Eine pauschale Erhöhung von Säumniszuschlägen aufgrund von schwerpunktmäßig auf sachwidrige Verzögerungen des behördlichen Verfahrens zurückzuführenden Säumniszeiträumen widerspricht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine schuldangemessene Bemessung strafähnlicher Sanktionen.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts vom 3. Mai 2023 geändert.
Der Bescheid der Beklagten vom 20. August 2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2020 wird aufgehoben, soweit Säumniszuschläge zugunsten der Bundesinnungskrankenkasse Gesundheit (West), der DAK Gesundheit und der AOK Bremen/Bremerhaven als Einzugsstellen für Säumniszeiträume nach Dezember 2015 festgesetzt worden sind.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens aus beiden Rechtszügen mit Ausnahme der nicht erstattungsfähigen Kosten der Beigeladenen tragen der Kläger zu ¾ und die Beklagte zu ¼.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich im Berufungsverfahren noch gegen die Heranziehung von Beiträgen zur Sozialversicherung einschließlich Umlagen aufgrund einer Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. und 3. (F. G. und L. M.).
Der aus Kasachstan stammende Kläger hat im Bundesgebiet die Ausbildung zum Maurer durchlaufen und war nach dieser Ausbildung zunächst als abhängig beschäftigter Maurer beruflich tätig. Er war seinerzeit insbesondere bei der Firma W. beschäftigt, welche für ihn seinerzeit Beiträge zur Sozialversicherung abführte.
Später machte sich der Kläger selbständig, wobei er ein Gewerbe als Fliesenleger angemeldet hat. Zum Zeitpunkt der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit gibt es von seiner Seite unterschiedliche Angaben:
Im Schriftsatz vom 10. Juli 2023 hat der Kläger (Bl. 126 GA) angegeben, dass er das selbständige Gewerbe bereits 2003 angemeldet und ab 2005 hauptberuflich ausgeübt habe. In dem im Berufungsverfahren durchgeführten Erörterungstermin hat er hingegen erläutert, dass er erst 2010 zunächst nebenberuflich eine selbständige Tätigkeit aufgenommen habe. Etwa zwei Jahre später habe er sich dann hauptberuflich dieser selbständigen Tätigkeit gewidmet, das müsste etwa ab dem Jahr 2012 so gewesen sein.
Angesprochen auf die Diskrepanzen hat der Kläger im Erörterungstermin weiter dargelegt: Es könne auch durchaus sein, dass abweichend von seinen vorausgegangenen Darlegungen im Erörterungstermin die Angaben im Schriftsatz vom 10. Juli 2023 zutreffen würden. Er habe die entsprechenden Daten nicht mehr genau in Erinnerung.
Ergänzend hat er Folgendes ausgeführt:
Die vorliegende Angelegenheit hat mich insbesondere ab 2019 psychisch sehr stark belastet. Ich habe fast jeden Tag Schreiben der Behörden, insbesondere von der Krankenkasse, von der Berufsgenossenschaft und von der Rentenversicherung, bekommen. Das hat mich sehr mitgenommen. Ich musste mich deshalb auch in ärztliche Behandlung begeben und habe Tabletten bekommen. Vor diesem Hintergrund kann ich mich an Einzelheiten heute eigentlich gar nicht konkret erinnert. Ich kann heute auch nicht mehr näher erläutern, ob ich nun die etwa 2018 aufgegebene hauptberufliche selbständige Tätigkeit im Jahr 2012 oder im Jahr 2005 begonnen habe. Nähere Details sind mir nicht mehr erinnerlich.
Ursprünglich wollte sich der Kläger sowohl als Fliesenleger als auch als Maurer selbständig machen. Dieses Vorhaben scheiterte aber daran, dass er die für eine selbständige Maurertätigkeit erforderliche Meisterprüfung nicht abgelegt hatte. Deshalb hat er sich dazu entschlossen, nur die Tätigkeit eines selbständigen Fliesenlegers anzumelden.
Im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit hat er – teilweise auch als Subunternehmer der Firma W. – nach eigenen Angaben unterschiedliche Aufträge übernommen. Manchmal habe er Fliesen gelegt, manchmal Steine geschleppt oder Steine geschnitten, teilweise habe er auch das Verblendmauerwerk bei neuen Häusern hergestellt.
Nachdem der Kläger zunächst als Soloselbständiger gearbeitet hatte, ergab sich ab 2013 mit zunehmenden Auftragsbestand die Notwendigkeit einer Heranziehung von Helfern.
In diesem Zuge hat der Kläger insbesondere folgende Helfer eingesetzt:
a) Der Beigeladenen zu 2. I. J. war für ihn im Zeitraum ab Mai 2014 tätig. Diesen hat der Kläger als abhängig Beschäftigten zur Sozialversicherung angemeldet, wobei er gegenüber der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See als sog. Minijobzentrale angegeben hat, dass er diesen Helfer im Rahmen eines entgeltgeringfügigen Beschäftigungsverhältnisses einsetze. Tatsächlich hat die Entlohnung aber die Geringfügigkeitsgrenze überschritten, was die Beklagte zu einer (im Berufungsverfahren nicht mehr zur gerichtlichen Überprüfung gestellten) Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen auch im Hinblick auf den Beigeladenen Ratz veranlasst hat.
Mit der Lohnbuchhaltung für den Mitarbeiter J. beauftragte der Kläger den als Zeugen gehörten Steuerberater X. Y.. Dieser war auch mit der Finanzbuchhaltung beauftragt. Dessen Büro veranlasste insbesondere die Meldung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 2 zur Sozialversicherung.
b) Die Beigeladenen G. und M. setzte der Kläger wie folgt ein:
Mitarbeiter |
Tätigkeitsmonat |
Tatsächlich gezahltes Entgelt |
G. |
Mai 13 |
799,20 € |
|
Juni 13 |
522,00 € |
|
November 13 |
1.377,05 € |
|
Dezember 13 |
1.422,95 € |
|
Januar 14 |
892,80 € |
|
Februar 14 |
1.147,20 € |
|
April 14 |
2.311,00 € |
|
Mai 14 |
1.612,50 € |
|
Juni 14 |
2.769,00 € |
|
Juli 14 |
2.595,00 € |
|
August 14 |
930,00 € |
|
September 14 |
1.657,50 € |
|
November 14 |
1.725,00 € |
|
Dezember 14 |
1.050,00 € |
|
|
|
M. |
Juli 14 |
1.685,00 € |
|
August 14 |
4.300,00 € |
|
September 14 |
3.125,00 € |
|
Oktober 14 |
2.395,00 € |
|
November 14 |
1.685,00 € |
Die Entgelte für seine Mitwirkung stellte der Beigeladene G. dem Kläger jeweils „Hilfsarbeiten am Bau“ in Rechnung (vgl. Bl. 222 ff. VV); der Beigeladene M. (vgl. Bl. 179 ff. VV) stellte teilweise „erbrachte Leistung als Bauhelfer“ und teilweise auch nur pauschal „erbrachte Leistung“ in Rechnung.
Für die Tätigkeit der Beigeladenen G. und M. führte der Kläger keine Beiträge zur Sozialversicherung ab, vielmehr zahlte er die vorstehend aufgeführten Entgeltbeträge in voller Höhe an die Beigeladenen.
Zuständige Krankenkasse war für den Beigeladenen G. bis März 2014 die Bundesinnungskrankenkasse Gesundheit (West) sowie ab April 2014 die DAK Gesundheit und für den Beigeladenen M. die AOK Bremen-Bremerhaven.
Am 20. August 2014 führten Beamte des Hauptzollamtes Z. auf einer Baustelle des Klägers eine Prüfung durch, bei der sie auch die Beigeladenen G. und M. antrafen. Der Beigeladene G. gab an, dass er selbständig tätig sei. Er habe ein Gewerbe für Trockenbau und Hausmeisterservice angemeldet. Der Kläger sei sein einziger Auftraggeber. Entsprechend legte der Beigeladene M. dar, dass er ein Gewerbe für die Bereiche Bauhelfer, Trockenbau und Fliesen- und Pflasterarbeiten angemeldet habe.
Auf Ersuchen des Hauptzollamtes erteilte der Kläger bereits Anfang September 2014 die Zustimmung zur Einsichtnahme in die bei dem Zeugen Y. vorhandenen Geschäftsunterlagen seines Unternehmens (vgl. die dem Schreiben des Steuerberaterbüros des Zeugen vom 5. September 2014 beigefügte vom Kläger persönlich unterzeichnete Zustimmung, Bl. 7 f. VV). Dort nahmen die Mitarbeiter des Hauptzollamtes am 21. Oktober 2014 eine Geschäftsunterlagenprüfung vor; weitere Unterlagen wurden am 10. November 2014 beim Kläger persönlich eingesehen. Dabei wurden insbesondere die Rechnungen der Beigeladenen zu M. und G. über die vorstehend aufgeführten Entgeltbeträge in Kopie zu den Ermittlungsakten genommen.
Nach weiteren Ermittlungen des Hauptzollamtes unter Einschluss auch einer aufgrund des entsprechenden Beschlusses des Amtsgerichts Stade vom 27. Februar 2018 (34 Gs 141 Js 8353/16 – 1/18) vorgenommenen Hausdurchsuchung beim Kläger setzte die Beklagte auf der Basis einer sog. Netto-Brutto-Hochrechnung (vgl. zu deren Einzelheiten die Berechnungen auf Bl. 494 f. VV) mit Bescheid vom 20. August 2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2020 auf der Grundlage einer Betriebsprüfung im Sinne des § 28p SGB IV vom Kläger nachzuentrichtende Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 31.475,25 € zuzüglich Säumniszuschläge in Höhe von 19.118 € fest. Von den insgesamt festgesetzten Beträgen für die nachzuentrichtenden Sozialversicherungsbeiträge (und Umlagen) in Höhe von 31.475,25 € entfielen 12.300,48 € (einschließlich Säumniszuschläge in Höhe von 4.939,50 €) auf die Tätigkeit des Beigeladenen G. im Zeitraum bis März 2014, 20.729,15 € (einschließlich 7.730,50 € Säumniszuschläge) auf dessen Tätigkeit im Zeitraum ab April 2014 sowie 15.291,81 € (einschließlich Säumniszuschläge in Höhe von 5.598 €) auf die Tätigkeit des Beigeladenen M.. Bei der Ermittlung der Säumniszuschläge hatte die Beklagte den Säumniszeitraum bis Juni 2019 zugrunde gelegt.
Das gegen den Kläger eingeleitete Strafverfahren wegen des Verdachts einer Straftat nach § 266a StGB wurde gegen Zahlung eines Geldbetrages von 2.300 € nach Maßgabe des § 153a StPO eingestellt (vgl. die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Stade vom 30. Juli 2019 – NZS 141 Js 8352/16, Bl. 28 GA).
Im Rahmen der Begründung der am 23. Dezember 2020 erhobenen Klage hat der Kläger eingeräumt, dass auch aus seiner Sicht nach den objektiven Umständen inzwischen nicht mehr bestreiten lasse, dass der Tatbestand der abhängigen Beschäftigung der streitbetroffenen Helfer vorgelegen habe. Diesbezüglich habe er sich im Zeitraum der tatsächlichen Heranziehung jedoch noch in einem Rechtsirrtum befunden, aufgrund dessen er ohne Vorsatz die Beitragspflicht missachtet habe. Auf dieser Basis seien die erst 2018 zu seiner Überraschung festgesetzten Beitragsforderungen bereits verjährt.
Im Zeitraum des Einsatzes der Beigeladenen sei er davon ausgegangen, dass er ein Wahlrecht in dem Sinne habe, dass er die beigeladenen G. und M. entweder im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses oder aber auf der Basis von Werkverträgen einsetzen könne.
Weil ihm „von Anfang an“ bereits die „grundsätzlichen Kenntnisse“ gefehlt hätten, habe er „vorab“ seinen Steuerberater, den Zeugen Y., gefragt, auf was er zu achten habe. Dieser habe ihm erläutert, dass „für die Frage der Anerkennung des Subunternehmerverhältnisses“ insbesondere die Gewerbeanmeldung des Subunternehmers, seine steuerliche Meldung, die Ausstellung ordnungsgemäßer Rechnungen und die Wahrnehmung von Aufträgen für mehrere Auftraggeber maßgeblich seien. Insbesondere dürften die Rechnungsnummern auf den vom Subunternehmer auszustellenden Rechnungen nicht fortlaufend durchnummeriert sein. Sonst könne „man nicht annehmen, dass der Subunternehmer nicht auch für andere Auftraggeber tätig sei“ (vgl. Schriftsatz vom 23. Dezember 2020, Bl. 2 GA). Im Ergebnis sei er in der Laiensphäre von einem „legalen Subunternehmereinsatz“ ausgegangen. Nachdem er alle vom seinem Steuerberater genannten Merkmale beachtet habe, habe er es noch nicht einmal für möglich erachtet, dass er Beschäftigungsverhältnisse mit den betroffenen Beigeladenen begründen würde.
