L 13 AL 2860/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AL 485/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 2860/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 06.09.2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Der Kläger führt das Verfahren vor dem Hintergrund der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg), wobei insb. die Anwendung der Nahtlosigkeitsregelung in Streit stand und macht (zuletzt noch) die Feststellung von Pflichtverletzungen durch die Beklagte sowie Schadensersatzansprüche wegen vermeintlichen Verstößen der Beklagten, u.a. gegen die Datenschutz- Grundverordnung (DS-GVO) und gegen das Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geltend.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger für die Zeit vom 04.06.2017 bis 03.03.2018 und vom 12.04.2018 bis zum 24.01.2019 Alg (Bescheide vom 06.04.2017 und vom 02.05.2018). Mit Bescheid vom 19.12.2018 hob die Beklagte die Bewilligung ab 26.12.2018 mit der Begründung auf, dass die Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall ende.

Nachdem die AOK N1 mitgeteilt hatte, dass kein Anspruch auf Krankengeld bestehe, meldete der Kläger sich am 17.01.2019 erneut, rückwirkend zum 26.12.2018, bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Zu der Akte gelangten u.a. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 12.12.2018 und 16.01.2019, wonach der Kläger in der Zeit von 14.11.2019 bis 24.02.2019 arbeitsunfähig erkrankt war.

Mit Bescheid vom 24.01.2019 lehnte die Beklagte den Antrag vom 17.01.2019 mit der Begründung ab, der Kläger könne noch weniger als 15 Stunden pro Woche arbeiten, weshalb er nicht arbeitslos sei und keinen Anspruch auf Alg habe.

Hiergegen erhob der Kläger am 28.01.2019 Widerspruch, zu dessen Begründung er ausführte, bereits im April 2018 sei ein Antrag auf „Gewährung von Nahtlosigkeitsleistungen“ gestellt worden. Auch sei darauf hingewiesen worden, dass ein Rentenverfahren wegen Erwerbsminderung laufe. Das von Hrn. H1 erstellte Aktengutachten ohne Untersuchung sei mehrfach angezweifelt worden und bis November 2018 nicht revidiert worden. Erst als nach einer weiteren Untersuchung am 14.11.2018 weitere schwerwiegende Gesundheitsstörungen festgestellt worden seien, sei auch von diesem Gutachter die Arbeitsunfähigkeit des Klägers anerkannt worden. Im Übrigen gelte nach § 7 AGG ein gesetzliches Benachteiligungsverbot, weshalb der Kläger nicht wegen seiner Krankheit hätte benachteiligt werden dürfen. Daher stehe ihm entsprechend § 15 Abs. 2 AGG Schadenersatz zu. Der Schadenersatz beziffere sich mit 10 Monatsgehältern basierend auf dem höchsten Gehalt der letzten 15 Jahre in Deutschland, mithin auf 189.275,83 €.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.01.2019 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Es liege kein Fall der Nahtlosigkeitsregelung des § 145 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) vor. Der ärztliche Dienst habe in einer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 30.04.2018 festgestellt, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig für leichte bis mittelschwere Arbeiten leistungsfähig sei. Der Kläger sei seit dem 14.11.2018 bis voraussichtlich 24.02.2019 arbeitsunfähig krankgeschrieben, sodass er in diesem Zeitraum keine Beschäftigung ausüben könne und folglich der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehe. Er sei deshalb nicht arbeitslos und habe keinen Anspruch auf Alg.

Hiergegen hat der Kläger am 21.02.2019 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG; S 5 AL 485/19) erhoben. Hierzu hat er u.a. vorgetragen, das von der Beklagten angenommene Leistungsvermögen bestehe nicht. Es liege ein Fall der Nahtlosigkeit vor. Der ärztliche Dienst der Beklagten (H1) hätte erkennen müssen, dass nicht von einer positiven Prognose ausgegangen werden könne, zumal mehr als 10 neurologische und orthopädische externe Gutachten die dauerhaften chronischen Nervenschäden und Läsionen mit den daraus resultierenden muskulären und motorischen Störungen und dem vorliegenden chronischen Schmerzsyndrom, Stadium 2 nach Gerbershagen, diagnostiziert hätten und noch maximal eine leichte Tätigkeit im Sitzen im Bereich von unter 3 Stunden täglich möglich gewesen wäre. Er habe mehrfach Akteneinsicht bei der Beklagten beantragt, welche ihm nie gewährt worden sei. Gemäß Art. 12 DS-GVO seien indessen auf Antrag unverzüglich durch den Verantwortlichen die entsprechenden Informationen zu erteilen und nach Art. 15 DS-GVO Auskunft über die personenbezogenen Daten zu erteilen. Aufgrund der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hätte das Arbeitslosengeld darüber hinaus zumindest bis 29.01.2019 gezahlt werden müssen.

