L 3 AL 2871/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AL 221/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 2871/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Vor dem Erreichen des Dienstjubiläums ausgezahltes Jubiläumsgeld, das gemäß Betriebsvereinbarung aufgrund der früheren Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Altersteilzeitvertrag ausgezahlt worden ist, bleibt bei der Bestimmung des Bemessungsentgelts für die Berechnung der Höhe des Arbeitslosengeldes außer Betracht. Aus einer in anderen Agenturen für Arbeit in gleichgelagerten Fällen möglicherweise geübten abweichenden Verwaltungspraxis lässt sich auch unter Heranziehung des allgemeinen Gleichheitssatzes kein Anspruch auf Erhöhung des Bemessungsentgelts ableiten (Vorrang der Gesetzesbindung, kein Fall der Selbstbindung der Verwaltung).

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 02.09.2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 01.12.2020 bis zum 30.11.2022 unter Berücksichtigung eines von der Arbeitgeberin ausgezahlten Jubiläumsgeldes.

Der 1957 geborene Kläger war seit dem 01.07.1981 bis zum 30.11.2020 bei der
D1 AG beschäftigt. Im Februar 2019 schloss der Kläger mit der D1 AG einen Altersteilzeitvertrag (ATZ-Vertrag). Nach § 1 Nr. 1 ATZ-Vertrag sollte das bestehende Vollzeitarbeitsverhältnis mit Wirkung ab dem 01.12.2019 als Teilzeitarbeitsverhältnis fortgeführt werden und das Beschäftigungsverhältnis nach § 1 Nr. 2 ATZ-Vertrag spätestens zum 30.11.2020 enden. Die Vertragsparteien gingen nach § 1 Nr. 2 ATZ-Vertrag davon aus, dass ab dem Folgetag eine Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung mit Abschlägen bezogen werden könne. Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit habe nach § 3 Nr. 1 ATZ-Vertrag 20 Stunden betragen sollen, wobei in der ersten Hälfte des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses (01.12.2019 bis 31.05.2020) weiterhin 40 Stunden zu leisten gewesen seien und in der zweiten Hälfte eine Freistellungsphase habe folgen sollen. Zur Vergütung wurde geregelt, dass diese auf Grundlage des Arbeitsvertrages, sowie der aktuellen Entgeltgruppen- und Bandzuordnung aufgrund der reduzierten Arbeitszeit angepasst und zusätzlich gemäß einer Gesamtbetriebsvereinbarung aufgestockt werde (§ 4 ATZ-Vertrag). Für weitere Einzelheiten wird auf den ATZ-Vertrag verwiesen. Die vorgenannten Vereinbarungen des ATZ-Vertrags wurden durch die Beteiligten ab dem 01.12.2019 umgesetzt.

Am 04.09.2020 beantragte der Kläger mit Wirkung zum 01.12.2020 Arbeitslosengeld. Er gab an, dass er und seine Ehefrau keine Kinder hätten und dass zu Beginn des Jahres die Lohnsteuerklasse 3 für ihn gegolten habe. In der von der Arbeitgeberin erteilten Arbeitsbescheinigung wurde u.a. eine als Jubiläumsgeld benannte Einmalzahlung an den Kläger im November 2020 in Höhe von 20.043,67 € aufgeführt. Zusätzlich zu dem Jubiläumsgeld bescheinigte die Arbeitgeberin dem Kläger im Zeitraum vom 01.12.2019 bis zum 30.11.2020 laufendes Arbeitsentgelt in Höhe von 59.288,28 € und Einmalzahlungen in Höhe von 1.843,74 €. Ausweislich des Gesprächsvermerks vom 27.05.2020 meldete sich der Kläger an diesem Tag telefonisch arbeitssuchend und teilte mit, dass er sich dem Arbeitsmarkt in Teilzeit mit 15 Stunden pro Woche zur Verfügung stelle.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 08.12.2020 zunächst vorschussweise Arbeitslosengeld, welches sie ausgehend von einem täglichen Arbeitsentgelt im Bemessungszeitraum vom 01.12.2019 bis zum 30.11.2020 von 167,03 € berechnete. Der Kläger wolle nicht mehr die im Bemessungszeitraum angefallenen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitsstunden leisten. Das Bemessungsentgelt vermindere sich deshalb entsprechend dem Verhältnis der dem Kläger aktuell möglichen wöchentlichen Arbeitsstunden (15 Stunden) zu den früher geleisteten (20 Stunden). Das Bemessungsentgelt belaufe sich daher auf 125,27 € und das tägliche Leistungsentgelt auf 89,62 €.

Der Kläger teilte mit E-Mail vom 14.12.2020 mit, sich dem Arbeitsmarkt künftig im Umfang von 40 Stunden pro Woche zur Verfügung stellen zu wollen. Zudem habe sich die Höhe des Jubiläumsgeldes tatsächlich auf 24.732,50 € belaufen, was sich auch aus der entsprechenden Verbeitragung zur Arbeitslosenversicherung laut Verdienstabrechnung ergebe.

Mit Bescheid vom 15.12.2020 gewährte die Beklagte dem Kläger ab dem 01.12.2020 für 720 Kalendertage Arbeitslosengeld. Bei der Berechnung der Leistungshöhe wurde für den Zeitraum vom 01.12.2020 bis zum 13.12.2020 ein Bemessungsentgelt in Höhe von 125,27 € zugrunde gelegt und anschließend ein Bemessungsentgelt in Höhe von 167,03 €. Davon ausgehend bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages von 53,42 € für die Zeit vom 01.12.2020 bis zum 13.12.2020, von 67,35 € für die Zeit vom 14.12.2020 bis zum 31.12.2020 und von 68,02 € für die Zeit vom 01.01.2021 bis zum 30.11.2022. Die Veränderung der Leistungshöhe ab dem 01.01.2021 ergab sich laut der im Bescheid enthaltenen Berechnung daraus, dass ab diesem Zeitpunkt kein Abzug mehr für den Solidaritätszuschlag erfolgte.