Sein Prozessbevollmächtigter, der ebenfalls als Zeuge gehörte Rechtsanwalt AA., habe den Zeugen Y. „zum Inhalt seiner Beratung gegenüber dem Kläger befragt“ (vgl. ebenfalls den o.g. Schriftsatz).
Mit Urteil vom 3. Mai 2023, dem Kläger zugestellt am 11. Mai 2023, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Im Verhältnis zwischen dem Kläger und den Beigeladenen G. und M. seien illegale Beschäftigungsverhältnisse begründet worden. Diesbezüglich habe der Kläger auch vorsätzlich gehandelt. Dieser habe selbst insbesondere bei seiner Vernehmung im Ermittlungsverfahren im Dezember 2018 dargelegt, dass er die Möglichkeit der Begründung von Beschäftigungsverhältnissen gesehen habe. Entsprechende Beschäftigungsverhältnisse habe er überdies mit dem Beigeladenen zu 2. und dem (ab Oktober 2014) herangezogenen Beigeladenen zu 4. geführt. Ausgehend von einer vorsätzlichen Vorenthaltung der geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge sei die 30jährige Verjährungsfrist nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV maßgeblich; die Beklagte habe zutreffend eine Netto-Brutto-Hochrechnung nach den Vorgaben des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV vorgenommen und Säumniszuschläge in Anwendung des § 24 SGB IV festgesetzt.
Mit der am 23. Mai 2023 eingelegten Berufung, mit der nur noch die Festsetzung von Beiträgen, Umlagen und Säumniszuschlägen aufgrund der Heranziehung der Beigeladenen G. und M. zur Überprüfung gestellt wird, vertieft der Kläger sein Vorbringen. Sein Prozessbevollmächtigter habe seinen Steuerberater „zum Inhalt seiner Beratung“ befragt. Im Ergebnis habe der Steuerberater „geglaubt“, es läge ein anzuerkennendes Subunternehmerverhältnis vor, wenn die von ihm genannten Kriterien eingehalten würden. Der Inhalt der von dem Steuerberater vorgenommenen Beratung könne jedenfalls nicht als „völlig abwegig“ eingeschätzt werden, seine Auffassung könne jedenfalls als „laienhafte Richtschnur“ verstanden und vorsatzausschließend herangezogen werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts vom 3. Mai 2023 zu ändern den Bescheid der Beklagten vom 20. August 2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2020 aufzuheben, soweit Beiträge, Umlagen und Säumniszuschläge aufgrund der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. und 3. festgesetzt worden sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Der Senat hat durch seinen Vorsitzenden im Erörterungstermin den Kläger informatorisch sowie die Zeugen Y. und AB. gehört. Wegen des Ergebnisses wird auf das Terminsprotokoll verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung, mit der der Bescheid der Beklagten vom 20. August 2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2020 nur noch hinsichtlich der Festsetzung von Beiträgen, Umlagen und Säumniszuschlägen aufgrund der Heranziehung der beigeladenen Bauhelfer G. und M. zur Überprüfung durch den Senat gestellt wird, hat nur teilweise Erfolg. Lediglich die Festsetzung von Säumniszuschlägen stellt sich in Teilen als rechtswidrig dar.
1. Hinsichtlich der Festsetzung von Beiträgen und Umlagen aufgrund der Heranziehung der Beigeladenen G. und M. durch den Kläger als Arbeitgeber sind keine Fehler festzustellen. Diesbezüglich ist aus Sicht des Senates in Ergänzung zu den zutreffenden Ausführungen in dem Bescheid der Beklagten vom 20. August 2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2020 und in dem angefochtenen Urteil auf Folgendes hinzuweisen:
a) Die Beigeladenen G. und M., also die Beigeladenen zu 1. und 3., standen während der im Tatbestand im Einzelnen aufgeführten Zeiträume ihrer Tätigkeit im klägerischen Baubetrieb in abhängigen mehr als nur geringfügigen und daher sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen mit einer Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung zum Kläger.
Rechtsgrundlage der Beitragsfestsetzung ist § 28p Abs. 1 Satz 1 und 5 SGB IV. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre (Satz 1). Sie erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern (Satz 5; vgl. dazu etwa BSG, Urteil vom 28. Juni 2022 – B 12 R 1/20 R –, SozR 4-2400 § 14 Nr. 26).
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein (BSG, Urteil vom 28. September 2011 – B 12 R 17/09 R –, SGb 2011, 633). Das Recht der Sozialversicherung wird beherrscht vom Grundsatz der Solidarität aller abhängig Beschäftigten (BSG, Urteil vom 04. Juni 2019 – B 12 R 12/18 R –, Rn. 34, juris).
Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 – B 12 R 17/19 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr 63, Rn. 17).
Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen (stRspr; vgl zum Ganzen BSG, Urteil vom 7.6.2019 - B 12 R 6/18 R - BSGE 128, 205 = SozR 4-2400 § 7 Nr 44, RdNr 13 f mwN). Diese wertende Zuordnung kann nicht mit bindender Wirkung für die Sozialversicherung durch die Vertragsparteien vorgegeben werden, indem diese zB vereinbaren, eine selbstständige Tätigkeit zu wollen. Denn der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung schließt es aus, dass über die rechtliche Einordnung einer Person - als selbstständig oder beschäftigt - allein die Vertragsschließenden entscheiden. Über zwingende Normen kann nicht im Wege der Privatautonomie verfügt werden. Vielmehr kommt es entscheidend auf die tatsächliche Ausgestaltung und Durchführung der Vertragsverhältnisse an (BSG, U.v. 19. Oktober 2021, aaO, Rn. 18 mwN).
Als Arbeitgeber im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ist regelmäßig derjenige anzusehen, zu dem ein anderer - der Beschäftigte - in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis steht. Nach § 7 Abs 1 S 1 SGB IV ist Beschäftigung die "nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis". "Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers" (§ 7 Abs 1 S 2 SGB IV). Eine - nicht auf Arbeitsverhältnisse in einem engen arbeitsrechtlichen Sinne beschränkte - Beschäftigung setzt nach ständiger Rechtsprechung des Senats voraus, dass der Beschäftigte von seinem "Arbeitgeber" persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Ob jemand im Verhältnis zu einem anderen (= dem Arbeitgeber) abhängig beschäftigt ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung. Arbeitgeber ist bei alledem mithin stets derjenige, dem der Anspruch auf die vom Beschäftigten nach Maßgabe des Weisungsrechts geschuldete Arbeitsleistung zusteht und der dem Beschäftigten dafür als Gegenleistung zur Entgeltzahlung verpflichtet ist (BSG, Urteil vom 31. März 2015 – B 12 R 1/13 R –, SozR 4-2400 § 14 Nr 19, Rn. 18 mwN).
Im vorliegenden Fall standen (entsprechend der insoweit – nach Maßgabe des wechselseitigen Vortrages im vorliegenden sozialgerichtlichen Verfahren – inzwischen übereinstimmenden Bewertung sowohl des Klägers als auch der Beklagten) die Beigeladenen G. und M. in den im Tatbestand im Einzelnen aufgeführten streitbetroffenen Zeiträumen in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen zum Kläger. Diese Beigeladenen waren weisungsabhängig als Bauhelfer in den arbeitsteilig organisierten Betrieb des Klägers eingegliedert. Für ihre Mitwirkung erhielten sie das vereinbarte Entgelt, welches, soweit sich dies anhand des wenig substantiierten Vortrages des Klägers erschließt, schwerpunktmäßig auf Stundenlohnbasis ermittelt wurde. Diese Beigeladenen hatten keine unternehmerischen Chancen; sie waren auch keinen unternehmerischen Risiken ausgesetzt.
b) Zutreffend ist die Beklagte zu der Auffassung gelangt, dass diese Beschäftigungsverhältnisse als illegal im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV zu qualifizieren waren, so dass in Anwendung dieser Norm eine sog. Netto-Brutto-Hochrechnung geboten war, welche die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid und seinen Anlagen, worauf wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, sachlich und rechnerisch zutreffend vorgenommen hat.
Ist ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart, gelten nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IV als Arbeitsentgelt die Einnahmen des Beschäftigten einschließlich der darauf entfallenden Steuern und der seinem gesetzlichen Anteil entsprechenden Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung. Sind bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt worden, gilt ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart (Satz 2).
Der Begriff "illegales Beschäftigungsverhältnis" im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV ist weit zu verstehen und bei allen Erscheinungsformen illegaler "Schattenwirtschaft (Beschäftigung)" anzuwenden, sofern bestimmte beschäftigungsbezogene Pflichtverletzungen (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 1 SchwarzArbG 2004) damit verbunden sind (BSG, U.v. 09. November 2011 – B 12 R 18/09 R –, BSGE 109, 254, Rn. 21). Insbesondere begründet das (auch im vorliegenden Zusammenhang festzustellende) gänzlich unterbliebene Abführen der gesetzlich geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge für die beiden noch streitbetroffenen abhängigen Beschäftigungsverhältnisse mit den Beigeladenen G. und M. den objektiven Tatbestand eines solchen illegalen Beschäftigungsverhältnisses.
Für die Frage, in welchem Grade die Pflichtverstöße von einem subjektiven Element getragen sein müssen, ist in Ermangelung anderer Maßstäbe an die für die Verjährung vorenthaltener Sozialversicherungsbeiträge geltende Regelung des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV (Verlängerung der Verjährungsfrist von vier auf dreißig Jahre) anzuknüpfen. Danach ist für den Eintritt dieser qualifizierten Folge ebenfalls (mindestens bedingter) Vorsatz erforderlich. Auf den subjektiven Maßstab des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV hat das BSG auch bereits in anderen Zusammenhängen - etwa für die Erhebung von Säumniszuschlägen bei Beitragsnachforderungen – abgestellt. Mindestens (bedingter) Vorsatz ist ferner für den subjektiven Tatbestand der einschlägigen, auf die Vorenthaltung von Beiträgen und Steuern bezogenen Straftatbestände (§ 266a StGB, § 370a AO) erforderlich (BSG, aaO, Rn. 28).
Nach dem Gesamtergebnis des vorliegenden Verfahrens ist nach Überzeugung des Senates festzustellen, dass der Kläger jedenfalls mit bedingtem Vorsatz im Zeitraum der Beschäftigung der Beigeladenen G. und M. von der Abführung der gesetzlich vorgeschriebenen Sozialversicherungsabgaben abgesehen hat.
Für einen bedingten Vorsatz reicht insbesondere aus, dass der Beitragsschuldner seine Beitragspflicht nur für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 12 R 11/14 R –, BSGE 120, 209, Rn. 64).
Nach der Rechtsprechung des BGH ist – zunächst bezogen auf Handlungsdelikte – das Willenselement des bedingten Vorsatzes gegeben, wenn der Täter den von ihm als möglich erkannten Eintritt des Erfolges billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen damit abfindet, mag ihm auch der Erfolgseintritt an sich unerwünscht sein. Bewusste Fahrlässigkeit liegt hingegen dann vor, wenn er mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft – nicht nur vage – darauf vertraut, der maßgebliche Erfolg werde nicht eintreten (BGH, Urteil vom 18. 10. 2007 - 3 StR 226/07 - NStZ 2008, 93, bezogen auf einen Tötungsvorsatz).
Schon im Ausgangspunkt ist damit klarzustellen, dass das sog. voluntative Vorsatzelement keine Billigung im Sinne einer subjektiven Wertschätzung des jeweiligen Taterfolges und noch weniger im Sinne einer rechtspolitischen Befürwortung der maßgeblichen rechtlichen Vorgaben zum Ausdruck bringen soll. Der Umstand, dass ein Arbeitgeber es beispielsweise rechtspolitisch für verfehlt erachten mag, bestimmte Ausprägungen einer abhängigen Beschäftigung der Beitragspflicht zu unterwerfen, steht als solcher der Annahme einer sog. billigenden Inkaufnahme der Möglichkeit einer Missachtung einer von der Rechtsordnung geforderten Anmelde- und Beitragspflicht nicht entgegen. Es genügt auch ein „Sich-Abfinden“ mit der Tatbestandsverwirklichung (BGH, B.v. 20.11.1986 - 4 StR 633/86 NStZ 1987, 362); dabei kann sich der Täter auch mit einem an sich unerwünschten Erfolg im Sinne des voluntativen Vorsatzelements „abfinden“ (BGH, U.v. 18. 10. 2007 - 3 StR 226/07 NStZ 2008, 93; vgl. auch BGH, U.v. 08. September 2011 – 1 StR 38/11 – NStZ 2012, 160: Ob der Täter will, dass ein Steueranspruch besteht, ist für den Hinterziehungsvorsatz bedeutungslos).
