Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 21.10.2021 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten steht die Erstattung bzw. Freistellung von Fahrkosten (für Fahrten im Krankentransportwagen – KTW) zur ambulanten Chemotherapie im Zeitraum vom 30.07.2020 bis zum 30.11.2020 im Streit.
Die Klägerin ist die Sonderrechtsnachfolgerin des am 00.00.0000 geborenen und am 00.00.0000 verstorbenen, bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherten G. K. X. (im Folgenden: Versicherter). Dieser litt u.a. unter COPD mit dauernder Sauerstoffgabe, Z.n. Schlaganfall und einem malignen Lymphom. Ihm waren der Pflegegrad 3 sowie ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 einschließlich der Merkzeichen „G“ und „aG“ zuerkannt. Der Versicherte unterzog sich einer Chemotherapie. Seine behandelnden Ärzte stellten dem Versicherten für den Zeitraum vom 30.07.2020 bis zum 21.12.2020 eine Verordnung (vom 30.07.2020) zur Krankenbeförderung im KTW aus. Im Zeitraum vom 30.07.2020 bis zum 30.11.2020 wurde der Versicherte zweimal pro Woche mit einem KTW von seinem Wohnort zur Chemotherapie und zurück transportiert.
Am 23.11.2020 beantragte der Y.-Kreis bei der Beklagten für den Versicherten unter Vorlage der Verordnung vom 30.07.2020 die nachträgliche Genehmigung der Fahrkosten für Fahrten im KTW für die Fahrten zur Chemotherapie und zurück vom 30.07.2020 bis zum 31.12.2020. Auf Nachfrage der Beklagten (Schreiben vom 01.12.2020) bescheinigten die behandelnden Onkologen die Erforderlichkeit der Beförderung im Tragestuhl unter Nutzung einer Sauerstoffinhalationseinheit. Durch Bescheid vom 01.12.2020 lehnte die Beklagte eine Kostentragung für in der Zeit vom 30.07.2020 bis zum 23.11.2020 durchgeführte Krankenfahrten des Versicherten ab. Krankenfahrten mit dem KTW bedürften der vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse. Diese sei für die Fahrten vom 30.07.2020 bis zum 23.11.2020 nicht eingeholt worden.
Mit (am 10.12.2020 bei der Beklagten eingegangenem) Schreiben vom 07.12.2020 erhob der Versicherte gegen den Bescheid vom 01.12.2020 Widerspruch, zu dessen Begründung er im Wesentlichen ausführte, weder seine Ärzte noch die Mitarbeiter des KTW hätten ihn über das Erfordernis einer Genehmigung informiert. Er sei bereits zuvor im KTW transportiert worden, ohne dass eine Genehmigung benötigt worden sei. Durch Bescheid vom 18.12.2020 gewährte die Beklagte dem Versicherten (unter Abänderung ihres Bescheides vom 07.12.2020) die Fahrtkostenübernahme (KTW) für die Zeit vom 23.11.2020 bis 31.12.2020. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.04.2021 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch des Versicherten als unbegründet zurück. Eine Beteiligung an den Fahrkosten sei nicht möglich. Bei den durchgeführten Fahrten handele es sich um Krankentransporte, die ohne Vorabgenehmigung durch die Krankenkasse in Anspruch genommen worden seien. Sofern ein Transport im KTW erforderlich sei, sei jedoch stets eine vorherige Genehmigung der Krankenkasse einzuholen. Diese Voraussetzung sei im streitigen Zeitraum nicht erfüllt.
Hiergegen hat der Versicherte am 05.05.2021 Klage bei dem Sozialgericht Köln erhoben, zu deren Begründung er seinen Vortrag im Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft hat. Er habe in ständigem Kontakt mit der Beklagten gestanden. Dort habe er jedoch keine Information erhalten, dass die Übernahme von Fahrkosten für Fahrten im KTW vorab zu beantragen sei. Er habe deshalb einen Anspruch aus sozialrechtlichem Herstellungsanspruch wegen eines Beratungsfehlers der Beklagten. Ergänzend hat er ausgeführt, der Y.-Kreis habe ihm gegenüber Kosten in Höhe von insgesamt 4.845,50 Euro (11 x 440,50 Euro) geltend gemacht (Bescheide vom 11.08.2021). Hiergegen sei Widerspruch eingelegt worden (Sitzungsniederschrift vom 21.10.2021).
