S 11 BA 141/20

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 11 BA 141/20
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Zum Umfang der Beitragspflicht in der Sozialversicherung bei Nettolohnoptimierung, hier: betriebliche Altersversorgung.


I. Der Bescheid vom 02.05.2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 06.04.2020, dieser in der Fassung des Bescheides vom 17.11.2022 wird insoweit aufgehoben, als Sozialversicherungsbeiträge zur betrieblichen Altersversorgung nachgefordert werden.

II. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin 1/10 und die Beklagte 9/10.

III. Der Streitwert wird auf 16.865,94 € festgesetzt.


T a t b e s t a n d :

Zwischen den Beteiligten ist die Nachforderung von Sozialversicherungsabgaben - zuletzt Nacherhebung von Beiträgen zur betrieblichen Altersversorgung - für den Prüfzeitraum 01.10.2017 bis 06.04.2018 streitig.

Im Rahmen einer bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung wurden nach Anhörung vom 28.02.2019 mit Bescheid vom 02.05.2019 16.865,94 EUR nachgefordert. Die Beklagte führte aus, für verschiedene Leistungen, die anstelle des zustehenden bzw. vereinbarten Lohns gezahlt worden seien, bestehe Beitragspflicht in der Sozialversicherung. Seit 01.10.2017 würden im Betrieb der Klägerin Lohnkostenoptimierungsmaßnahmen (LKM) durchgeführt, die zum Ziel hätten, die Steuer- und Abgabenlast zu senken. Den teilnehmenden Arbeitnehmern solle mehr Netto vom Brutto bleiben (Nettolohnoptimierung). Zu diesem Zweck seien die bestehenden Arbeitsverträge dahingehend geändert worden, dass der künftige Lohnanspruch um einen bestimmten Betrag reduziert werde. Im Gegenzug erhielten die Arbeitnehmer verschiedene steuer- und beitragsfreie bzw. pauschal besteuerte und beitragsfrei belassene Leistungen, so zum Beispiel Zuschüsse für Internetnutzung (§ 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 - Einkommenssteuergesetz - EStG), Zuschüsse für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (§ 40 Abs. 2 Satz 2 EStG), Werbungskostenpauschale (§ 22 Nr. 3 EStG) sowie Arbeitgeberzuschüsse für Betriebsrenten. Die Zahlung einer Betriebsrente beruhe im Regelfall auf einer arbeitsvertraglichen Versorgungszusage des Arbeitgebers. Aufgrund der Versorgungszusage erhalte der Arbeitnehmer bei Erreichen der vereinbarten Altersgrenze oder im Invaliditätsfall laufende Zuwendungen. Um diese Versorgungsansprüche finanziell abzusichern, bilde der Arbeitgeber Rückstellungen und/oder schließe eine Rückdeckungsversicherung ab. Im Zeitpunkt einer solchen Versorgungszusage fließe dem Arbeitnehmer noch kein Arbeitslohn zu. Eine Steuerpflicht trete im Versorgungsfall ein, wenn der Arbeitnehmer eine Betriebsrente erhalte. Die Klägerin würde für alle Arbeitnehmer, die bei der LKM teilnehmen, einen Zuschuss zu einer Betriebsrente in Höhe von monatlich 35,00 EUR zahlen. Dieser durch den Arbeitgeber gezahlte Zuschuss stelle kein Arbeitsentgelt dar, die 35,00 EUR monatlich würden bei der Gehaltsumwandlung jedoch mitberücksichtigt, was zu einer unzulässigen Kürzung des sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelts führe. Für die durch die Entgeltumwandlung finanzierten Zuschüsse für Internetpauschale, Werbungskostenpauschale, Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bzw. erster Tätigkeitsstätte und für die Arbeitgeberzuschüsse zur Betriebsrente würden eine Beitragspflicht in der Sozialversicherung für den Zeitraum 01.10.2017 bis 30.04.2018, in Höhe von insgesamt 16.865,94 EUR, bestehen.

