I. Der Bescheid vom 18.02.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.03.2022 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Bescheid vom 03.05.2021 über die Feststellung einer Sperrzeit vom 17.02.2021 bis 11.05.2021 aufzuheben.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits.
T a t b e s t a n d :
Die Beteiligten streiten über den Eintritt einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe.
Der Kläger (Kl) war seit langem bei der Beklagten (Bekl) als Fachkraft in der Arbeitsvermittlung beschäftigt, bis diese das Arbeitsverhältnis - ohne vorherige Abmahnung - am 16.02.2021 fristlos, ersatzweise fristgerecht zum 30.09.2021 kündigte. Ein noch bestehender Urlaubsanspruch von sieben Tagen sollte in bar abgegolten werden, ebenso ein noch vorhandenes Zeitguthaben.
Ein Grund für ihre Entscheidung nannte die Bekl im Kündigungsschreiben vom 16.02.2021 nicht.
Der Kl meldete sich sodann am 17.02.2021, ab diesem Zeitpunkt, bei der Bekl arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg).
Auf dem ihm zum Zwecke der Prüfung des Eintritts einer Sperrzeit zugeleiteten Fragebogen zur Kündigung durch den Arbeitgeber, stellte er am 19.02.2021 ein arbeitsvertragswidriges Verhalten in Abrede. Nach dem Anlass für die Kündigung befragt, berichtete er von einer unsachgemäßen Aussage gegenüber einem Arbeitskollegen. Er hätte im Anschluss daran mehrfach ohne Erfolg versucht, sich "über Kommunikationsmedien" für sein Verhalten zu entschuldigen. Eine persönliche Entschuldigung sei ihm bislang verwehrt worden.
Gegen die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses ging der Kl gerichtlich gegen die Bekl vor. Seine Klage zum Arbeitsgericht6 AL 106/22 wurde dort unter dem Az.: 2 Ca 945/21 geführt.
Über seinen Antrag auf Alg wurde durch Bescheid vom 04.03.2021 vorläufig entschieden und dem Kl - ausgehend von einer grundsätzlichen Anspruchsdauer von 360 Tagen - die Auszahlung von Alg zu einem täglichen Leistungsbetrag von 56,30 € vom 12.05.2021 bis 10.02.2022 bewilligt. Für die Zeit ab Antragstellung wurde der Auszahlungsbetrag wegen der Berücksichtigung einer Urlaubsabgeltung auf 0,00 € festgesetzt. Ebenso war zunächst für die Zeit vom 17.02.2021 bis 11.05.2021 keine Zahlung vorgesehen, da dieser Zeitraum einstweilen ganz von einer Entscheidung ausgenommen worden war.
Gegenüber dem Kl wurde die Vorläufigkeit der Entscheidung im Schreiben vom 04.03.2021 damit begründet, dass noch geprüft werden müsse, ob während der Anspruchsdauer eine Sperrzeit eingetreten sei. Der Ausgang des Gerichtsverfahrens (gemeint ist offensichtlich des arbeitsgerichtlichen Verfahrens) sei abzuwarten. Der Kl wurde daher gebeten, das Urteil oder den Vergleich nach Abschluss des Arbeitsrechtsstreits zu übermitteln.
Dieser Bitte kam der Kl nach und leitete der Bekl am 19.04.2021 den Gerichtsbeschluss des Arbeitsgerichts vom 13.04.2021 zu. Darin wurde festgestellt, dass zwischen den Parteien - also den Beteiligten im vorliegenden Verfahren - ein gerichtlicher Vergleich mit folgendem Inhalt zustande gekommen ist:
1. Die Parteien sind sich einig, dass das Arbeitsverhältnis durch ordentliche betrieblich veranlasste Arbeitgeberkündigung vom 16.02.2021 zum 30.09.2021 aufgelöst wird.
2. Der Kläger wird unwiderruflich unter Fortzahlung der Vergütung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Es besteht Einigkeit, dass Urlaubsansprüche und etwaige Zeitguthaben in Natur eingebracht sind.