Der Versicherte hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 01.12.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.04.2021 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den für die Fahrten vom 30.07.2020 bis zum 30.11.2020 entstandenen Fahrkosten freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die getroffene Entscheidung für rechtmäßig gehalten. Die pauschale Behauptung eines Beratungsfehlers könne einen Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten nicht rechtfertigen.
Mit Urteil vom 21.10.2021 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, der Versicherte habe gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Freistellung von den Fahrkosten im streitigen Zeitraum gemäß § 13 Abs. 3 SGB V. Die im Streit stehenden Transportkosten seien nicht dadurch entstanden, dass die Beklagte eine Leistung zu Unrecht abgelehnt habe oder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig habe erbringen können. Von Unaufschiebbarkeit könne im Regelfall nur ausgegangen werden, wenn die Krankenkasse mit dem Leistungsbegehren konfrontiert worden sei und sich dabei ihr Unvermögen herausgestellt habe. Die Beklagte sei erstmals Anfang Dezember 2020 mit dem Begehren des Versicherten konfrontiert worden. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass es dem Versicherten nicht möglich und zumutbar gewesen sei, die Verordnung rechtzeitig und nicht erst mehrere Monate nach Beginn der Transporte bei der Beklagten vorzulegen. Im Übrigen fehle es an dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen der Ablehnung der Kostenübernahme und dem Krankentransport. Der Versicherte habe erst am 01.12.2020 rückwirkend für die Zeit vom 30.07.2020 bis zum 30.11.2020 die Kostenübernahme beantragt; die ablehnende Entscheidung sei zu einem Zeitpunkt ergangen, zu dem die streitgegenständlichen Fahrten bereits durchgeführt worden seien. Die Beklagte habe die Kostenübernahme auch nicht zu Unrecht abgelehnt. Der Anspruch des Versicherten scheitere bereits daran, dass für den streitgegenständlichen Zeitraum keine Genehmigung, die grundsätzlich vor der Fahrt erteilt werden müsse, vorgelegen habe. Etwas anderes folge auch nicht aus der Genehmigungsfiktion gemäß § 60 Abs. 1 Satz 5 SGB V. Zwar habe der Versicherte über einen entsprechenden Nachweis (Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen „aG“) verfügt. Jedoch werde in der Gesetzesbegründung zur Einführung von § 60 Abs. 1 Satz 5 SGB V ausgeführt, dass für Krankentransporte im Sinne des § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V das Genehmigungserfordernis nach Satz 4 fortgelte (BR-Drs. 376/18, S. 77; BT-Drs. 19/4453, S 72, BT-Drs. 19/5593, S. 115). Darüber hinaus bestehe schon kein Anspruch des Transportunternehmens gegen den Versicherten, von dem dieser freigestellt werden müsste; der Versicherte sei keiner wirksamen Forderung des Transportunternehmens ausgesetzt gewesen. Er habe mit dem Transportunternehmen weder ausdrücklich noch konkludent eine Kostenvereinbarung dergestalt geschlossen, dass er bei Ausfall der Leistung durch die Krankenkasse die Kosten tragen werde. Das Krankentransportunternehmen sei auf die Vergütungsansprüche gegen die Krankenkassen beschränkt, eine Vergütungspflicht des Versicherten bestehe nur in Höhe der Zuzahlung. Es liege auch kein Beratungsmangel vor, der zu einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch führe. Auch habe keine Verpflichtung zur „Spontanberatung“ bestanden. Zwar sei der Beklagten bekannt gewesen, dass der Versicherte Chemotherapiebehandlungen in Anspruch genommen habe. Auch sei in der Vergangenheit der Ausgleich für Transportkosten vorgenommen worden. Jedoch sei für die Beklagte nicht ersichtlich gewesen, ob der Versicherte auch im hier streitigen Zeitraum auf eine Transporthilfe angewiesen gewesen sei oder er nicht auch z.B. hätte privat transportiert werden können. Diese Information habe der Beklagten erst mit Vorlage der Verordnung am 01.12.2020 vorgelegen.