Die Klägerin ließ hiergegen Widerspruch einlegen und u.a. ausführen, die Klägerin habe mit einem Teil ihrer Belegschaft in die Zukunft gerichtete Neufassungen der Vergütungsvereinbarungen geschlossen. Die Arbeitgeberzuschüsse zur betrieblichen Altersversorgung (bAV) würden in den Grenzen des § 3 Nr. 63 EStG als Direktversicherungen ausgestattet und seien nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) beitragsfrei. Übersteigende bAV-Beträge würden als U-Kassenzusage ausgerichtet. Diese seien nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 SvEV beitragsfrei. Es sei unerheblich, wer diese Beträge finanziere und wie diese Beträge benannt würden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.04.2020 zurück und führte u.a. aus, mit Buchung des Betrages in Höhe von 35,00 EUR unter Lohnart 610 und gleichzeitiger Buchung unter Lohnart 612 - 35,00 EUR ergäben sich 0,00 EUR. Eine Auswirkung auf die Lohnabrechnung der Arbeitnehmer ergebe sich dadurch nicht. Es existiere durch die Lohnkostenoptimierungsmaßnahmen die Lohnart 8 (Malus/Lohnverzicht), diese Lohnart beinhalte alle bei der Lohnumwandlung zu berücksichtigenden Gestaltungskomponenten, die z.B. bei einer Mitarbeiterin der Arbeitgeberin insgesamt 273,50 EUR umgewandeltes Arbeitsentgelt unter Lohnart 8 ergäben. Die Lohnart beinhalte unzulässig den Arbeitgeberzuschuss zur betrieblichen Altersversorgung.

Die Klägerin hat hiergegen am 07.05.2020 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Mit Verweisungsbeschluss vom 20.05.2020 wurde der Rechtstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht München verwiesen. Die Klägerin trägt zur Klagebegründung vor, hinsichtlich der Direktversicherung sei der Barlohnverzicht des Arbeitnehmers zu Gunsten von Beiträgen des Arbeitgebers an die Direktversicherung erfolgt. Solche Beiträge würden Arbeitslohn darstellen. Die Beiträge zur Direktversicherung seien nach § 3 Nr. 63 EStG steuerbefreit, weil sie in einem ersten Dienstverhältnis und im Rahmen der zulässigen Höchstgrenzen zugeflossen seien. Die Beklagte führt hierzu aus, dass Leistungen des Arbeitgebers für eine Beschäftigung im Sinne des Einkommensteuergesetzes nur dann "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" erbracht würden, wenn es sich um echte Zusatzleistungen des Arbeitgebers handle. Voraussetzungen seien demnach, dass die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet, der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zu Gunsten der Leistung herabgesetzt, die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohnes gewährt und bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht würde. Zu den Sachverhalten, die ein steuerrechtliches Zusätzlichkeitserfordernis bedingen, würden u.a. zählen: Leistungen zur Kinderbetreuung, Gesundheitsmaßnahmen, unentgeltliche oder verbilligte Überlassung von Personalcomputern einschließlich Zubehör und Internetzugang, Zuschüsse zu den Aufwendungen für die Internetnutzung, Fahrtkostenzuschuss für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, Sachbezüge nach § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG. Hinsichtlich der Direktversicherungen blieben Beiträge bis zur Höhe von vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung bei bestehender Steuerfreiheit auch beitragsfrei. Im vorliegenden Fall sei jedoch festzustellen, dass die Klägerin die 35,00 EUR, die sie laut vertraglicher Vereinbarung eigentlich als Zuschuss zahle, aus dem Gehalt der betroffenen Arbeitnehmer finanziere. Wie den vertraglichen Regelungen zur Reduzierung des Vergütungsanspruches zu entnehmen sei, sei dieser eigentliche Arbeitgeberzuschuss in dem die Vergütung mindernden Betrag in der Lohnabrechnung (= Lohnart 8 Malus/Lohnverzicht) enthalten. Der Betrag zur bAV habe nicht bei der Reduzierung des Entgeltes berücksichtigt werden dürfen.

