Nebenkostenguthaben, Betriebskostenguthaben, Zufluss, bereite Mittel
Sozialgericht Berlin |
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(erste) Zustellung erfolgt am an
als Urkundsbeamter/in der Geschäftsstelle |
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
- Kläger -
Proz.-Bev.:
Rechtsanwalt …
gegen
Jobcenter Berlin Reinickendorf,
Miraustr. 54, 13509 Berlin,
…
- Beklagter -
hat die 174. Kammer des Sozialgerichts Berlin ohne mündliche Verhandlung am 17. Januar 2024 durch den Richter am Sozialgericht … sowie die ehrenamtlichen Richter Herrn … und Herrn … für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten (zuletzt) über Festsetzung und Erstattung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich Kosten der Unterkunft und Heizung für den Monat September 2022.
Der 1968 geborene Kläger steht im laufenden Leistungsbezug beim Beklagten. Dieser lebt mit seiner 1950 geborenen Ehegattin, welche eine Rente in Höhe von 219,61 EUR mtl. sowie aufstockende Leistungen nach dem SGB XII bezieht (im September 2022 iHv 550,78 EUR) zusammen. Der Kläger wohnt zur Miete, wobei die Miete im September 2022 642,98 EUR (Grundmiete: 426,98 EUR + Nebenkosten: 216,00 EUR + Heizkosten: 48 EUR) betrug. Ab Oktober 2022 betrug die monatliche Gesamtmiete 659,98 EUR (Grundmiete: 426,98 EUR + Nebenkosten: 158 EUR + Heizkosten: 75 EUR).
Der Kläger erhielt im Juni 2022 (Abrechnung vom 03.06.2022) eine Nebenkostenabrechnung für den Zeitraum Oktober 2020 bis einschließlich September 2021 aus dem sich ein Guthaben i.H.v. 377,17 EUR ergab. In der Nebenkostenabrechnung heißt es wörtlich: „Wir bitten um schriftliche Mitteilung Ihrer aktuellen Bankverbindung innerhalb der nächsten 2 Wochen ab Ausstellungsdatum dieses Schreibens. Sofern keine offenen Forderungen unsererseits bestehen, werden wir Ihr Guthaben im Zeitraum vom 03.08.2022 bis zum 05.08.2022 auf dieses Konto überweisen.“ Das Guthaben wurde ausweislich des Mieterkontenauszuges am 13.07.2022 dem Mieterkonto und am 17.08.2022 dem Girokonto des Klägers gutgeschrieben.
Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 08.07.2022 – dem auch die Nebenkostenabrechnung beigefügt war – bewilligte der Beklagten mit vorläufigen Bescheid vom 15.07.2022 in der Fassung der (vorläufigen) Änderungsbescheide vom 05.09.2022 (Oktober 2022 bis Februar 2023 betreffend) und 17.12.2022 (Januar und Februar 2023 betreffend) dem Kläger für September 2022 131,18 EUR, für Oktober bis Dezember 2022 je 115,68 EUR und für die Monate Januar und Februar 2023 jeweils 162,68 EUR. Grund für die (bestandskräftige) vorläufige Bewilligungsentscheidung war das schwankende Einkommen des Klägers aus Erwerbstätigkeit.
Nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes und Einreichung der Gehaltsbescheinigungen, wonach der Kläger im September 2022 1.235 EUR brutto (990,51 EUR netto), im Oktober 2022 1.309,38 EUR brutto (1.074,62 EUR netto), im November 2022 1.792,19 EUR brutto (1.432,40 EUR netto), im Dezember 2022 1.321,48 EUR brutto (1.086,72 EUR netto), im Januar 2023 1.309,38 EUR brutto (1.094,16 EUR netto), Februar 2023 1.338,13 EUR brutto (1.112,90 EUR netto) erzielte, setzte der Beklagte den Leistungsanspruch mit Bescheid vom 28.03.2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.07.2023 auf Null EUR fest und verfügte die vollständige Erstattung der bewilligten Leistungen. Zur Begründung führte der Beklagte u.a. aus, der Kläger habe im September 2022 einen Bedarf auf Berücksichtigung des monatlichen Regelbedarfes i.H.v. 404 EUR zzgl. hälftiger Kosten der Unterkunft und Heizung i.H.v. 132,58 EUR (= 642,98 EUR/2 => 321,49 EUR abzüglich hälftigen Nebenkostenguthaben von 188,58 EUR), mithin insgesamt i.H.v. 536,91 EUR gehabt. Unter Berücksichtigung des im September 2022 erzielten Erwerbseinkommens (1.235 EUR brutto bzw. 990,51 EUR netto), welches um den Grundfreibetrag von 100 EUR und den Erwerbstätigenfreibetrag von 200 EUR (mithin insgesamt 300 EUR) zu bereinigen war und somit i.H.v. 690,51 EUR anrechenbar war, ergebe sich kein Leistungsanspruch. Dementsprechend seien auch die im Monat September 2022 erbrachten Leistungen vollständig zu erstatten.
Mit der am 07.08.2023 beim Sozialgericht Berlin erhobenen Klage begehrt der Kläger (zuletzt) die Bewilligung von Leistungen im Monat September 2022 i.H.v. 34,98 EUR und die entsprechende Reduzierung der Erstattungsforderung. Der Kläger ist der Auffassung, der Beklagte habe zu Unrecht das Nebenkostenguthaben im September 2022 berücksichtigt. Anknüpfungspunkt sei allein der Zeitpunkt, an dem der Kläger über das Nebenkostenguthaben habe verfügen können. Dies sei mit der Buchung auf dem Mieterkonto des Klägers (im Juli 2022) der Fall gewesen, sodass das Guthaben im August 2022 zu berücksichtigen gewesen sei. Auf den Monat der Auszahlung komme es hingegen nicht an, da andernfalls der Leistungsbezieher den Zeitpunkt des Zuflusses selbst bestimmen könne.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 28.03.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.07.2023 zu verpflichten, dem Kläger im Zeitraum zwischen dem 01.09.2022 und 30.09.2022 Leistungen zur Sicherung i.H.v. 34,98 EUR zu gewähren und die geltend gemachte Erstattungsforderung auf 768,60 EUR zu reduzieren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, die angefochtenen Bescheide seien nicht zu beanstanden, weil der Beklagte zu Recht das Nebenkostenguthaben im Monat nach dessen Auszahlung (August 2022) berücksichtigt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der zum Gegenstand der Beratung und Entscheidung der Kammer gemachten Prozessakte und der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 10.10.2023 (Beklagter) und 16.10.2023 (Kläger) ihr Einverständnis mit einer schriftlichen Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erklärt.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte, nachdem die Beteiligten ihr Einverständnis erklärt haben, ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG entscheiden.
Gegenstand des Verfahrens sind der Festsetzungs- und Erstattungsbescheid vom 28.03.2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.07.2023, allein den Monat September 2022 betreffend, nachdem der Kläger den Streitgegenstand insoweit (zulässigerweise) auf diesen Monat beschränkt hat. Durch den Erlass des Festsetzungsbescheides hat sich die vorläufige Bewilligung durch Bescheid vom 15.07.2022 erledigt (§ 39 Abs. 2 SGB X; BSG, Urteil vom 30.03.2017, B 14 AS 18/16 R, Rn. 10).
Die Klage ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 und 2, § 56 SGG) statthaft, weil die Klage nicht auf die Zahlung von Leistungen über die vorläufig erbrachten Leistungen hinaus abzielt (vgl. BSG, Urteil vom 12.9.2018 - B 4 AS 39/17 R, Rn. 11). Die auch im Übrigen zulässige Klage ist jedoch unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abänderung der angefochtenen Bescheide, weil der Beklagte zu Recht den Leistungsanspruch im Monat September 2023 auf Null EUR festgesetzt hat und eine Erstattung der im September 2023 vorläufig erbrachten Leistungen verfügt hat.