Dagegen erhob der Kläger am 23.12.2020 Widerspruch und beanstandete, dass das Jubiläumsgeld bei der Berechnung der Anspruchshöhe nicht berücksichtigt worden sei.

Anschließend kam es laut einem entsprechenden Aktenvermerk am 28.12.2020 zu einem Telefonat zwischen dem Kläger und einem Mitarbeiter der Beklagten. In dem Vermerk wurde festgehalten, dass der Kläger zum 01.07.1981 eingestellt worden sei. Daher wäre das 40jährige Jubiläum erst im Juni bzw. Juli 2021 fällig gewesen. Der Tarifvertrag sehe aber vor, dass das Jubiläumsgeld bei einem Ausscheiden fünf Jahre vor dem Jubiläumstag trotzdem ausgezahlt werde. Demnach habe der Kläger das Jubiläumsgeld nur deshalb im November 2020 erhalten, weil er ausgeschieden sei, mit der Folge, dass dies ein Entgelt aufgrund des Ausscheidens sei, weshalb es nicht zur Bemessung herangezogen werden dürfe.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.12.2020 zurück. Das Jubiläumsgeld sei nach den telefonischen Angaben des Klägers nur im November 2020 zur Auszahlung gekommen, weil er vor Erreichen der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit von 40 Jahren ausgeschieden sei und somit am 30.06.2021 nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis gestanden habe. Der Kläger hätte das Jubiläumsgeld nicht im November 2020 erhalten, wenn er nicht ausgeschieden wäre. Bei der Berechnung des Bemessungsentgelts bleibe nach § 151 Abs. 2 Nr. 1 SGB III Arbeitsentgelt außer Betracht, welches der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten habe. Im Übrigen wäre es auch sinnwidrig, wenn durch das Jubiläumsgeld das Bemessungsentgelt um ein Drittel erhöht werden würde.

Hiergegen hat der Kläger am 21.01.2021 Klage beim Sozialgericht (SG) Heilbronn erhoben. Es treffe nicht zu, dass er das Jubiläumsgeld nicht im November 2020 erhalten hätte, wenn er nicht ausgeschieden wäre und dass die Auszahlung dann erst im Juli 2021 erfolgt wäre. Der Kläger habe es nicht in der Hand gehabt, wann die Arbeitgeberin das Jubiläumsgeld auszahle. Beim Jubiläumsgeld handele es sich um eine Honorierung langjähriger Betriebstreue und nicht um ein Arbeitsentgelt, welches der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten habe. Deshalb müsse der Betrag in Höhe von 24.732,50 € bei der Festsetzung des Bemessungsentgelts mitberücksichtigt werden.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat vorgetragen, die Zahlung des Jubiläumsgeldes beruhe vorliegend zwingend auf der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, so dass § 151 Abs. 2 Nr. 1 SGB III Anwendung finde.

Die Arbeitgeberin hat auf Nachfrage des SG Heilbronn mit Schreiben vom 20.07.2021 mitgeteilt, dass hinsichtlich der Jubiläumszahlung von 24.732,50 € keine vertragliche Vereinbarung bestanden habe, sondern diese auf der Gesamt-Betriebsvereinbarung (GBV) „Jubiläumszuwendung" basiere. Grund für die Zahlung beim Kläger sei gewesen, dass dieser im Jahr 2022 das 40-jährige Dienstjubiläum erreicht hätte. Gemäß Nr. 5 der GBV „Jubiläumszuwendung“ werde im Falle eines vorzeitigen Ausscheidens bis zu maximal fünf Jahre vor dem Erreichen des 50- bzw. 40jährigen Dienstjubiläums das Jubiläumsgeld mit dem Ausscheiden auf Basis des letzten aktuellen Monatsverdienstes ausgezahlt. Da der Kläger zum 01.12.2020 aus dem Unternehmen ausgeschieden sei, sei ihm mit der Abrechnung November 2020 das Jubiläumsgeld überwiesen worden. Wenn die entsprechenden Voraussetzungen der Nr. 5 der GBV „Jubiläumszuwendung“ erfüllt würden, erfolge die Auszahlung immer im letzten Beschäftigungsmonat. Nr. 5 der von der Arbeitgeberin übersandten GBV „Jubiläumszuwendung“ lautet wie folgt: „Mitarbeitern, die innerhalb der normalen Laufzeit ihres Arbeitsvertrages (Regelaltersgrenze) eine 50jährige bzw. 40jährige Betriebszugehörigkeit erreichen würden, kann im Falle eines vorzeitigen Ausscheidens bis zu maximal fünf Jahre vor dem Erreichen des 50- bzw. 40jährigen Dienstjubiläums das Jubiläumsgeld mit dem Ausscheiden auf Basis des letzten aktuellen Monatsverdienstes ausgezahlt werden. Der vorzeitig ausscheidende Mitarbeiter muß mindestens 60 Jahre alt sein.“

Der Kläger hat hierzu erklärt, dass der Inhalt der Mitteilung der Arbeitgeberin zutreffe. Ergänzend hat der Kläger eine an seinen Bevollmächtigten gerichtete E-Mail eingereicht, in der er mitteilt, mit der Agentur für Arbeit in
S1 Kontakt aufgenommen zu haben. Dort habe er seinen Fall geschildert und um Information gebeten, wie dort mit dieser Sonderzahlung bei der Festsetzung des Arbeitslosengeldes verfahren werde. Die Agentur für Arbeit in S1 berücksichtige in jedem Fall die Jubiläumszuwendung bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes. Im Sinne der Gleichbehandlung bitte er um erneute Prüfung und um Anwendung der Berechnungsgrundlage „analog der Hauptstelle S1“.

