L 2 R 156/23

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Hannover (NSB)
Aktenzeichen
S 79 R 261/20
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 2 R 156/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Liegt tatsächlich der letzte Tag des in Betracht kommenden Bemessungszeitraums bei Beginn der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben länger als dei Jahre zurück, dann ist die Höhe des Übergangsgeldes auch dann entsprechend den pauschalierenden Vorgaben des § 68 SGB IX zu ermitteln, wenn ein behördliches Verschuldes zu dem verzögerten Maßnahmebeginn beigetragen hat.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten eine Berücksichtigung einer höheren fiktiven Qualifikationsgruppe und hilfsweise seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit für eine Gewährung eines höheren Übergangsgeldes für eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Der am 25.10.1959 geborene Kläger absolvierte nach seinem Hauptschulabschluss in der Zeit von 1975 bis 1978 eine Ausbildung zum Buchbinder und arbeitete unterbrochen durch einen Wehrdienst danach zunächst in diesem Beruf. Im Anschluss war der Kläger von 1982 bis 1997 als Papierveredler, als schichtführender Abteilungsleiter einer Buchbinderei bis 2005 und sodann nach einer Integrationsmaßnahme 2007 als Mitarbeiter am Empfang in einem Hotel tätig. Von November 2007 bis Mai 2016 war er wieder als Abteilungsleiter in einer anderen Firma, der Firma I. Druck und Medien, tätig. Voraussetzung für diese Tätigkeit war nach der Stellenausschreibung eine einschlägige abgeschlossene Ausbildung, idealerweise mit Meisterprüfung und einem ausreichend großen Erfahrungsschatz. Während dieser Tätigkeit bezog der Kläger zunächst auf der Grundlage eines Abteilungsleitervertrages mit 40 Wochenstunden ein Arbeitsentgelt in Höhe von 3.800 € (brutto) pro Monat und zuletzt nach einem in der Folge eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs vom 26.03.2015 (Az: 10 Ca 636/14) vereinbarten Änderungsvertrages als Schichtleiter auf der Grundlage von 32 Wochenstunden in Höhe von 3.040 Euro (brutto).

Nebenbei übte der Kläger Tätigkeiten als Mitglied des Prüfungsausschusses für Buchbinder in Hannover und Tätigkeiten als Lehrbeauftragter für die Ausbildungsberufe Medientechnologien, Druckverarbeitung und Buchbinder an der J. Berufsbildenden Schule in K. aus.

Aufgrund der Insolvenz der Firma I. meldete sich der Kläger ab dem 02.06.2016 arbeitslos und bezog zunächst Arbeitslosengeld und aufgrund einer zwischenzeitlich eingetretenen Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 19.12.2016 bis zum 06.05.2018 Krankengeld in Höhe des vorherigen Arbeitslosengeldes. Daran anschließend bezog der Kläger bis zum 03.12.2019 wieder Arbeitslosengeld.

Am 30.08.2016 beantragte der Kläger eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben bei der Beklagten. Wegen Schließung der Firma, Hüftarthrose, Spinalkanalverengung und Polyneuropathie suche der Kläger nach einem behindertengerechten Arbeitsplatz. Diesen Antrag lehnte die Beklagte zunächst nach Einholung eines orthopädischen Gutachtens mit Untersuchung am 12.10.2016 mit Bescheid vom 19.10.2016 ab, weil der Kläger in der Lage sei, seine Beschäftigung als Buchbinder weiterhin auszuüben. Den hiergegen am 01.11.2016 erhobenen und im März 2017 auch mit psychischen Beschwerden begründeten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.04.2017 zurück, weil der Kläger weiterhin in der Lage sei als leitender Angestellter und Schichtführer zu arbeiten. Im Rahmen des auf die ablehnenden Bescheide folgenden Klageverfahrens gewährte die Beklagte dem Kläger in dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 27.03.2019 im Vergleichswege eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach, weil die vom Kläger zuletzt ausgeübte Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr existiere. Vom 05.-30.08.2019 absolvierte der Kläger ein Assessment bei den Berufsförderungswerken und bekam als Empfehlung im Assessmentbericht vom 11.09.2019 (Bl. 87 VV) die Empfehlung für eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 29.08.2019 eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer beruflichen Integrationsmaßnahme bei der L. gGmbH in K.. An dieser nahm der Kläger in der Zeit vom 04.12.2019 bis zum 31.08.2020 teil.