Rechtsgrundlage für die Festsetzung und Erstattung von Leistungen ist, nachdem der Beklagte für den Streitzeitraum zunächst vorläufige Leistung bewilligt hat, § 41a Abs. 3, 6 SGB II. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Leistungsanspruch ist § 19 Abs. 1 S. 2 und 3 i.V.m. §§ 7ff., 20ff. SGB II.
Nachdem die Ehefrau des Klägers, aufgrund des Bezuges einer Altersrente, nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 und 4 SGB II vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen ist und diese auch keine auskömmliche Rente bezieht, kommt es für die Frage der Hilfebedürftigkeit des Klägers im streitgegenständlichen Monat September 2022 allein auf dessen Bedarf und das dem gegenüberzustellen Einkommen an.
Der Kläger hat danach im September 2022 keinen Anspruch auf Leistungen, weil das zu berücksichtigende Einkommen dessen Bedarf übersteigt, sodass dieser nicht hilfebedürftig war. Hinsichtlich der Berechnung des Leistungsanspruches wird insoweit (zur Vermeidung von Wiederholungen) auf die zutreffenden Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden Bezug genommen (§ 136 Abs. 3 SGB II). Insbesondere hat der Beklagte zu Recht im September 2022 das dem Kläger im August 2022 ausgezahlte Nebenkostenguthaben (zur Hälfte) berücksichtigt. Anders als der Kläger meint, war das Guthaben nicht im Monat nach der Erfassung im Mieterkonto, mithin im August 2022, zu berücksichtigen.
Nach § 22 Abs. 3 SGB II mindern Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder Gutschrift. Nachdem dem Kläger hier das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung vom 03.06.2022 im August 2022 auf sein Girokonto ausgezahlt wurde, war das Guthaben entsprechend im September 2023 bedarfsmindernd zu berücksichtigen. Bezüglich der Anrechnung des Guthabens kommt es insoweit weder auf den Zeitpunkt der Erstellung der Betriebskostenabrechnung oder auf den Zeitpunkt des Zugangs der Betriebskostenabrechnung noch auf den Zeitpunkt der Verbuchung im Mieterkonto (so aber: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 02.06.2020, L 28 AS 1466/14; rn. 41; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.01.2020, L 31 AS 1871/19, Rn. 24) an.
Im Ausgangspunkt hat der Kläger hier eine Rückzahlung der vorausgeleisteten Betriebskosten erhalten sowie (zuvor) ein entsprechendes Guthaben (auf dem Mieterkonto) erzielt. Soweit das Gesetz bezüglich des Anrechnungszeitraums auf den Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift abstellt, ist zum einen fraglich, was das Gesetz mit „Gutschrift“ meint (insoweit kommt eine Lesart als Gutschrift auf dem Mieterkonto oder Gutschrift auf dem Girokonto in Betracht) und auf welchen Zeitpunkt abzustellen ist, wenn sowohl eine Rückzahlung als auch eine Gutschrift (wie hier) erfolgt; sofern mit Gutschrift nicht Gutschrift auf dem Girokonto gemeint ist. Unter Berücksichtigung des im SGB II geltenden Bedarfsdeckungsgrundsatz und der zur Anrechnung von Einkommen ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung, die neben dem Zufluss von Einkommen auch das Vorhandensein bereiter Mittel voraussetzt, kann nach Überzeugung der Kammer, jedenfalls in der vorliegenden Fallkonstellation nur auf den Zeitpunkt des „Einganges des Guthabens“ auf dem Girokonto des