Gegen das dem Versicherten am 29.10.2021 zugestellte Urteil hat er am 24.11.2021 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen Bezug auf sein bisheriges Vorbringen genommen. Ergänzend hat er ausgeführt, das Verwaltungsgericht (VG) Köln habe mit Urteil vom 22.09.2022 (22 K 3772/22) die Rechtmäßigkeit der Forderung des Y.-Kreises gegen ihn (Bescheide vom 11.08.2021) bestätigt.
In der Folge hat er die Gesamtforderung des Y.-Kreises mit insgesamt 5.619,72 Euro neu beziffert (Schriftsatz vom 19.06.2023). Von der Gesamtforderung seien zum 01.12.2023 noch 4.969,72 Euro offen; die restliche Forderung sei durch Zahlung monatlicher Raten (je 50 Euro) in Höhe von insgesamt 650 Euro zwischenzeitlich beglichen (Schriftsatz vom 30.11.2023). Am 24.06.2023 ist der Versicherte verstorben. Die Klägerin führt als dessen Sonderrechtsnachfolgerin das Verfahren fort (Schriftsatz vom 22.11.2023). Auf Nachfragen (Schreiben vom 07.12.2023) hat die Klägerin erklärt, die Differenz zwischen der erstinstanzlichen Klageforderung (4.845,50 Euro) und der aktuellen Klageforderung (5.619.72 Euro) ergebe sich „aus den Zinsen für den Stundungsbescheid des RSK“ (Schreiben vom 12.12.2023).
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 21.10.2021 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 01.12.2020 in der Fassung des Bescheides vom 18.12.2020 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.04.2021 zu verurteilen, der Klägerin bis zum 31.12.2023 entstandene Fahrtkosten einschließlich Stundungszinsen für durchgeführte Fahrten des Versicherten in Höhe von 650 Euro zu erstatten und sie von den für die Fahrten des Versicherten entstandenen Fahrkosten einschließlich Stundungszinsen in Höhe weiterer 4.969,72 Euro gegenüber dem Y.-Kreis freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 21.10.2021 zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und nimmt im Wesentlichen darauf, sowie auf ihr bisheriges Vorbringen Bezug.
Die Beteiligten haben sich im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 12.05.2023 übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Sitzungsniederschrift).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Prozessakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
A. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
B. Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
I. Die Klägerin ist seit dem Tod des Versicherten als seine Sonderrechtsnachfolgerin prozessführungsbefugt (vgl. BSG vom 18.11.2014 – B 1 KR 8/13 R Rn. 7 m.w.N.), den Erstattungs- und Freistellungsanspruch des Versicherten gerichtlich geltend zu machen. Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I stehen beim Tode des Berechtigten fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen an erster Stelle dem Ehegatten zu, wenn dieser mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat. So lag es bei der Klägerin.
II. Das Sozialgericht Köln hat die zulässig erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 01.12.2020 in der Fassung des Bescheides vom 18.12.2020 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.04.2021, mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, Fahrkosten des Versicherten in der Zeit vom 30.07.2020 bis zum 22.11.2020 zu übernehmen, ist rechtmäßig. Die Klägerin hat weder Anspruch auf Erstattung bereits verauslagter Fahrkosten, noch auf Freistellung. Nicht im Streit stehen die in der Zeit ab dem 23.11.2020 bis zum 31.12.2020 durchgeführten Fahrten; deren Kosten wurden durch Bescheid vom 18.12.2020 übernommen.
