Übernahme der Kosten für ein nach § 109 SGG eingeholtes Gutachten auf die Staatskasse
1. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Gutachten die Sachaufklärung bei objektiver Wertung wesentlich gefördert hat.
2. Kein maßgeblicher Gesichtspunkt zugunsten des Klägers ist es, wenn dieser nach Bestätigung des bisherigen Beweisergebnisses durch den gemäß § 109 SGG benannten Gutachter die Klage oder Berufung zurücknimmt. Denn die Kostenübernahme auf die Staatskasse bzw. die Ablehnung der Kostenübernahme dient nicht der Belohnung bzw. Sanktionierung eines bestimmten prozessualen Verhaltens (wie Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 3. August 2023 – L 17 U 92/23 B).
Der Antrag auf Übernahme der Kosten des nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erstatteten Gutachtens des C vom 2. Mai 2019 wird abgelehnt.
Gründe
Über die endgültige Tragung der Kosten eines Gutachtens nach § 109 SGG entscheidet das Gericht nach Ermessen durch Beschluss (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage 2023, § 109 Rn. 16). Zuständig ist das Gericht, dass das Gutachten eingeholt hat. In der Sache besteht eine Zuständigkeit des Berichterstatters nach § 155 Abs. 2 Satz 1 SGG, denn das Verfahren endete durch Rücknahme der Berufung mit Schriftsatz vom 13. September 2019, bevor eine abschließende mündliche Verhandlung begonnen hat.
Der Antrag des Klägers ist nicht verfristet. Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Antrag auf Übernahme der Gutachtenskosten auf die Staatskasse nicht an die Einhaltung bestimmter gesetzlicher Fristen gebunden (vgl. Beschluss vom 26. Juli 2018 - L 1 U 1207/07, zitiert nach Juris). Anhaltspunkte für eine Verwirkung bestehen nicht.
Der Antrag hat in der Sache keinen Erfolg. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten des nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens des C vom 2. Mai 2019 auf die Staatskasse.
Die entsprechenden Kosten können nur dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn das Gutachten die Sachaufklärung objektiv wesentlich gefördert hat (vgl. Senatsbeschluss vom 3. Juni 2015 - L 1 U 492/15 B; ThürLSG, Beschluss vom 11. Dezember 2014 - Az.: L 6 R 849/13 B; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30. Juni 2006 - Az.: L 5 B 3/05 SB SF, LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 4. Januar 1999 - Az.: L 7 U 110/98, jeweils nach Juris). Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Sachverständige wesentliche, bisher noch nicht bekannte rechtserhebliche Tatsachen feststellt und sich zu deren Bedeutung für den zu entscheidenden Rechtsstreit äußert (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 4. Januar 1999, a.a.O.). Dabei kann aber nicht in jedem neuen Gesichtspunkt ein Beitrag zur Aufklärung des Sachverhalts gesehen werden. Es muss sich vielmehr bei objektiver Wertung um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben, und zwar orientiert am Prozessziel des Klägers (Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 3. August 2023 – L 17 U 92/23 B –, Juris). Bei der Beurteilung der Frage, ob das Gutachten für die gerichtliche Entscheidung Bedeutung gewonnen oder die Sachaufklärung wesentlich gefördert hat, ist es regelmäßig nicht ausreichend, dass ein Gutachten die Aufklärung des Sachverhalts objektiv überhaupt in irgendeiner Weise sinnvoll gefördert hat, denn diese Voraussetzung ist bei medizinischen Gutachten aufgrund der Relevanz sämtlicher medizinischer Erkenntnisse für die Entscheidungsfindung fast immer gegeben. Bedeutsam ist hierbei u.a., ob durch das Gutachten neue beweiserhebliche Gesichtspunkte zu Tage getreten sind oder die Beurteilung auf eine wesentlich breitere und für das Gericht und die Beteiligten überzeugendere Grundlage gestellt worden ist.
Ausgehend hiervon hat das Gutachten von C im Hauptsacheverfahren zu keinen wesentlichen neuen Erkenntnissen geführt. Im Ergebnis stimmt der Sachverständige mit den Feststellungen des von Amtswegen nach § 106 SGG eingeholten Gutachtens des Sachverständigen G vom 11. Mai 2018 überein. Bereits G hat in seinem Gutachten eingehend herausgearbeitet, dass hinsichtlich des Achillessehnenrisses die für eine traumatische Verursachung erforderlichen Begleitverletzungen, welche den Rückschluss auf ein geeignetes Unfallereignis erlauben würden, im Fall des Klägers nicht vorlagen. Des Weiteren hat er herausgearbeitet, dass der für die Annahme eines geeigneten Unfallereignisses erforderliche Störfaktor von außen nicht erkennbar ist. Abschließend gelangt er daher zu dem Ergebnis, dass die Achillessehnenruptur im Fall des Klägers nur aufgrund einer hochgradigen Schadensanlage entstanden sein kann. Auch C gelangt in seinem Gutachten vom 2. Mai 2019 zu dem Ergebnis, dass die Einwirkung eines Störfaktors auf die Achillessehne nicht festgestellt werden kann. Ausdrücklich führt der Sachverständige C aus, dass sich im vorliegenden Fall auch durch die willentliche Ausweichbewegung eine Gefährdung der Achillessehne nicht begründen lässt. Er sieht die wesentliche Ursache für die Achillessehnenruptur in den vorbestehenden Texturstörungen.
Kein maßgeblicher Gesichtspunkt zugunsten des Klägers ist es, wenn dieser nach Bestätigung des bisherigen Beweisergebnisses durch den gemäß § 109 SGG benannten Gutachter die Klage oder Berufung zurücknimmt. Denn die Kostenübernahme auf die Staatskasse bzw. die Ablehnung der Kostenübernahme dient nicht der Belohnung bzw. Sanktionierung eines bestimmten prozessualen Verhaltens (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 3. August 2023 – L 17 U 92/23 B –, Juris).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).