 i.H.v. 189,87 € sowie für das Jahr 2019 i.H.v. 1.123,61 €, insgesamt somit 1.313,58 € zu zahlen. Der Klagebetrag belaufe sich somit insgesamt auf 1.409,58 €. Dieser Betrag müsse ihm vom Beklagten nachgezahlt werden.

Mit Schriftsatz vom 8. März 2021 hat der Beklagte vorgetragen, dass vorliegend lediglich der Bescheid vom 8. September 2020 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 28. Oktober 2020 streitgegenständlich sei, der den Zeitraum Oktober 2020 bis September 2021 betreffe. Einbehaltungen für November 2018 bis Dezember 2019 seien nicht Gegenstand der vorliegenden Klage. Unabhängig davon erschließe sich dem Beklagten nicht, wie der Kläger auf Einbehaltungen von 1.123,61 € für das Jahr 2019 komme.

Mit Verfügung vom 9. März 2021 hat das Sozialgericht den Kläger aufgefordert, anhand von Kontoauszügen nachzuweisen, wann eine Einbehaltung von 96,00 € durch den Beklagten erfolgt sein solle.

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. April 2021 hat der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 7. Januar 2021 als unzulässig zurückgewiesen. Der Bescheid vom 7. Januar 2021 sei gemäß § 96 Abs. 1 SGG als neuer Verwaltungsakt nach Klageerhebung Gegenstand des bereits anhängigen Klageverfahrens geworden.

Mit Schriftsatz vom 26. April 2021 hat der Kläger vorgetragen, dass es ihn nicht überrasche, dass sich dem Beklagten angeblich nicht erschließe, wie er auf die Einbehaltung durch den Beklagten i.H.v. 1.123,61 €. Er verweise insoweit auf seinen gesamten bisher gehaltenen Vortrag. Mit Schriftsatz vom 29. April 2021 hat der Kläger ergänzt, dass der Beklagte selbst in seinem streitgegenständlichen Bescheid vom 28. Oktober 2020 die Einbehaltungen für das Jahr 2019 i.H.v. 1.123,61 € zum Thema gemacht habe bzw. zur Sprache gebracht habe.

Mit Schriftsatz vom 30. April 2021 hat der Kläger vorgetragen, dass er die erbetenen Kontoauszüge für Juni und Juli 2019 nicht vorlegen könne, da er diese bereits vernichtet habe. Eine Zweitausfertigung würde in Geld kosten, welches er dann nicht mehr für Lebensmittel zur Verfügung habe. Ihm sei noch sehr gut erinnerlich, dass er Mitte Juni 2019 die streitgegenständlichen 96,00 € erhalten habe. Der Kläger hat außerdem eine Betriebskostenabrechnung des Magistrats der Stadt B-Stadt vom 4. November 2020 übersandt, aus welcher sich ein Guthaben von 1.123,51 € ergebe, welches ihm nicht überwiesen worden sei, weil der Beklagte von der Stadtkasse B-Stadt verlangt habe, ihm das Geld zu überweisen. Daraufhin habe die Kassenabteilung der Stadt B-Stadt der Anweisung des Beklagten Folge geleistet und dem Beklagten diese eigentlich dem Kläger zustehenden 1.123,51 € angewiesen. Der Beklagte sei umgehend zu verurteilen, dem Kläger 1.123,51 € bis spätestens 12. Mai 2021 zu überweisen. Andernfalls werde er die Mitarbeiter des Beklagten wegen Veruntreuung anzeigen.

Mit Schriftsatz vom 5. Juli 2021 hat der Beklagte vorgetragen, dass sich für das Jahr 2020 tatsächlich aus der Betriebskostenabrechnung ein Guthaben von 1.123,51 € ergeben habe. Dieses Guthaben sei nach Abzug eines Rückstandes von 189,87 € i.H.v. 933,64 € an den Beklagten überwiesen worden. Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II sei dieser Anspruch des Klägers aus den Betriebskostenguthaben auf den Beklagten übergegangen. Die Erstattung des genannten Betrages durch die Stadt B-Stadt sei daher rechtmäßig gewesen.