Nachdem die Deutsche Rentenversicherung B1 (DRV) der Beklagten mit Schreiben vom 14.02.2019 mitteilt hatte, dem Kläger sei ab 01.01.2016 bis 28.02.2021 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt worden, verfügte die Beklagte mit Bescheid vom 25.02.2019 die Aufhebung der Bewilligung von Alg für die Zeit vom 04.06.2017 bis 25.12.2018. Mit der Zahlung von Alg ab dem 04.06.2017 i.H.v. insg. 5.615,48 € gelte der Rentenanspruch erfüllt. Parallel machte die Beklagte einen Erstattungsanspruch in der genannten Höhe bei der DRV B1 geltend.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.03.2019 zurück. Hierbei hat die Beklagte die mit Bescheid vom 25.02.2019 verfügte Aufhebung der Bewilligung von Alg zurückgenommen. Die geltend gemachte Erstattungsforderung gegenüber der DRV B1 sei zu Recht erfolgt.

Hiergegen hat der Kläger am 26.03.2019 Klage beim SG (S 5 AL 849/19) erhoben. Sinngemäß hat er hierzu vorgetragen, es sei weder ein Erstattungsanspruch gegen ihn noch gegen die DRV gerechtfertigt. Es bestünden vielmehr noch Leistungsansprüche des Klägers gegenüber der Beklagten.

Das SG hat mit Beschluss vom 29.06.2020 die Verfahren S 5 AL 485/19 und S 5 AL 849/19 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Mit Gerichtsbescheid vom 20.10.2022 hat das SG die Klagen abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat es ausgeführt, soweit der Kläger weiter die Bewilligung von Alg unter Berufung auf die Nahtlosigkeitsregelung begehre, komme dies nicht in Betracht. Nachdem die DRV B1 dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.01.2016 bis 28.02.2021 bewilligt habe, lägen die Voraussetzungen im Sinne einer unterbliebenen Feststellung durch die Rentenversicherung objektiv nicht mehr vor. Weitere Voraussetzung sei, dass die Beklagte davon ausgehe, dass eine Minderung der Leistungsfähigkeit vorliege und deshalb prinzipiell wegen mangelnder Verfügbarkeit im Sinne von § 138 Abs. 5 SGB III ein Leistungsanspruch nicht bestehen würde. Die Beklagte habe indessen Verfügbarkeit angenommen und dem Kläger in der Zeit ab 12.04.2018 Alg in gesetzlicher Höhe bewilligt. Eine Anwendbarkeit der Nahtlosigkeitsregelung für diesen Zeitraum würde damit im Übrigen dem Kläger keinen rechtlichen Vorteil bringen, nachdem diese lediglich die von der Beklagten bereits angenommene Verfügbarkeit fingieren würde. Die Aufhebung der Bewilligung von Alg im streitgegenständlichen Zeitraum habe auf § 146 Abs. 1 SGB III beruht, mithin auf dem Wegfall der Verfügbarkeit wegen Arbeitsunfähigkeit des Klägers, welche zuletzt mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 12.12.2018 bis 20.01.2019 festgestellt worden sei. Durch die beim Kläger dokumentierte und festgestellte Arbeitsunfähigkeit habe dieser indessen ungeachtet einer möglichen Fiktion der Verfügbarkeit im Sinne von § 145 Abs. 1 SGB III dem Arbeitsmarkt mit seinem Restleistungsvermögen, mit welchem er sich im Rahmen von § 145 SGB III subjektiv dem Arbeitsmarkt hätte zur Verfügung stellen müssen, nicht zur Verfügung gestanden, weshalb insoweit die Voraussetzungen für eine Gewährung von Arbeitslosengeld nicht vorgelegen hätten. Im Übrigen würde einer rückwirkenden Gewährung von Arbeitslosengeld die Vorschrift des § 156 Abs. 1 Nr. 3 SGB III entgegenstehen, nachdem dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zuerkannt worden sei und mithin der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe. Soweit der Kläger eine Diskriminierung durch den Beklagten geltend mache, sei das AGG nicht auf das Rechtsverhältnis des Klägers zu der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung anzuwenden. Damit habe für die klägerseits beantragten Feststellungen bzw. Schadensersatzforderungen kein entsprechender Rechtsgrund bestanden. Nachdem der Kläger am 18.6.2020 bei Gericht Akteneinsicht in die Verwaltungsakten genommen habe, fehle es hinsichtlich eines Verstoßes gegen § 25 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) an einem Rechtsschutzbedürfnis. Sein Ziel, Einsicht in die Verwaltungsakte zu nehmen, habe er bereits durch die gerichtlich gewährte Akteneinsicht erreicht, weshalb es an einem rechtlich relevanten Interesse fehle, diese Akteneinsicht nochmals durch die Beklagte gewährt zu bekommen. Damit mangele es indessen auch für einen etwaigen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DS-GVO an dem Eintritt eines Schadens. Nachdem der Kläger anderweitig Akteneinsicht erhalten konnte, resultierten für den Kläger keine negativen Folgen daraus, dass die Beklagte ihm Akteneinsicht nicht gewährt habe.