Die betroffenen Arbeitgeber wurden mit Beschluss vom 04.08.2021 gemäß § 75 Abs. 2a SGG beigeladen. Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat die Klägerin vorgetragen, das Bundesministerium der Finanzen habe mit Schreiben vom 05.01.2022 die allgemeine Anwendung des BFH-Urteils vom 01.08.2019 - 6 R 32/18 angeordnet. Die Beklagte hat hierzu mitgeteilt, das BSG habe das "Zusätzlichkeitserfordernis" der SvEV dann angenommen, wenn im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge künftige Entgeltansprüche in eine wertgleiche Anwartschaft auf Versorgungsleistungen umgewandelt und dem Arbeitgeber direkt Versicherungsbeiträge gezahlt würden. Eine Entgeltumwandlung in diesem Sinne liege hier nicht vor.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 30.08.2022 ein Anerkenntnis dahingehend abgegeben, als dass keine Sozialversicherungsbeiträge aus den Zuschüssen für Fahrten Wohnung-Arbeitsstätte und für die Internetpauschale berechnet würden. Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen und mitgeteilt, weiterhin streitig sei der Zuschuss zur
betrieblichen Altersversorgung. Nicht streitig seien Beitragsforderungen Werbezuschüsse (Werbekostenpauschale).

Mit Bescheid vom 17.11.2022 hat die Beklagte den Bescheid vom 02.05.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.04.2020 hinsichtlich der Feststellung der Beitragspflicht für die gewährten Internet- und Fahrtkostenzuschüsse zurückgenommen. Im Übrigen bleibe der Bescheid vom 02.05.2019 bestehen. Die sich aus der Betriebsprüfung ergebende Nachforderung betrage nunmehr insgesamt 4.671,28 EUR.

Die Beklagte führt im Weiteren aus, die Klägerin verkenne, dass der Zuschuss zur bAV in dem Malus/Lohnverzicht-Betrag, der den Arbeitnehmern für Leistungen der Nettolohnoptimierung vom Bruttogehalt abgezogen werde, enthalten sei. Somit werde der Zuschuss nicht durch die Klägerin, sondern durch den Arbeitnehmer finanziert. Die Klägerin ließ hierzu ausführen, es sei unklar, auf welcher Rechtsgrundlage Sozialversicherungsbeiträge für Leistungen zur betrieblichen Altersvorsorge nachgefordert würden. Es könne dahingestellt bleiben, wie sich ein Verzichtsbetrag rechnerisch ermittle, da insoweit keine Entgeltansprüche mehr bestünden. Ausgehend davon, dass die Beiträge zur Direktversicherung im Rahmen einer Gehaltsumwandlung gewährt würden, ergäbe sich zu deren steuerlicher Beurteilung, dass sie steuerfrei gemäß § 3 Nr. 63 EStG seien, da sie im Rahmen eines ersten Dienstverhältnisses und innerhalb der Höchstgrenzen geleistet würden. Insofern werde auf das BMF-Schreiben vom 06.12.2017 verwiesen. Die Klägerin verweise im Übrigen auf den bestandskräftigen Bescheid vom 12.12.2022 über die von der Beklagten durchgeführten Folgeprüfung für den Zeitraum 01.05.2018 bis 31.12.2019 bei der ausschließlich die Werbungskostenpauschale beanstandet worden sei, nicht jedoch die gewährten bAV-Beiträge. Im Übrigen existiere ein Umwandlungsverbot nicht und auch arbeitnehmerfinanzierte bAV-Beiträge würden durch § 3 Nr. 63 EStG begünstigt und seien somit steuerfrei und beitragsfrei gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 9 SvEV.

Auf Anfrage des Gerichts haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.

Mit Schreiben vom 13.10.2023 trägt die Klägerin vor, streitig seien nun noch die Beitragsnacherhebungen hinsichtlich der Beitrage zur betrieblichen Altersversorgung i.H. von 2.924 EUR.


Die Klägerin beantragt,

die Beklagte über ihr Teilanerkenntnis hinaus zu verurteilen, den Bescheid vom 02.05.2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 06.04.2020, dieser in der Fassung des Bescheides vom 17.11.2022 hinsichtlich der Beitragsnacherhebung der Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage, soweit sie über das Teilanerkenntnis hinausgeht, abzuweisen.
Beigezogen waren die Verwaltungsakten der Beklagten.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Klageakte sowie die beigezogenen Akten Bezug genommen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Mit Beschluss vom 20.05.2020 wurde die zum Sozialgericht Augsburg erhobene Klage an das örtlich zuständige Sozialgericht München verwiesen. Die Klage ist auch form- (§ 90 SGG und fristgerecht (§ 87SGG) eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig.

Die Klage ist in Bezug auf die noch strittige Beitragsnacherhebung hinsichtlich der Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung auch begründet.