Mit Schriftsatz vom 4. August 2021 hat der Kläger seinen Vortrag nochmals bekräftigt. Der Beklagte widerspräche sich mit seinem Schriftsatz vom 5. Juli 2021 selbst. Dem Kläger sei niemals ein Betrag i.H.v. 933,64 € angewiesen worden.

Nach Anhörung der Beteiligten zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid hat der Kläger mit Schriftsatz vom 7. Februar 2022 beantragt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, da die Sache seiner Ansicht nach keinesfalls geklärt sei und der Sachverhalt weiter aufklärbar sei. Diese Ansicht hat er mit Schriftsatz vom 19. April 2022 nochmals bekräftigt.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 3. März 2023 abgewiesen. Es hat hierbei folgenden Antrag des Klägers zu Grunde gelegt: Der Kläger beantragt wörtlich, „dem Beklagten aufzugeben, seinen Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2020 dahingehend abzuändern, dass mir, dem Kläger, die damit aufgerechneten Beträge für die Monate September 2020 i.H.v. 42,40 €, Oktober 2020 i.H.v. 42,40 € und November 2020 i.H.v. 11,20 €, insgesamt 96,00 € nachgezahlt bzw. ausgezahlt/ angewiesen werden. Kurz: Dass ich: diese 96,00 € nicht zu zahlen hatte, gezahlt habe da ich sie durch Verrechnung seitens des Beklagten bereits längst gezahlt habe!!!“ 
„(...) dass der mir vom Beklagten zu Unrecht abgezogene/ einbehaltene Betrag von insgesamt 1.409,58 € an mich, den Kläger, nachgezahlt wird.“

Das Sozialgericht hat hinsichtlich der vom Kläger zusätzlich eingeklagten 189,87 € für die Monate November und Dezember 2018 ausgeführt, dass die Klage bereits wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig sei. Die Nebenkostenabrechnung für die Monate November und Dezember 2018, das sich daraus ergebende Guthaben i.H.v. 189,87 € und die daraus folgende Minderung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in den Monaten Dezember 2019 Januar 2020 seien Gegenstand des Klageverfahrens mit dem Aktenzeichen S 33 AS 1201/19.

Im Übrigen sei die Klage zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 8. September 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2020, abgeändert durch den Änderungsbescheid vom 7. Januar 2021 sei rechtmäßig. Der Kläger habe gegen den Beklagten weder Anspruch auf die ursprünglich mit der hiesigen Klage begehrte Zahlung von 96,00 €, noch auf Zahlung von weiteren 1.123,51 €.

Soweit sich der Kläger gegen die vom Beklagten im angefochtenen Bescheid durchgeführte Aufrechnung von 96,00 € wende, sei die Klage unbegründet, da im angegriffenen Bescheid vom 8. September 2020 lediglich die im bestandskräftigen Bescheid vom 12. März 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2020 vorgenommene Aufrechnung umgesetzt werde. Gegen diesen Bescheid habe der Kläger keine Klage erhoben. Er sei damit vollziehbar. Der Beklagte habe in der Klageerwiderung zutreffend ausgeführt, dass die Umsetzung eine Aufrechnung nicht zum erneuten Widerspruch gegen die Aufrechnung berechtigt. Der vorliegend angefochtene Bescheid setze die im bestandskräftigen Bescheid vom 12. März 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Juni 2020 verfügte Aufrechnung lediglich um und erwähnt die Aufrechnung nur zur Erklärung des aufgrund der Aufrechnung reduzierten Zahlbetrages. Hierin sei keine erneute Vornahme eines Verwaltungsaktes über die Aufrechnung zu sehen, sondern lediglich eine wiederholende Verfügung. Dies habe zur Folge, dass ein die Durchführung der Aufrechnung beanstandender Rechtsbehelf bereits unzulässig sei wie der Beklagte im Widerspruchsbescheid ausgeführt habe. Die Aufrechnung sei auch nicht, wie vom Kläger behauptet, doppelt durchgeführt worden. Der zunächst einbehaltene Betrag sei wieder an den Kläger ausgezahlt, so dass mit den in der hiesigen Klage streitgegenständlichen Bescheiden die dem Kläger zu Unrecht ausgezahlten 96,00 € zum einzigen Mal durch die durchgeführten Aufrechnungen einbehalten worden seien. Der Kläger habe deshalb gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Auszahlung von 96,00 €. 