Gegen den am 08.09.2022 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 05.10.2022 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt zu deren Begründung der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft.

In der mündlichen Verhandlung vom 21. November 2023 hat sich die Beklagte (ohne Anerkennung einer Rechtspflicht) bereit erklärt, dem Kläger ab dem 26.12.2018 für 29 Tage Arbeitslosengeld unter Anrechnung der bezahlten Rente wegen Erwerbsminderung zu bewilligen und den Nachzahlungsbetrag gesetzlich zu verzinsen. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen und seine (ursprünglichen und entsprechend protokollierten) Anträge zu 1) und zu 2) für erledigt erklärt.

Der Kläger beantragt (zuletzt noch) wörtlich,

1. Es wird festgestellt, dass eine Pflichtverletzung der Beklagten vorliegt und dem Kläger gem. § 120 SGG i.V.m. § 299 ZPO i.V.m. § 25 SGB X i.V.m. Art. 12, 15, DSG-VO i.V.m. EG. 75 DSGVO i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 8 Abs. 2 S. 2 GRCh i.V.m. § 33 BDSG i.V.m. EuGH Urteil 20.12.2017, C-434/16, i.V.m. BGH Urteil 1506.2021, IV ZR 576/19, i.V.m. BAG-Urteil (8 AZR253/20 (A) 26.08.2021 i.V.m. OLG Köln Urteil vom 26.07.2019 (AZ: 20 U 75/18) und gem. dem BSG Urteil (B 1 KR 13/12 R) die vollständige personenbezogene Datenauskunft, Akteneinsicht samt Verbis Kommentare, Colibri Vermerke und Kopie der vollständigen personenbezogenen Daten, sowohl im Widerspruchverfahren bei der Beklagten, als auch im gesamten Verfahren der 1. Instanz vor dem SG Reutlingen nachweislich von der Beklagten verweigert wurden.

hilfsweise wird gemäß § 256 Abs. 2 ZPO im Wege der Zwischenfeststellung beantragt, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtlichen bei der Beklagtenvorhandenen Daten über Telefon- und Gesprächsnotizen der Beklagten geführten Kommunikation zu dem Rechtsstreit gemäß Art. 12-15 DS-GVO Auskunft zu erteilen.

hilfsweise wird die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine vollständige Datenauskunft im Sinne von § 34 BDSG zu den ihn betreffenden personenbezogenen Daten zu erteilen, welche die Beklagte gespeichert, genutzt, an Dritte weitergegeben und verarbeitet hat;
hilfsweise wird die Beklagte, entsprechend § 260 Abs. 2 BGB zu Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit ihrer bislang erteilten Datenauskunft an Eides verurteilt.