Die Beklagte hat ausgeführt, dass sich ihr nicht erschließe, warum der Kläger angeblich Kontakt mit der „Agentur für Arbeit in
S1“ aufgenommen habe. Unabhängig davon, dass über eine solche Kontaktaufnahme in den Unterlagen der Beklagten nichts vermerkt sei, verbleibe es bei der getroffenen Entscheidung.

Das SG Heilbronn hat nach Zustimmung der Beteiligten die Klage mit Urteil ohne mündliche Verhandlung am 02.09.2022, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers laut elektronischem Empfangsbekenntnis zugestellt am 08.09.2022, abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung eines höheren Arbeitslosengeldes unter Berücksichtigung des Jubiläumsgeldes bei der Festsetzung des Bemessungsentgelts. Bei der Berechnung des Bemessungsentgelts hätten nach § 151 Abs. 2 Nr. 1 SGB III Arbeitsentgelte außer Betracht zu bleiben, die der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalte oder die im Hinblick auf die Arbeitslosigkeit vereinbart worden seien. Damit blieben alle Zahlungen unberücksichtigt, die nicht während des Arbeitsverhältnisses angefallen wären, sondern nur bei Eintritt von Arbeitslosigkeit fällig würden. Der Kläger hätte erst im Jahr 2022 das 40-jährige Dienstjubiläum erreicht. Die darauf bezogene Jubiläumszuwendung habe er lediglich deshalb im November 2020 erhalten, weil er vorher ausgeschieden sei. Wäre der Kläger nicht zum 30.11.2020 ausgeschieden, hätte er das Jubiläumsgeld erst zu einem späteren Zeitpunkt erhalten. Demnach habe der Kläger das Jubiläumsgeld im November 2020 wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten, weshalb es nicht zu berücksichtige sei.

Der Kläger hat am 06.10.2022 gegen das Urteil des SG Heilbronn vom 02.09.2022 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, hätte er weitergearbeitet und wäre er nicht in die Altersteilzeit eingetreten, hätte er das Jubiläumsgeld im Juni 2021 erhalten. Die „Bundesagentur für Arbeit
S1“ bewerte die hier streitige Frage seit Jahren genauso wie der Kläger, was Herr H1 als Zeuge bestätigen könne. Der Zeuge vertrete seit 2002 in wechselnden Positionen „beim Jobcenter“ diese Rechtsauffassung, ohne dass ein irgendwie geartetes Problem aufgetreten sei.

Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 02.09.2022 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 15.12.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.12.2020 zu verurteilen, ihm unter Berücksichtigung des im November 2020 zugeflossenen Jubiläumsgeldes in Höhe von 24.732,50 € höheres Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 01.12.2020 bis zum 30.11.2022 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Das angefochtene Urteil sei zutreffend. Die Einlassungen des Klägers in der Berufungsbegründung seien nicht geeignet, die erstinstanzliche Entscheidung zu widerlegen.

Das Sach- und Streitverhältnis ist mit den Beteiligten in nichtöffentlicher Sitzung am 27.02.2023 erörtert worden. Der Kläger hat im Termin erneut darauf hingewiesen, der Zeuge
H2 könne bestätigen, dass Jubiläumsprämien in gleichgelagerten Fällen im Bereich der Arbeitsagentur S1 stets beim Arbeitslosengeld berücksichtigt worden seien. Anscheinend werde nur in G1 anders verfahren. Er sehe hier ein Gleichbehandlungsproblem.

Der Zeuge
H2 hat auf gerichtliche Nachfrage zunächst bestätigt, nicht als Beamter bei der Bundesagentur für Arbeit tätig zu sein, sondern als Angestellter. Von sich aus hat er zu seinem Rechtsverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit zudem erklärt, vollumfänglich die Ansicht des Klägers zu teilen. Die Zahlung des Jubiläumsgeldes habe er in gleichgelagerten Fällen („Ausscheiden beim D1 nach Ende der Altersteilzeit“) in der Vergangenheit stets bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes vollumfänglich berücksichtigt. Ihm sei nicht bekannt, warum diese Zahlung nicht berücksichtigt werden dürfe. Aus diesem Grunde seien ihm die Bearbeitungsweise der Kolleginnen und Kollegen, die Entscheidung der Widerspruchsstelle vom 30.12.2020, als auch die Entscheidung des SG Heilbronn unbegreiflich. Offenbar handele es sich um eine „Lex G1“.

Daraufhin ist der Zeuge
H2 schriftlich vernommen worden. Dazu befragt, ob die Beklagte nach Kenntnis des Zeugen in gleichgelagerten Fälle mit „vorzeitigen“ Jubiläumszuwendungen diese bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes berücksichtigt habe, obwohl die Jubiläumszuwendungen ohne die Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht zu einem Zeitpunkt vor Beginn der Arbeitslosigkeit gezahlt worden wären, hat der Zeuge in seiner Aussage vom 30.03.2023 erklärt, dass die Jubiläumszuwendung nach seinen Erkenntnissen „in der Regel immer“ berücksichtigt worden sei. Dieser Sachverhalt sei in der Vergangenheit nicht näher thematisiert worden. Dazu befragt, ob er in anonymisierter, aber für die Beklagte nachvollziehbarer Form konkrete Beispiele dieses Vorgehens benennen könne, hat der Zeuge erklärt, dass dies möglich wäre, aber einen Verstoß gegen den Datenschutz darstellen würde, weil er zunächst die Namen und Anschriften der Betroffenen ermitteln müsste. Außerdem müsste er so einen Fall erst heraussuchen, was sich im Hinblick auf die Vielzahl bearbeiteter Fälle als schwierig erweise.