Der Kläger habe gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf Zahlung von 1.123,51 € aufgrund ersparter Nebenkosten für das Jahr 2019. Diese Frage sei zwar im hiesigen Verfahren, anders als der Beklagte meint, streitgegenständlich, Da der Änderungsbescheid vom 7. Januar 2021 gemäß § 96 Abs. 1 SGG als den streitgegenständlichen Bescheid abändernder Bescheid Gegenstand des hiesigen Verfahrens geworden ist. Dies habe der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 7. April 2021, in dem er den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 7. Januar 2021 als unzulässig zurückgewiesen habe, zutreffend festgestellt. Die Einwendungen des Klägers gegen den Bescheid vom 7. Januar 2021 seien aufgrund der Unzulässigkeit eines Widerspruchs gegen denselben Gegenstand des hiesigen Verfahrens geworden.

Der Kläger habe jedoch keinen Anspruch auf Auszahlung des sich für das Jahr 2019 ergebenden Nebenkostenguthabens i.H.v. 1.123,51 € an sich selbst. Das sich aus der Betriebskostenabrechnung des Magistrats der Stadt B-Stadt ergebende Guthaben von 1.123,51 € sei zutreffend nach Abzug eines Rückstandes von 189,87 € i.H.v. 933,64 € an den Beklagten ausgezahlt worden.

Gemäß § 22 Abs. 3 SGB II minderten Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen seien, die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder Gutschrift, wobei Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung außer Betracht blieben. § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II bestimme, dass sofern Personen, die Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes beziehen, für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, einen Anspruch gegen einen anderen, der nicht Leistungsträger sei, hätten, diese Ansprüche für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf den Träger der Leistungen nach dem SGB II übergingen, wenn bei rechtzeitiger Leistung des anderen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nicht erbracht worden wären. So liege der Fall hier: Hätte von vornherein festgestanden, dass es zur Entstehung eines Guthabens in der Betriebskostenabrechnung kommen würde, so wären Betriebskosten in entsprechend geringerer Höhe gezahlt worden. Das bestehende Guthaben minderte gemäß § 22 Abs. 3 SGB II die Bedarfe für Unterkunft und Heizung im Jahr 2019. Der Anspruch des Klägers aus der Nebenkostenabrechnung sei gemäß § 33 Abs. 1 Satz1 SGB II auf den Beklagten übergegangen. Die Auszahlung des nach Abzug eines Rückstandes von 189,87 € verbleibenden Guthabens an den Beklagten sei zu Recht erfolgt. 

Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 10. März 2023 zugestellt worden. 

Der Kläger hat am 6. April 2023 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Er trägt zur Begründung vor, das Sozialgericht habe nicht im schriftlichen Wege entscheiden dürfen. Es fehle an einer neutralen Entscheidung. Die Vorsitzende des Sozialgerichts habe sich die Argumente des Beklagten zu eigengemacht. Das Guthaben in Höhe von 1.123,51 € stehe dem Beklagten nicht zu. Er habe dieses rechtswidrig erhalten. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei nicht das Sozialgesetzbuch, sondern das BGB und Mietrecht. 

Der Kläger beantragt schriftsätzlich, 
den Beklagten zu verurteilen, das Guthaben in Höhe von 1.123,51 € an ihn auszuzahlen.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, die Erstattung des Guthabens in Höhe von 1.123,51 € an ihn sei zu Recht erfolgt. Hätten Personen, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen, für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, einen Anspruch gegen einen Anderen, der nicht Leistungsträger sei, ginge gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II der Anspruch bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf die Träger der Leistungen nach diesem Buch über, wenn bei rechtzeitiger Leistung des Anderen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht erbracht worden wären. Auf dieser Grundlage sei der Erstattungsanspruch gegenüber der Stadt B-Stadt zu Recht geltend gemacht worden. Der Geldzufluss von 933,64 € sei von der Kreiskasse festgestellt worden.