2. Das verkündete Urteil des Sozialgerichts in Reutlingen zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger aufgrund der verweigerten vollständigen personenbezogenen Datenauskunft gem. § 120 SGG i.V.m. § 299 ZPO i.V.m. § 25 SGB X i.V.m. Art. 12, 15, DSGVO i.V.m. EG. 75 DSG-VO i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 8 Abs. 2 S. 2 GRCh i.V.m. § 33 BDSG i.V.m. EuGH Urteil 20.12.2017, C-434/16, i.V.m. BGH Urteil 1506.2021, IV ZR 576/19, i.V.m. BAG-Urteil (8 AZR253/20 (A) 26.08.2021 i.V.m. OLG Köln Urteil vom 26.07.2019 (AZ: 20 U 75/18) und gem. dem BSG Urteil (B 1 KR 13/12 R) Entschädigung / immateriellen Schadenersatz gem. Art. 79 Abs. 1 DSGVO i.V.m. § 81b SGG i.V.m. Art 82, 83 der EU-DSGVO zu zahlen. Bei Datenschutzverletzungen gem. Art. 12-20 DSGVO müssen gem. Art. 82, 83 DSG-VO erheblich höhere Schmerzensgelder zugesprochen werden, als für Körperverletzungen. Verstöße gegen die Rechte der betroffenen Person gemäß Art. 12 bis 22; sind gem. Art 82 i.V. m. Art. 83 Abs. 5 a, b DSGVO mit Maximalstrafzahlungen zu ahnden und werden daher von der DSG-VO Verordnung als besonders schwerwiegend beurteilt! Die Höhe des immateriellen Schadensersatzes wird dabei ins Ermessen des Gerichts gestellt. Die Höhe des immateriellen Schadenersatzes, sollte aber dabei die Grenze von 50.000 € IX zzgl. 5 Prozentpunkten Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit am 26.12.2018 nicht unterschreiten! (1000 € pro Monat gem. seit 23.12.2018 bis 01.02.2023, 1500 Tage bzw. 50 Monate).

3. Es wird festgestellt, dass eine Pflichtverletzung der Beklagten vorliegt und die Beklagte gem. § 13, § 14 und § 15 SGB I (BGH, 02.08.2018), gegen die gesetzlich richtige Beratungspflicht mehrfach verstoßen hat und die Zuständigkeit für die Zahlungen der Sozialleistung auf dem Rücken des chronisch kranken schwerbehinderten Klägers und EM-Rentenbezieher nachweislich diskriminierend ausgetragen hat.

4. Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger immateriellen Schadenersatz von 5000 € gem. § 13, § 14 und § 15 SGB I (BGH, 02.08.2018) IX zzgl. 5 Prozentpunkten Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit am 26.12.2018 zu leisten, da die Beklagte nachweislich die Beratungspflichten verletzt hat!

5. Es wird festgestellt, dass die Beklagte gem. Art 14 EMRK i.V.m. Art. 5 UN BRK i.V.m. Art. 10 AEUV, i.V.m. Art. 3 GG, i.V.m. § 1 AGG, i.V.m. § 2 II AGG, i.V.m. § 33c SGB I, , i.V.m. § 187 SGB IX den chronisch kranken schwerbehinderten Kläger und mehrfach diskriminiert hat, indem dem Kläger trotz vorliegender Beweise und Atteste Leistungen zur Arbeitssuche für Behinderte durch die Beklagte nachweislich verweigert wurden!

6. Das verkündete Urteil des Sozialgerichts in Reutlingen zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Entschädigung wegen mehrfacher nachgewiesener Diskriminierungen gem. Art 14 EMRK i.V.m. Art. 5 UN BRK i.V.m. Art. 10 AEUV, i.V.m. Art. 3 GG, i.V.m. § 1 AGG, i.V.m. § 2 II AGG, i.V.m. § 33c SGB I, , i.V.m. § 187 SGB IX zzgl. 5 Prozentpunkten Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit am 26.12.2018 zu zahlen. Die Höhe der Entschädigung wegen mehrfacher nachgewiesener Diskriminierungen wird dabei ins Ermessen des Gerichts gestellt. Die Höhe der Entschädigung, sollte aber dabei die Grenze von 20354,04 € IX zzgl. 5 Prozentpunkten Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit am 26.12.2018 (3 Monatsgehältern: 6784,68 € *3) nicht unterschreiten!

7. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger sämtlicher außergerichtlicher Kosten des Klägers gem. § 63 SGB X i.V.m. § 193 SGG in aufgelisteter Höhe zzgl. 5 Prozentpunkten Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit am 26.12.2018 (Beginn der rechtswidrigen verweigerten Auszahlung des Arbeitslosengeldes durch die Beklagte) zu erstatten. (Das Zustandekommen der außergerichtlichen Kosten wird in der Begründung näher erläutert).“

Die Beklagte beantragt,

die Berufung, soweit sie über das Teilanerkenntnis hinausgeht, zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Rechtserhebliche Gesichtspunkte, die nicht bereits berücksichtigt worden wären, seien aus den klägerischen Schriftsätzen nicht zu erkennen. Soweit der Kläger die Weiterzahlung des Alg über den 25.12.2018 hinaus im Rahmen der Nahtlosigkeitsregelung des § 145 SGB III begehre, weise die Beklagte darauf hin, dass der Kläger in seinem Antrag auf Arbeitslosengeld vom 27.01.2017 die Frage 4 (Angaben zu anderen Leistungen) mit „nein“ beantwortet habe. Im weiteren Antrag auf Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 12.04.2018 habe der Kläger unter Nr. 4 der Beantragung den Bezug von „Rehabilitationsgeld“ bei „PVA“ angegeben. Auch im Antrag zur Arbeitslosmeldung am 17.01.2019 habe der Kläger unter Nr. 4 des Antrags diese Angabe wiederholt. Die weiteren Anträge des Klägers auf Feststellung von angeblichen Pflichtverletzungen der Beklagten und zur Zahlung von Schadensersatz seien unzulässig bzw. zumindest unbegründet.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.



Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft (vgl. § 143 SGG) und auch im Übrigen zulässig.

Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit (§ 51 Abs. 1 SGG) ist hierbei durchgängig eröffnet. Soweit der Kläger u.a. Verstöße gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen im Anwendungsbereich der DS-GVO geltend macht, folgt dies aus § 81b Abs. 1 SGB X.
Dies gilt auch für (korrespondierende) Schadenersatzansprüche nach Art 82 Abs. 1 der DS-GVO, die keinen Amtshaftungsanspruch i.S.d. Art. 34 Satz 3 Grundgesetz (GG) darstellen (Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 6. März 2023 - B 1 SF 1/22 R -, in juris)

Soweit der Kläger zunächst (auch) die Bewilligung von Alg unter Anwendung der Nahtlosigkeitsregelung des § 145 SGB III geltend gemacht hat, hat er die diesbezüglichen Anträge in der mündlichen Verhandlung vom 21. November 2023 nach Annahme eines Teilanerkenntnisses für erledigt erklärt, weswegen der Senat hierüber nicht mehr zu befinden hat (vgl. § 101 Abs. 2 SGG).

Die Berufung führt für den Kläger inhaltlich jedoch nicht zum Erfolg; das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Antrag zu 1), festzustellen, dass eine Pflichtverletzung der Beklagten bezüglich vollständiger personenbezogener Datenauskunft, Akteneinsicht etc. vorliegt, ist bereits deshalb unzulässig, weil diesbezüglich eine erstinstanzliche Entscheidung nicht vorliegt und dort auch nicht beantragt worden ist. Dies gilt ebenso für die beantragte Zwischenfeststellung, dass die Beklagte verpflichtet werde, dem Kläger Auskunft über sämtliche bei der Beklagten vorhandenen Daten über Telefon- und Gesprächsnotizen der Beklagten geführten Kommunikation zu dem Rechtsstreit gemäß Art. 12 – 15 DS-GVO zu erteilen. Nach § 99 Abs. 1 SGG ist eine Änderung der Klage nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änderung zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen haben (§ 99 Abs. 2 SGG). Die Änderung der Klage ist weder sachdienlich, noch hat sich die Beklagte auf diese Anträge eingelassen. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger in beiden Instanzen mehrfach Akteneinsicht erhalten hat.

Der Antrag zu 2), die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger aufgrund der verweigerten vollständigen personenbezogenen Datenauskunft eine Entschädigung bzw. immateriellen Schadenersatz zu zahlen ist unbegründet. Nach Art. 82 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (DS-GVO; ABl. L 119 vom 4. Mai 2016, S. 1 ff.) hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter.