3. Die Beklagte zahlt an den Kläger als Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes entsprechend §§ 9, 10 KSchG 22.000,00 € brutto. Die Abfindung ist mit Abschluss dieses Vergleichs entstanden und vererblich. Die Abfindung wird mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Zahlung fällig.
4. Der Kläger ist berechtigt, das Arbeitsverhältnis vorzeitig mit einer Ankündigungsfrist von einer Woche gegenüber der Beklagten durch Erklärung in Schriftform zu beenden. In diesem Fall erhöht sich die Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG um die zwischen der vorzeitigen Vertragsbeendigung bis zum regulären Vertragsende ersparte Bruttoarbeitsvergütung (ohne Arbeitgeberanteile).
5. Die Beklagte verpflichtet sich, eine Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III unter Berücksichtigung dieses Vergleichs zu erteilen.
6. Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis auszustellen und zu übersenden, das sich auf die Leistung und das Verhalten im Arbeitsverhältnis erstreckt mit der Bewertung "gut" und einer entsprechenden Dankes-, Bedauerns- und Gute-Wünsche-Formel.
7. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
8. Damit ist der Rechtsstreit erledigt.
Trotz des zwischen dem Kl und der Bekl vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleichs, in dem u.a. einvernehmlich festgestellt wurde, dass das Arbeitsverhältnis durch ordentlich veranlasste arbeitgeberseitige Kündigung - also nicht durch die ursprünglich erklärte außerordentliche Kündigung - beendet worden wäre, der Vereinbarung einer Abfindung und der Verpflichtung des Bekl, dem Kl ein wohlwollendes qualifiziertes Arbeitszeugnis mit der Bewertung "gut" auszustellen, welches sich auf die Leistung und das Verhalten im Arbeitsverhältnis zu erstrecken hat, wurde mit Bescheid vom 03.05.2021 der Eintritt einer Sperrzeit vom 17.02.2021 bis 11.05.2021, verbunden mit der Minderung der Gesamtanspruchsdauer um 90 Tage, festgestellt. Begründet wurde diese Entscheidung mit einem vertragswidrigem Verhalten des Kl, ohne dieses konkret zu benennen.
Wie aus der elektronisch übermittelten Verwaltungsakte (elektr. VwA) der Bekl hervorgeht, wurde auf die der Entscheidung über die Sperrzeit vorangehende Anfrage der Personalstelle der Bekl vom 20.04.2021, ob sich der Kündigungsgrund im arbeitsgerichtlichen Verfahren als unzutreffend erwiesen hätte (s. Dok. 56 d. elektr. VwA) vom Internen Service A-Stadt geantwortet, dass trotz des geschlossenen Vergleichs der Vorwurf des vertragswidrige Verhalten nicht unzutreffend und Grund für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gewesen wäre, bzw. sei (s. Mitteilung v. 26.04.2021 - Dok. 67 elektr. VwA; E-Mail und Verfügung v. 03.05.2021 - Dok. 68 u. 69 elektr. VwA).
In dem in Erfüllung der arbeitsgerichtlichen Vereinbarung erstellten, und vom Geschäftsführer Interner Service der A. am 30.09.2021 unterschriebenen, Zeugnis wurde in Bezug auf den Kl u.a. festgestellt:
"Sein Verhalten zu Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen sowie Kundinnen und Kunden war immer einwandfrei. Er trug zu einer guten und effizienten Teamarbeit bei und war ein allseits geschätzter Gesprächspartner".
Das Zeugnis endete mit dem Bemerken:
"Das Arbeitsverhältnis endete im besten gegenseitigen Einvernehmen am 30.09.2021".
Eine von der Bekl zunächst ausgestellte Arbeitsbescheinigung vom 22.02.2021 wurde ebenfalls abgeändert und in der Fassung vom 07.09.2021 dem Ergebnis des Vergleichs angepasst.