1. Der Erstattungsanspruch der Klägerin ergibt sich nicht aus § 13 Abs. 3 SGB V. Kann nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen (Fall 1) oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt (Fall 2) und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Erstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender – primärer – Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (BSG vom 17.12.2009 – B 3 KR 20/08 R m.w.N.).
a) Ein Fall des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 SGB V hat nicht vorgelegen. Insoweit wird wegen der Einzelheiten der Begründung auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen, denen sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt (§ 153 Abs. 2 SGG).
b) Der Anspruch besteht auch nicht nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V; die Beklagte hat die Kostenübernahme zu Recht abgelehnt.
aa) Es kann dahinstehen, ob dem Anspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V bereits entgegensteht, dass es an dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen der Ablehnung der Kostenübernahme und dem Krankentransport fehlt. Soweit das Sozialgericht diesen Zusammenhang mit der Begründung abgelehnt hat, die Klägerin sei bereits nicht mit (berechtigten) Ansprüchen des Transportunternehmens, von denen die Klägerin freigestellt werden müsste, konfrontiert, folgt der Senat dem nicht. Dass der Versicherte einer wirksamen Forderung des Transportunternehmens ausgesetzt war, hat das VG zwischenzeitlich rechtskräftig entschieden. Hiergegen bestehen seitens des Senats keine durchgreifenden Bedenken.
bb) Der Versicherte hatte keinen Anspruch auf Fahrkostenübernahme aus § 60 Abs. 1 SGB V.
(1) Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB V übernimmt die Krankenkasse nach den Absätzen 2 und 3 die Kosten für Fahrten einschließlich der Transporte nach § 133 (Fahrkosten), wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind. Welches Fahrzeug benutzt werden kann, richtet sich nach der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall (§ 60 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Die Krankenkasse übernimmt Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung unter Abzug des sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrages in besonderen Ausnahmefällen, die der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 festgelegt hat (§ 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V).
Danach waren dem Grunde nach die inhaltlichen Voraussetzungen auf Kostenübernahme für die im streitgegenständlichen Zeitraum durchgeführten Fahrten (abzüglich 110 Euro Eigenanteil) erfüllt. Denn ausweislich der vorliegenden ärztlichen Bescheinigung (Schreiben vom 01.12.2020) war eine Beförderung des Versicherten im Zusammenhang mit dessen chemotherapeutischer Behandlung in einem Tragestuhl unter Nutzung einer Sauerstoffinhalationseinheit aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig; dies steht zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit.
(2) Der Anspruch des Versicherten scheiterte vorliegend daran, dass für den streitgegenständlichen Zeitraum keine vorherige Genehmigung vorlag.
(2.1) Insoweit sieht § 60 Abs. 1 Satz 4 SGB V vor, dass die Übernahme von Fahrkosten nach Satz 3 und nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 für Fahrten zur ambulanten Behandlung nur nach vorheriger Genehmigung durch die Krankenkasse erfolgt. Eine solche vorherige (also grundsätzlich vor der Fahrt erteilte) Genehmigung lag nicht vor. Dies steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit.
(2.2) Eine solche vorherige Genehmigung war vorliegend auch nicht entbehrlich; die Genehmigung galt nicht als erteilt. Gemäß § 60 Abs. 1 Satz 5 SGB V gilt die Genehmigung nach Satz 4 für Krankenfahrten zur ambulanten Behandlung als erteilt, wenn eine der folgenden Voraussetzungen vorliegt:
1. ein Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen „aG“, „Bl“ oder „H“,
2. eine Einstufung gemäß § 15 des Elften Buches in den Pflegegrad 3, 4 oder 5, bei Einstufung in den Pflegegrad 3 zusätzlich eine dauerhafte Beeinträchtigung der Mobilität, oder
3. bis zum 31. Dezember 2016 eine Einstufung in die Pflegestufe 2 gemäß § 15 des Elften Buches in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung und seit dem 1. Januar 2017 mindestens eine Einstufung in den Pflegegrad 3.
(2.2.1) Dass der Versicherte die Voraussetzungen sowohl nach Nr. 1 (Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen „aG“) als auch nach Nr. 2 (Pflegegrad 3 mit dauerhafter Beeinträchtigung der Mobilität) erfüllte, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.