Die Beklagte hat hierzu mitgeteilt, grundsätzlich würden die Angaben in der Arbeitsbescheinigung berücksichtigt. Soweit die darin enthaltenen Angaben zu den Jubiläumszuwendungen u.a. im Hinblick auf die Beschäftigungsdauer allerdings Unstimmigkeiten aufwiesen bzw. nicht plausibel seien, werde bei den Arbeitgebern diesbezüglich nachgefragt und der Sachverhalt weiter aufgeklärt. Die dargelegte Vorgehensweise sei bei der Beklagten intern abgestimmt und werde entsprechend angewendet.

Der Kläger hat auf Nachfrage des Gerichts erklärt, bei Abschluss des ATZ-Vertrags sei es sein Ziel gewesen, direkt nach der Altersteilzeit in „die Rente mit 63“ zu gehen. Aus diesem Grunde habe er am 09.11.2019 einen Antrag zum Ausgleich einer Rentenminderung gestellt. Den ersten Betrag dazu habe er am 16.12.2019 überwiesen und den zweiten Betrag am 05.02.2020.

Die Beklagte hat mitgeteilt, nach den vorliegenden Unterlagen habe die tatsächliche Möglichkeit einer Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente für langjährige Versicherte zum 01.12.2020 bestanden (mit Abschlag von 10,5 Prozent, Rentenrechner der Deutschen Rentenversicherung). Damit scheide eine Bemessung des Arbeitslosengeldes nach der Sondervorschrift des § 10 Abs. 1 AltTZG aus. Unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers sei davon auszugehen, dass von Seiten des Klägers ursprünglich ein Renteneintritt zum 01.12.2020 geplant gewesen sei. Nach Auffassung der Beklagten liege insoweit ein wichtiger Grund im Sinne des § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB III vor. Eine Änderung des Verhaltens nach Abschluss der Altersteilzeitvereinbarung sei für die Beurteilung des wichtigen Grundes nicht relevant. Ein Sperrzeittatbestand sei demnach nicht gegeben.


Entscheidungsgründe


I. Der Senat konnte aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die nach den §§ 143 und 144, SGG statthafte, sowie nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig.

Streitgegenständlich sind neben der Aufhebung des Urteils des SG Heilbronn vom 02.09.2022 der Bescheid der Beklagten vom 15.12.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.12.2020. Das Begehren, die Beklagte zu verurteilen, ihm höheres Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 01.12.2020 bis zum 30.11.2022 unter Berücksichtigung des im November 2020 zugeflossenen Jubiläumsgeldes in Höhe von 24.732,50 € zu gewähren, verfolgt der Kläger zulässig mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 4, § 56 SGG), die zulässigerweise auf den Erlass eines Grundurteils gerichtet ist. Ein Grundurteil im Sinne von § 130 Abs. 1 Satz 1 SGG ist auch in einem sogenannten Höhenstreit zulässig, wenn – wie hier – mit Wahrscheinlichkeit von einem höheren Leistungsbetrag ausgegangen werden kann (BSG, Urteil vom 11.11.2021 – B 14 AS 41/20 R, juris Rn. 12 m.w.N.; vgl. Urteil des Senats vom 31.08.2022 – L 3 AL 303/22, juris Rn. 27).

II. Die Berufung des Klägers ist aber nicht begründet.
Das SG Heilbronn hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 01.12.2020 bis zum 30.11.2022 unter Berücksichtigung des Jubiläumsgeldes in Höhe von 24.732,50 € bei der Bestimmung des Bemessungsentgelts.

1. Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld dem Grunde nach sind gegeben. Nach § 137 Abs. 1 SGB III hat Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit, wer arbeitslos ist, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt hat. Der Kläger hat sich am 04.09.2020 mit Wirkung zum 01.12.2020 arbeitslos gemeldet und war ab diesem Zeitpunkt arbeitslos im Sinne des § 138 Abs. 1 SGB III. Auch die Anwartschaftszeit (§ 137 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. §§ 142, 143 SGB III) ist erfüllt, weil der Kläger innerhalb der Rahmenfrist von 30 Monaten des § 143 SGB III beginnend mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat.

2. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld hat auch nicht wegen Eintritt einer Sperrzeit bei verspäteter Arbeitssuchendmeldung oder einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe geruht. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht nach § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB III für die Dauer einer Sperrzeit, wenn sich ein Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen tritt eine Sperrzeit kraft Gesetzes ein, ohne dass es eines entsprechenden Ausspruchs durch Verwaltungsakt bedarf (BSG, Urteil vom 22.09.2022 – B 11 AL 31/21 R, juris Rn. 13 m.w.N.). Über das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist unter Berücksichtigung des Ziels der Sperrzeitregelung zu entscheiden. Diese soll die Versichertengemeinschaft vor Risikofällen schützen, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat; eine Sperrzeit soll nur eintreten, wenn dem Versicherten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann. Dies ist nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Arbeitslosen zu beurteilen, ein wichtiger Grund im Sinne des Sperrzeitrechts muss vielmehr objektiv gegeben sein (BSG, Urteil vom 12.09.2017 – B 11 AL 25/16 R, juris Rn. 16 f. m.w.N.).