Unter Berücksichtigung der Vereinbarung über das Ende des Arbeitsverhältnisses bewilligte die Bekl dem Kl sodann mit Bescheid vom 05.10.2021, bzw. nach Absehen von der Anrechnung der Urlaubsabgeltung mit Änderungsbescheid vom 25.10.2021, letztlich Alg vom 01.10.2021 bis 30.06.2022, also nach Abzug einer sperrzeitbedingten Minderung, noch für 270 Tage.
Am 02.02.2022 wendete sich der Kl unter Bezugnahme auf seinen Widerspruch vom 11.10.2021 gegen Bewilligungsbescheid vom 05.10.2021 an die Bekl. Er erklärte, dass es in seinem Rechtsbehelf um die Berücksichtigung der Urlaubsabgeltung gegangen wäre. Zwar hätte die Bekl diesem Widerspruch mit Bescheid vom 25.10.2021 abgeholfen, die Minderung seines Gesamtanspruchs auf Alg, welche wohl auf einer Sperrzeit beruhe, sei jedoch noch offen.
Daraufhin erließ die Bekl am 18.02.2022 einen Widerspruchsbescheid, da sie das Schreiben vom 02.02.2022 als Widerspruch gegen den Sperrzeitbescheid vom 03.05.2022 wertete, dieser aber wegen Verfristung als unzulässig zurückzuweisen wäre. In einem Hinweis zu diesem Widerspruchsbescheid wurde der Kl darüber informiert, dass sein Vorbringen im Widerspruch (auch) "als Antrag auf Überprüfung der Entscheidung von § 44 SGB X" gewertet werde und er hierüber noch einen gesonderten Bescheid erhalte.
Über den Überprüfungsantrag wurde mit Bescheid vom 18.02.2022 entschieden. Im Ergebnis lehnte die Bekl den Überprüfungsantrag ab, da sie nach ihrer Auffassung bei Erlass des Sperrzeitbescheides weder von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen noch das Recht falsch angewendet hätte.
Der gegen den Ablehnungsbescheid erhobene Widerspruch vom 17.03.2023 ist von der Bekl mit Widerspruchsbescheid vom 29.03.2022 zurückgewiesen worden.
Sie führte darin u.a. aus, dass das Vorbringen des Kl, man habe sich hinsichtlich der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses auf eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung geeinigt, zu keiner anderen Entscheidung führen könne. Entgegen seiner Angaben beziehe sich die ordentliche statt der fristlosen Kündigung lediglich darauf, dass man sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren auf die Einhaltung der Kündigungsfrist verständigt hätte. Der Vergleich benenne auch keine betriebsbedingte, sondern eine betrieblich veranlasste Kündigung. Diese wäre, unabhängig von der Einhaltung der Kündigungsfrist, aufgrund des vertragswidrigen Verhaltens des Kl veranlasst gewesen. Der Kündigungsgrund bleibe bestehen.
Hiergegen richtete sich die am 21.04.2022 beim Sozialgericht Nürnberg eingegangene Klage.
Der Kl hält der Bekl widersprüchliches Verhalten vor. Er verweist insoweit auf den arbeitsgerichtlichen Vergleich. Die Bekl hätte sich darin verpflichtet eine Arbeitsbescheinigung unter Berücksichtigung des Vergleichs auszustellen, und damit auch dazu, die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen nicht mehr aufrecht zu erhalten.
Er beantragte zuletzt,
den Bescheid vom 18.02.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.03.2022 aufzuheben und die mit Bescheid vom 03.05.2021 festgestellte Sperrzeit vom 17.01.2021 bis 11.05.2021 ebenfalls aufzuheben.
Die Bekl beantragt,
die Klage abzuweisen.
In der Klageerwiderungsschrift vom 29.04.2022 verweist sie zur Begründung lapidar auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide. Ergänzend beruft sie sich gegenüber dem Gericht - wie schon zuvor am 14.04.2021 gegenüber dem Kl erklärt - darauf, dass man sich an die im arbeitsgerichtlichen Verfahren getroffenen Vereinbarungen und Feststellungen nicht gebunden sehe.