Der Kläger reichte am 06.11.2019 bei der Beklagten eine Erklärung nebst seinem Prüfungszeugnis für die Buchbindergesellenprüfung, dem Bewilligungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit über die Bewilligung von Arbeitslosengeld vom 07.05.2018 bis 18.12.2019 vom 16.04.2018 (Bl. 102 VV), dem Arbeitsvertrag mit der Firma I. vom 27.08.2007 (Bl. 106 VV), dem Zeugnis der Firma M. vom 04.10.2005 (Bl. 109 VV), der Berufungsurkunde der Industrie- und Handelskammer K. in den Prüfungsausschuss Buchbinder als Stellvertretendes Mitglied für die Zeit von März 2009 bis Februar 2014 vom März 2009 (Bl. 111 VV) und dem Arbeitszeugnis der Multi-Media Berufsbildenden Schulen über die Zeit als Lehrbeauftragter vom 03.09.2012 bis 26.06.2013 vom 19.09.2013 (Bl. 112 VV) ein. Aus den weiteren Unterlagen ging eine Prüfungstätigkeit bis 2023 hervor.

Mit Bescheid vom 10.12.2019 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 04.12.2019 für die Dauer der Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben ein Übergangsgeld in Höhe von 36,72 Euro kalendertäglich. In dem Bescheid teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Berechnung zunächst aus dem fiktiven Arbeitsentgelt der Qualifikationsgruppe 3 erfolge, weil die Angaben zum tatsächlichen Arbeitsentgelt noch nicht vorlägen. Sobald alle Angaben vorlägen, erhalte der Kläger einen weiteren Bescheid.

Mit Bescheid vom 18.12.2019 stellte die Beklagte sodann fest, dass es bei der Übergangsgeldberechnung aus dem Bescheid vom 18.12.2019 verbleibe. Da im maßgebenden Drei-JahresZeitraum vor Beginn der Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben vom 04.12.2016 bis zum 03.12.2019 kein Arbeitsentgelt erzielt worden sei, könne keine Vergleichsberechnung erfolgen.

Gegen die Bescheide vom 10.12.2019 und 18.12.2019 erhob der Kläger mit Schreiben vom 28.12.2019, eingegangen bei der Beklagten am 30.12.2019, Widerspruch. Zur Berechnung des fiktiven Arbeitsentgeltes sei nicht die Qualifikationsgruppe 3, sondern die Qualifikationsgruppe 2 zugrunde zu legen. Der Kläger sei seit dem Jahr 1998 als Abteilungsleiter einer Buchbinderei beschäftigt gewesen. In der Firma M. habe er eine Buchbinderei mit 17 Mitarbeitern geleitet. Auch in der Firma I. habe er eine Buchbinderei mit etwa 10-15 Mitarbeitern und 3 Auszubildenden geleitet. Ausweislich der Stellenbeschreibung für seine Tätigkeit bei der Druckerei I. sei die Stelle für einen Meister vorgesehen gewesen. Auch die Nachweise über Tätigkeiten als Lehrbeauftragter und Prüfungsausschussmitglied würden belegen, dass der Kläger über eine dem Meisterabschluss vergleichbare Qualifikation verfüge. Er habe zwar keinen offiziellen Meisterabschluss, sei aber aufgrund seiner Fähigkeiten und Kenntnisse, die er zusätzlich zur Ausbildung durch jahrelange berufliche Erfahrung und Tätigkeiten erworben habe, tatsächlich in Positionen hineingewachsen, die der Qualifikationsgruppe 2 entsprächen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.04.2020 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Nur eine tatsächlich nachgewiesene berufliche Qualifikation könne Berücksichtigung finden. Der Kläger verfüge nicht über einen Ausbildungsabschluss der Qualifikationsgruppe 2 oder eine vergleichbare Weiterbildung. Aufgrund der vom Kläger vorgetragenen Berufserfahrung könne keine Gleichstellung erfolgen.

Mit Faxschreiben vom 28.04.2020 hat der Kläger beim Sozialgericht Hannover Klage erhoben. Ergänzend zu seinen bisherigen Ausführungen sei zu beachten, dass der Kläger durch seine Fähigkeiten und Kenntnisse in Positionen im Arbeitsleben hereingewachsen sei, die einen Meisterabschluss voraussetzten und üblicherweise von einem Buchbindermeister ausgefüllt würden. Soweit die Beklagte auf den formalen Abschluss abstelle, verkenne sie den Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen. Hilfsweise sei auf das Arbeitsentgelt abzustellen, dass er während seiner letzten Tätigkeit erzielt habe. Der Drei-Jahres-Zeitraum sei allein deswegen überschritten, weil die Beklagte eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zunächst rechtswidrig mit Bescheid vom 19.10.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.04.2017 abgelehnt habe. Erst in dem anschließenden Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Hannover habe sich die Beklagte vergleichsweise bereit erklärt, eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zu gewähren, woraufhin dem Kläger schließlich die Maßnahme bei der L. gGmbH bewilligt worden sei. Hätte die Beklagte die Leistungen nicht rechtswidrig abgelehnt, sondern gleich nach Antragstellung gewährt, wäre der Drei-Jahres-Zeitraum nicht abgelaufen.