a) Der Kläger ist seiner Meldepflicht nachgekommen mit der Folge, dass eine Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung nicht eingetreten ist. Versicherungswidriges Verhalten liegt nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 SGB III vor, wenn der Arbeitslose der ihm obliegenden Meldepflicht nach § 38 SGB III nicht nachgekommen ist. Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der Fassung vom 12.06.2020 (im Folgenden a.F.) sind Personen, deren Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis endet, verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor dessen Beendigung persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Das Arbeitsverhältnis endete vorliegend am 30.11.2020, der späteste Meldetermin ist damit der 31.08.2020 gewesen. Ausweislich des Gesprächsvermerks vom 25.05.2020 hat sich der Kläger an diesem Tag und damit vor Ablauf des 31.08.2020 telefonisch bei der Beklagten arbeitsuchend gemeldet. Allerdings verlangte § 38 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. noch eine persönliche Meldung bei der Beklagten. Erst seit dem 01.01.2022 muss die Meldung nicht mehr in Gestalt einer persönlichen Vorsprache erfolgen
(BT-Drs. 19/17740, S. 46). Zur Wahrung der Frist nach § 38 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB III a.F. genügte nach dessen Satz 3 jedoch eine Anzeige unter Angabe der persönlichen Daten und des Beendigungszeitpunktes des Beschäftigungsverhältnisses, wenn die persönliche Meldung nach terminlicher Vereinbarung nachgeholt wurde. Allerdings ersetzte eine solche Anzeige nicht die persönliche Meldung, sondern lockerte nur die Fristvorgaben aus den Sätzen 1 und 2 (Harks in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Auflage, § 38 SGB III [Stand: 23.04.2021] Rn. 47). Hier hat der Kläger seine persönlichen Daten und den Beendigungszeitpunkt seines Beschäftigungsverhältnisses zwar telefonisch übermittelt, es kam jedoch nicht zu einer persönlichen Vorsprache. Vorliegend besteht jedoch ein wichtiger Grund im Sinne des § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB III dafür, dass sich der Kläger lediglich telefonisch und nicht persönlich arbeitssuchend gemeldet hat. Wie sich aus dem Gesprächsvermerk vom 27.05.2020 ergibt, sind die Agenturen aufgrund der Corona-Pandemie zum Zeitpunkt seiner telefonischen Anzeige auf zum damaligen Zeitpunkt unbestimmte Zeit geschlossen gewesen und ist dem Kläger deshalb eine persönliche Meldung rein tatsächlich nicht möglich gewesen.

b) Auch die Voraussetzungen einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe liegen nicht vor. Nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III liegt ein versicherungswidriges Verhalten auch vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat. Der Kläger hat hier durch die Umwandlung seines unbefristeten in ein befristetes Arbeitsverhältnis ohne Anschlussarbeitsverhältnis sein Beschäftigungsverhältnis gelöst und damit seine Arbeitslosigkeit vorsätzlich herbeigeführt (vgl. nur BSG, Urteil vom 12.9.2017 – B 11 AL 25/16 R, juris Rn. 15). Der Kläger kann sich jedoch auf einen wichtigen Grund berufen, da dieser zur Überzeugung des Senats bei Abschluss des Teilzeitarbeitsvertrages beabsichtigte, ab dem 01.12.2020 eine Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung mit Abschlägen zu beziehen. Im Falle der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch Altersteilzeitvertrag kann sich ein Arbeitnehmer auf einen wichtigen Grund berufen, wenn er bei Abschluss der Vereinbarung beabsichtigt, nahtlos von der Freistellungsphase der Altersteilzeit in den Rentenbezug zu wechseln und eine entsprechende Annahme prognostisch gerechtfertigt ist. Die Beurteilung des künftigen Verhaltens des Arbeitnehmers ist dabei abhängig von der rentenrechtlichen Situation und davon, ob bzw. wie er diese unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Nachfragen bei sachkundigen Stellen eingeschätzt hat (BSG, Urteil vom 12.09.2017 – B 11 AL 25/16 R, juris Rn. 17 m.w.N.). Der Kläger hat dazu für den Senat glaubhaft erklärt, dass er sich, bevor er den Antrag auf Altersteilzeit gestellt hat, Ende 2018 bei der Rentenversicherung S1 hinsichtlich der zu erwartenden Rente und der Möglichkeit von Ausgleichszahlungen bei vorzeitigem Rentenbeginn zur Reduzierung der Rentenkürzung hat beraten lassen. Es sei ursprünglich sein Ziel gewesen, direkt nach der Altersteilzeit in die Rente mit 63 Jahren zu gehen. Dazu hat er am 09.11.2019 einen Antrag zum Ausgleich einer Rentenminderung gestellt. Den ersten Betrag dazu hat der Kläger am 16.12.2019 überwiesen, den zweiten Betrag am 05.02.2020. Der Senat legt diesbezüglich die glaubhaften Angaben des Klägers zugrunde, an deren Richtigkeit auch die Beklagte keine Bedenken geäußert hat. Der Kläger und die Arbeitgeberin sind auch, wie sich aus § 1 Nr. 2 ATZ-Vertrag ergibt, bei Abschluss des Teilzeitarbeitsvertrages davon ausgegangen, dass ab dem 01.12.2020 eine Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung mit Abschlägen bezogen werden konnte. Nach Mitteilung der Beklagten und Bezugnahme auf den Rentenrechner der Deutschen Rentenversicherung bestand für den Kläger auch die tatsächliche Möglichkeit einer Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente für langjährige Versicherte zum 01.12.2020. Dies alles spricht dafür, dass von Seiten des Klägers ursprünglich ein Renteneintritt zum 01.12.2020 geplant gewesen ist.

3. Der Kläger hat aber keinen Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld
für den Zeitraum vom 01.12.2020 bis zum 30.11.2022. Die Beklagte hat dem Kläger mit dem Bescheid vom 15.12.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.12.2020 Arbeitslosengeld unter Anwendung der in den §§ 149 ff. SGB III enthaltenen Regelungen in zutreffender Höhe gewährt.