Klägers abgestellt werden. Zwar liegt im Falle der Verrechnung durch den Vermieter mit Mietschulden bzw. der Aufrechnung des Guthabens mit der laufenden Miete durch den Vermieter (und entsprechende Geltendmachung eines geringeren Mietzinses) grundsicherungsrechtlich zu berücksichtigendes Einkommen vor. In den Fallkonstellationen: Aufforderung des Vermieters zur Verrechnung mit der nächsten Miete, Aufforderung zur Mitteilung der Kontonummer zum Zweck der Auszahlung des Guthabens oder direkte Auszahlung des Guthabens auf das Girokonto des Mieters durch den Vermieter muss es nach Überzeugung der Kammer auf den Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Girokonto des Mieters bzw. der tatsächlichen Verrechnung mit der laufenden Miete durch den Mieter ankommen. Dies ergibt sich nach Überzeugung der Kammer aus den nachfolgenden Erwägungen:
In zivilrechtlicher Hinsicht entsteht der Anspruch auf Auszahlung des Guthabens mit der Mitteilung des Betriebskostenguthabens (vgl. BGH, Beschluss vom 19.12.1990, VIII ARZ 5/90) und wird sofort fällig (BGH, Urteil vom 05.12.2012, VIII ZR 296/09). Grundsicherungsrechtlich höchstrichterlich geklärt ist, dass Einkommen – und um ein solches handelt es sich bei einem Betriebskostenguthaben (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2012, B 4 AS 139/11 R, Rn. 14) – stets einen wertmäßigen Zuwachs voraussetzt, der erst bei einem Zufluss des Einkommens vorliegt (vgl. zur mangelnden Verfügbarkeit einer „Haben-Buchung“ auch Berlit in Münder/Geiger, SGB II, 8. Aufl., § 22 Rn. 219 – unter Verweis auf: SG Neubrandenburg, Urteil vom 10.1.2011, S 11 AS 386/08; SG Schleswig, Urteil vom 30.11.2009, S 4 AS 1044/07; Ahrent SGb 2011, 28). Ansprüche allein sind im SGB II nicht ausreichend. Die Situation ist vergleichbar mit der Anrechnung von Gehalt. Auch dieses kann nur angerechnet werden, sofern es auf dem Girokonto des Leistungsempfängers zugeflossen ist. Allein der Umstand, dass ein Leistungsempfänger die Erwerbstätigkeit ausgeübt hat, eine Gehaltsabrechnung erteilt wurde und das Gehalt im „Buchungsprogramm“ des Arbeitgebers verbucht wurde, führt nicht zur Anrechenbarkeit von Gehalt, wenn es nicht ausgezahlt wurde. Insoweit ist auch nicht ausreichend, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mitteilt, das Gehalt liege bereit und müsse nur abgeholt werden bzw. die Kontonummer solle mitgeteilt werden, wenn das Geld tatsächlich nicht in Empfang genommen wird (bzgl. der Frage der bereiten Mittel: sogleich). Dass allein mit der Gutschrift auf dem Mieterkonto grundsätzlich nicht der Einkommenszufluss einhergeht, hat das BSG zwischenzeitlich in mehreren Urteilen angenommen, in denen stets als Zuflusszeitpunkt der Zeitpunkt der Verrechnung mit der laufenden Miete oder der Auszahlung auf das Konto des Leistungsempfängers abgestellt wurde und gerade nicht auf den Monat der Abrechnung bzw. des Zuganges derselben bzw. der Verbuchung auf dem Mieterkonto [vgl. BSG, Urteil vom 24.6.2020, B 4 AS 7/20 R, Rn. 4 u. 5, 37; BSG, Urteil vom 24.6.2020, B 4 AS 8/20 R, Rn. 7, 23; BSG, Urteil vom 12.10.2016, B 4 AS 38/15, Rn. 12 - wobei dort, wie sich (nur) aus dem Tatbestand der Vorinstanz (LSG) ergibt, das Girokonto gemeint ist; BSG, Urteil vom 12.12.2017, B 4 AS 33/16, Rn. 4, 12].