In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht Beweis erhoben durch Einvernahme des Zeugen E., der die Bekl nach ihren Angaben in dem Prozess vor dem Arbeitsgericht vertreten hatte, sowie des Zeugen D., einem Mitarbeiter im Personalservice - und damit der Stelle, die die für die Bekl konkret den arbeitsgerichtlichen Vergleich umzusetzen hatte.
Der Zeuge E. führte Aspekte des Prozessrisikos als Motiv für den Vergleich an. Man hätte den Kl nicht mehr weiterbeschäftigen wollen und habe deshalb sicherheitshalber eine betrieblich veranlasste Kündigung vereinbart. Die Angabe verhaltensbedingter Gründe wären deshalb fallen gelassen worden, da dies zu einer Sperrzeit hätte führen können. Es würde sich hierbei um ein übliches Vorgehen handeln.
Nach dem Grund für die außerordentliche Kündigung befragt, nannte er die per WhatsApp erfolgte Ankündigung des Kl gegenüber einem Arbeitskollegen, er werde zu ihm nach Hause kommen und seine Kinder töten, damit dieser wisse wie es ihm gehe.
Ferner berichtete er über die - nach seiner Erinnerung im Rahmen einer Anhörung bekannt gewordene Erkenntnis, dass der Kl an einer psychischen Krankheit leide.
Der Zeuge D. gab an, dass man sich im Arbeitszeugnis bei der Abfassung der Begründung zu der vereinbarten Bewertung mit "gut" im Wesentlichen an den Formulierungen aus Textbausteinen orientiert hätte. Die Leistungsabteilung der Bekl sei durch ihn davon informiert worden, dass die ursprünglich gegen den Kl erhobenen Vorwürfe auch nach dem Vergleichsschluss Bestand hätten. Er hätte sich zuvor vergewissert, dass im Vergleich keine Klausel aufgenommen worden wäre, wonach die Vorwürfe seitens der Bekl nicht mehr aufrechterhalten werden würden. Allerdings musste der Zeuge auf Nachfrage einräumen, sich darüber hinaus nicht über möglicherweise neue Erkenntnisse aus dem arbeitsgerichtlichen Verfahren zu den Vorwürfen informiert zu haben.
Zur ergänzenden Sachverhaltsdarstellung wird auf den Inhalt der Gerichtsakte insbesondere der darin enthaltenen Schriftsätze der Beteiligten, sowie die von der Bekl in elektronischer Form übermittelten Verwaltungsakte Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die form- und fristgerecht gem. §§ 90, 92, § 87 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum sachlich und örtlich nach § 51 Abs. 1 Nr. 4, § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG zuständigen Sozialgericht Nürnberg erhobene Klage ist zulässig und begründet.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, § 44 Abs. 1 S. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Gemessen hieran hat der Kl einen Anspruch auf Aufhebung des Bescheides vom 03.05.2021, mit dem die Bekl den Eintritt einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe für die Zeit vom 17.02.2021 bis 11.05.2021 festgestellte. Soweit im Antrag des Kl der Beginn der aufzuhebenden Sperrzeit - offensichtlich irrtümlich - mit dem 17.01.2021 angegeben wurde, war der Antrag vom Gericht gem. § 123 SGG entsprechend auszulegen (s.a. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, Komm. zum SGG, 14. Aufl. 2023, § 123 Rn. 3).
Wenngleich sich das mit der Feststellung einer Sperrzeit verbundene Ruhen des Alg- anspruchs für den Kl im Ergebnis insoweit nicht wirtschaftlich auswirkte, weil er mit seinem Arbeitgeber in einem gerichtlichen Vergleich das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses bis zum 30.09.2021 vereinbart hatte, so dass der ihm gezahlte Lohn auf das Alg angerechnet worden wäre (§ 157 Abs. 1 SGB II), blieb er jedoch wegen der durch die Sperrzeit bedingte Minderung der Anspruchsdauer beschwert, § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.