a) Das Arbeitslosengeld beträgt nach § 149 SGB III für Arbeitslose, die mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs. 1, 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) haben, sowie für Arbeitslose, deren Ehegattin, Ehegatte, Lebenspartnerin oder Lebenspartner mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs. 1, 3 bis 5 des EStG hat, wenn beide Ehegatten oder Lebenspartner unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben, 67 Prozent (Nr. 1), für die übrigen Arbeitslosen 60 Prozent (Nr. 2) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das die oder der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Der Bemessungszeitraum umfasst gemäß § 150 Abs. 1 Satz 1 SGB III die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst nach § 150 Abs. 1 Satz 2 SGB III ein Jahr und endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs. Der Bemessungsrahmen läuft kalendermäßig ab und erfasst immer ein Zeitjahr ohne Rücksicht auf die Frage, in welchem Umfang dieses Jahr mit versicherungspflichtigen Zeiten belegt ist (LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 17.02.2023 – L 3 AL 20/20, juris Rn. 35 m.w.N.). Bemessungsentgelt ist gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz SGB III das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das die oder der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat. Außer Betracht bleiben gemäß § 151 Abs. 2 Nr. 1 SGB III Arbeitsentgelte, die Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten oder die im Hinblick auf die Arbeitslosigkeit vereinbart worden sind. Das Leistungsentgelt ist gemäß § 153 Abs. 1 Satz 1 SGB III das um pauschalierte Abzüge verminderte Bemessungsentgelt. Abzüge sind eine Sozialversicherungspauschale in Höhe von 20 Prozent des Bemessungsentgelts (§ 153 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III), die Lohnsteuer, die sich nach dem vom Bundesministerium der Finanzen auf Grund des § 51 Abs. 4 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes bekannt gegebenen Programmablaufplan bei Berücksichtigung der Vorsorgepauschale nach § 39b Abs. 2 Satz 5 Nr. 3 Buchstabe a bis c und e des Einkommensteuergesetzes zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, ergibt (§ 153 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III) und der Solidaritätszuschlag (§ 153 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III).

b) Das Vorstehende berücksichtigt, hat die Beklagte den Leistungsanspruch des Klägers
für den Zeitraum vom 01.12.2020 bis zum 30.11.2022 zutreffend berechnet. In dem im Bemessungsrahmen vom 01.12.2019 bis zum 30.11.2020 liegenden Bemessungszeitraum ist von dem Kläger an 366 Tagen ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt in Höhe von insgesamt 61.132,02 € erzielt worden. Dieser Betrag ergibt sich aus der Arbeitsbescheinigung der Arbeitgeberin, wonach für die Zeit vom 01.12.2019 bis zum 30.11.2020 monatlich ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 4.940,69 €, also insgesamt 59.288,28 € gezahlt worden ist zuzüglich Einmalzahlungen in Höhe von 1.395,51 €, 113,23 € und 335,00 €, also insgesamt 1.843,74 €. Das im November 2020 erhaltene Jubiläumsentgelt ist dabei nicht erhöhend zu berücksichtigen (dazu unter bb)).

Aus dem im Bemessungszeitraum erzielten beitragspflichtigen Arbeitsentgelt in Höhe von insgesamt
61.132,02 € ergibt sich vorliegend für den Zeitraum ab dem 14.12.2020 zutreffend ein durchschnittliches tägliches Entgelt (Bemessungsentgelt) von 167,03 €. § 154 Satz 2 SGB III, wonach ein Monat bei der Leistung von Arbeitslosengeld mit 30 Tagen anzusetzen ist, ist hier nicht einschlägig. Bei der Berechnung des Bemessungsentgelts kommt es auf die Anzahl der Tage an, die der Jahreszeitraum tatsächlich umfasst hat (vgl. BSG, Urteil vom 06.05.2009 – B 11 AL 7/08 R, juris Rn. 19). Im Zeitraum von 01.12.2020 bis zum 13.12.2020 war nur ein Anteil von ¾ dieses Betrages, also 125,27 € als Bemessungsentgelt zu berücksichtigen, weil der Kläger, der zuvor im Bemessungszeitraum durchschnittlich 20 Stunden pro Woche gearbeitet hatte, sich nur für 15 Stunden pro Woche dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt hatte, § 151 Abs. 5 Satz 1 SGB III.

Unter Zugrundelegung der im vorliegenden Fall einschlägigen Lohnsteuerklasse 3 des Klägers ergibt sich aus dem Bemessungsentgelt von 125,27 € gemäß § 153 SGB III ein Leistungsentgelt von 89,04 €. Aus dem Bemessungsentgelt von 167,03 € ergibt sich für den verbleibenden Monat Dezember 2020 gemäß § 153 SGB III ein Leistungsentgelt in Höhe von 112,25 € und ab dem 01.01.2021 in Höhe von 113,36 €. Bei dem Kläger ist nach § 149 SGB III kein Kind zu berücksichtigen. Er hat daher Anspruch auf Arbeitslosengeld nach dem Leistungssatz von 60 Prozent des Leistungsentgelts, sodass ein Anspruch auf Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 53,42 € für die Zeit vom 01.12.2020 bis zum 13.12.2020, 67,35 € für die Zeit vom 14.12.2020 bis zum 31.12.2020 und 68,02 € für die Zeit vom 01.01.2021 bis zum 30.11.2022 besteht.

aa) Der im Bemessungsrahmen liegende Bemessungszeitraum ändert sich vorliegend nicht gemäß § 150 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB III. Demnach bleiben bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums zwar Zeiten außer Betracht, in denen die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf Grund einer Teilzeitvereinbarung nicht nur vorübergehend auf weniger als 80 Prozent der durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit einer vergleichbaren Vollzeitbeschäftigung, mindestens um fünf Stunden wöchentlich, vermindert war, wenn der Arbeitslose Beschäftigungen mit einer höheren Arbeitszeit innerhalb der letzten dreieinhalb Jahre vor der Entstehung des Anspruchs während eines sechs Monate umfassenden zusammenhängenden Zeitraums ausgeübt hat. Dies gilt nach § 150 Abs. 2 Satz 2 SGB III aber nicht in Fällen einer Teilzeitvereinbarung nach dem AltTZG, es sei denn, das Beschäftigungsverhältnis ist, was vorliegend nicht der Fall ist, wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers beendet worden.