Das Sozialgericht Hannover hat die Klage mit Urteil vom 30.05.2023 abgewiesen. Der letzte Tag des Bemessungszeitraums bei Beginn der Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben habe länger als drei Jahre im Sinne von § 68 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX zurückgelegen. Der Kläger habe gegenüber der Beklagten auch keinen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Die Beklagte habe nicht verzögerlich im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urt. v. 30.10.1985, Az: 5b Rj 86/84) gehandelt. Sie habe innerhalb von zwei Monaten entschieden. Dass der Widerspruchsbescheid später ergangen sei, erkläre sich aus der Anforderung einer Arbeitgeberauskunft. Die Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben sei auch im Vergleichswege und nicht in Form eines Anerkenntnisses erteilt worden. Die Dauer des Gerichtsverfahrens mit zwei Jahren könne der Beklagten auch nicht zur Last gelegt werden. Außerdem lasse der Wortlaut von § 68 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB IX nur den Schluss zu, dass es allein auf den förmlichen Ausbildungsabschluss ankomme. Für den hilfsweise gestellten Antrag auf Gewährung eines Übergangsgeldes unter Berücksichtigung des erzielten Arbeitsentgeltes fehle eine Rechtsgrundlage. Das Urteil ist dem Kläger am 20.06.2023 zugestellt worden.

Hiergegen hat der Kläger am 03.07.2023 Berufung eingelegt.

Der Kläger beantragt,

  1. das Urteil des Sozialgerichts Hannover 30. Mai 2023 und den Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2019 in der Fassung des Bescheides vom 18. Dezember 2019 und des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2020 zu ändern und
  2. die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger für die im Zeitraum vom 4. Dezember 2019 bis zum 31. August 2020 durchgeführte Maßnahme Übergangsgeld unter Einstufung in die Qualifikationsgruppe 2,

hilfsweise unter Berücksichtigung des zuletzt erzielten Arbeitsentgeltes, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

       die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist im Wesentlichen der Auffassung, dass die die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Rechtsstreits wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die jeweils Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die statthafte und zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht Hannover hat die Klage mit Urteil vom 30.05.2023 zu Recht abgewiesen. Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 10.12.2019 in der Fassung des Bescheides vom 18.12.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2020 ist rechtmäßig. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf mehr Übergangsgeld für die in der Zeit vom 04.12.2019 bis zum 31.08.2020 absolvierte Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben.

1. Die Rechtsgrundlage für den hier unstreitigen Anspruch auf Übergangsgeld dem Grunde nach ergibt sich aus § 65 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX i. V. m. §§ 20, 21 SGB VI. Für die Berechnung der Höhe sind §§ 66ff. SGB IX anzuwenden. §§ 66 und 67 SGB IX, die als Grundregel ein Zurückgreifen auf das zuletzt erzielte regelmäßige Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen vorsehen, werden vorliegend durch die Ausnahmeregelung in § 68 Abs. 1 Nrn. 1-3 SGB IX i. V. m. § 21 Abs. 1 SGB VI verdrängt. Hiernach werden für die Berechnung des Übergangsgeldes während des Bezuges von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben 65 Prozent eines fiktiven Arbeitsentgeltes zugrunde gelegt, wenn insbesondere der letzte Tag des Bemessungszeitraums bei Beginn der Leistungen länger als drei Jahre zurückliegt (§ 68 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX). Wie die Beklagte und das Sozialgericht zutreffend festgestellt haben, lag der letzte Tag des Bemessungszeitraums bei Beginn der Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben gem. § 68 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX länger als drei Jahre zurück. Bemessungszeitraum ist nach der Legaldefinition in § 67 Abs. 1 S. 1 SGB IX der letzte vor Beginn der Leistung oder einer vorangegangenen Arbeitsunfähigkeit abgerechnete Entgeltabrechnungszeitraum, mindestens die letzten abgerechneten vier Wochen. Die Teilhabeleistung begann am 03.12.2019. Der letzte Tag des Bemessungszeitraums war der letzte Beschäftigungstag des Klägers am 31.05.2016. Der anschließende Bezug von Arbeitslosen- bzw. Krankengeld war nicht zu berücksichtigen, da es sich nicht um Entgelt, sondern um Entgeltersatzleistungen gehandelt hat.

Für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts ist der Leistungsempfänger gemäß § 68 Abs. 2 SGB IX der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die seiner beruflichen Qualifikation entspricht. Dafür gilt folgende Zuordnung: (Nr. 1) für eine Hochschul- oder Fachhochschulausbildung (Qualifikationsgruppe 1) ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertstel der Bezugsgröße, (Nr. 2) für einen Fachschulabschluss, den Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meisterin oder Meister oder einen Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung (Qualifikationsgruppe 2) ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertsechzigstel der Bezugsgröße, (Nr. 3) für eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf (Qualifikationsgruppe 3) ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Vierhundertfünfzigstel der Bezugsgröße und (Nr. 4) bei einer fehlenden Ausbildung (Qualifikationsgruppe 4) ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Sechshundertstel der Bezugsgröße.