Der Kl erfüllte ab 17.02.2021 die Voraussetzungen des § 137 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) für einen Anspruch auf Alg mit einer Gesamtdauer von 360 Tagen, § 147 Abs. 1 u. 2 SGB III.
Die Entscheidung der Bekl im Bescheid vom 03.05.2021, den Eintritt einer Sperrzeit vom 17.02.2021 bis 11.05.2021 - und die damit verbundene Minderung der Gesamtanspruchsdauer um 90 Tage - festzustellen, beruhte auf einer unrichtigen Anwendung des Rechts.
In dem Sperrzeitbescheid wirft die Bekl dem Kl vor, seine Beschäftigung bei ihr verloren zu haben, weil er sich vertragswidrig verhalten hätte.
Dieser Vorwurf zielt auf den Sperrzeittatbestand bei Arbeitsaufgabe, § 159 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 1 SGB III. Danach ruht der Anspruch auf Alg für die Dauer einer Sperrzeit, wenn der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt u.a. vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst (§ 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 SGB III) oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben (§ 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Alt. 2 SGB III) und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat.
Als Folge der Sperrzeit mindert sich die Dauer des Anspruchs auf Alg um die Anzahl von Tagen der Sperrzeit, in Fällen der Sperrzeit von zwölf Wochen mindestens um ein Viertel der Anspruchsdauer, die der oder dem Arbeitslosen bei erstmaliger Erfüllung der Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg nach dem Ereignis, dass die Sperrzeit begründet, zusteht, § 148 Abs. 1 Nr. 4 SGB III.
Obwohl die Bekl am 16.02.2021 eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen hatte, wurde das Arbeitsverhältnis zum Kl letztlich erst zum 30.09.2021 von ihm durch seine Zustimmung zum arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 13.04.2021 beendet.
Denn ein Vergleich des Inhalts, dass sich die Parteien nach zunächst erfolgter arbeitgeberseitiger außerordentlicher Kündigung darüber einig sind, dass das Arbeitsverhältnis erst durch eine ordentliche Arbeitgeberkündigung beendet worden ist (s. Nr. 1 des arbeitsgerichtlichen Vergleichs v. 13.04.2021), bedeutet eine Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitslosen im Sinne des Sperrzeitrechts (BSG, U. v. 17.10.2007 - B 11a AL 51/06 R; BayLSG, U. v. 23.07.2009 - L 8 AL 340/06).
Der Vergleichsschluss wird dem Kl jedoch nicht von der Bekl vorgehalten.
Vielmehr wirft sie ihm vor, dass er unabhängig von der vereinbarten Einhaltung der Kündigungsfrist aufgrund seines vertragswidrigen Verhaltens Anlass für die Kündigung gegeben hätte. Nach ihrer Auffassung bleibe der Grund der ursprünglich außerordentlich erklärten Kündigung trotz des Vergleichsschlusses weiterbestehen.
Dieser, in den angefochtenen Bescheiden der Bekl nicht konkret widergegebene Grund bestand in der gegenüber einem Kollegen/Vorgesetzten geäußerten Todesdrohung gegen dessen Kinder.
Derartige Drohungen sind grundsätzlich geeignet eine außerordentliche Kündigung seitens des Arbeitgebers zu rechtfertigen, als schwerwiegender arbeitsvertragswidriger Verstoß ggf. auch ohne vorherige Abmahnung (s. BAG, U. v. 19.04.2012 - 2 AZR 258/11). Sie könnten somit den Sperrzeittatbestand des § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Alt. 2 SGB III verwirklichen.
Eine Sperrzeit setzt jedoch u.a. einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem vom Arbeitgeber vorgeworfenen vertragswidrigen Verhalten und seinem Ausspruch der Kündigung voraus (Lauterbach in beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand 01.02.2021 § 159 Rn 133).
Dieser liegt nicht immer schon dann vor, wenn das vertragswidrige Verhalten nach der Lebenserfahrung überhaupt geeignet wäre, eine rechtmäßige Kündigung zu erklären (Karmanski in Brand, Komm. zum SGB III, 9. Aufl. 2021, § 159 Rn. 49).