Vorliegend haben die Parteien einen Altersteilzeitvertrag nach dem AltTZG geschlossen. Altersteilzeitarbeit gemäß § 2 Abs. 1 AltTZG leisten Arbeitnehmer – unabhängig von einer Förderung durch die Beklagte (§ 1 Abs 3 Satz 1 AltTZG) – wenn sie das 55. Lebensjahr vollendet haben, aufgrund einer Vereinbarung mit ihrem Arbeitgeber, die sich zumindest auf die Zeit erstrecken muss, bis eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, ihre Arbeitszeit auf die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit vermindert haben und versicherungspflichtig im Sinne des SGB III sind. Die Verringerung der Arbeitszeit kann entweder im sogenannten Teilzeitmodell, bei dem der Arbeitnehmer unter Verminderung seiner bisherigen Arbeitszeit weiterarbeitet, oder im sogenannten Blockmodell, bei dem der Arbeitnehmer zunächst weiterarbeitet (Arbeitsphase) und sodann freigestellt ist (Freistellungsphase), erfolgen (BSG, Urteil vom 22.09.2022 – B 11 AL 31/21 R, juris Rn. 16).

Der Kläger hat vorliegend nach Ablauf seines 55. Lebensjahres seine Arbeitszeit nach dem Blockmodell auf die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit vermindert und war versicherungspflichtig im Sinne des SGB III. Der Arbeitgeber hat nach § 4
ATZ-Vertrag auch zusätzliches Entgelt gezahlt, welches die Voraussetzungen von § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AltTZG erfüllt.

bb) Das der Berechnung des Arbeitslosengeldanspruchs zugrunde zu legende Arbeitsentgelt des Klägers ist auch nicht um das im November 2020 erhaltene Jubiläumsgeld in Höhe von 24.732,50 € zu erhöhen. Nach § 151 Abs. 2 Nr. 1 SGB III bleiben Arbeitsentgelte außer Betracht, die Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten oder die im Hinblick auf die Arbeitslosigkeit vereinbart worden sind. Bei dem Jubiläumsentgelt handelt es sich um ein Arbeitsentgelt, das der Kläger wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten hat.

(1) Bereits die Formulierung "wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ spricht dafür, einen Anspruch dann als erfasst anzusehen, wenn zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Anspruch ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Ein Arbeitnehmer hat dann einen Anspruch „wegen“ Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses die wesentliche Bedingung für den Anspruch ist oder – anders formuliert – der Anspruch dem Arbeitnehmer nicht zustehen würde, wenn das Arbeitsverhältnis nicht beendet worden wäre (BSG, Urteil vom 20.02.2002 – B 11 AL 71/01 R, juris Rn. 15 zur Nichtberücksichtigung eines Anspruchs auf Urlaubsabgeltung bei der Bemessung von Insolvenzgeld). Diese Kriterien gelten auch bei der Beurteilung der Frage, ob Arbeitsentgelte, die der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten hat, bei der Feststellung des Bemessungsentgelts außer Betracht zu bleiben haben (Bayerisches LSG, Urteil vom 26.03.2009 – L 8 AL 200/08, juris Rn. 23; Valgolio in Hauck/Noftz SGB III, Stand Juni 2021, § 151 Rn. 61).

Ohne die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Altersteilzeitvertrag hätte der Kläger das Jubiläumsgeld nicht im November 2020 erhalten. Schließlich handelte es sich um das Jubiläumsgeld für das 40jährige Betriebsjubiläum, welches ausgehend von einer Einstellung am 01.07.1981 erst mit Ablauf des 30.06.2021 eingetreten wäre, was der Kläger im Rahmen der Berufung auch selbst eingeräumt hat. Wie das SG Heilbronn in der angefochtenen Entscheidung unter Bezugnahme auf die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung zutreffend feststellt, handelt es sich bei dem Jubiläumsgeld vor Erreichen des Jubiläumstags lediglich um eine rechtlich nicht geschützte Zahlungserwartung (Bundesarbeitsgericht [BAG], Urteil vom 24.10.2017 – 1 AZR 846/15, juris Rn. 27). Die hier an den Kläger erfolgte frühere Zahlung nach
Nr. 5 GBV „Jubiläumszuwendung“ bereits im November 2020 setzte damit zwingend ein vorzeitiges Ausscheiden voraus und verknüpfte den Anspruch des Klägers auf das Jubiläumsgeld daher wesentlich kausal mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Daher ist das Jubiläumsgeld bei der Berechnung des Bemessungsentgelts nicht zu berücksichtigen.