Bei der Konkretisierung der erläuterten Grundsätze im Beitragsrecht ist weiter zu berücksichtigen, dass bei einer sog. Beitragshinterziehung dem Beitragsschuldner keine aktive Tathandlung, sondern ein Unterlassen zur Last gelegt wird. Er hat namentlich in Fallgestaltungen der vorliegenden Art versäumt, die gesetzlich vorgeschriebene Anmeldung des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung und damit korrespondierend die Entrichtung entsprechender Beiträge vorzunehmen. Im Strafrecht wird für einen Vorsatz bei Unterlassungsdelikten im Ausgangspunkt gefordert, dass der Unterlassende zu dem Zeitpunkt, zu dem er handeln sollte, die Gefahr für das Rechtsgutssubjekt sowie die Umstände kennt, die seine Garantenpflicht begründet. Hinzukommen muss für den Vorsatz die individuelle Möglichkeit des Täters, zur Abwehr der Gefahr tätig zu werden, die Erwartung oder mindestens die Erkenntnis der konkreten Möglichkeit des Erfolgseintritts sowie die Abhängigkeit des Erfolgseintritts davon, dass der Täter die ihm gebotene und mögliche Handlung nicht vornimmt (BGH, Beschluss vom 24. April 2018 – 1 StR 160/18 – StV 2018, 736; vgl. zum Vorstehenden auch ausführlich: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 19. Dezember 2018 – L 2 BA 39/18 –, Rn. 140 ff., juris).
Im vorliegenden Fall waren dem Kläger natürlich die tatsächlichen Umstände der Heranziehung der Beigeladenen G. und M. im Rahmen des von ihm als mitarbeitender Unternehmer geführten sehr kleinen Bauunternehmens bekannt. Ebenso war ihm schon im Zeitraum der Heranziehung dieser Beigeladenen bekannt, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, für die für ihn tätigen Beschäftigten Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit war der Kläger auch seinerseits abhängig beschäftigt. Natürlich wusste er, wie auch seine Befragung im Erörterungstermin bestätigt hat, dass der Arbeitgeber damals für ihn Sozialversicherungsbeiträge abzuführen hatte und abgeführt hat. Bezeichnenderweise hat der Kläger im Jahr 2014 auch die Beigeladenen zu 2. (J.) und 4. (P.) als Arbeitgeber zur Sozialversicherung angemeldet. Damit korrespondiert, dass er bei der Vernehmung im Ermittlungsverfahren im Dezember 2018 (Bl. 372 VV) ausdrücklich eingeräumt hat, er wisse, dass er die Beigeladenen G. und M. auch hätte anstellen können.
Soweit der Kläger im Ergebnis geltend macht, dass er gutgläubig davon ausgegangen sei, dass er die Beigeladenen G. und M. als rechtlich selbständige Subunternehmer eingesetzt habe, so dass er mangels Begründung von Beschäftigungsverhältnissen keine Sozialversicherungsbeiträge habe abführen müssen, vermag ihm der Senat nicht zu folgen. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist im Ergebnis vielmehr zur Überzeugung des Senats festzustellen, dass der Kläger die Möglichkeit der Begründung abhängiger Beschäftigungsverhältnisse mit den Beigeladenen G. und M. gesehen und die Missachtung der gesetzlichen Vorgaben über die ihm als Arbeitgeber obliegende Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen für diese Beschäftigten zumindest billigend in Kauf genommen hat.
Der Kläger selbst hat bei seiner Befragung im Erörterungstermin beschrieben, dass er die Beigeladenen G. und M. als Helfer bei den von ihm übernommenen Bauaufträgen eingesetzt hat. Bezeichnenderweise hat er auch den Beigeladenen zu 2. (I. J.) als Helfer herangezogen. Diesen hat er durchaus zur Sozialversicherung angemeldet.
Der anwaltlich vertretene Kläger hat auch selbst in der Klagebegründung vorgetragen (Bl. 3 GA), dass er nach seinen damaligen Kenntnissen bei der Heranziehung der Beigeladenen G. und M. davon ausgegangen sei, über ein „Wahlrecht“ in dem Sinne zu verfügen, diese entweder „auf Basis eines Werkvertrages“ einzusetzen oder „abhängig zu beschäftigen“. Damit hat im Ergebnis der Kläger selbst zum Ausdruck gebracht, dass ihm die Möglichkeit einer Heranziehung der Helfer G. und M. auf der Grundlage abhängiger Beschäftigungsverhältnisse bereits seinerzeit klar vor Augen stand. Hinsichtlich des in diesem Zusammenhang angeführten (der Rechtsordnung in dieser Form unbekannten) „Wahlrechts“ ist von einer nicht nachvollziehbaren Schutzbehauptung auszugehen, zumal der Kläger von der Annahme eines entsprechenden „Wahlrechts“ im Rahmen seiner persönlichen informatorischen Anhörung durch den Senatsvorsitzenden gar nichts konkret berichtet hat. Der entsprechende Vortrag ist überdies auch schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil ein Einsatz der Beigeladenen G. und M. „auf Basis eines Werkvertrages“ schon mangels Vereinbarung eines von diesen jeweils eigenständig zu bewirkenden Werkes nicht in Betracht kam, diese Beigeladenen sind vielmehr als untergeordnete Bauhelfer unter Anleitung des fachkundigen Klägers und nach dessen Weisungen unterstützend auf den Baustellen tätig geworden.
Nachvollziehbar erklären, weshalb er nicht einmal die Möglichkeit einer abhängigen Beschäftigung der als Helfer herangezogenen Beigeladenen G. und M. gesehen haben will, vermochte der Kläger auch im Übrigen nicht.
Für das Fehlen eines jedenfalls bedingten Vorsatzes bleibt umso weniger Raum, als er den Beigeladenen zu 2. als weiteren Helfer durchaus abhängig beschäftigt hat. Auch der Kläger vermag nichts dafür aufzuzeigen, dass diese Differenzierung auf auch nur subjektiv ernsthaft angenommenen Sachgründen beruht haben könnte.
Insoweit vermerkt das Protokoll des Erörterungstermins folgende Angaben des Klägers:
Auf Nachfrage des Vertreters der Beklagten, inwiefern sich die Tätigkeit des beigeladenen J., den der Kläger nach eigenen Angaben zur Sozialversicherung angemeldet habe, von den Tätigkeiten der beigeladenen G. und M. unterschieden habe, erläutert der Kläger:
Der beigeladene J. hat mir unmittelbar geholfen. Er stand quasi neben mir. Herr J. war deutlich stärker und kräftiger als ich. Ich brauchte teilweise einfach seine Körperkräfte, um die Arbeiten bewältigen zu können.
Auf Nachfrage:
Natürlich haben mir auch die beigeladenen G. und M. geholfen. Der beigeladene J. war aber immer mit mir auf der Baustelle, wohin gegen die beigeladenen G. und M. zeitweilig auch allein auf der Baustelle waren.
Auf Hinweis des Senatsvorsitzenden, dass eine Tätigkeit auf der Baustelle in Abwesenheit des Unternehmers den Umstand unberührt lassen dürfte, dass die betroffenen Arbeitskräfte als Helfer und im Auftrag des Unternehmers tätig seien, erklärt der Kläger:
Das sind die Dinge, die ich letztlich nicht verstehe.
Eine inhaltlich nachvollziehbare ernsthafte Vorstellung der Nichtbegründung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses wird mit solchen vagen Andeutungen gerade nicht aufgezeigt. Es handelt sich im Ergebnis um inhaltlich gar nicht konkret fassbare Schutzbehauptungen mit dem Ziel einer Vermeidung der gesetzlich geschuldeten Beitragsforderungen.
Eine Unkenntnis des Klägers von seiner Verpflichtung zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen ist umso weniger anzunehmen, als im Zusammenhang mit der im Mai 2014 erfolgten Anstellung des Beigeladenen J. nach den glaubhaften Darlegungen des als Zeugen gehörten Steuerberaters Y. ein von diesem zur Abklärung der Voraussetzungen für ein Beschäftigungsverhältnis entwickelter sechsseitiger Fragebogen herangezogen worden ist. Gerade die Auswertung dieses Fragebogens hat im Ergebnis zur Meldung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses mit dem Bauhelfer J. geführt.
Demgegenüber hat der Kläger – sehenden Auges – davon Abstand genommen, eine entsprechende Prüfung in Absprache mit dem Steuerberater – insbesondere unter Einbeziehung auch des von diesem entwickelten sechsseitigen Fragebogen – im Hinblick auf die ebenfalls als Helfer auf den Baustellen eingesetzten Beigeladenen G. und M. zu bewirken. Die Unterlagen über die Mitwirkung auch dieser beiden Helfer hat er seinem Steuerberater nach dessen glaubhafter Darlegung vielmehr erst nach Beendigung der Mitarbeit zugeleitet. Auch dies lässt nur den Rückschluss darauf hin, dass jedenfalls von einem bedingten Vorsatz hinsichtlich der Beitragshinterziehung auszugehen ist.
Bezeichnenderweise vermochte der Kläger auch nicht nachvollziehbar darzulegen, wie die von ihm geltend gemachte – aus Sicht des Senates allerdings schon im Ausgangspunkt nicht nachvollziehbare – Gutgläubigkeit fortbestanden haben soll, nachdem im August 2014 Prüfungen des Hauptzollamtes eingeleitet wurden, aufgrund derer er insbesondere einer Einsichtnahme in die beim Steuerberater aufgezeigten Geschäftsunterlagen zugestimmt und bei einer weiteren Einsichtnahme in solche Unterlagen in seinen eigenen Räumlichkeit auch anwesend war.
Das Protokoll des Erörterungstermins vermittelt anschaulich, dass der Kläger nicht einmal ansatzweise eine entsprechende Gutgläubigkeit nachvollziehbar aufzuzeigen vermochte. Auf Nachfrage, welches Ziel aus seiner Sicht die damaligen Prüfungen der Beamten des Hauptzollamtes gehabt hätten, zuckte er mit den Schultern. Auf weitere Nachfrage, ob er seinerzeit mit dem Steuerberater noch einmal über die Angelegenheit gesprochen habe, zog er sich darauf zurück, dass seinerzeit eine Betriebsprüfung von Seiten des Finanzamtes durchgeführt worden sei, er habe angenommen, dass „das Ganze zusammenhing“. Auch dabei handelt es sich um eine nicht glaubhafte Schutzbehauptung. Eine den Ermittlungen des Hauptzollamtes vorausgegangene Betriebsprüfung der Finanzverwaltung hat es gar nicht gegeben. Die auf nachfolgende entsprechende Nachfrage des Senates vom Kläger vorgelegten Unterlagen machen deutlich, dass eine Außenprüfung des Finanzamtes erst Jahre später im Mai 2019 (vgl. das vorgelegte Schreiben des Finanzamtes AC., Bl. 305 GA) durchgeführt worden ist. Schon im gedanklichen Ausgangspunkt konnte der Kläger bei dieser Ausgangslage im Jahr 2014 die damaligen Prüfungen des Hauptzollamtes nicht damit in Zusammenhang bringen.
Es lässt sich auch nichts dafür objektivieren, dass der Zeuge Y. als Steuerberater den Kläger in einer Weise beraten haben könnte, dass dieser im Zeitraum der tatsächlichen Heranziehung der Beigeladenen G. und M. als Bauhelfer nicht einmal mit bedingtem Vorsatz die Möglichkeit einer Begründung von abhängigen und sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen gesehen hat.
Es ist schon nicht erkennbar, dass der Zeuge überhaupt mit dem Kläger über die rechtlichen Vorgaben für eine Heranziehung entsprechender Helfer vor dem tatsächlichen Einsatz der Beigeladenen G. und M. gesprochen hat. Der Zeuge Y. hat vielmehr bei seiner Vernehmung berichtet, dass er von dem Einsatz dieser beiden Beigeladenen im klägerischen Unternehmen erst im Rahmen der Buchführungsarbeiten Kenntnis erlangt hat, welche er etwa im August des Folgejahres jeweils für das Vorjahr anhand der nachträglich vom Kläger eingereichten Buchführungsunterlagen vorgenommen habe. Seinerzeit seien die tatsächlichen Abläufe längst abgeschlossen gewesen.
Der Senat hat keinen Anlass, an diesen Angaben des Zeugen Y. zu zweifeln. Seine Vernehmung macht allerdings deutlich, dass ihm nicht mehr alle Daten verlässlich präsent sind. Dies ist aber nach knapp zehn Jahren ohnehin nicht mehr zu erwarten. Überdies hat der Zeuge natürlich nicht alle Arbeiten im Zusammenhang mit dem Betrieb des Klägers in eigener Person vorgenommen. Sein Steuerberatungsbüro war vielmehr entsprechend üblichen Gegebenheiten arbeitsteilig organisiert. So wird im Schreiben des Steuerberatungsbüros vom 5. September 2014 auf eine (in seinem Büro tätige) „Kollegin Frau AD.“ verwiesen; bei der Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen am 21. Oktober 2014 war Ansprechpartnerin des Büros Frau AE..