So kommt es etwa nicht zu einer Sperrzeit, wenn der Arbeitgeber ein Verhalten, welches den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung rechtfertigen würde, zunächst toleriert und das Arbeitsverhältnis dessen ungeachtet fortsetzt (s.a. BSG, U. v. 15.12.2005 - B 7a AL 46/05 R, wonach sich der in dem Sperrzeittatbestand formulierte Schuldvorwurf nur auf die Herbeiführung der Arbeitslosigkeit, und nicht auf das arbeitsvertragswidrige Verhalten selbst, bezieht).
Ausgehend davon musste vorliegend berücksichtigt werden, dass die Bekl die zunächst ausgesprochene außerordentliche Kündigung zum 16.02.2021 später zurückgenommen und stattdessen das Arbeitsverhältnis noch bis 30.09.2021, also dem Ende der Frist für eine ordentliche Arbeitgeberkündigung, fortgesetzt hat.
Den genauen Grund für die Fortführung des Arbeitsverhältnisses und letztlich den Anlass für dessen Beendigung aufgrund einer ordentlichen Kündigung, hat die Bekl nicht genau benannt. Ihrem Hinweis, die ordentliche Kündigung sei betrieblich veranlasst gewesen, muss allerdings entnommen werden, dass jedenfalls verhaltensbedingte Gründe dabei nicht ausschlaggebend gewesen waren.
Es verwundert daher, dass die Bekl ihr Festhalten an den gegen den Kl erhobenen Vorwürfen gleichwohl mit dem Hinweis zu begründen versucht, es gebe darin (also in dem Vergleich) keine Erklärung, dass sie an den ursprünglich erhobenen Vorwürfen nicht mehr festhalte.
Diese Feststellung ist zwar zutreffend. Ihr ist jedoch entgegen zu halten, dass vice versa aber auch nicht erklärt wurde, dass diese Vorwürfe aufrecht erhalten bleiben sollen.
Eine derartige ausdrückliche Klarstellung wäre aber ggf. erforderlich gewesen.
Denn in dem Vergleich ist die Bekl nicht nur von einer zunächst erklärten - und auf ein vertragswidriges Verhalten eines Arbeitnehmers gestützten - außerordentlichen Kündigung zu einer ordentlichen Kündigung übergegangen, sondern hat die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch nicht mehr mit verhaltensbedingten Gründen, sondern mit einer betrieblichen Veranlassung erklärt.
Hinzu kommt, dass sich die Bekl in dem Vergleich noch dazu verpflichtete, dem Kl ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis, mit der Bewertung "gut" zu erteilen (s. Nr. 6 des arbeitsgerichtlichen Vergleichs v. 13.04.2021). Von dieser Bewertung sollte ausdrücklich nicht nur ein Urteil über seine Leistung, sondern auch über sein Verhalten im Arbeitsverhältnis (!) erfasst werden. Ebenso sollte die vom Arbeitgeber zu erteilende Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III unter Berücksichtigung des Vergleichs erstellt werden (s. Nr. 5 des arbeitsgerichtlichen Vergleichs v. 13.04.2021).
Tatsächlich erhielt der Kl am 30.09.2021 von der Bekl dementsprechend ein Zeugnis, in dem ihm ein immer einwandfreies Verhalten (!) zu Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen sowie Kundinnen und Kunden bescheinigt anerkannt wurde, dass er zu einer guten und effizienten Teamarbeit beigetragen hätte und ein allseits geschätzter Gesprächspartner gewesen wäre.
Abschließend bedauerte die Bekl nicht nur das Ausscheiden des Kl, sondern stellte sogar fest, dass das Arbeitsverhältnis im besten gegenseitigen Einvernehmen geendet hätte.