Zur weiteren Begründung werde auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen, ebenso wie auch zu dem Thema der erfolgten Aufrechnungen.

Nach Anhörung der Beteiligten wurde das Verfahren mit Beschluss vom 15. September 2023 auf die Berichterstatterin übertragen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakten des Beklagten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 5. Februar 2024 Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Über das Berufungsverfahren konnte gemäß § 153 Abs. 5 SGG durch die Berichterstatterin zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entschieden werden, nachdem der Senat mit Beschluss vom 15. September 2023 eine entsprechende Übertragung vorgenommen hat.

Die Berufung ist zulässig.

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht gegen den Gerichtsbescheid vom 3. März 2023 eingelegte Berufung ist auch statthaft i.S.v. § 144 Abs. 1 SGG. Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt hier 750,00 €, da der Kläger die die Auszahlung des Guthabens der Nebenkostenabrechnung in Höhe von 1.123,51 € und die Auszahlung der Aufrechnung im Oktober und November 2020 begehrt.

Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 3. März 2023 und der Bescheid vom 8. September 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2020 in Form des Änderungsbescheides vom 7. Januar 2021 in Form des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger jedenfalls nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Auszahlung weiterer Leistungen.

Das Gericht sieht nach § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe hinsichtlich der Anrechnung der Ausrechnung in Höhe von 42,40 € im Oktober 2020 und in Höhe von 11,20 € im November 2020, weil es auf die Begründung des Gerichtsbescheides Bezug nimmt. Nur ergänzend wird darauf verwiesen, dass kein Auszahlungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten besteht, da die Forderung bestandskräftig festgestellt worden ist und nicht nachgewiesen wurde, dass eine entsprechende Zahlung des Klägers oder vorherige Aufrechnung bereits erfolgt war.

Soweit der Kläger vom Beklagten die Auszahlung des Guthabens aus der Nebenkostenabrechnung seines Vermieters vom 4. November 2020 in Höhe von 1.123,51 € vom Beklagten begehrt, steht dem Kläger ein solcher Zahlungsanspruch gegen den Beklagten nicht zu. 

Zunächst ist festzustellen, dass die Vereinnahmung des Guthabens nicht Gegenstand der im hiesigen Verfahren streitgegenständlichen Bescheide vom 8. September 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2020 in Form des Änderungsbescheides vom 7. Januar 2021 in Form des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2021 ist. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 8. September 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2020 war dem Beklagten das Guthaben nicht bekannt. Aus dem Änderungsbescheid vom 7. Januar 2021 in Form des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2021 geht die Anrechnung des Guthabens wiederum nicht hervor. Es findet sich weder eine Anrechnung des Guthabens noch enthält der Bescheid entsprechende Ausführungen.

Soweit der Kläger geltend macht, dass hinsichtlich der Auszahlung das BGB bzw. das Mietrecht Anwendung findet, ist dem zuzustimmen. Etwas Anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass vorliegend die Kosten der Unterkunft und Heizung aus denen das Guthaben erwirtschaftet wurde vom Beklagten nach § 22 Abs. 7 Abs. 2 bis 4 SGB II im Wege der Direktzahlung an den Vermieter überwiesen wurde.

Gemäß § 22 Abs. 3, 1 Halbsatz SGB II mindern Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift. Eine solche Minderung wird weder im Bescheid vom 8. September 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2020 noch im Änderungsbescheides vom 7. Januar 2021 in Form des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2021 ausgewiesen.