Dabei ergab sich im Zuge der damaligen Einsichtnahme durch die Zollbeamten, dass dem Steuerberater seinerzeit noch gar nicht die sog. Eingangsrechnungen des Klägers aus dem Jahr 2014 vorlagen. Dies spricht für die Richtigkeit des Vortrages des Zeugen Y., dass ihm entsprechende Unterlagen erst nach Ablauf des jeweiligen Geschäftsjahrs zur Auswertung im Rahmen der Finanzbuchhaltung übermittelt worden sind. Im Ergebnis geht der Senat daher davon aus, dass dem Zeugen Y. die grundlegenden Abläufe seiner damaligen Tätigkeit für den Kläger im Rahmen der Finanzbuchhaltung und im Rahmen der (mit der Anstellung des Beigeladenen Ratz im Mai 2014 begonnenen) Lohnbuchhaltung bei seiner Vernehmung durchaus noch präsent waren und von ihm glaubhaft geschildert worden sind.
Auch die Vernehmung des Zeugen AB. hat in diesem Zusammenhang zu keinen das Berufungsbegehren stützenden Erkenntnissen geführt. Soweit von Seiten des Klägers schriftsätzlich vorgetragen worden war, dass dieser Zeuge den weiteren Zeugen Y. zum Inhalt seiner Beratung gegenüber dem Kläger „befragt“ habe (S. 3 der Klagebegründung, Bl. 3 GA) bzw. dass dieser sich im Rahmen einer telefonischen Rücksprache mit dem Steuerberater über den Sachverhalt „vergewissert“ habe (vgl. Widerspruch vom 6. September 2019, Bl. 501 VV), muss dies schon im Ausgangspunkt nach dem Ergebnis der Befragung des Zeugen AB. relativiert werden. Eine konkrete Befragung ist im Rahmen des einmaligen und „relativ kurzen“ Telefongesprächs gerade nach den eigenen Angaben des Zeugen AB. nicht erfolgt. Im Rahmen dieses Gesprächs hat der Zeuge zwar ihm berichtete Erinnerungen des Klägers an vormalige Beratungen geschildert, ihm im Rahmen der damaligen telefonischen Nachfrage geschilderte konkrete Erinnerungen des Steuerberaters Y. an vorausgegangene Beratungen des Klägers vermochte aber auch der Zeuge AB. nicht zu berichten.
Sein vager Hinweis, dass der Steuerberater Y. die Erinnerungen des Klägers „im Wesentlichen“ bestätigt haben soll, führt im vorliegenden Zusammenhang nicht weiter. Es ist gar nicht nachvollziehbar erkennbar, wie genau der Zeuge AB. in diesem Gespräch welche konkrete Erinnerungen des Klägers geschildert haben will und wie die – ohnehin nur „im Wesentlichen“ erfolgte – Bestätigung durch den Steuerberater Y. sich im Einzelnen dargestellt haben soll. Überdies lässt sich auch gar nicht objektivieren, inwieweit dem Steuerberater im Rahmen des damaligen „relativ kurzen“ Telefonats der (seinerzeit schon rund fünf Jahre zurückliegende) konkrete Sachverhalt überhaupt noch klar vor Augen stand. Der Zeuge AB. hat sich nach eigenen Angaben zu dem damaligen Telefongespräch „spontan entschlossen“, die telefonische Nachfrage war also für seinen Gesprächspartner Y. überraschend. Bei einer entsprechenden Ausgangslage ist kaum zu erwarten, dass dem Angerufenen noch Einzelheiten eines (auf der Basis des Vortrages des Klägers seinerzeit vor mehr als fünf Jahren) geführten Gesprächs mit einem seiner vielen von ihm steuerrechtlich zu betreuenden Mandanten ad hoc konkret erinnerlich gewesen sein könnten.
Der Sachverhalt ist ohnehin zu komplex, um diesen im Rahmen eines nur „relativ kurzen“ Telefongesprächs ernsthaft zu erörtern. Überdies hat sich das Telefonat gerade nach Maßgabe der Angaben des Zeugen AB. im Ergebnis schwerpunktmäßig mit dem Austausch von Rechtsauffassungen befasst; die als solche regelmäßig natürlich keinen konkreten unmittelbaren Rückschluss auf tatsächliche Geschehensabläufe zulassen. Zudem kommen im vorliegenden Zusammenhang Rechtsauffassungen mit ganz unterschiedlicher Relevanz in Betracht: Es wird rechtliche Einschätzungen des Steuerberaters zur Frage der sozialversicherungsrechtlichen Einordnung von Bauhelfern auf der Basis seines Kenntnisstandes im Zeitpunkt des Telefonats gegeben haben. Des Weiteren wird der Steuerberater zuvor nach Einleitung der Ermittlungen mit dem Kläger über mögliche rechtliche Strategien zur Abwehr in Betracht kommender Beitragsforderungen und die in diesem Zusammenhang zweckmäßiger geltend zu machender Rechtsauffassungen gesprochen haben. Und schließlich kommen natürlich grundsätzlich auch Rechtsauffassungen in Betracht, welche der Steuerberater im Rahmen vorausgegangener Gespräche insbesondere in den Jahren 2013 und 2014 gegenüber dem Kläger geäußert haben könnte. Die vagen Schilderungen des Zeugen AB. ermöglichen allerdings schon im Ausgangspunkt keine verlässlichen Unterscheidungen, worauf genau sich der von ihm berichtete Austausch von Rechtsauffassungen im Rahmen seines Telefongesprächs mit dem Steuerberater aus der Sicht der beteiligten Telefongesprächspartner jeweils bezogen haben soll.
Bei der beschriebenen Ausgangslage ist nur ergänzend darauf hinzuweisen, dass der Vortrag des Klägers zu einer angeblich bereits vor dem Einsatz der Beigeladenen G. und M. erfolgten Beratung durch den Steuerberater (welche nach den glaubhaften Angaben des Zeugen gar nicht erfolgt ist) überdies auch in sich unschlüssig ist.
Der Kläger will den Zeugen von AF. zu einem nicht konkret benannten Zeitpunkt gefragt haben, auf was er zu achten habe. Dieser habe ihm erläutert, dass „für die Frage der Anerkennung des Subunternehmerverhältnisses“ auch die Ausstellung ordnungsgemäßer Rechnungen und die Wahrnehmung von Aufträgen für mehrere Auftraggeber maßgeblich seien. Das nachfolgende Verhalten des Klägers spricht aber gar nicht dafür, dass er in diesem Sinne zuvor beraten worden ist. Auf der Basis einer solchen Beratung hätte er insbesondere eingehend der Frage nachgehen müssen, inwieweit die Beigeladenen G. und M. tatsächlich seinerzeit auch für andere Auftraggeber tätig geworden sind. Entsprechende Fragen haben ihn aber offenbar überhaupt nicht interessiert, was nur den Rückschluss zulässt, dass ihn seinerzeit auch niemand zuvor im Sinne einer maßgeblichen Relevanz solcher Fragen beraten hatte. So hat der Kläger im Erörterungstermin berichtet: „Ich habe keine Kenntnisse bezüglich der Frage, ob Herr G. seinerzeit noch für andere Auftraggeber tätig war. Wir haben zwar beruflich zusammengearbeitet, privat kannte ich ihn aber nicht näher.“
Bezeichnenderweise hat der Kläger es auch hingenommen, dass er von Seiten des Beigeladenen G. für dessen Mitarbeit in den ersten sieben Monaten des Jahres 2014 die fortlaufend nummerierten sieben (Monats-)Rechnungen 1/2014 bis 7/2014 erhalten hat, obwohl gerade eine solche unmittelbare Aufeinanderfolge von Rechnungsnummern an den jeweiligen Auftraggeber nach den von Seiten des Klägers nachträglich angeführten – angeblichen – Beratungen durch den Steuerberater der Anerkennungsfähigkeit einer Subunternehmertätigkeit entgegengestanden hätte.
Auch eine ordnungsmäße Rechnungserstellung ist von Seiten des Klägers augenscheinlich nicht näher geprüft worden. Wäre er tatsächlich von Seiten des Steuerberaters entsprechend dem schriftsätzlichen klägerischen Vortrag über die Notwendigkeit einer „ordnungsgemäßen“ Rechnungserstellung als Voraussetzung für die Anerkennungsfähigkeit einer Subunternehmertätigkeit informiert worden, dann wäre natürlich auch zu erwarten gewesen, dass Einzelheiten einer entsprechenden „ordnungsgemäßen“ Rechnungsstellung im Gespräch mit dem insoweit fachkundigen Steuerberater erörtert worden wären. Dann wäre aber aufgefallen, dass namentlich pauschal für „erbrachte Leistung“ ausgestellte Rechnungen (vgl. etwa Bl. 195 – 197 VV) nicht den Anforderungen des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 UStG hinsichtlich der erforderlichen konkreten Bezeichnung der erbrachten Leistungen genügen.
Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist nur ergänzend darauf hinzuweisen, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ohnehin Vorsatz regelmäßig vorliegen wird, wenn – wie auch im vorliegenden Fall – für das gesamte typische Arbeitsentgelt (zB bei "Schwarzarbeit") überhaupt keine Beiträge entrichtet werden (BSG, Urteil vom 30. März 2000 – B 12 KR 14/99 R –, SozR 3-2400 § 25 Nr 7, Rn. 25).
c) Angesichts des dem Kläger anzulastenden Vorsatzes kommt eine Verjährung der festgesetzten Beitrags- und Umlagenforderungen nicht in Betracht. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV erst in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind.
2. Die Festsetzung von Säumniszuschlägen zugunsten der Einzugsstellen Bundesinnungskrankenkasse Gesundheit (West), also der Krankenkasse des Beigeladenen G. im Jahr 2013 und in den ersten drei Monaten des Jahr 2014, der DAK Gesundheit (Krankenkasse des Beigeladenen G. ab April 2014) und der AOK Bremen-Bremerhaven (Krankenkasse des Beigeladenen M.) genügt nur teilweise den rechtlichen Anforderungen.
a) Für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, ist nach §§ 24 Abs. 1 SGB IV für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Eine jeweils gesonderte Abrundung rückständiger Beiträge und Beitragsvorschüsse unterschiedlicher Fälligkeit ohne vorherige Addition ist zulässig. Bei einem rückständigen Betrag unter 150 Euro ist der Säumniszuschlag nicht zu erheben, wenn dieser gesondert anzufordern wäre.
b) Die der Beklagten im Rahmen der Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV zugewiesene Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten insbesondere auch zur Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung umfasst auch die Befugnis zur Festsetzung von Säumniszuschlägen aufgrund einer verzögerten Entrichtung dieser Beiträge.
(1) In der Literatur (vgl. Wehrhahn in Beck-Online-Großkommentar [Kasseler Kommentar], Stand: 15.5.2023, SGB IV § 28p Rn. 31) wird allerdings teilweise vertreten, dass nur die Ermittlung der „rechtlichen Voraussetzungen“ der Säumniszuschläge im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehe und somit zum Gegenstand der Betriebsprüfung gehöre; die „Entscheidung zur Zahlung“ treffe hingegen die Einzugsstelle.
(2) Demgegenüber weist die Rechtsprechung überwiegend den prüfenden Rentenversicherungsträgern auch die Befugnis und die Aufgabe zu, bei der Ermittlung von Beitragsrückständen im Rahmen von Betriebsprüfungen zugleich auch daran anknüpfende Säumniszuschläge festzusetzen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 7. Juli 2020 – B 12 R 28/18 R –, SozR 4-2400 § 24 Nr 9; vgl. etwa auch BSG, Urteil vom 26. Januar 2005 – B 12 KR 3/04 R –, SozR 4-2400 § 14 Nr 7, Rn. 34, wonach der prüfende Rentenversicherungsträger die Säumniszuschläge „erhebt“; vgl. aus der Rechtsprechung zur „Festsetzung“ der Säumniszuschläge im Rahmen eines Betriebsprüfungsbescheides beispielsweise auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Juli 2023 – L 2 BA 638/22 –, Rn. 59, juris, und Urteil vom 14. Februar 2023 – L 9 BA 138/18 –, Rn. 109, juris, Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 8. März 2022 –
L 3 BA 8/20 –, Rn. 35, juris; entsprechend zu ihrer „Erhebung“ im Rahmen der Betriebsprüfungsbescheide: Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26. Januar 2023 – L 3 BA 6/19 –, Rn. 51, juris, Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Juli 2022 – L 8 BA 49/21 B ER –, Rn. 26, juris; vgl. in diesem Sinne auch Scheer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl., § 28p SGB IV, Stand: 17.11.2023, Rn. 263).