(2) Der Kläger kann eine Berücksichtigung des Jubiläumsgeldes auch nicht auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs.1 GG) stützen. Zwar hat der Zeuge H2 ausgesagt, dass in anderen gleichgelagerten Fällen in seinem örtlichen Zuständigkeitsbereich das Jubiläumsgeld stets berücksichtigt worden sei. Die von dem Zeugen geschilderte Berücksichtigung von Jubiläumszuwendungen ohne Prüfung des von Gesetzes wegen vorgesehenen Eingreifens des Berücksichtigungsausschlusses nach § 151 Abs. 2 Nr. 1 SGB III läuft aber auf eine rechtswidrige Verwaltungspraxis hinaus. Zwar kann sich – ausnahmsweise – ein subjektiv-rechtlicher Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie, insbesondere willkür- und missbrauchsfreie Entscheidung aus Art. 3 Abs. 1 GG unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung ergeben, wenn der Leistungsträger Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um sein Verwaltungshandeln gleichmäßig zu steuern (Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Urteil vom 10.12.2020 – 2 A 2/20, BVerwGE 171, 17-24 Rn. 23). Der Gleichheitssatz vermag sich aber jedenfalls außerhalb gesetzlich vorgesehener Ermessens- oder Beurteilungsspielräume nicht gegen die Gesetzesbindung durchzusetzen, also keine zwar der Verwaltungspraxis oder Verwaltungsvorschriften entsprechende, aber gesetzeswidrige Behandlung zu rechtfertigen oder gar einen Anspruch darauf zu vermitteln (Kischel in Beck´scher Online-Kommentar GG [Stand 15.05.2023] Art. 3 Rn. 115). In diesem Sinne gibt es keine Gleichheit im Unrecht (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Nichtannahmebeschluss vom 09.10.2000 – 1 BvR 1627/95, juris Rn. 52; BVerwG, Urteil vom 26.02.1993 – 8 C 20/92, juris Rn. 14; Kischel in Beck´scher Online-Kommentar GG a.a.O.). Eine Grenze für die Anwendung dieses Satzes ist nur dort erreicht, wo willkürlich einige Personen herausgegriffen werden (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 09.10.2000, a.a.O., juris Rn. 52). Ein willkürliches Herausgreifen des Klägers ist vorliegend aber nicht festzustellen. Der Kläger ist auch bei Wahrunterstellung seines eigenen Vortrages und der Einlassungen des Zeugen nicht anders behandelt worden, als andere Arbeitslose im Zuständigkeitsbereich der Arbeitsagentur G1. Zudem entspricht seine Behandlung der von der Beklagten intern abgesprochenen Vorgehensweise, wonach bei Jubiläumszuwendungen zwar grundsätzlich die Angaben in der Arbeitsbescheinigung zu übernehmen sind, bei Unstimmigkeiten aber eine weitere Prüfung vorgenommen wird. Damit ist der Kläger nicht willkürlich herausgegriffen worden, selbst wenn sich die Arbeitsagentur S1 (bei Wahrunterstellung der Angaben des Zeugen) in gleichgelagerten Fällen nicht rechtmäßig verhalten sollte.

cc) Schließlich greift die Sonderregelung des § 10 Abs. 1 Satz 1 AltTZG mit der Folge der Erhöhung des Bemessungsentgelts nicht zugunsten des Klägers ein. Beansprucht nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AltTZG ein Arbeitnehmer, der Altersteilzeitarbeit nach § 2 AltTZG geleistet hat und für den der Arbeitgeber Leistungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AltTZG erbracht hat, Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe, erhöht sich das Bemessungsentgelt, das sich nach den Vorschriften des SGB III ergibt, bis zu dem Betrag, der als Bemessungsentgelt zugrunde zu legen wäre, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitszeit nicht im Rahmen der Altersteilzeit vermindert hätte. Kann der Arbeitnehmer aber eine Rente wegen Alters in Anspruch nehmen, ist von dem Tage an, an dem die Rente erstmals beansprucht werden kann, das Bemessungsentgelt maßgebend, das ohne die Erhöhung nach Satz 1 zugrunde zu legen gewesen wäre, § 10 Abs. 1 Satz 2 AltTZG. Altersrentenberechtigt ist auch der Arbeitslose, der nur eine vorzeitige Altersrente mit Abschlägen erhalten kann (BSG, Urteil vom 15.12.2005 – B 7a AL 30/05 R, juris 14 ff.). Der Kläger ist ausweislich der übereinstimmenden Mitteilung der Beklagten und des Klägers, an deren Richtigkeit der Senat keine Zweifel hat, ab dem 01.12.2020 berechtigt gewesen, eine Altersrente mit Abschlägen zu beanspruchen.

Die Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 2 AltTZG ist mit Unionsrecht vereinbar (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.2022 – B 11 AL 31/21 R, juris Rn. 30 f.).

Die Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 2 AltTZG ist zudem mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Art. 3 Abs. 1 GG schützt nicht vor jeglicher Ungleichbehandlung, sondern verwehrt dem Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten ohne hinreichend gewichtigen Grund anders zu behandeln (BVerfG, Urteil vom 28.04.1999 – 1 BvL 11/94, juris Rn. 129 ff.). Der Gleichheitsgrundsatz ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muss (Burghart in Leibholz/Rinck, Grundgesetz Kommentar, 91. Lieferung, 10/2023, Art. 3 Rn. 21 m.w.N.)

Der Gesetzgeber hat bei Erlass des § 10 Abs. 1 Satz und Satz 2 AltTZG gerade keine umfassende, allgemeine Privilegierung der Altersteilzeit beabsichtigt. Die besondere Bemessung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AltTZG soll nur solange wirken, bis der Arbeitnehmer eine Rente wegen Alters, ggf. auch mit Rentenminderung wegen vorzeitiger Inanspruchnahme, in Anspruch nehmen kann (BT-Drucks. 13/4877, S. 30). Für diese unterschiedliche vom Gesetzgeber beabsichtigte Arbeitslosengeldbemessung in § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 AltTZG bei Personen, die noch keine Rente beanspruchen können, und solchen, die bereits eine Rente – wenn auch nur wie vorliegend unter Inkaufnahme von Abschlägen – beanspruchen können, liegt ein rechtfertigender Grund vor, nämlich der Schutz der Arbeitslosenversicherung vor finanziellen Belastungen aus Frühverrentungen (BT-Drucks. 13/4877, S. 30, vgl. auch BT-Drucks. 14/6944, S. 36 zu § 131 SGB III a.F., jetzt § 151 SGB III).

Die Frage der Vereinbarkeit von § 10 Abs. 1 Satz 2 AltTZG mit dem Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG stellt sich vorliegend nicht, da der Kläger zu keinem Zeitpunkt die Inanspruchnahme eine Altersrente für Schwerbehinderte (§ 236a SGB VI), sondern den Bezug einer vorzeitigen Altersrente mit Abschlägen beabsichtigt hat.


Das mit der Berufung angegriffene Urteil des SG Heilbronn ist mithin rechtmäßig. Die Berufung ist daher zurückzuweisen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

IV. Gründe, im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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