Hinsichtlich eines Leistungsanspruches eines Vermieters gegen das Jobcenter hat das BSG ausgeführt, dass eigene Ansprüche eines Vermieters oder eines anderen Dritten auf Auszahlung der einem Leistungsberechtigten zuerkannten unterkunftsbezogenen Leistungen nach § 22 Abs. 7 Satz 4 SGB II nicht begründet werden (BSG, Urteil vom 9. August 2018 – B 14 AS 38/17 R –, Rn. 29ff, juris). 

Zur Begründung hat es ausgeführt: „Soweit nach § 22 Abs. 7 Satz 4 SGB II nur die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten ist, legt schon das nahe, dass insoweit eine Entscheidung ausschließlich im Verhältnis zu den Leistungsberechtigten intendiert ist. Auch die Wendung "zu unterrichten" spricht - ungeachtet der Frage, ob insoweit durch Verwaltungsakt zu entscheiden ist (in diesem Sinne etwa Krauß in Hauck/Noftz, K § 22 SGB II RdNr 327 Stand 10/2012; Luik in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl 2017, § 22 RdNr 249; Piepenstock in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 22 RdNr 230; aA Berlit in LPK-SGB II, 6. Aufl 2017, § 22 RdNr 237) - nicht dafür, dass insoweit Zahlungsansprüche übertragen werden sollen. Vielmehr ist die Regelung nach der Rechtsfolge, abweichend an den Vermieter oder einen anderen Dritten "zu zahlen", systematisch Ausnahmetatbestand zu den allgemeinen Vorgaben zur "Auszahlung der Geldleistungen" nach § 42 SGB II (hier bis zum 8.4.2013 in der ab 1.4.2011 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 13.5.2011, BGBl I 850; danach idF des Gesetzes vom 3.4.2013, BGBl I 610). Insoweit begründet sie entsprechend der damit verfolgten Intention ausschließlich eine abweichende Empfangsberechtigung und keinen eigenen Rechtsanspruch des Zahlungsempfängers gegen das Jobcenter (vgl BT-Drucks 17/3404 S 98; ebenso BGH vom 31.1.2018 - VIII ZR 39/17 - NJW 2018, 1079 RdNr 21 f; Krauß in Hauck/Noftz, K § 22 SGB II RdNr 318 Stand 10/2012; Luik in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl 2017, § 22 RdNr 241, 247; Piepenstock in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 22 RdNr 227; Ŝušnjar in GK-SGB II, § 22 RdNr 336, Stand 09/2017). Dem entsprechend sieht auch der BGH in der Direktzahlung nach § 22 Abs. 7 Satz 1 SGB II bei der Rückabwicklung nach Beendigung des Mietvertrags keine Leistung des Jobcenters im Sinne des § 812 Abs 1 Satz 1 Alt 1 BGB zur Tilgung der mietvertraglichen Schuld der Mieter (BGH vom 31.1.2018 - VIII ZR 39/17 - NJW 2018, 1079 RdNr 26)“ (BSG, Urteil vom 9. August 2018 – B 14 AS 38/17 R –, BSGE 126, 180-189, SozR 4-4200 § 22 Nr 97, SozR 4-1500 § 54 Nr 49, Rn. 30 ff, juris).

Wenn es sich also bei der Direktzahlung nicht um eine eigene Leistung des Beklagten handelt, dann folgt daraus im Umkehrschluss, dass der Kläger die Auszahlung des Guthabens vom Vermieter verlangen und dies gegebenenfalls auf dem Zivilrechtsweg durchsetzen muss. Im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens wäre dann zu klären, ob der Vermieter schuldbefreiend an den Beklagten leisten konnte. 

Daher bedarf es an dieser Stelle keiner Klärung, ob der Anspruch des Klägers gegen seinen Vermieter auf Auszahlung des Guthabens nach § 33 Abs. 1 SGB II auf den Beklagten übergegangen ist. Im hiesigen Verfahren muss ebenfalls nicht geklärt werden, ob § 22 Abs. 3 SGB II als lex specialis § 33 Abs. 1 SGB II verdrängt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG, die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision aus § 160 Abs. 2 SGG.
 

Rechtskraft
Aus
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