Für diesbezüglich geltend gemachte Ansprüche ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit (§ 51 Abs. 1 SGG) eröffnet. Dies folgt aus § 81b Abs. 1 SGB X und
gilt auch für (korrespondierende) Schadenersatzansprüche nach Art 82 Abs. 1 der DS-GVO, die keinen Amtshaftungsanspruch i.S.d. Art. 34 Satz 3 Grundgesetz (GG) darstellen (Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 6. März 2023 - B 1 SF 1/22 R -, in juris)

Jedoch reicht der bloße Verstoß gegen eine Bestimmung der DS-GVO nicht aus, um einem Ersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DS-GVO zu begründen, vielmehr muss ein Schaden „erlitten“ worden sein, also tatsächlich entstanden sein und darf nicht lediglich befürchtet werden (vgl. Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Februar 2021 - 17 Sa 37/20 -, in juris, dort Rn. 96). Der Verstoß gegen die DS-GVO muss für den Schaden ferner kausal sein. Der Schaden muss gerade durch den Rechtsverstoß entstanden sein. Es genügt nicht, dass der Schaden durch eine Verarbeitung entstanden ist, in deren Rahmen es (irgendwann) zu einem Rechtsverstoß gekommen ist. Wenn der Schaden „wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung“ entstanden sein muss, kann nicht davon ausgegangen werden, dass bspw. ein Rechtsverstoß bei einer Datenverarbeitung vor dem Geltungszeitpunkt der DS-GVO die fortgesetzte Datenverarbeitung „infiziert“ und zu einem Schadensersatzanspruch führt (vgl. Bergt in Kühling/Buchner Art. 82 DSGVO Rn. 42). Allenfalls dann, wenn durch den Verstoß die gesamte Datenverarbeitung rechtswidrig wird, kann angenommen werden, dass es keiner Zuordnung des Schadens zu einem konkreten Verordnungsverstoß bedarf (vgl. Bergt in: Kühling/Buchner Art. 82 DSGVO a.a.O.). Einen i.d.S. kausal durch einen Verstoß gegen die DS-GVO entstandenen Schaden des Klägers vermag der Senat trotz des Umfangs und der Vehemenz des klägerischen Vorbringens nicht zu erkennen. Es ist insb. auch deswegen nicht nachvollziehbar, als dem Kläger im Verlauf des Verfahrens umfänglich Akteneinsicht gewährt worden ist. Da auch eine an den bloßen Verstoß gegen die Regelungen des DS-GVO anknüpfende pauschale Schadensersatzregelung, anders als bpsw. im Luftverkehrsrecht (Art. 7 Abs. 1 FluggastrechteVO (EG) 261/2004), in der DS-GVO nicht beinhaltet ist, hat der Kläger keinen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DS-GVO.

Soweit der Kläger mit seinen Anträgen zu 3) und zu 4) eine Pflichtverletzung der Beklagten nach §§ 13 ff. SGB I geltend macht und insofern einen Feststellungsantrag und einen Antrag auf Gewährung immateriellen Schadensersatzes reklamiert, sind auch diese Ansprüche nicht begründet. Dem Feststellungsantrag steht bereits der Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage entgegen.
Die Subsidiarität der Feststellungsklage ist zwar im SGG im Gegensatz zur Verwaltungsgerichtsordnung (§ 43 Abs. 2 VwGO) und zur Finanzgerichtsordnung (§ 41 Abs. 2 FGO) nicht ausdrücklich normiert, sie gilt aber auch für das sozialgerichtliche Verfahren. Der Subsidiaritätsgrundsatz besagt, dass Kläger eine gerichtliche Feststellung nicht verlangen können, soweit die Möglichkeit besteht, die Rechte mit einer Gestaltungs- oder Leistungsklage zu verfolgen. Da der Kläger parallel zu seinem Feststellungsantrag auch einen Leistungsantrag, den zu 4), gestellt hat, das Feststellungsbegehren gegenüber dem Leistungsbegehren auch keinen weitergehenden Rechtsschutz ermöglicht und überdies ein ggf. positiver Feststellungsausspruch nicht erwarten ließe, dass der Streitfall endgültig geklärt wird, ist der Feststellungsantrag subsidiär und daher nicht zulässig.