(2.2.2) Die Fiktion des § 60 Abs. 1 Satz 5 SGB V kommt vorliegend jedoch nicht zum Tragen. Insbesondere sind Transporte nach § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V nicht von der Genehmigungsfiktion des § 60 Abs. 1 Satz 5 SGB V umfasst.
Insoweit wird, worauf das Sozialgericht zu Recht hinweist, in der Gesetzesbegründung zur Einführung von § 60 Abs. 1 Satz 5 SGB V ausgeführt, dass für Krankentransporte im Sinne des § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V das Genehmigungserfordernis nach Satz 4 fort gilt (BR-Drucks. 376/18, S. 77; BT-Drucks. 19/4453, S. 72, BT-Drucks. 19/5593, S. 115).
Wörtlich führt die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung des Pflegepersonals – Pflegepersonal-Stärkungsgesetz – PpSG (BT-Drucksache 19/4453 S. 72) aus:
„Zu Nummer 7
(Zu § 60)
Durch den Abschluss von Kooperationsverträgen nach 119b wird der Zugang von in stationären Pflegeeinrichtungen lebenden mobilitätseingeschränkten Versicherten zur vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung wesentlich verbessert. Allerdings verfügen Pflegeheime nicht über die notwendige räumliche und technische Ausstattung für komplexe diagnostische und therapeutische Leistungen. Die betroffenen Versicherten sind daher auch weiterhin regelmäßig auf Krankenfahrten im Sinne des § 7 der Krankentransport-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) in die Praxis des Facharztes und Zahnarztes angewiesen. Dies gilt auch für die Versicherten und Menschen mit Behinderungen, die in ihrer eigenen Häuslichkeit leben. Die hierbei anfallenden Kosten werden nach dem bisher vorgesehenen Verfahren jeweils nur auf Antrag und nach vorheriger Genehmigung durch die Krankenkasse für die konkrete Einzelfahrt übernommen. Die Genehmigung wird in der Regel erteilt. Dieses Verfahren führt zu einem erheblichen bürokratischen Aufwand sowohl für die Versicherten und für die sie betreuenden Personen und Pflegeeinrichtungen als auch für die Krankenkassen. Vor diesem Hintergrund wird das Genehmigungsverfahren für vulnerable Patientengruppen durch die Einführung einer Genehmigungsfiktion grundlegend vereinfacht. Für Krankentransporte im Sinne des § 60 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 beziehungsweise § 6 Krankentransport-Richtlinie des G-BA gilt das Genehmigungserfordernis nach Satz 4 fort.“
Dies entspricht auch der untergesetzlichen Regelung. Die Krankentransportrichtlinie unterscheidet zwischen Krankentransporten (§ 6) und Krankenfahrten (§ 7) und führt in § 8 Abs. 6 aus:
„(6) 1Krankenfahrten nach dieser Vorschrift bedürfen einer vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse. 2Für Krankenfahrten zur ambulanten Behandlung nach Absatz 3 gilt die Genehmigung gemäß § 60 Absatz 1 Satz 5 SGB V als erteilt.“
Daraus folgt, dass von der Fiktion des § 60 Abs. 1 Satz 5 SGB V nur die Krankenfahrten (in Abgrenzung zu Krankentransporten) umfasst sind.
Dieses Verständnis folgt auch dem Gesetzeswortlaut und der Systematik der Norm. Soweit vereinzelt darauf hingewiesen wird, der in § 60 Abs. 1 Satz 5 SGB V verwendeten Begriff der „Krankenfahrten“ könne auch als „Oberbegriff“ verstanden werden, der sich auf alle Fahrten von Patienten ohne Rücksicht auf das Transportmittel bezieht (SG Karlsruhe vom 25.08.2021 – S 9 KR 145/21 Rn. 30-31; Waßer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 60 SGB V, Rn. 112), folgt der Senat dem nicht.