Die Beklagte hatte zunächst mit Bescheid vom 02.05.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.04.2020 Sozialversicherungsbeiträge für Internetzuschüsse, Fahrtkostenzuschüsse, Werbekostenpauschale, sowie für Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung in Höhe von 16.865,94 EURO nachgefordert.

Mit Bescheid vom 17.11.2022 hat die Beklagte den Bescheid vom 02.05.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.04.2020 insoweit zurückgenommen als darin
Sozialversicherungsbeiträge für Internetzuschüsse und Fahrtkostenzuschüsse nachgefordert wurden. Mit Schreiben vom 13.10.2023 hat die Klägerin mitgeteilt, dass noch die Beitragsnacherhebung hinsichtlich der Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung strittig sind, die Werbekostenpauschale ist nicht mehr strittig.

Der Bescheid der Beklagten vom 02.05.2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.04.2020, dieser in der Fassung des Bescheides vom 17.11.2022 ist hinsichtlich der Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung wegen der gezahlten Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Rechtsgrundlage der Beitragsfestsetzung ist § 28p Abs. 1 Satz 1 und 5 SGB IV. Danach ist die Beklagte berechtigt, einen Verwaltungsakt zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege-, und Rentenversicherung, sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung zu erlassen.

Bemessungsgrundlage für die Beiträge abhängiger Beschäftigter ist in der Kranken-, Pflege-, Renten-, Arbeitslosenversicherung jeweils das bezogene Arbeitsentgelt (§ 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V, § 57 Abs. 1 Satz 1 SGB XI). Arbeitsentgelt sind nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden, oder ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder in Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Der Beitrag zur betrieblichen Altersvorsorge ist kein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt. Nach § 3 Nr. 63 EStG sind die Beiträge des Arbeitgebers aus dem ersten Dienstverhältnis für eine Direktversicherung zum Aufbau einer kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung, bei der eine Auszahlung der zugesagten Alters-, Invaliditäts-, oder Hinterbliebenenversorgungsleistungen entsprechend § 82 Abs. 2 Satz 2 EStG vorgesehen ist, steuerfrei, soweit die Beiträge im Kalenderjahr 8% der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung nicht übersteigen. Nach § 1 Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) sind dem Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen, steuerfreie Zuwendungen an Direktversicherungen nach § 3 Nr. 63 Satz 1 und 2, sowie § 100 Abs. 6 Satz 1 EStG im Kalenderjahr bis zur Höhe von insgesamt 4% der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung; dies gilt auch für darin enthaltene Beträge, die aus einer Entgeltumwandlung  (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 des Betriebsrentengesetzes) stammen (§ 1 Abs. 1 Nr. 9 SvEV).

Durch "ergänzende Vereinbarung" zu den jeweiligen Arbeitsverträgen war ein Entgeltverzicht im Wege der Reduzierung des Bruttobarlohns und ein exakt bestimmter Bruttobetrag vereinbart worden. Mit Urteil vom 01.08.2019 - IV R 32/18, IV R 21/17 (NV) und IV R 40/17 (NV) hat der BFH seine Rechtsprechung, wonach die jeweilige Steuervergünstigung davon abhängt, dass eine bestimmte Arbeitgeberleistung "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" erbracht werden muss (sogenannte Zusätzlichkeitsvorraussetzung), geändert und seine frühere Rechtsprechung, nach der nur freiwillige Arbeitgeberleistungen zusätzlich zum Lohn erbracht werden, aufgegeben. Der BFH verneint, dass bestimmte Steuervergünstigungen für Sachverhalte mit Gehaltsverzicht oder - Umwandlung durch die Zusätzlichkeitsvorraussetzung ausgeschlossen werden. Voraussetzung ist nun, dass der verwendungsfreie Arbeitslohn zugunsten verwendungs- oder zweckgebundene Leistungen des Arbeitgebers arbeitsrechtlich wirksam herabgesetzt wird (vgl. hierzu näher Rundschreiben des BMF vom 05.02.2020). Das BSG hat in seinem Urteil vom 23.02.2021 (B 12 R 21/18 R) das Vorliegen des "Zusätzlichkeitserfordernises der SvEV" dann angenommen, wenn im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge künftige Entgeltansprüche in eine Anwartschaft auf Versorgungsleistungen umgewandelt und vom Arbeitgeber direkt Versicherungsbeiträge gezahlt werden.