(3) Allerdings wird auch in der Rechtsprechung des BSG teilweise darauf abgestellt, dass die Betriebsprüfung insbesondere den Zweck verfolge, den Einzugsstellen durch Sicherstellung von Arbeitgeberunterlagen und -aufzeichnungen eine „Berechnungsgrundlage“ zu verschaffen, damit diese die notwendigen Schritte zur Geltendmachung von Ansprüchen auf (rückständige) Beiträge unternehmen können (BSG, U.v. 28. Mai 2015 – B 12 R 16/13 R –, SozR 4-2400 § 28p Nr 5, Rn. 23). Der (Leistungs- bzw Zahlungs-)Bescheid des prüfenden Rentenversicherungsträgers schaffe erst die Grundlage für die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Beitragsschuldverhältnis und vermittele insoweit den Nachweis einer Rechtsstellung, ohne gleichzeitig bereits die Funktion eines Vollstreckungstitels im engeren Sinne zu haben (BSG, aaO). Diese (in der zitierten Entscheidung durch den seinerzeit maßgeblichen insolvenzrechtlichen Hintergrund mitgeprägte) Auffassung beschränkt sich nicht auf die Festsetzung von Säumniszuschlägen, erfasst aber neben der Festsetzung von Beitragsrückständen auch die Erhebung von Säumniszuschlägen. Auch wenn das BSG im Ergebnis von Leistungsbescheiden im Sinne von Zahlungsbescheiden des prüfenden Rentenversicherungsträgers ausgeht, werden damit inhaltlich Anknüpfungen an die unter (1) erläuterte Literaturauffassung zum Ausdruck gebracht.
(4) Bei der Bewertung der vorstehend erläuterten Rechtsauffassung bedarf es der Differenzierung zwischen zwei Rechtsfragen: Zu klären ist zunächst der Regelungsinhalt des im konkreten Fall zur Überprüfung gestellten Bescheides, ob dieser also insbesondere lediglich Feststellung zu den „rechtlichen Voraussetzungen“ der Säumniszuschläge trifft oder bereits seinerseits einen Leistungsbescheid im Sinne eines Zahlungsgebotes beinhaltet. Daran anknüpfend ist zu prüfen, ob es eine Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der konkret getroffenen Regelung gibt.
Die Auslegung eines Betriebsprüfungsbescheides hat entsprechend den allgemeinen Rechtsgrundsätzen für die Auslegung von Verwaltungsakten ausgehend von seinem Verfügungssatz und der Heranziehung des in § 133 BGB ausgedrückten allgemeinen Rechtsgedankens zu erfolgen. Es kommt nicht auf den Buchstaben, sondern den wirklichen Willen der Behörde bzw. des Verwaltungsträgers an, soweit er im Bescheid greifbar seinen Niederschlag gefunden hat. Für die Ermittlung des erklärten Willens sind dabei auch die Umstände und Gesichtspunkte heranzuziehen, die zur Aufhellung des Inhalts der Verfügung beitragen können und die den Beteiligten bekannt sind, wenn der Verwaltungsakt sich erkennbar auf sie bezieht. Maßstab der Auslegung ist insofern der verständige und Zusammenhänge berücksichtigende Beteiligte (BSG, U.v. vom 22. März 2018 - B 5 RE 5/16 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 16 RdNr 27 mwN und Urteil vom 13. Dezember 2018 – B 5 RE 1/18 R –, BSGE 127, 147, Rn. 49 mwN).
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid aus der Sicht eines verständigen Empfängers klar einen Zahlungsbescheid und damit einen Leistungsbescheid erlassen. Sie hat den Kläger explizit zur „Zahlung“ der festgesetzten Beträge aufgefordert, wobei der Zusammenhang der entsprechenden Ausführungen in dem Bescheid deutlich zum Ausdruck bringt, dass das Zahlungsgebot sich auch auf die festgesetzten Säumniszuschläge erstreckt.
Auch auf der Basis der vorstehend unter (1) erläuterten Literaturauffassung wäre bei dieser Ausgangslage der Bescheid im Sinne eines Zahlungsbescheides auszulegen. Insoweit wäre er dann allerdings nach Maßgabe dieser Rechtsauffassung mangels einer Ermächtigungsgrundlage für den Rentenversicherungsträger aufzuheben. Im nächsten Schritt wäre dann auf der Basis dieser Auffassung zu prüfen, ob der Bescheid aus der wiederum maßgeblichen Sicht eines verständigen Empfängers hinreichend deutlich einen Regelungswillen der Behörde im Sinne einer verbindlichen Feststellung von „Voraussetzungen“ der Säumniszuschläge als Entscheidungsgrundlage für eine nachfolgend von der Einzugsstelle gesondert zu treffende Entscheidung über eine Verpflichtung zur „Zahlung“ entsprechender Zuschläge zum Ausdruck bringt.
(5) Im Ergebnis erachtet es der Senat jedoch nicht für sachgerecht, sich der vorstehend unter (1) dargelegten Literaturauffassung anzuschließen. Mit der vorstehend erläuterten Rechtsprechung geht er vielmehr davon aus, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV den prüfenden Rentenversicherungsträger zur Festsetzung im Sinne des Erlasses entsprechender Zahlungsbescheide auch im Hinblick auf Säumniszuschläge ermächtigt hat. Nach dem Regelungszusammenhang soll die den prüfenden Rentenversicherungsträgern eingeräumte Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten insbesondere zur „Beitragshöhe“ sich auch auf die Festsetzung von Säumniszuschlägen erstrecken, zumal der Gesetzgeber mit der Formulierung Beiträge „einschließlich“ Säumniszuschläge in § 28k SGB IV ein weites Verständnis des Begriffes der Beiträge im Sinne der §§ 28d ff. SGB IV zum Ausdruck gebracht hat.
Dieses Verständnis entspricht dem gesetzgeberischen Anliegen zur effektiven Bekämpfung insbesondere von Beitragshinterziehungen, welches bereits der Durchführung von Betriebsprüfungen zugrunde liegt. Nach Maßgabe der gesetzgeberischen Zielvorstellungen soll gerade auch im öffentlichen Interesse an der zeitnahen Beitreibung geschuldeter Beträge die abschließende Berechnung und Festsetzung der rückständigen Beiträge unter Einschluss der Säumniszuschläge regelmäßig schon im Rahmen der Betriebsprüfung erfolgen.
Auch die vom Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Prüfkompetenzen für die Rentenversicherungsträger einbezogene Besorgnis, dass angesichts des umfassenden auch Werbung im betrieblichen Rahmen einbeziehenden Wettbewerbs der gesetzlichen Krankenversicherungsträger eine „neutrale Prüfung“ durch die Krankenkassen bei betroffenen Arbeitgebern nicht immer verlässlich zu erwarten sei (BT-Drs. 13/1205, S. 6), spricht für die Auslegung des § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV im Sinne einer Ermächtigung auch zur Festsetzung von Säumniszuschlägen durch den Rentenversicherungsträger.
c) Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag allerdings nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte (§ 24 Abs. 2 SGB IV). Eine unverschuldete Unkenntnis im Sinne dieser Vorschrift kommt im vorliegenden Zusammenhang allerdings schon angesichts des dargelegten Beitragsentziehungsvorsatzes auf Seiten des Klägers nicht in Betracht. Die Festsetzung der Säumniszuschläge für den Säumniszeitraum bis Dezember 2015 lässt im Ergebnis keine Rechtsfehler erkennen. Wegen der Einzelheiten der entsprechenden Berechnungen verweist der Senat auf den angefochtenen Bescheid.
d) Im vorliegenden Fall verstößt allerdings die Festsetzung von Säumniszuschlägen auch für die Säumniszeiträume ab Januar 2016 gegen das Übermaßverbot. Die den Berechnungen der Säumniszuschläge in dem Bescheid zugrunde gelegte im Ergebnis mehr als fünfjährige Dauer der Säumnis, welche zu einer entsprechend weitreichenden Erhöhung der Säumniszuschläge geführt hat, ist bezogen auf den Zeitraum nach Ende 2015 zu wesentlichen Teilen der Beklagten und dem in die Ermittlungen einbezogenen Hauptzollamt anzulasten. Bei dieser Ausgangslage wäre es treuwidrig und mit dem Übermaßverbot nicht in Einklang zu bringen, wenn diese weitergehende Säumnis im Ergebnis dem Kläger in Form weitergehender Säumniszuschläge angelastet würde.
aa) Säumniszuschläge nach § 24 SGB IV stellen sich als staatliche Sanktionen dar (BSG, Urteil vom 29.08.2012 - B 12 KR 3/11 R - BSGE 111, 268, vgl. in diesem Sinne auch BT-Drs. 16/3100, S. 182). Sie haben letztlich eine doppelte Funktion: Zum einen sollen sie zum Ausgleich des durch die verzögerte Beitragsentrichtung bewirkten Schadens insbesondere in Form des Zinsnachteils auf Seiten der Sozialleistungsträger dienen. Ihre Aufgabe beschränkt sich aber nicht auf den Ausgleich dieses Schadens. Lediglich ein Teil der nach § 24 SGB IV zu erhebenden Säumniszuschläge soll diesem Zweck dienen. Der restliche (jedenfalls angesichts der langjährigen Niedrigzinsphase in den betroffenen Säumniszeiträumen deutlich überwiegende) Anteil soll hingegen im Ergebnis eine zusätzliche Bestrafung bewirken.
bb) Mit der Vorgabe eines Säumniszuschlages in Höhe von einem Prozent für jeden Säumnismonat, entsprechend einem Jahreszins von 12 %, hat der Gesetzgeber bewusst eine Sanktionshöhe vorgegeben, die auch im Rahmen einer typisierenden Betrachtung den üblicherweise zu erwartenden Zinsschaden sehr deutlich übersteigt. Bezeichnenderweise sieht § 238 Abs. 1 Satz 1 AO nur eine Verzinsung mit 0,5 % im Monat vor; wobei auch bereits diese Zinsvorgabe die verfassungsrechtlichen Vorgaben missachtet (BVerfG, B.v. 8. Juli 2021 – 1 BvR 2237/14 – BVerfGE 158, 282; BFH, Beschluss vom 03. September 2018 – VIII B 15/18 –, Rn. 26, BFH/NV 2018, 1279 mwN).
Die Säumniszuschläge nach § 24 SGB IV beinhalten damit einerseits einen Anteil, der auf einen Ausgleich des Zinsnachteils auf Seiten der Sozialleistungsträger und des damit korrespondierenden Zinsvorteils auf Seiten des Beitragsschuldners gerichtet ist (Zinsausgleichskomponente) und zum anderen einen Anteil, der zielgerichtet im Sinne einer zusätzlichen Bestrafung den Pflichtverstoß auf Seiten des Beitragsschuldners sanktionieren soll (Strafkomponente). Insoweit verfolgen die Säumniszuschläge das Ziel einer Ahndung eines sozialethischen Fehlverhaltens in Form der Nichtbeachtung der Beitragsabführungsvorschriften. Gerade auch die Ausgestaltung eines Verschuldens als tatbestandliche Voraussetzung in § 24 Abs. 2 SGB IV bringt das den Säumniszuschlägen innewohnende sozialethische Unwerturteil zum Ausdruck (vgl. dazu und zum Folgenden auch Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 19. Dezember 2018 – L 2 BA 39/18 –, Rn. 176, juris).
Die Rechtsprechung des BSG verweist in diesem Zusammenhang auf eine den Säumniszuschlägen zukommende „Druckfunktion“ (BSG, U.v. 17. Mai 2001 – B 12 KR 32/00 R –, BSGE 88, 146, Rn. 24). Säumniszuschläge bezwecken „wesentlich auch, auf den säumigen Schuldner Druck auszuüben“ (BSG, U.v. 24. Februar 1988 – 2 RU 44/87 –, BSGE 63, 67, 14). Im Rahmen der mit den Säumniszuschlägen verfolgten „doppelten Zwecksetzung (Druckmittel und Schadensausgleich)“ soll ihre sonst drohende Festsetzung den Schuldner „unter Druck setzen, seiner Zahlungspflicht zum Fälligkeitszeitpunkt nachzukommen“ (BSG, U.v. 7. Juli 2020 – B 12 R 28/18 R –, SozR 4-2400 § 24 Nr 9, Rn. 12). Mit der Einschätzung, dass die am Markt zu erzielenden Zinsen und deren Höhe bei der Festsetzung von Säumniszuschlägen „nicht im Vordergrund“ stünden (BSG, U.v. 7. Juli 2020 – B 12 R 28/18 R –, aaO, Rn. 19) bringt das BSG im Ergebnis zum Ausdruck, dass die Funktion der Säumniszuschläge schwerpunktmäßig durch die mit ihrer drohenden Festsetzung einhergehende Druckfunktion geprägt wird.