Bereits vor den zitierten Entscheidungen des BSG hatte dieses entschieden:
BSG, Urteil vom 16.05.2012, B 4 AS 132/11 R, Rn. 18:
„Es handelt sich hier um ein Guthaben, das dem Bedarf für Unterkunft und Heizung iS des § 22 Abs 1 S 4 SGB II zuzuordnen ist. § 22 Abs 1 S 4 SGB II ist auch nicht einschränkend dahin auszulegen, dass ein Guthaben nur dann (im Folgemonat) zu berücksichtigen ist, wenn es sich (aufgrund mietvertraglicher Vereinbarungen oÄ) im Monat der Gutschrift oder später tatsächlich auf die Kosten der Unterkunft und Heizung ausgewirkt hat (so LSG Hamburg Urteil vom 16.7.2009 - L 5 AS 81/08 - NZS 2010, 230, juris RdNr 26).“
Aus dem dortigen Tatbestand (Rn. 2) sowie auch aus den Entscheidungsgründen des Urteils des BSG vom 16.10.2012, B 14 AS 188/11 R sowie aus dem Urteil vom 12.12.2013, B 14 AS 83/12 R ergibt sich, dass im Falle einer Rückzahlung des Guthabens auf den Monat der Zahlung und nicht auf den Monat der Erstellung der Abrechnung (und/oder dem Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Mieterkonto) abzustellen ist.
Deutlicher wird dies noch im Urteil des BSG vom 22.03.2012, B 4 AS 139/11 R. Denn dort heißt es unter Rn. 3
Die Vermieterin verrechnete das gesamte Guthaben mit der Miete für Dezember 2007.
Sodann wird unter Rn. 13 ausgeführt:
„Der Kläger hat ein Guthaben, das den Kosten der Unterkunft und Heizung iS des § 22 Abs 1 S 4 SGB II zuzuordnen ist, erhalten. Betriebs- und Heizkosten unterfallen grundsätzlich den Kosten der Unterkunft und Heizung iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II (zu den Kosten der Warmwassererzeugung siehe 3). Nach den bindenden Feststellungen des LSG wies die Vermieterin des Klägers und seiner Ehefrau mit Schreiben vom 31.10.2007 für den Abrechnungszeitraum 2006 ein Guthaben der Mieter in Höhe von insgesamt 489,04 Euro aus, wovon 176,74 Euro auf die Betriebskosten und 312,30 Euro auf die Wärmeversorgung entfielen. Sie verrechnete das Guthaben mit der fälligen Miete im Dezember 2007. Das Guthaben aus der Betriebs- und Heizkostenabrechnung für das Jahr 2006, das die Dezembermiete 2007 verringerte, ist zur Hälfte (kopfteilig) zu berücksichtigendes Einkommen des Klägers iS des § 11 SGB II, das im Monat Januar 2008 die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung gemindert und zum teilweisen Wegfall der Hilfebedürftigkeit gemäß § 7 Abs 1 S 1 Nr 3 iVm § 9 SGB II geführt hat.“
Entsprechend (zutreffend) hat auch das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 12.07.2021 – L 2 AS 1655/20, Rn. 24 entschieden:
„Im Fall der hier vorliegenden Aufrechnung besteht ein "wertmäßiger Zuwachs", weil die Kläger infolge der Aufrechnung geringeren Mietzinsverbindlichkeiten für Oktober ausgesetzt werden. Das Guthaben verbleibt rechnerisch in den Händen der Kläger. Denn unabhängig davon, ob eine Aufrechnung mit der zukünftigen Mietzahlung erfolgt oder ob das Betriebskostenguthaben zunächst ausgezahlt und die gesamte Miete für Oktober an die Vermieterin gezahlt wird, steht ihnen das Betriebskostenguthaben rechnerisch in gleicher Weise zur Verfügung. Entgegen der Ansicht der Kläger führte mithin die "Verrechnung" des Guthabens mit der laufenden Mietzahlung für Oktober 2019 hier nicht zu einer Minderung des Bedarfs für Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II, sondern dieser wurde (teilweise) durch erzieltes Einkommen gedeckt. Da die Aufrechnung mit der Miete für Oktober 2019 erfolgte, ist in diesem Monat ein wertmäßiger Zuwachs erfolgt. Entgegen der Auffassung der Kläger ist insbesondere nicht von einem Zufluss im August 2019 auszugehen, da in diesem Monat zwar die Mitteilung über die Gutschrift erfolgte, diese sich jedoch noch nicht wertmäßig bei den Klägern realisierte“.