Zwar ordnet § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB V die Übernahme der „Kosten für Fahrten einschließlich der Transporte nach § 133 (Fahrkosten)“ an, ohne dass insoweit eine Unterscheidung zwischen „Kosten für Krankenfahrten“ und „Kosten für Krankentransporte“ stattfindet. Insoweit kann der Begriff der „Fahrkosten“, wie er in § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB V definiert wird, wegen des Einschlusses auch der Kosten der Transporte nach § 133, als Oberbegriff verstanden werden, der dann auch in § 60 Abs. 1 Satz 3 und 4 SGB V aufgegriffen wird. Jedoch rekurriert § 60 Abs. 1 Satz 5 SGB V dann nicht auf den Begriff der „Fahrkosten“ – was sprachlich möglich gewesen wäre – sondern verwendet den Begriff der „Krankenfahrten“. Der Begriff der „Krankenfahrten“ ist gesetzlich nicht definiert. Dass damit jedoch etwas anderes, als die Gesamtheit der Fahrten (einschließlich der Transporte) bezeichnet ist, ergibt sich aus der Verwendung unterschiedlicher Begriffe (Krankenfahrten, Rettungsfahrten und Krankentransporte). Die Rettungsfahrt wird zunächst in § 133 Abs. 1 Satz 1 SGB V definiert als eine „Leistung des Rettungsdienstes“, die nicht Krankentransport ist und in § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V beschrieben, als Fahrt zum Krankenhaus. Krankentransporte werden in § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V definiert als „Fahrten von Versicherten, die während der Fahrt einer fachlichen Betreuung oder der besonderen Einrichtungen eines Krankenkraftwagens bedürfen oder bei denen dies auf Grund ihres Zustandes zu erwarten ist.“ Im Übrigen finden sich Regelungen zu den Krankentransporten in § 133 SGB V.
Dieses Textverständnis des Gesetzgebers mit der Unterscheidung zwischen Fahrten (allgemein) und Krankentransporten (im Besonderen) findet sich bereits in § 60 in der Fassung vom 23.12.2003. Hierauf kann die „Richtlinie über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 12 SGB V – Krankentransport-Richtlinie/KT-RL“ in der Fassung vom 22.01.2004 (BAnz Nr. 18; S. 1342) ihre getroffene Unterscheidung zwischen Krankenfahrten (§ 7 Abs. 1 Satz 1 KT-RL; Fahrten, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln, privaten Kraftfahrzeugen, Mietwagen oder Taxen durchgeführt werden) und Krankentransporten (§ 6 Abs. 1 Satz 1 KT-RL; Fahrten, bei denen Patientinnen oder Patienten während der Fahrt einer fachlichen Betreuung oder der besonderen Einrichtungen des Krankentransportwagens <KTW> bedürfen oder deren Erforderlichkeit aufgrund ihres Zustandes zu erwarten ist) stützen. Der vereinzelt geäußerten Auffassung, § 60 Abs. 1 Satz 5 SGB V folge mit der Verwendung des Begriffs der Krankenfahrten einer untergesetzlichen Definition, die im Gesetz keine Stütze finde (SG Karlsruhe vom 25.08.2021 – S 9 KR 145/21, Rn. 30-31; Waßer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 60 SGB V, Rn. 112), vermag sich der Senat insoweit nicht anzuschließen. Zwar hat sich, worauf zu Recht hingewiesen wird, die Auslegung von Bundesrecht grundsätzlich nicht an untergesetzlichen Regelungen zu orientieren, sondern es haben sich vielmehr umgekehrt die untergesetzlichen Normen an den gesetzlich vorgegebenen Rahmen zu halten (SG Karlsruhe vom 25.08.2021 – S 9 KR 145/21, Rn. 30-31; Waßer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 60 SGB V, Rn. 112). Jedoch belegt die Texthistorie, dass der Gesetzgeber spätestens 2003 in § 60 SGB V ein Textverständnis verfolgte, dass den unterschiedlichen Bedarfslagen erkrankter Versicherter (Krankenfahrten hier und Krankentransporte dort) Rechnung trug.