Gerade diese „Druckfunktion“ bringt aber die strafähnliche Wirkung zum Ausdruck. Mit den Vorgaben über die Festsetzung hoher Säumniszuschläge will der Gesetzgeber den Beitragsschuldner gerade eindringlich vor Augen führen, dass ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur rechtzeitigen Beitragsabführung nicht nur die Pflicht zum Ausgleich des dadurch verursachten Schadens begründet, sondern darüber hinaus zur Auferlegung zusätzlicher schwerwiegender Rechtsnachteile und damit zu weiteren Sanktionen führt.
Der vom Gesetzgeber intendierte Regelungsmechanismus entspricht damit der klassischer Strafandrohungen. Den Betroffenen soll sowohl im Sinne der General- wie der Spezialprävention vor Augen geführt werden, dass Rechtsverstöße nicht nur zur Wiedergutmachung verpflichten, sondern auch mit einer zusätzlichen Sanktion und damit einem weiteren Übel geahndet werden. Der Gesetzgeber hat Sachbeschädigungen in § 303 StGB in der Einschätzung unter Strafe gestellt, dass eine daran anknüpfende Schadensersatzpflicht für sich allein nicht hinreichend verlässlich zur Rechtstreue motiviert, sondern dass es dazu der Androhung eines weiteren Übels in Form der sich in Anwendung des § 303 StGB ergebenden Bestrafung bedarf. Und entsprechend hat sich der Gesetzgeber mit der Vorgabe von hohen nicht am konkret drohenden Zinsschaden auf Seiten der geschädigten Sozialleistungsträger ausgerichteten Säumniszuschlägen von dem Ansatz leiten lassen, dass gerade der damit verbundene zusätzliche finanzielle Nachteil die Beitragspflichtigen zur Rechtstreue motivieren soll.
Nur die Zinsausgleichskomponente der Säumniszuschläge verfolgt das Ziel einer Abschöpfung des (Zins-)Gewinns. Dieses Ziel ist schon unter bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkt sachgerecht und weist als solches keine pönale Natur auf (BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2004 – 2 BvR 564/95 –, BVerfGE 110, 1-33, Rn. 63). Die Strafkomponente der Säumniszuschläge geht bewusst über eine Abschöpfung des (Zins-)Gewinns hinaus und wird von einem pönalen Charakter geprägt.
Nur diese den Säumniszuschlägen – neben dem angestrebten Zinsausgleich – maßgeblich zukommende Druckfunktion vermag, im verfassungsrechtlichen Ansatz die vom Gesetzgeber mit den Bemessungsvorgaben in § 24 Abs. 1 SGB IV bewusst angestrebte Überschreitung des üblichen Zinsniveaus zu rechtfertigen. Schuldner der im Ergebnis Nebenleistungen darstellenden Säumniszuschläge sind die (säumigen) Beitragspflichtigen, die bereits als solche vermittels der Beitragsabführung zur Finanzierung der Aufwendungen der Sozialleistungsträger herangezogen werden. Neben ihrer primären Inanspruchnahme in Form der Beitragsabführung bedürfen Nebenleistungen, die die Betroffenen zu einer weiteren Finanzleistung heranziehen, zur Wahrung der Belastungsgleichheit eines über den Zweck der Einnahmeerzielung hinausgehenden, besonderen sachlichen Rechtfertigungsgrundes, der eine deutliche Unterscheidung gegenüber der Beitragsabführung ermöglicht (vgl. zur entsprechenden steuerrechtlichen Problematik: BVerfG, B.v. 8. Juli 2021 – 1 BvR 2237/14 –, BVerfGE 158, 282, Rn. 113).
Als entsprechender besonderer sachlicher Rechtfertigungsgrund kommt im vorliegenden Zusammenhang nur die angestrebte verhaltenslenkende Wirkung in Betracht, welche mit der Androhung hoher das übliche Zinsniveau überschreitender Säumniszuschläge einhergeht. Dies ist die den Säumniszuschlägen zugewiesene „Druckfunktion“ (so auch der Ansatz des BSG im U.v.– B 12 R 28/18 R –, aaO). Eine entsprechende verhaltenslenkende Wirkung lässt die Verfassung im Ausgangspunkt natürlich zu, allerdings sind bei ihrer Ausgestaltung die weiteren verfassungsrechtlichen Vorgaben für entsprechende „Druckanwendungen“ vermittels der Androhung und Festsetzung strafähnlicher Sanktionen und damit insbesondere auch die Vorgaben des Schuldprinzips zu beachten.
cc) Als strafähnliche Sanktion muss sich die in den Säumniszuschlägen integrierte Strafkomponente an dem aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete Schuldgrundsatz messen lassen. Dieser Grundsatz verbietet es, eine Tat ohne Schuld des Täters auch nur strafähnlich zu ahnden (BVerfG, B.v. 7. April 2020 – 2 BvR 1935/19 –, Rn. 29, juris). Zugleich müssen – gemessen an der Idee der Gerechtigkeit - Tatbestand und Rechtsfolge sachgerecht aufeinander abgestimmt sein. Die Strafe und entsprechend die strafähnliche Sanktion müssen in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Verschulden des Täters stehen; insoweit deckt sich der Schuldgrundsatz in seinen die Strafe begrenzenden Auswirkungen mit dem Verfassungsgrundsatz des Übermaßverbotes (vgl. zum Vorstehenden BVerfG, B.v. 17. Januar 1979 – 2 BvL 12/77 –, BVerfGE 50, 205, Rn. 38 mwN). Die einen Täter treffenden Folgen einer Straftat müssen zur Schwere der Rechtsgutsverletzung und des individuellen Verschuldens in einem angemessenen Verhältnis stehen, die im Einzelfall verhängte Sanktion muss in diesem Sinne schuldangemessen sein (BVerfG, B.v. 14. Januar 2004 – 2 BvR 564/95 –, BVerfGE 110, 1, Rn. 57; B.v. 07. Oktober 2008 – 2 BvR 578/07 –, NJW 2009, 1061, Rn. 28; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2014 – 7 C 6/12 – NVwZ 2014, 939).
Die verfassungsrechtliche Herleitung dieses an der Idee der Gerechtigkeit orientierten Grundsatzes aus dem Rechtsstaatsprinzip i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. ebenfalls BVerfG, B.v. vom 17. Januar 1979, aaO) verdeutlicht, dass dieser Ansatz sich nicht auf das Strafrecht im klassischen Sinne (unter Einschluss insbesondere des Ordnungswidrigkeitsrechts und des Disziplinarrechts) beschränken kann, sondern sich auch auf andere staatliche Sanktionen mit strafähnlicher Wirkung erstrecken muss. Dem Schuldgrundsatz unterliegen dementsprechend auch Sanktionen, die wie eine Strafe wirken.
Strafähnlich ist eine Maßnahme freilich nicht schon dann, wenn sie mit einer Einbuße an Freiheit oder Vermögen verbunden ist und damit faktisch die Wirkung eines Übels entfaltet. Bei der Beurteilung des pönalen Charakters einer Rechtsfolge sind vielmehr weitere, wertende, Kriterien heranzuziehen, insbesondere der Rechtsgrund der Anordnung und der vom Gesetzgeber mit ihr verfolgte Zweck. So hat das Bundesverfassungsgericht den in § 890 Abs. 1 ZPO geregelten Zwangsmaßnahmen, die neben der Disziplinierung des Schuldners auch Sühne für eine begangene Zuwiderhandlung bezwecken, strafähnliche Wirkung zugesprochen; dagegen hat es die Anordnung von Untersuchungshaft im Ermittlungsverfahren und die Unterbringung drogenabhängiger Täter in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB wegen des sichernden Charakters dieser Maßnahmen nicht als strafähnlich angesehen (vgl. BVerfG, B.v. 14. Januar 2004, aaO, Rn. 59 mwN). Soweit die Höhe der Säumniszuschläge die Höhe des typischerweise zu erwartenden Schadens bewusst deutlich übersteigt (vgl. zur Zuordnung jeweils von Teilbeträgen der Säumniszuschläge zu den einzelnen mit der Verhängung verfolgten verschiedenen Zwecken auch etwa BFH, Urteil vom 29. August 1991 – V R 78/86 –, BFHE 165, 178), erklärt sich dies aus der ihnen des Weiteren zukommenden Straffunktion, mit der die schon angesprochene Druckwirkung sowohl unter spezial- als auch unter generalpräventiven Gesichtspunkten herbeigeführt werden soll. Insoweit handelt es sich um eine von einem Schadensausgleich losgelöste Nachteilsauferlegung, welche den begangenen Rechtsverstoß in Form der nicht rechtzeitigen Beitragsentrichtung ahnden und damit die Bereitschaft sowohl des individuellen Betroffenen als auch zugleich der übrigen Beitragsverpflichteten zur gewissenhaften Beachtung der gesetzlichen Beitragsabführungspflichten fördern soll (vgl. ergänzend zum Vorstehenden auch Senatsurteil vom 27. Juli 2021 – L 2 BA 26/21 –, Rn. 113 ff., juris).
Soweit die Säumniszuschläge (im Ergebnis sehr deutlich) die Höhe des Zinsvorteils überschreiten, stellen sie sich insbesondere nicht als eine zu unterbindende Nutznießung von Verbrechensgewinnen dar (vgl. zu solchen Fallgestaltungen insbesondere BVerfG, B.v.– 2 BvR 564/95 –, BVerfGE 110, 1, Rn. 103), vielmehr bringen sie eine eigenständige zusätzliche Sanktionierung des begangenen Unrechts zum Ausdruck. Diese Ahndung wirkt im Ausgangspunkt rückblickend repressiv (vgl. zu diesem Kriterium BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2004 – 2 BvR 383/03 –, BVerfGE 111, 54, Rn. 212).
Säumniszuschläge stellen eine missbilligende hoheitliche Reaktion auf ein schuldhaftes Verhalten und damit eine strafähnliche Sanktionierung dar (vgl. zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 11. Juni 1969 – 2 BvR 518/66 –, BVerfGE 26, 186, Rn. 50). Die Verhängung von Säumniszuschlägen in einem Ausmaß, welches den zu erwartenden Zinsschaden sehr deutlich überschreitet, stellt sich als eine missbilligende hoheitliche Reaktion auf ein rechtswidriges, schuldhaftes Verhalten dar. Mit ihnen wird wegen dieses Verhaltens ein Übel verhängt, welches im Ergebnis der Ahndung und damit dem Schuldausgleich dient (vgl. zu diesem Maßstab: BVerfG, U.v. 5. Februar 2004 – 2 BvR 2029/01 –, BVerfGE 109, 133, Rn. 125).
dd) Die einfachgesetzlichen Vorgaben in § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV über die Festsetzung von Säumniszuschlägen bilden die erläuterten verfassungsrechtlichen Vorgaben allerdings nur sehr unzureichend ab. Dies begründet für den Rechtsanwender im jeweils zu beurteilenden Einzelfall nicht selten besondere Schwierigkeiten, um zu Ergebnissen zu gelangen, welche entsprechend Art. 20 Abs. 3 GG sowohl den verfassungsrechtlichen als auch den einfachgesetzlichen Vorgaben angemessen Rechnung tragen.
Zu den strukturellen Problemen trägt bereits die Entscheidung des Gesetzgebers bei, dass mit vorsätzlichen Beitragshinterziehungen verbundene Unrecht (zusätzlich zu der natürlich vorgesehenen Schadenswiedergutmachung in Form der Nachholung der geschuldeten Beitragszahlungen) in zwei regelmäßig getrennt zu führenden Verfahren nach Maßgabe ganz unterschiedlicher Maßstäbe zu sanktionieren. Dieselbe (Vorsatz-)Tat begründet zum einen eine Strafbarkeit nach Maßgabe des § 266a StGB. Sofern es nicht zu einer Einstellung des Strafverfahrens nach § 153 oder § 153a StPO kommt, obliegt die Bemessung der Strafe dem zuständigen Strafrichter in Anwendung der ihm ein weites Beurteilungsermessen einräumen Grundsätze der Strafzumessung nach Maßgabe des § 46 StGB. Dabei ist das Strafgericht im Rahmen der konkreten Strafzumessung gehalten, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände festzustellen, zu bewerten, gegeneinander abzuwägen (§ 46 Abs. 2 Satz 1 StGB) und die Strafe innerhalb des ihm zur Verfügung stehenden Strafrahmens zu bestimmen. Eine "Mathematisierung" oder ein sonstiger Schematismus ist dem Gesetz in diesem Zusammenhang fremd (BGH, B.v. 12. Juni 2017 – GSSt 2/17 –, BGHSt 62, 184, Rn. 24).