Dass die von der Bekl im Vergleich übernommenen Verpflichtungen und der Inhalt des von ihr ausgestellten Zeugnisses mit der Aufrechterhaltung des Vorwurfs eines gravierenden vertragswidrigen Verhaltens nur schwerlich vereinbar wäre, bedarf nach Auffassung des erkennenden Gerichts keiner weiteren Darlegung.
Offensichtlich hat die Bekl ihre Bewertung des zu der außerordentlichen Kündigung führenden Verhaltens des Kl im Laufe des arbeitsgerichtlichen Verfahrens, zumindest in wesentlichen Punkten, geändert.
Die näheren Gründe, die zu dieser Änderung geführt haben, etwa das Akzeptieren der Entschuldigung des Kl, die Würdigung einer evtl. bei ihm vorhandenen besonderen Belastungssituation, die Berücksichtigung einer nunmehr bekannt gewordenen psychischen Störung, eine nochmalige sorgfältige Prüfung des relevanten Sachverhalts, mglw. erhellende Hinweise des Arbeitsgerichts etc., sind hier letztlich unerheblich.
Das Gericht geht auch nicht davon aus, dass es sich bei dem am 13.04.2021 geschlossenen arbeitsgerichtlichen Vergleich um einen sog. "Gefälligkeitsvergleich" gehandelt hätte, in dem sich die Bekl entgegen ihrer Überzeugung zur Abgabe von Erklärungen und Feststellungen, etwa im Rahmen der Abfassung eines Zeugnisses oder bei der Erstellung der Arbeitsbescheinigung verpflichtet hätte (s. Nr. 6 u. 5 des arbeitsgerichtlichen Vergleichs; die Pflicht, überhaupt eine Arbeitsbescheinigung zu erstellen, ergibt sich bereits aus der öffentlich-rechtlichen Norm des § 312 SGB III und hätte daher keiner vertraglichen bzw. vergleichsweisen Begründung bedurft, s. hierzu SG Aachen v. 24.10.2003 - S 8 AL 57/03).
Denn derartiges Verhalten wäre schlicht rechtswidrig und eventuell sogar strafrechtlich relevant (s. hierzu SG Aachen, a.a.O.).
Die Aussagen des Zeugen E., "man wollte den Kl nicht mehr weiterbeschäftigen, die Aufnahme verhaltensbedingter Gründe in den Vergleich sei fallen gelassen worden, da sie zu einer Sperrzeit führen könnten (- stattdessen -) habe man sicherheitshalber eine betrieblich veranlasste Kündigung ausgesprochen", scheint unter diesem Aspekt doch sehr bedenklich. Dies gilt umso mehr, als es sich bei dem Arbeitgeber um eine Behörde der Arbeitsverwaltung handelt und der Zeuge angab, es würde sich dabei um ein "übliches Vorgehen" handeln.
Dem weiter nachzugehen ist aber nicht Aufgabe des vorliegenden Verfahrens.
Die Entscheidung über die Feststellung einer Sperrzeit wurde nach Aussage des Zeugen D. bezeichnender Weise dann auch getroffen, ohne sich konkret nach mglw. neuen Erkenntnissen aus dem arbeitsgerichtlichen Verfahren zu erkundigen und diese ggf. zu berücksichtigen. Vielmehr begnügte sich die Bekl, trotz der von ihr in den Vergleich aufgenommenen Regelungen, letztlich allein mit der Feststellung des Fehlens einer Klausel, wonach die ursprünglich erhobenen Vorwürfe gegen den Kl nicht mehr aufrechterhalten werden würden.
Die in diesem Zusammenhang von der Bekl abgegebenen Erklärung, sie sei an die im arbeitsgerichtlichen Verfahren getroffenen Vereinbarungen und Feststellungen nicht gebunden, ist für das Gericht so nicht nachvollziehbar.
Richtig an dieser Aussage ist, dass die Bekl in Bezug auf die Beurteilung einer Sperrzeit grundsätzlich keinen unmittelbaren rechtlichen Bindungen an Feststellungen aus einem arbeitsgerichtlichen Verfahren unterliegt (dies gilt entsprechend für die Sozialgerichtsbarkeit, s. BSG, B. v. 27.04.2011 - B 11 AL 11/11 B; 15.12.2005 - B 7a AL 46/05 R; v. 06.03.2003 - B 11 AL 69/02 R; BayLSG, U. v. 05.11.1998 - L 3 U 399/95).