Die Vorgaben des § 68 Abs. 2 SGB IX hat die Beklagte zutreffend angewandt. Da der Kläger über eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf im Sinne der in § 68 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB IX normierten Qualifikationsgruppe 3 als Buchbinder (und nicht über eine höherwertige Qualifikation) verfügt, ist er angesichts der „Ausbildung“ der Qualifikationsgruppe 3 im Sinne von § 68 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB IX zuzuordnen, so dass entsprechend den zutreffenden Berechnungen in dem angefochtenen Bescheid der Ermittlung des Übergangsgeldes nach § 68 Abs. 1 SGB IX ein fiktives (Tages-)Arbeitsentgelt in Höhe von einem Vierhundertfünfzigstel der Bezugsgröße zugrunde zu legen ist.

Die (tatsächliche) Ausübung der Tätigkeit als Abteilungsleiter führt entgegen der Auffassung des Klägers – auch wenn für diese in der Stellenausschreibung als Voraussetzung idealerweise eine bestandene Meisterprüfung genannt war – vorliegend zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger verfügt nicht über eine bestandene Meisterprüfung oder eine vergleichbare Qualifikation.

Für die Einstufung der Versicherten in diese im Gesetz normierten Qualifikationsgruppen kommt es nach der Rechtsprechung des erkennenden Senates (siehe hierzu und im Folgenden Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 29. Januar 2020 – L 2 R 377/19 –, Rn. 23ff., juris; i. E. ebenso: Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 26. April 2022 – L 7 R 10006/21 –, Rn. 37, juris) allein auf den förmlichen Abschluss der maßgeblichen Berufsausbildung an. Das Gesetz eröffnet schon im Ausgangspunkt gar nicht die Möglichkeit, einen Versicherten auch ohne den geforderten förmlichen Ausbildungsabschluss so einzustufen, als ob er einen förmlichen Abschluss erlangt hätte.

Bei der Normierung der Vorgaben des § 68 Abs. 2 SGB IX hat sich der Gesetzgeber (vgl. die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 18/9522, S. 258) von folgenden Erwägungen leiten lassen: § 68 SGB IX trifft eine Sonderregelung für die Fälle, in denen die Berechnung des vom Rehabilitationsträger zu leistenden Übergangsgeldes nach dem letzten Verdienst zu einem unangemessenen oder zu gar keinem Ergebnis führt. Nach der geltenden Regelung ist in diesen Fällen eine Berechnung auf der Basis des tariflichen oder, sofern eine tarifliche Regelung fehlt, auf der Basis des ortsüblichen Arbeitsentgelts durchzuführen. In der Praxis hat sich gezeigt, dass dieses Verfahren mit einem großen Arbeitsaufwand verbunden ist, da in jedem Einzelfall das tarifvertragliche oder ortsübliche Arbeitsentgelt zu ermitteln ist. Zudem hat der Bundesrechnungshof im Zuge einer Prüfung bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) festgestellt, dass dieses Verfahren sehr fehlerträchtig ist. Zur Vereinfachung und Vereinheitlichung des Verfahrens wird in Anlehnung an § 152 SGB III eine fiktive Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Übergangsgeldes zugrunde gelegt, die das Bemessungsentgelt abhängig von Qualifikation und dem entsprechenden Prozentsatz der Bezugsgröße (§ 18 SGB IV) bestimmt.

Der Gesetzgeber hat sich damit an der vorgefundenen Regelung des § 152 SGB III (vormals: § 132 SGB III a.F.) im Arbeitslosenrecht orientiert. Bei dieser in Bezug genommenen Regelung hat er sich insbesondere von der Einschätzung leiten lassen (BT-Drs. 15/1515, S. 85), dass mit ihr die Vielfalt und Komplexität der Regelungen zum Bemessungsrecht zurückzuführen und das Verwaltungsverfahren deutlich und nachhaltig zu vereinfachen sei. Die angestrebte Verwaltungsvereinfachung sei allerdings nur zu erreichen, wenn detaillierte Einzelfallregelungen durch ein größeres Maß an Pauschalierung ersetzt und Ausnahmeregelungen beschränkt werden.