Nach alledem lag der maßgebliche Zufluss des Einkommens nach Überzeugung der Kammer erst im August 2022 vor.
Selbst wenn man die klägerische Auffassung als zutreffend unterstellt, wäre das Guthaben nicht im August 2022 zu berücksichtigen, weil es in diesem Monat unzweifelhaft nicht als bereites Mittel zur Verfügung stand. Die Anrechnung von Einkommen setzt nach der Rechtsprechung des BSG jedoch sowohl dessen Zufluss als auch die Verfügbarkeit voraus (vgl. BSG, Urteil vom 24.05.2017, B 14 AS 32/16 R, Rn. 24). Ebenso wie bei der Berücksichtigung von Vermögen eine Berücksichtigung voraussetzt, dass dieses „versilbert“ werden kann, setzt die Berücksichtigung von Einkommen voraus, dass dieses auch als bereites Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes zur Verfügung steht. Insoweit kommt es auch nicht (mehr) darauf an, ob der Kläger nach Erhalt der Nebenkostenabrechnung auf das Guthaben unverzüglich hat zugreifen können. Soweit das BSG noch in der Entscheidung vom 16.05.2012 - B 4 AS 132/11 R, Rn. 22 darauf abstellte, ob eine Verfügungsmöglichkeit besteht, hat es diese Rechtsprechung (in der Kommentarliteratur bisher zumeist unberücksichtigt) wieder aufgegeben. Im Urteil vom 19.08.2015, B 14 AS 43/14 R heißt es unter Rn. 18:
„Steht der als Einkommen erlangte Wertzuwachs im Zeitpunkt des Zuflusses aus Rechtsgründen noch nicht als "bereites Mittel" bedarfsdeckend zur Verfügung, ist deshalb die Berücksichtigung als Einkommen zu diesem Zeitpunkt auch dann ausgeschlossen, wenn der Leistungsberechtigte auf die Realisierung des Wertes hinwirken kann; sofern in solchen Fällen in früheren Entscheidungen eine Berücksichtigung bereits zum Zeitpunkt des Zuflusses erwogen worden ist, wenn eine Freigabe der fraglichen Mittel "ohne Weiteres" zu erreichen war (vgl etwa BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R; BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 132/11 R), so ist darauf nach der zitierten jüngeren Rechtsprechung nicht mehr abzustellen.“.
Schlussendlich verfangen auch die Ausführungen des Klägers nicht, wonach die dortige Auffassung bereits deshalb zutreffen müsse, weil andernfalls der Leistungsberechtigte die Anrechnung komplett verhindern bzw. den Anrechnungszeitpunkt bestimmen können. Denn der Leistungsträger hat auf die entsprechende Auszahlung „hinzuwirken“; wobei bei einem Verweigerungsverhalten die Absenkung von Leistungen nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 SGB II (BSG, Urteil vom 27.01.2009, B 14 AS 42/07 R, Rn. 24) bzw. ein Ersatzanspruch nach § 34 SGB II in Betracht kommt (BSG, Urteil vom 19.08.2015, B 14 AS 43/14 R, Rn. 18).
Die Klage war danach abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens.
Das Urteil ist nicht mit der Berufung anfechtbar, weil der Beschwerdewert (34,98 €) den Betrag von 750 € nicht übersteigt (vgl. § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG).
Die Kammer hat nach § 161 Abs. 1 S. 1 SGG die Sprungrevision zugelassen. Die Voraussetzungen nach § 161 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG liegen vor. Denn die im vorliegende Verfahren streitige Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung für eine Vielzahl von Verfahren, weil die Frage des maßgeblichen Zeitpunktes für die Anrechnung eines Nebenkostenguthaben bisher nicht ausdrücklich höchstrichterlich geklärt ist und bis dato diesbezüglich divergierende erstinstanzliche und obergerichtliche Rechtsprechung existiert. Zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtsfortbildung ist eine höchstrichterliche Entscheidung geboten.