Neben dieser strafrechtlichen Sanktionierung steht die strafähnlich wirkende Sanktionierung derselben Tat mit der Festsetzung von (den bewirkten Zinsschaden deutlich übersteigenden) Säumniszuschlägen im Sinne der diesen zugewiesenen „Druckfunktion“. Dafür sind die Einzugsstellen bzw. bei Betriebsprüfungen nach § 28p SGB IV (wie im vorliegend zu beurteilenden Fall) der prüfende Rentenversicherungsträger zuständig, wobei bezüglich dieser Festsetzungen der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet ist. Ungeachtet der strafähnlichen Wirkung hat der Gesetzgeber im Ausgangspunkt in § 24 SGB IV den festsetzenden Stellen und den zur Überprüfung berufenen Sozialgerichten überhaupt kein Beurteilungsermessen zur Erfassung insbesondere des Ausmaßes der individuellen Schuld im jeweiligen Einzelfall eingeräumt, sondern ein mathematisch-rechnerisches Bemessungsverfahren vorgegeben, welches allein an die Dauer der Säumnis und die Höhe der Beitragsrückstände anknüpft.
Der Gesetzgeber hat bereits versäumt, für eine sachgerechte Harmonisierung der im Ausgangspunkt vorgesehenen zweifachen Sanktionierung einer Beitragshinterziehung einerseits in Form einer Bestrafung aufgrund des Straftatbestandes nach § 266a StGB und andererseits in Form schwerpunktmäßig mit strafähnlicher Wirkung ausgestalteter im Verwaltungsverfahren zu erhebender Säumniszuschläge nach Maßgabe des § 24 SGB IV Sorge zu tragen.
Schon strafrechtlich ist nicht klar vorgegeben, inwieweit die weitere Sanktionierung durch die Festsetzung von Säumniszuschlägen bei der Straffestsetzung zu berücksichtigen ist (sofern deren Höhe, anders als wohl im vorliegenden Fall, im Zeitpunkt der Beendigung des Strafverfahrens überhaupt bekannt ist). Zwar gilt im Ausgangspunkt, dass negative „schwere“ Folgen der Tat für den Täter nach den allgemeinen Strafzumessungsregeln des § 46 StGB strafmildernd zu berücksichtigen sind (Groß/Kulhanek in Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2020, § 60 Rn. 11). Andererseits soll es für ein Absehen von Strafe nicht als solches ausreichen, dass der Täter durch die Tatfolgen (zu denen auch die dadurch verwirkten Säumniszuschläge zu rechnen sein dürften) bereits „hinreichend bestraft“ ist. Dafür müssten die Folgen vielmehr derart schwer sein, dass sich das Verfehltsein von Strafe unter jedem Gesichtspunkt einem verständigen Betrachter unmittelbar und ohne besondere Abwägung aufdrängt (Bayerisches Oberstes Landesgericht, U.v. 27. Januar 1971 – RReg 5 St 169/70 –, NJW 1971, 766, Rn. 7). Die sozialrechtlich im Ausgangspunkt maßgeblichen einfachgesetzlichen Vorgaben des § 24 SGB IV sehen in ihrem Wortlaut ohnehin keine Berücksichtigung von aufgrund derselben Tat verhängten Kriminalstrafen vor.
Auch wenn Säumniszuschläge nicht auf Grund der allgemeinen Strafgesetze im Sinne des Art. 103 Abs. 3 GG verhängt werden und daher ihre Festsetzung neben einer Bestrafung nach § 266a StGB schon im rechtlichen Ausgangspunkt nicht gegen den Grundsatz ne bis in idem verstoßen kann, so gebietet doch der materiell-rechtliche Gehalt des erläuterten in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Schuldprinzips, dass die Gesamtheit der durch dieselbe Tat verwirkten Strafen und strafähnlichen Sanktionen schuldangemessen sein muss.
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte aufgrund der Tätigkeit der streitbetroffenen Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. und 3. Säumniszuschläge nach § 24 Abs. 1 SGB IV in Höhe von 18.268,00 € festgesetzt. Ausgehend von dem im betroffenen Säumniszeitraum niedrigen Zinsniveaus ist die überschlägige Zuordnung eines Teilbetrages von 25 % dieser Summe zur Zinskomponente und dementsprechend der weiteren 75 % zur Strafkomponente angemessen, damit beläuft sich diese strafähnliche Sanktion auf größenordnungsmäßig 13.700 €. Dies ist immerhin in etwa das Sechsfache des Betrages (von lediglich 2.300 €), welche die Strafverfolgungsbehörden im Verfahren zur Ahndung der Straftat nach § 266a StGB für ausreichend angesehen haben, um das öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung im Sinne des § 153a StPO zu beseitigen.
Auch im Übrigen besteht schon im Ausgangspunkt eine grundlegende Diskrepanz zwischen den an die Schwere der Rechtsgutsverletzung und an das Ausmaß des individuellen Verschuldens anknüpfenden verfassungsrechtlichen Vorgaben und den einfachgesetzlichen Regelungen in § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Letztere sehen eine Bemessung der Höhe der Säumniszuschläge auch hinsichtlich des in diesen inbegriffenen Sanktions- bzw. Strafanteils in einem rechnerischen Verfahren allein nach Maßgabe der Dauer der Säumnis, also des Zeitraums zwischen Fälligkeit und tatsächlicher Zahlung, und der Höhe der von der Säumnis betroffen Zahlbeträge vor. Die tatsächliche Dauer dieser Säumnis bringt aber lediglich einen von vielen Aspekten zum Ausdruck, welche erst in der gebotenen wertenden Gesamtbetrachtung eine Beurteilung des Ausmaßes des individuellen Verschuldens zulassen.
Dem Schuldgrundsatz ist auch und insbesondere bei der Ahndung vorsätzlicher Verfehlungen uneingeschränkt Rechnung zu tragen. Auch bei Vorsatztaten gibt der Zeitablauf zwischen Begehung und Aufdeckung jedoch als solcher regelmäßig keine richtungweisenden Aufschlüsse über das Ausmaß des Verschuldens. Beispielsweise mag nach dem Diebstahl eines Fahrrads in dem einen Fall der Täter mit dem entwendeten Rad schon nach einem Tag und in einem anderen Fall erst nach zwei Jahren von der Polizei entdeckt werden. Bei der Erfassung des Schuldausmaßes wäre es jedoch nicht sachgerecht, das Ausmaß der Schuld allein rechnerisch nach Maßgabe des Zeitraums zwischen Tat und deren Aufklärung zu bestimmen und dementsprechend im zweiten Beispielsfall angesichts der tatsächlich erst später erfolgenden Ergreifung des Täters ein Vielfaches (rechnerisch letztlich das 730fache) der Schuld im ersten Beispielsfall anzunehmen.
Auch bei Beitragshinterziehungen bringt die zeitliche Ausdehnung der Säumnis nur einen Teilaspekt der daneben von anderen Faktoren bestimmten individuellen Schuld zum Ausdruck, welche nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben in der gebotenen Gesamtbewertung aller schuldbestimmenden Aspekte als Maßstab für die Bemessung der in den Säumniszuschlägen beinhalteten Strafkomponente zu berücksichtigen ist. Es fehlt damit letztlich schon im Ausgangspunkt an der gebotenen hinreichenden Korrelation zwischen den einfachgesetzlichen Maßstäben für die Ermittlung der Höhe der in den Säumniszuschlägen beinhalteten Strafkomponente und ihrer verfassungsrechtlich gebotenen Ausrichtung an dem Ausmaß der individuellen Schuld.
ee) Das BSG modifiziert allerdings den gesetzgeberischen Ansatz gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB VI inzwischen im Ergebnis dahingehend, dass möglichen Härten oder einer Unverhältnismäßigkeit im Einzelfall Rechnung getragen werden kann. Es verweist dabei namentlich auf die Regelungen zur Stundung, Niederschlagung und zum Erlass von Forderungen nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB IV, welche „umfassend“ insbesondere einer Unverhältnismäßigkeit im jeweiligen Einzelfall entgegenstehen sollen (BSG, U.v. 7. Juli 2020 – B 12 R 28/18 R –, SozR 4-2400 § 24 Nr 9, Rn. 19).
Der vom BSG (aaO) damit postulierte Ansatz, dass diese Vorgaben und damit im Ergebnis insbesondere die Möglichkeit eines Erlasses von Säumniszuschlagsforderungen nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB IV „umfassende Regelungen“ zur Vermeidung namentlich einer „Unverhältnismäßigkeit im Einzelfall“ beinhalten, wirkt sich zunächst auf die Auslegung der tatbestandlichen Voraussetzungen für einen entsprechenden Erlass nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB IV aus. Die dieser Vorschrift vom BSG zugewiesene Aufgabe einer („umfassenden“) Vermeidung von Unverhältnismäßigkeiten im Einzelfall kann sie nur erfüllen, wenn bereits eine Unverhältnismäßigkeit der Höhe der sich im Einzelfall aus den rechnerischen Vorgaben des § 24 Abs. 1 SGB IV ergebenden Säumniszuschläge zugleich die Unbilligkeit im Sinne des § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB IV bedingt. Im Ergebnis hat damit die erläuterte BSG-Rechtsprechung zur Folge, dass über den Wortlaut des §§ 76 Abs. 2 Nr. 3 SGB IV hinaus, von der Erhebung von Säumniszuschlägen nicht nur im Falle einer sich aus ihrer „Einziehung“, sondern auch bereits im Falle einer sich aus ihrer Festsetzung ergebenden Unbilligkeit im Sinne insbesondere auch von deren Unverhältnismäßigkeit abzusehen ist.
Eine in diesem Sinne ausgehend von der Rechtsprechung des BSG erweiternde Auslegung des § 76 Abs. 2 SGB IV ist sachgerecht mit den gesetzlichen Zuständigkeitsvorgaben in Einklang zu bringen. Soweit nach § 76 Abs. 3 Satz 1 für Ansprüche auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag die zuständige Einzugsstelle Entscheidungen nach § 76 Abs. 2 SGB IV (unter den Voraussetzungen des Abs. 3 Satz 3 nur im Einvernehmen mit den beteiligten Trägern der Rentenversicherung und der Bundesagentur für Arbeit) vornehmen darf, bezieht sich diese Zuständigkeitszuweisung nach dem gesetzgeberischen Regelungsplan auf die im Wortlaut des § 76 Abs. 2 Nr. 3 SGB IV vorgesehene Prüfung einer Unbilligkeit lediglich der Einziehung einer zuvor ihrerseits rechtmäßig festgesetzten Forderung (vgl. etwa zur Zuweisung einer Prüfung der Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 Satz 1 SGB IV zu einem gesonderten nachfolgenden Verfahren im Rahmen des Einziehungsverfahrens: BSG, Urteil vom 01. Juli 2010 – B 13 R 67/09 R –, SozR 4-2400 § 24 Nr 5, Rn. 43).
Der Gesetzgeber wollte damit aber nicht die Prüfung der Voraussetzungen für die Festsetzung von Säumniszuschlägen als solche im Zusammenhang mit Betriebsprüfungen den Einzugsstellen zuweisen, und zwar auch nicht hinsichtlich der Vereinbarkeit ihrer Festsetzung mit dem Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit. Eine Aufspaltung der Prüfung der materiellrechtlichen Voraussetzungen für die Festsetzung von Säumniszuschlägen hinsichtlich insbesondere der in diesem inbegriffenen Strafkomponente in einer Weise, bei der der prüfende Rentenversicherungsträger zunächst ohne Prüfung des Übermaßverbotes die Verpflichtung zur Zahlung entsprechende Zuschläge festzusetzen hätte und nachfolgend die Einzugsstellen erst die Vereinbarkeit der Festsetzungen mit dem Übermaßverbot zu prüfen hätten, wäre ohnehin schon ihrerseits mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in Einklang zu bringen. Wenn der Gesetzgeber eine solche Aufspaltung der Prüfungskompetenzen gewollte hätte, wofür allerdings nichts ersichtlich ist, dann hätte er der betriebsprüfenden Stelle lediglich entsprechende Feststellungskompetenzen bezüglich einzelner Berechnungskomponenten zuweisen dürfen und den Erlass eines durchsetzbaren Leistungsgebots erst von der abschließenden Prüfung der weiteren Voraussetzungen in Form der materiell-rechtlichen Beachtung des Übermaßverbotes abhängig machen müssen.
Verfahrens- und verfassungsrechtlich folgt aus dem erläuterten Ansatz des BSG damit, dass die Voraussetzungen einer Unverhältnismäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge und damit deren Unbilligkeit im Sinne des § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB IV bereits im Ausgangsverfahren zu prüfen sind. Art. 19 Abs. 4 GG verbürgt die Effektivität des Rechtsschutzes im Sinne eines Anspruchs des Bürgers auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle, bei der insbesondere die von der Prozessordnung eröffneten Rechtsmittel für die Betroffenen nicht "leerlaufen" dürfen (vgl. dazu etwa BVerfG, B.v. 5. Dezember 2001 – 2 BvR 527/99 –, BVerfGE 104, 220, Rn. 33 mwN).