Gerade entsprechend diesem vom Gesetzgeber im Interesse der Vereinfachung der Gesetzesanwendung verfolgten pauschalierenden Ansatz bleibt kein Raum, abweichend vom Gesetzeswortlaut auch eine Bewertung der inhaltlichen Qualität der im Berufsalltag tatsächlich ausgeübten Tätigkeit in die Zuordnung zu den genannten Qualifikationsgruppen einfließen zu lassen. Eine Erfassung und Gewichtung von Einzelheiten der im jeweiligen Einzelfall tatsächlich ausgeübten Berufstätigkeit im Sinne ihrer qualitativen Gewichtung würde im Ergebnis wiederum einen ähnlichen großen Arbeitsaufwand wie bei der Anwendung des bis zum 31. Dezember 2017 maßgeblichen Fassung der Vorgängervorschrift des § 48 Abs. 2 SGB IX verursachen, obwohl der Gesetzgeber gerade diesen Aufwand reduzieren wollte. Angesichts des Fehlens klarer und konkreter Bewertungsmaßstäbe für die Ermittlung einer solchen inhaltlichen Qualität wäre überdies die Gesetzesanwendung weiterhin in einer wie bei der Anwendung der Vorgängervorschrift des § 48 Abs. 2 SGB IX a.F. vergleichbaren Weise fehlerträchtig, obwohl der Gesetzgeber im Interesse der Rechtssicherheit und der Gleichmäßigkeit der Gesetzesanwendung gerade auf das formale und im Regelfall einfach zu ermittelnde Kriterium des (höchsten) förmlich erlangten Berufsausbildungsabschlusses abstellen will.

Dementsprechend stellt auch die Rechtsprechung zu § 152 SGB III bzw. § 132 SGB III a.F. für die Zuordnung zu der jeweiligen Qualifikationsgruppe jedenfalls im Ausgangspunkt darauf ab, ob der Arbeitslose tatsächlich über den für die angestrebte Beschäftigung erforderlichen förmlichen Berufsabschluss verfügt (BSG, Urteil vom 04. Juli 2012 – B 11 AL 21/11 R –, SozR 4-4300 § 132 Nr 8, Rn. 17 mwN; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. Januar 2019 – L 9 AL 50/18 –, Rn. 38, juris; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 23. November 2018 – L 3 AL 10/17 –, Rn. 38, juris).

Die in der Literatur (Reyels, in Schlegel/Voelzke; jurisPK-SGB IX, 3. Aufl., 2018, § 68 SGB IX, Rn. 25) geäußerte Auffassung geht zunächst von diesem Ansatz aus und formuliert die Voraussetzungen im Ausgangspunkt wie folgt: „Entscheidend ist, welcher förmliche Abschluss durch eine Berufsausbildung – einschließlich erfolgreich absolvierter Weiterbildungsmaßnahmen – in der Vergangenheit erreicht worden ist.“ Einen solchen förmlichen Abschluss hat der Kläger gerade nicht erreicht.

Allerdings hat R. (aaO) noch folgende Ergänzung – ohne nähere Begründung anhand der üblichen Auslegungskriterien – hinzugefügt: „Da es der Arbeitswirklichkeit aber durchaus entspricht, dass Arbeitnehmer in Positionen hineinwachsen, für welche sie die formale Qualifikation nicht vorweisen können, sollte hier zusätzlich auch berücksichtigt werden, welche Tätigkeiten in der Vergangenheit – nicht nur für kurze Zeit – ausgeübt wurden.“ Bezogen auf den vorliegenden Fall dürfte auch ein solcher Ansatz jedoch schon deshalb nicht weiterhelfen, weil eine Tätigkeit als Abteilungsleiter schon im Ausgangspunkt keine „formale Qualifikation“ im Sinne etwa einer Meisterprüfung voraussetzt, in die ein Arbeitnehmer „hineinwachsen“ könnte. Jedenfalls dürfen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 68 Abs. 2 SGB IX angesichts der erläuterten gesetzgeberischen Zielvorstellungen nicht losgelöst von den im Einzelfall auf Seiten des betroffenen Versicherten tatsächlich förmlich erlangten Berufsausbildungsabschlüssen angewandt werden.

Daneben macht das eigene Vorbringen des Klägers deutlich, dass die von ihm favorisierte Gesetzesauslegung zu letztlich gar nicht objektivierbaren Prüfungsmaßstäben führen würde. Der klägerische Hinweis (vgl. S. 3 der Berufungsbegründung vom 29. August 2023 = Bl. 89 GA), dass sowohl die Tätigkeit eines „Abteilungsleiters“ als auch die eines „Schichtführers“ „üblicherweise“ einen „Meisterabschluss voraussetzen“ würden, bleibt bereits deshalb im Ungefähren, weil schon der nach dem Zusammenhang maßgebliche Begriff des „Voraussetzens“ nicht konkret fassbar ist. Es gibt jedenfalls keine gesetzliche Grundlage, die für einen Abteilungsleiter o.ä. eine Meisterprüfung vorschreiben würde.