Motiv für diesen Grundsatz ist nach Auffassung des erkennenden Gerichts im Wesentlichen die Überlegung, dass die Arbeitsverwaltung im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht (§ 20 SGB X) einen Sachverhalt eigenständig und objektiv zu erforschen und zu bewerten hat und deshalb davor bewahrt werden muss an solche Vereinbarungen gebunden zu sein, die weniger an objektive Gegebenheiten anknüpfen, sondern besonders durch eine subjektive Interessenlage der Beteiligten geprägt sind.
Dieser "Schutzaspekt" kommt vorliegend jedoch nicht zum tragen.
So muss die Bekl offensichtlich darauf hingewiesen werden, dass sie selbst Partei des arbeitsgerichtlichen Verfahrens war und als solche an dem Abschluss des Vergleichs mit dem Kl maßgeblich mitgewirkt hat.
Sie war, bzw. ist, sowohl die Beklagte des arbeitsgerichtlichen Verfahrens, als auch die Beklagte im vorliegenden sozialgerichtlichen Verfahren. Die in der mündlichen Verhandlung abgegebene Erklärung, die Bekl werde vor Gericht als Sozialversicherungsträger vertreten, weshalb man sich nicht an die im arbeitsgerichtlichen Verfahren getroffenen Vereinbarungen und Feststellungen gebunden sehe, deutet insoweit auf ein fehlerhaftes Verständnis hin.
Ungeachtet dessen war die Bekl trotz einer in Abrede gestellten Bindungswirkung sehr wohl an dem Ausgang des arbeitsgerichtlichen Verfahrens interessiert, jedenfalls haben zumindest einige ihrer Mitarbeiter dessen Relevanz für die Sperrzeitentscheidung erkannt.
Dies belegt etwa die in der elektr. VwA befindliche Anfrage an den I. vom 20.04.2021. Offensichtlich bestanden in der Leistungsabteilung der Bekl, angesichts der in dem Vergleich getroffenen Vereinbarungen und Feststellungen, tatsächliche Zweifel am Vorliegen eines Sperrzeitgrundes. Weshalb wäre sonst unter Bezugnahme auf die Annahme des gerichtlichen Vergleichsvorschlages um Mitteilung ersucht worden, ob sich damit der Kündigungsgrund (vertragswidriges Verhalten) als unzutreffend erwiesen hätte.
Im Ergebnis ist somit festzuhalten, dass mit Abschluss des Vergleichs vor dem Arbeitsgericht, den darin enthaltenen Feststellungen und den von der Bekl in Ausführung der übernommenen Verpflichtungen abgegebenen Erklärungen, der zu einer Sperrzeit führende Vorwurf eines arbeitsvertragswidrigen Verhaltens nicht mehr hinreichend belegt ist. Dies gilt insbesondere auch für den Nachweis der Ursächlichkeit des arbeitswidrigen Verhaltens für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kl.
Der Bekl obliegt es jedoch die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit bzw. dem Festhalten an einer getroffenen Sperrzeitentscheidung darzulegen und ggf. nachzuweisen. Kann sie dies - wie in vorliegendem Falle - nicht, kann eine Sperrzeit nicht festgestellt werden.
Da die Bekl dieser Verpflichtung auch im Rahmen des vom Kl angestrengten Überprüfungsverfahren nicht nachgekommen ist, war sie zur Aufhebung ihres Sperrzeitbescheides vom 03.05.2021 nach Aufhebung der seine Überprüfung ablehnenden Bescheide durch das Gericht zu verurteilen.
Mit dem Wegfall der Sperrzeit entfällt zugleich auch der Rechtsgrund für die darauf beruhende Minderung der Gesamtanspruchsdauer.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.