Die Arbeitnehmer haben in Verträgen einer Reduzierung des Vergütungsanspruchs zugestimmt. Dafür hat der Arbeitgeber einen Zuschuss zur betrieblichen Altersvorsorge
(Direktversicherung) gewährt. Wie die Beklagte selbst mitteilt (vgl. Schreiben vom 17.11.2022) ist die Zusätzlichkeitsvorraussetzung erfüllt, wenn der verwendungsfreie Arbeitslohn zugunsten verwendungs- oder zweckgebundener Leistungen des Arbeitgebers arbeitsrechtlich wirksam herabgesetzt wird. Dies ist auch bzgl. der Zuschüsse zur betrieblichen Altersversorgung erfüllt.
Eine andere Auffassung ergibt sich auch nicht dadurch, dass der Betrag in "Malus/ Lohnverzicht" (Lohnart 8) verbucht wird. Die Arbeitnehmer haben auf einen Teil des Gehalts verzichtet, der Arbeitgeber zahlt hieraus Beiträge an die Direktversicherung. § 3 Nr. 63 EStG kodifiziert die Steuerfreiheit von Beiträgen zur betrieblichen Altersvorsorge. Steuerfrei sind Arbeitgeberbeiträge auch dann, wenn sie zwar durch Eigenmittel der Arbeitnehmer finanziert, aber vom Arbeitgeber im Rahmen des von ihm der Versorgungseinrichtung geschuldeten Gesamtversicherungsbeitrags geleistet werden (vgl. Biber-Grellet, Einkommenssteuergesetz, 42. Auflage 2023, § 3 Randnummer 210). Aus § 3 Nr. 63 EStG i.V.m. § 1 SvEV und unter Berücksichtigung der Ausführungen des BMF zur betrieblichen Altersvorsorge ergibt sich für das Gericht, dass die Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge steuer- und damit sozialversicherungsfrei sind. Im Übrigen entspricht dies auch dem Sinn der Vorschrift. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Vorschrift die betriebliche Altersvorsorge der Arbeitnehmer stärken. Die betroffenen Arbeitnehmer haben auf einen Teil ihrer Lohnansprüche durch Entgeltumwandlung verzichtet, damit für sie Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge an die Direktversicherung gezahlt werden. Die Höhe der Beiträge (35 Euro) übersteigt auch nicht die Höhe von 4% der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung. In § 3 Nr. 63 EStG ist lediglich die Rede von "Beiträge des Arbeitgebers", ob die Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge im Wege einer Entgeltumwandlung oder im Rahmen einer Entgelterhöhung entstanden sind, ist unerheblich. Auch die Bezeichnung in der Lohnabrechnung ist für die Frage der Steuer- und damit Beitragsfreiheit nicht relevant.

Da die Beiträge der Klägerin als Arbeitgeberin aus dem 1. Dienstverhältnis an eine Direktversicherung zum Aufbau einer kapitalgedeckten betrieblichen Altersvorsorge gemäß § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei sind und sie die Höhe von 4% der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung nicht übersteigen, sind diese dem Arbeitsentgelt gemäß § 1 Abs. 1 SvEV nicht zuzurechnen und damit sozialversicherungsfrei.

Der Bescheid der Beklagten vom 02.05.2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.04.2020, dieser in der Fassung des Bescheides vom 17.11.2022 war daher hinsichtlich der Beitragsnacherhebung der Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung aufzuheben.

Bei der Kostenentscheidung war zu berücksichtigen, dass die o.g. Bescheide mit Ausnahme der Beitragsnachforderung bzgl. Werbekostenpauschale rechtswidrig waren. Die unstrittige Nachforderung für die Werbekostenpauschale beträgt 1.825,62 Euro, die Nachforderungen für die Arbeitgeberbeträge zur betrieblichen Altersvorsorge 2.845,66 Euro.

Der Streitwert war entsprechend der Höhe des Ausgangsbescheides vom 02.05.2019 und war auf 16.865,94 Euro festzusetzen (§ 197a SGG i.V.m. § 52 GKG).

 

Rechtskraft
Aus
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