Es ist ohnehin im Arbeitsleben vielfach anzutreffen, dass insbesondere Fachkräfte für die Wahrnehmung ihrer konkreten betrieblichen Aufgaben zusätzliche Kenntnisse benötigen, welche ihnen noch nicht im Rahmen ihrer Ausbildung vermittelt worden sind. Auch der Erwerb entsprechender Kenntnisse macht aus einem Gesellen jedoch keinen Meister im Rechtssinne, es handelt sich dann vielmehr um einen Gesellen mit besonderen Fachkenntnissen. Dies gilt auch dann, wenn entsprechende Spezialkenntnisse nicht einmal im Rahmen der Weiterbildung zu einem Buchbindermeister vermittelt werden.

Die Meisterprüfung im Buchbinderhandwerk erschöpft sich ohnehin nicht in einer Abfrage theoretischer Kenntnisse. Ein Schwerpunkt ist vielmehr auch die erfolgreiche Durchführung eines Meisterprüfungsprojekts (vgl. § 4 Verordnung über das Meisterprüfungsberufsbild und über die Prüfungsanforderungen in den Teilen I und II der Meisterprüfung im Buchbinder-Handwerk, Buchbindermeisterverordnung - BuchBMstrV). Darüber hinaus werden im Rahmen der Meisterprüfung vielfältige Fachkenntnisse aus sehr unterschiedlichen Bereichen des Buchbinderberufes abgefragt (vgl. nur beispielsweise Datenschutz, Umweltschutz, Informations- und Kommunikationstechniken, den Einsatz von Leder und Pergament bei der Planung, Konstruktion, Fertigung und Instandsetzung von Produkten der Buchbinderei oder auch kreative Aspekte, insbesondere der Farben- und Formenlehre sowie der Stilkunde und historischer Techniken; vgl. im Einzelnen § 2 der o.g. Verordnung). Ob der Kläger entsprechenden Prüfungsanforderungen gerecht geworden wäre, lässt sich im Nachhinein gar nicht ernsthaft und verlässlich beurteilen. Der Kläger hätte während seines Berufslebens sich einer Meisterprüfung unterziehen können (wobei er seinerzeit vermutlich eine entsprechende Prüfung gar nicht als richtungsweisend förderlich für seinen beruflichen Weg eingeschätzt hat). Es war seine eigene Entscheidung, dass er sich nicht der Meisterprüfung unterzogen hat. Nach den gesetzlichen Vorgaben dürfte aber nichts dafür ersichtlich sein, dass es Aufgabe der Sozialgerichte sein sollte, im Nachhinein darüber zu spekulieren, ob eine theoretisch denkbare Teilnahme an einer Meisterprüfung erfolgreich verlaufen wäre.

2. Der Kläger kann vorliegend einen höheren Anspruch auf Übergangsgeld auch nicht aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch herleiten. Zwar hat das Bundessozialgericht (BSG, Urt. v. 30.10.1985, Az: 5b RJ 86/84) einen solchen Anspruch aufgrund verzögerlicher Behandlung seitens des Rehabilitationsträgers bejaht, aber vorliegend sind die Voraussetzungen für den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht erfüllt.

a) Tatbestandlich setzt der sozialrechtliche Herstellungsanspruch voraus, dass der Sozialleistungsträger auf Grund Gesetzes oder bestehenden Sozialrechtsverhältnisses eine dem Betroffenen gegenüber obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch), verletzt und dadurch dem Betroffenen einen rechtlichen Nachteil zufügt (vgl BSG SozR 3-4100 § 249e Nr 4; BSG SozR 3-2600 § 58 Nr 2).

Auf seiner Rechtsfolgenseite ist der Herstellungsanspruch auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung derjenigen Rechtsfolge gerichtet, die eingetreten wäre, wenn der Versicherungsträger die ihm gegenüber dem Versicherten obliegenden Pflichten rechtmäßig erfüllt hätte (vgl BSGE 55, 40, 43 = SozR 2100 § 27 Nr 2 S 4; BSGE 71, 17, 22 = SozR 3-4100 § 103 Nr 8 S 42). Der Herstellungsanspruch kann einen Versicherungsträger somit nur zu einem Tun oder Unterlassen verpflichten, das rechtlich zulässig ist (BSGE 49, 76, 80 = SozR 2200 § 1418 Nr 6 S 12; BSGE 50, 25 = SozR 2200 § 172 Nr 14; BSGE 58, 104 = SozR 4100 § 103 Nr 36; BSG Urteil vom 23. Juli 1992 - 7 RAr 38/91 -, juris). Voraussetzung ist also - abgesehen vom Erfordernis der Pflichtverletzung iS einer fehlenden oder unvollständigen bzw unrichtigen Beratung -, dass der dem Versicherten entstandene Nachteil mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene zulässige und rechtmäßige Amtshandlung, ausgeglichen werden kann (BSGE 51, 89, 92 = SozR 2200 § 381 Nr 44 S 119; BSGE 52, 145, 148 = SozR 1200 § 14 Nr 12 S 17 f; BSGE 58, 104 = SozR 1500 § 162 Nr 22; BSGE 58, 104 = SozR 4100 § 103 Nr 36; BSG SozR 3-2200 § 1259 Nr 1).