Soweit der Kläger mit seinem Antrag zu 4)
immateriellen Schadenersatz von 5.000,- € wegen eines Verstoßes gegen §§ 13 ff. SGB I und die dort normierten Aufklärungs-, Beratungs- und Auskunftspflichten der Leistungsträger geltend macht, besteht hierfür keine sozialrechtlich normierte Anspruchsgrundlage. Zwar kann in Fällen einer Pflichtverletzung und beim Vorliegen eines Schadens ggf. ein Amtshaftungsanspruch geltend gemacht werden, der u.a. auch Schmerzensgeld gemäß § 253 Bürgerliches Gesetzbuch umfassen kann (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.10.2004 - III ZR 254/03 -, in juris), jedoch ist aus dem Vorbringen des Klägers bereits nicht ersichtlich, worin dessen (immaterieller) Schaden liegen soll und worin konkret, durch welchen Mitarbeiter der Beklagten, eine Pflichtverletzung erfolgt sein soll, weswegen der Senat dem Begehren des Kläger keinen hinreichend substantiierten Anspruch i.S. einer Amtshaftung entnehmen kann. Auch der als Korrelat für diesbezügliche Pflichtverletzungen entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch führt nicht dazu, dass dem Begehren des Klägers, ihm seinen immateriellen Schaden zu ersetzen, zu entsprechen ist. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch geht primär dahin, den Zustand herzustellen, der eingetreten wäre, wenn die Verwaltung sich nicht rechtswidrig verhalten hätte; er ist dem Grunde nach nicht darauf gerichtet, Schadensersatzansprüche zu begründen. Da vorliegend auch keine Konstellation ersichtlich ist, bei der sich der Sachleistungsanspruch in einen Kostenerstattungsanspruch umwandelt, ist der geltend gemachte Anspruch auch insofern unbegründet.

Soweit der Kläger mit seinen Anträgen zu 5) und zu 6) Pflichtverletzungen der Beklagten vor dem Hintergrund einer (vermeintlichen) Ungleichbehandlung festgestellt und im Wege des Schadensersatzes sanktioniert sehen will, gelten im Hinblick auf den Feststellungsantrag zu 5) die obigen Ausführungen zur Subsidiarität des Feststellungsantrages entsprechend.

Soweit der Kläger mit seinem Antrag zu 6) eine Entschädigung wegen mehrfacher nachgewiesener Diskriminierungen begehrt, ist für den Senat bereits nicht ersichtlich, dass der Kläger durch die Beklagte in irgendeiner Weise diskriminiert worden ist. Auch insofern erschöpft sich der klägerische Vortrag in unsubstantiierten Behauptungen. Auch soweit der Kläger einen Verstoß gegen das AGG behauptet, begründet dies keinen Schadensersatzanspruch.
Gemäß § 1 AGG ist Ziel des AGG Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Nach § 2 Abs. 1 AGG sind Benachteiligungen aus einem in § 1 genannten Grund nach Maßgabe dieses Gesetzes unzulässig. Jedoch bestimmt § 2 Abs. 2 Satz 1 AGG, dass für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch § 33c des Ersten Buches Sozialgesetzbuch und § 19a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch gelten. Das AGG findet auf diese Regelungsgegenstände keine Anwendung. Sowohl § 33c SGB I als auch § 19a SGB IV beschränken die Benachteiligungsverbote auf Ansprüche, die ihren Voraussetzungen und ihrem Inhalt nach im SGB bestimmt sind (jew. Satz 2), was vorrangig der Kostenbegrenzung dient (Riesenhuber/Armbrüster in Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 2 AGG, Rn. 29; vgl. BT-Drs. 16/1780 S.32 zu § 2 Abs. 2 (AGG)). Die Schadensersatzregelung des § 15 AGG, wonach bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot der Arbeitgeber verpflichtet ist, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen (Abs. 1 Satz 1), bzw. dass wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen kann, finden daher vorliegend keine Anwendung. Da eine entsprechende Regelung in den Regelungen (§ 19a SGB V und § 33 c SGB I) nicht enthalten ist, scheidet ein Ersatzanspruch aus. Auch eine Heranziehung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (vgl. hierzu Weselski/Öndül in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Aufl., § 33c SGB I, Rn. 30) führt vorliegend nicht zu einem Anspruch des Klägers, da eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht ersichtlich ist.

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 06.09.2022 ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt im Rahmen der anzustellenden gerichtlichen Ermessensentscheidung (vgl. BSG, Beschluss vom 25. Mai 1957 - 6 RKa 16/54 -, in juris, dort Rn. 8), dass der Kläger auch in der Rechtsmittelinstanz mit seinem Begehren im Wesentlichen nicht durchgedrungen ist und die Beklagte keine Veranlassung für die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens gegeben hat. Eine Kostenquotelung wegen dem erfolgten Teilanerkenntnis der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ist nicht gerechtfertigt.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.


 

Rechtskraft
Aus
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