Auch nach Sinn und Zweck der Regelung ist § 60 Abs. 1 Satz 5 SGB V nicht auf die Fahrten nach § 133 SGB V (Krankentransporte) anwendbar. Denn es sollen der Zugang von in stationären Pflegeeinrichtungen lebenden mobilitätseingeschränkten Versicherten und von Menschen mit Behinderungen, die in ihrer eigenen Häuslichkeit leben, zur vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung verbessert und bürokratische Hürden abgebaut werden. Bei den beschriebenen Personengruppen wurden (nach vorheriger Genehmigung) Fahrkosten zu Fach- und Zahnärzten „in der Regel erteilt“. Um den mit dem Antragsverfahren verbundenen „erheblichen bürokratischen Aufwand sowohl für die Versicherten und für die sie betreuenden Personen und Pflegeeinrichtungen als auch für die Krankenkassen“ zu minimieren, wurde das Genehmigungsverfahren für vulnerable Patientengruppen durch die Einführung einer Genehmigungsfiktion grundlegend vereinfacht (SG Karlsruhe vom 25.08.2021 – S 9 KR 145/21, Rn. 30-31). Die in § 60 Abs. 1 Satz 5 Nrn. 1-3 SGB V beschriebenen Voraussetzungen für den Eintritt der Fiktion beziehen sich folgerichtig (lediglich) auf das Merkmal der Mobilitätseinschränkung und einen insoweit bereits vorliegenden Nachweis. Die mit den Krankentransportfahrten nach § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V assoziierten (weitergehenden) Voraussetzungen (zu erwartender oder erforderlicher Bedarf einer fachlichen Betreuung oder der besonderen Einrichtungen eines Krankenkraftwagens während der Fahrt) hingegen werden von § 60 Abs. 1 Satz 5 Nrn. 1-3 SGB V nicht erfasst. Es ist mit dem Ziel des Bürokratieabbaus nicht erklärlich, dass für diejenigen Personengruppen, die mobilitätseingeschränkt im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 5 Nrn. 1-3 SGB V sind, diese weiteren Tatbestandsmerkmale des § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V entfallen sollen oder dass der Krankenkasse eine Prüfung deren Vorliegens verwehrt werden soll.
2. Ein Anspruch ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Insoweit stellt sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG vom 02.11.2007 – B 1 KR 14/07 R Rn. 14 m.w.N.) der in § 13 Abs. 3 SGB V geregelte Anspruch auf Kostenerstattung als abschließende gesetzliche Regelung der auf dem Herstellungsgedanken beruhenden Kostenerstattungsansprüche im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) dar. Die zweckentsprechende Eingrenzung des Kostenerstattungsanspruchs nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V darf auch nicht dadurch unterlaufen werden, dass weitergehende Rechte aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch abgeleitet werden. Deshalb findet nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der sozialrechtliche Herstellungsanspruch als Anspruchsgrundlage neben dem Naturalleistungen der GKV betreffenden Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V keine Anwendung (BSG vom 02.11.2007 – B 1 KR 14/07 R Rn. 19 m.w.N.).
3. Kommt aus den genannten Erwägungen ein Erstattungsanspruch der Klägerin für bereits in Höhe von 650 Euro verauslagte Fahrkosten nicht in Betracht, ergibt sich auch kein Anspruch auf Freistellung von den weiteren Fahrkosten in Höhe von 4.969,72 Euro. Denn auch der insoweit allein in Betracht kommende Kostenfreistellungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V (vgl. zum Freistellungsanspruch allgemein BSG vom 04.04.2006 – B 1 KR 12/04 R Rn. 12 m.w.N.) reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; ein solcher bestand, wie dargelegt, jedenfalls vor dem 23.11.2020 nicht.
4. Hat die Klägerin keinen Anspruch auf Kostenerstattung bzw. –freistellung bezüglich der Fahrkosten des Versicherten, kommt auch eine Erstattung bzw. Freistellung von den Stundungszinsen nicht in Betracht.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
D. Anlass, die Revision zuzulassen, besteht. Die Rechtsfrage ist von grundlegender Bedeutung.