Umgekehrt bedeutet dies: In Fällen, in denen der durch pflichtwidriges Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil nicht durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann, bleibt für die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kein Raum (vgl. zum Vorstehenden insbesondere: BSG, Urteil vom 11. März 2004 – B 13 RJ 16/03 R –, BSGE 92, 241; BSG, Urteil vom 22. März 2018 – B 5 RE 1/17 R –, BSGE 125, 252; BSG, Beschluss vom 23. April 2021 – B 13 R 139/20 B –, Rn. 7, juris).

Hintergrund dieser von der Rechtsprechung angenommenen Differenzierung zwischen "ersetzbaren" und "nicht ersetzbaren" Voraussetzungen (vgl.: BSG SozR 3-4100 § 249e Nr 4) ist das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art 20 Abs. 3 des Grundgesetzes <GG>). Dieses lässt es nicht zu, dass die Verwaltung gesetzeswidrig handelt, selbst wenn sie zuvor eine falsche Auskunft oder Beratung erteilt hat. Demgemäß lässt sich mit Hilfe des Herstellungsanspruchs der durch ein Fehlverhalten des Leistungsträgers bewirkte Nachteil nur dann ausgleichen, wenn die Korrektur bzw. Ersetzung der fehlenden Anspruchsvoraussetzung mit dem jeweiligen Gesetzeszweck in Einklang steht (BSGE 76, 84 = SozR 3-8825 § 2 Nr 3; BSG Urteil vom 17. Juli 1997 - 7 RAr 106/96 -, veröffentlicht in Juris). Das kann u. a. bei verspäteter Antragstellung, verspäteter Beitragsentrichtung oder verspäteter Vorlage von Unterlagen der Fall sein, falls die Verspätung auf einem pflichtwidrigen Verhalten des Leistungsträgers beruht (vgl. zB BSGE 59, 60, 64 = SozR 5070 § 10 Nr 31 S 71; BSGE 60, 43 = SozR 4100 § 105 Nr 2; BSG SozR 1200 § 14 Nr 25; BSGE 62, 179, 182 = SozR 4100 § 125 Nr 3 S 12; BSGE 63, 112 = SozR 1200 § 14 Nr 28).

Anders verhält es sich u. a. bei fehlender Arbeitslosmeldung (BSGE 60, 43, 48 = SozR 4100 § 105 Nr 2 S 6 f; BSG Urteile vom 11. Januar 1989 - 7/11bRAr16/87 - und 8. Juli 1993 - 7 RAr 80/92 = SozR 3-4100 § 134 Nr 14), fehlender Anwartschaftszeit (BSG SozR 4100 § 102 Nr 6; BSG Urteile vom 12. Juli 1989 - 7 RAr 62/88 - und 5. Dezember 1989 - 11RAr61/88; BSGE 66, 11, 13 = SozR 4100 § 112 Nr 52 S 251), fehlender Verfügbarkeit (BSGE 58, 104, 109 = SozR 4100 § 103 Nr 36 S 85; BSG Urteil vom 23. Juli 1992 - 7 RAr 38/91), fehlender rechtzeitiger Anzeige des Arbeitsausfalls (BSG SozR 4100 § 66 Nr 2), fehlenden Eingliederungschancen (BSG SozR 4100 § 56 Nr 18) sowie beim Ausscheiden aus einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor Vollendung des 55. Lebensjahres (BSG SozR 3-4100 § 249e Nr 4; vgl. zum Vorstehenden insbesondere: BSG, Urteil vom 11. März 2004 – B 13 RJ 16/03 R –, BSGE 92, 241; BSG, Urteil vom 22. März 2018 – B 5 RE 1/17 R –, BSGE 125, 252; BSG, Beschluss vom 23. April 2021 – B 13 R 139/20 B –, Rn. 7, juris).

b) Soweit das BSG in seinem Urteil vom 30. Oktober 1985 (5b RJ 86/84, SozR 2200 § 1241a Nr 9, BeckRS 1980, 42094) ohne nähere Befassung mit den tatbestandlichen Voraussetzungen eines Herstellungsanspruchs darauf abgestellt hat, dass bei Verzögerungen bedingt auf eine nur unzureichende Koordinierung der medizinischen und der beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen ein Anspruch des Versicherten auf Herstellung eines der Bemessung des Übergangsgeldes bei pflichtgemäßer Behandlung des Rehabilitationsantrages entsprechenden Zustandes bestehe, kann ein vergleichbares Ergebnis mittlerweile nur noch festgestellt werden, soweit dieses Ergebnis auch unter Berücksichtigung der in den nachfolgenden Jahrzehnten in der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorgenommenen (vorstehend unter a] erläuterten) Konkretisierungen des Rechtsinstituts des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu bestätigen ist. Das ist vorliegend nicht der Fall.

c) Eine Pflichtverletzung einer fehlenden oder unvollständigen bzw. unrichtigen Beratung im Sinne der vorstehend unter a) erläuterten Rechtsprechung ist im vorliegenden Zusammenhang nicht ersichtlich. Im Ergebnis wirft der Kläger der Beklagten eine zeitverzögerte Bewilligung vor.

d) Die Dreijahresfrist in § 68 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX trägt folgenden Erwägungen Rechnung: Der Gesetzgeber wollte mit dieser Fristvorgabe das Übergangsgeld aktualisieren und hat daher bei dem Vorliegen eines langen Zeitraumes zwischen dem letzten erzielten Lohn und dem Beginn einer berufsfördernden Maßnahme wegen Fehlens der Aktualität des Lohnes auf eine typisierende Regelung der Berechnung des Übergangsgeldes zurückgegriffen. Diese Typisierung kann sich für den Versicherten günstig auswirken, wenn der zuletzt erzielte Lohn hinter den Tabellenwerten des FRG (im vorliegenden Zusammenhang: hinter den sich nach Maßgabe des § 68 Abs. 2 SGB IX ergebenden Werten) zurückblieb, ohne dass dies gleichzeitig mit einer unbilligen Härte verbunden wäre. Andererseits kann sich eine typisierende Regelung … auch für den Versicherten negativ auswirken. Dies liegt im Wesen jeder Typisierung (BSG, Urteil vom 9. Mai 1984 – 4 RJ 65/83 –, Rn. 11, juris zur Vorgängervorschrift des § 1221a RVO).

Die vom Gesetzgeber vorgenommene Typisierung ist jedenfalls unter dem Gesichtspunkt sachlich vertretbar, dass ein individueller Lohnersatz dann nicht mehr erforderlich ist, wenn der zu ersetzende Lohn zeitlich lange zurückliegt und deswegen nicht mehr die Lebensgrundlage vor Einleitung des Rehabilitationsverfahrens gebildet haben konnte (BSG, aaO).

Ein entsprechender Aktualisierungsbedarf knüpft schon im gedanklichen Ausgangspunkt an den langen zeitlichen Abstand zwischen dem letzten Lohnzahlungszeitraum und dem Beginn der Rehabilitationsmaßnahme an. Bezeichnenderweise stellt das Gesetz nicht auf die Einleitung eines Rehabilitationsverfahrens schlechthin, sondern ausdrücklich auf den "Beginn der Maßnahme" ab (BSG, Urteil vom 9. Mai 1984 – 4 RJ 65/83 –, Rn. 12, juris).

Damit macht schon der gesetzgeberische Ansatz deutlich, dass es für die Anwendung von § 68 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX nicht darauf ankommen soll, durch welche Umstände im Einzelnen der lange zeitliche Abstand zwischen dem letzten Lohnfortzahlungszeitraum und dem Beginn der Rehabilitationsmaßnahme bedingt war. Eine Ersetzung bzw. Ignorierung der gesetzlich normierten Dreijahresfrist in Fällen eines jedenfalls mitwirkenden Verwaltungsverschuldens steht daher gerade nicht mit dem Gesetzeszweck im Sinne der vorstehend unter a) erläuterten Rechtsprechung in Einklang. Eine Ignorierung der zeitlichen Vorgaben des § 68 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX stellt kein „verwaltungskonformes Mittel“ dar.

3. Schließlich ist auch die Höhe des Übergangsgeldes von der Beklagten richtig berechnet worden. Gem. § 68 Abs. 1 S. 1 SGB IX sind 65 % des nach § 68 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX maßgeblichen Vierhundertfünfzigstel der Bezugsgröße als Berechnungsgrundlage ermittelt und davon 68 % gem. § 66 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 SGB IX für die Berechnung des Übergangsgeldes ermittelt worden. Gegen die Richtigkeit dieser Berechnung wendet sich der Kläger auch nicht.

4. Aufgrund der Verdrängung von §§ 66, 67 SGB IX durch die Erfüllung des Ausnahmetatbestandes in § 68 Abs.1 SGB IX ist der Kläger auch mit dem hilfsweise begehrten Anspruch auf Bemessung des Übergangsgeldes auf der Grundlage des zuletzt erzielten Entgeltes ausgeschlossen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.

Rechtskraft
Aus
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