Die Bürgerinnen und Bürger haben einen („substantiellen“, vgl. BVerfG, B.v. 16. Mai 2018 – 2 BvR 635/17 –, NJW 2018, 2467, Rn. 34, juris) Anspruch auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle. Dazu gehört vor allem, dass das Gericht - bezogen auf das als verletzt behauptete Recht - eine hinreichende Prüfungsbefugnis über die tatsächliche und rechtliche Seite des Rechtsschutzbegehrens hat sowie über eine zureichende Entscheidungsmacht verfügt, um einer erfolgten oder drohenden Rechtsverletzung abzuhelfen. Aus der Garantie effektiven Rechtsschutzes folgt namentlich im Ausgangspunkt die Pflicht der Gerichte, die angefochtenen Verwaltungsakte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig nachzuprüfen (vgl. BVerfG, B.v. 27. Oktober 1999 – 1 BvR 385/90 –, BVerfGE 101, 106, Rn. 67 und B.v. 22. November 2016 – 1 BvL 6/14 –, BVerfGE 143, 216, Rn. 20 jeweils mwN).
Soweit das BVerfG (BVerfG, B.v. 31. Mai 2011 – 1 BvR 857/07 –, BVerfGE 129, 1, Rn. 102, mwN) „Verfahrensstufungen in Form bindender Vorentscheidungen, die durch einen Angriff gegen die Endentscheidung nicht mehr oder nur eingeschränkt einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden können“ prinzipiell für zulässig erachtet, kann dies im vorliegenden Zusammenhang schon deshalb nicht ausschlaggebend sein, weil die zur Überprüfung gestellte Entscheidung über die Festsetzung von Säumniszuschlägen schon im Ausgangspunkt keine solche „Vorentscheidung“, sondern eine das Verwaltungsverfahren abschließende vollstreckungsfähige abschließende Entscheidung darstellt.
Auch im Übrigen fehlen die vom BVerfG (aaO) für die Zulässigkeit entsprechender „Verfahrensstufungen“ entwickelten Voraussetzungen: Es fehlt bereits an einer hinreichend klaren gesetzlichen Bestimmung für die Annahmen einer solchen „Verfahrensstufung“; dementsprechend wird für den betroffenen Bürger auch keine damit einhergehende Aufspaltung des Rechtsschutzes mit daraus resultierenden Auswirkungen auf die Anfechtungslast bezüglich aufeinander bezogener Verwaltungsentscheidungen hinreichend klar erkennbar.
Mangels einer maßgeblichen gesetzlich angeordneten Verfahrensstufung umfasst die erläuterte aus Art. 19 Abs. 4 GG ergebende Pflicht der Gerichte zur „vollständigen“ Nachprüfung der im gerichtlichen Verfahren angegriffenen Festsetzungen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht auch die Abklärung ihrer Vereinbarkeit mit dem Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit. Nur bei diesem Verständnis wird dem – sich aus dem rechtsstaatlichen Erfordernis der Messbarkeit und Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns folgenden – Gebot hinreichend getragen, dem Rechtsuchenden den Weg zur Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen klar vorzuzeichnen (vgl. dazu BVerfG, B.v. 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, BVerfGE 107, 395, Rn. 69 mwN).
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit fordert, dass bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit für die Adressaten des Verbots gewahrt bleiben muss. Die Maßnahme darf sie mithin nicht übermäßig belasten (Übermaßverbot oder Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne). Im Bereich des staatlichen Strafens (unter Einschluss der Verhängung strafähnlicher Sanktionen) folgt aus dem Schuldprinzip, welches seine Grundlage in Art. 1 Abs. 1 GG findet, und aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der aus dem Rechtsstaatsprinzip und den Freiheitsrechten abzuleiten ist, dass die Schwere der Tat und das Verschulden des Täters zu der Strafe bzw. zu den strafähnlichen Sanktionen in einem gerechten Verhältnis stehen müssen. Tatbestand und Rechtsfolge müssen sachgerecht aufeinander abgestimmt sein (vgl. zum Vorstehenden bezogen auf Strafandrohungen: BVerfG, B.v. vom 9. März 1994 – 2 BvL 43/92 –, BVerfGE 90, 145, Rn. 123 mwN). Das Übermaßverbot stellt einen rechtsstaatlichen Eckpfeiler dar; gerade auch seine Einhaltung muss von den überprüfenden Gerichten entsprechend der Verfassungsgarantie des effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG wirksam geprüft werden können.
ff) Die Diskrepanz zwischen den einfachgesetzlichen schwerpunktmäßig an die Säumnisdauer anknüpfenden Vorgaben des § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV und dem verfassungsrechtlichen Gebot der Schuldangemessenheit strafähnlicher Sanktionen wird noch nachhaltig verschärft, soweit – wie auch im vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt – im jeweiligen Einzelfall die Dauer der Säumnis schwerpunktmäßig den beteiligten staatlichen Behörden anzulasten ist. Wenn gleichwohl die Festsetzung der Säumniszuschläge unter Einschluss der in diesen inbegriffenen Strafkomponente auf der Basis der tatsächlichen Säumnisdauer pauschal in Umsetzung der rechnerischen Vorgaben des § 24 Abs. 1 SGB IV vorgenommen wird, führt dies zu sachwidrigen Resultaten. Mit einem solchen Ansatz werden im Ergebnis die den staatlich beauftragten Stellen anzulastenden Versäumnisse zulasten des betroffenen Bürgers als schulderhöhende Umstände bei der Bemessung der staatlichen Sanktionen berücksichtigt. Ein solches Vorgehen ist gemessen am verfassungsrechtlichen Schuldprinzip in sich widersprüchlich und widerspricht schon rechtsstaatlichen Anforderungen.
Die pauschale Erhebung von Säumniszuschlägen auch in Bezug auf Säumniszeiträume, welche wesentlich durch Säumnisse auf Seiten der beteiligten Behörden bedingt sind, stellt sich als unverhältnismäßig und nicht schuldangemessen dar. Die Erhebung von Säumniszuschlägen bringt die Grundauffassung des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass die Sozialversicherungsbeiträge im Interesse der Gewährleistungen der finanziellen Grundlagen der Sozialversicherung zeitnah zu entrichten sind. Dieser Grundansatz begründet für die beteiligten Behörden natürlich auch die Verpflichtung, bei erkannten Verstößen sich auch ihrerseits nachdrücklich um eine zeitnahe Heranziehung des Beitragsschuldners zu bemühen. Dementsprechend hat der Gesetzgeber in § 76 Abs. 1 SGB IV als Konkretisierung des Gebotes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gemäß § 69 Abs. 2 SGB IV auch eigens die Pflicht zur rechtzeitigen und damit zeitnahen Erhebung von Einnahmen normiert.
Die Berücksichtigung einer überlangen nicht durch Sachgründe gerechtfertigten Dauer des behördlichen Verfahrens zur Ahndung bekannt gewordener Verstöße gegen die Beitragsabführungspflicht durch die Nacherhebung der von Rechts wegen aufzubringenden Beitragszahlungen kann hinsichtlich der damit einhergehenden Festsetzung von Säumniszuschlägen umso weniger als schulderhöhender Gesichtspunkt berücksichtigt werden, als im allgemeinen Strafrecht gerade die gegenteilige Bewertung in Konkretisierung des Schuldprinzips als sachgerecht anerkannt ist.
Ein großer zeitlicher Abstand zwischen Tat und Aburteilung sowie eine lange Verfahrensdauer und ihre nachteiligen Auswirkungen auf den Angeklagten stellen strafrechtlich regelmäßig sogar selbst dann gewichtige Milderungsgründe dar, wenn die Verzögerungen sachlich bedingt waren (BGH, B.v. 21. Dezember 2010 – 2 StR 344/10 – NStZ 2011, 651, Rn. 14 mwN). Erst recht gilt dies natürlich für Fallgestaltungen sachlich nicht bedingter erheblicher Verzögerungen.
Der Beschleunigungsgrundsatz wurzelt bereits im Rechtsstaatprinzip. Er dient einerseits öffentlichen Interessen, indem er insbesondere etwa dazu beiträgt, eine auf unverfälschter Beweisgrundlage beruhende Entscheidung zu ermöglichen. Dabei fördert er zugleich eine auch generalpräventiven Aspekten genügende Realisierung des staatlichen Sanktionsanspruchs und schützt zudem die betroffenen subjektiven Belange des Beschuldigten (BVerfG, B.v. 21. Juni 2006 – 2 BvR 750/06 –, BVerfGK 8, 260-266). Ein langer Zeitablauf nach der Tat führt nicht nur zu einer Minderung des Sühneanspruchs, weil das Strafbedürfnis allgemein abnimmt, sondern erfordert auch eine gesteigerte Prüfung der Wirkungen der Strafe für den Täter (BGH, B.v. 12. Juni 2017 – GSSt 2/17 –, BGHSt 62, 184, Rn. 30 mwN).
So, wie der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz allgemein dazu anhält, in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen, ob die eingesetzten Mittel insbesondere der Bestrafung unter Berücksichtigung der davon ausgehenden Grundrechtsbeschränkungen für den Betroffenen noch in einem angemessenen Verhältnis zu dem dadurch erreichbaren Rechtsgüterschutz stehen, verpflichtet er im Falle eines mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht in Einklang stehenden überlangen Verfahrens zur Prüfung, ob und mit welchen Mitteln der Staat gegen den Betroffenen (noch) strafrechtlich vorgehen kann (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07 –, BGHSt 52, 124-148, Rn. 24). Diesen Bewertungsgrundsätzen ist auch bei der Prüfung der Schuldangemessenheit des Ausmaßes der in den Säumniszuschlägen beinhalteten Strafkomponente Rechnung zu tragen. Wenn im allgemeinen Strafrecht eine überlange Verfahrensdauer unter Berücksichtigung namentlich des Verfahrensgrundsatzes der Verhältnismäßigkeit sanktionseinschränkend zu berücksichtigen ist, dann kann eine behördlicherseits zu vertretende Ausdehnung der Verfahrensdauer sich nicht in Bezug auf die in den Säumniszuschlägen beinhaltete strafähnliche Ahndung sanktionserhöhend auswirken.
Im vorliegenden Fall ist nach der Überprüfung der Baustelle am 20. August 2014 (Bl. 17 VV) zeitnah vom Kläger die Zustimmung zur Einsichtnahme in seine Geschäftsunterlagen erteilt worden (vgl. Schreiben seines Steuerberaters vom 5. September 2014, Bl. 7 VV). Eine entsprechende Geschäftsunterlagenprüfung wurde am 10. November 2014 (Bl. 11 VV) durchgeführt.
Auch die Beklagte war bereits Anfang 2015 mit dem Sachverhalt befasst (vgl. etwa ihre Stellungnahme vom 9. März 2015 an das Hauptzollamt, Bl. 21 VV). Bereits damals waren alle wesentlichen Eckpunkte des Sachverhalts bekannt. Wenn gleichwohl der maßgebliche Beitragsnacherhebungsbescheid erst am 20. August 2019 erlassen worden ist, war dies primär von den beteiligten Behörden zu vertreten. Den Verwaltungsvorgängen der Beklagten ist nichts dafür zu entnehmen, dass noch so umfängliche weitere Ermittlungstätigkeiten erforderlich gewesen sein könnten, welche auch bei einem sachgerechten Vorgehen einen weiteren Bearbeitungszeitraum von mehr als vier Jahren erfordert hätten. Soweit eine Befragung von Beigeladenen Anfang 2015 für hilfreich erachtet worden ist, konnte diese innerhalb weniger Wochen veranlasst werden. Entsprechendes gilt für eine eventuell erforderliche Hausdurchsuchung beim Kläger, bezüglich derer ohnehin nicht ersichtlich ist, zu welchen konkreten für die Beitragsnacherhebung maßgeblichen weiteren Erkenntnissen diese (nach der bereits im November 2014 erfolgten Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen des Klägers) noch führen sollte. Auch die Beklagte vermochte auf Nachfrage des Senates die Sachgerechtigkeit der außergewöhnlichen Verzögerung um mehr als vier Jahre nicht nachvollziehbar zu erläutern.
Der faktische zeitliche Abstand zwischen dem Zeitpunkt der Fälligkeit der nachzuentrichtenden Beiträge und dem Zeitpunkt ihrer Festsetzung in einem entsprechenden Beitragsnacherhebungsbescheid lässt in Fallgestaltungen der vorliegend zu beurteilenden Ausprägung noch weniger als sonst richtungweisende Rückschlüsse auf eine Schwere der Sorgfaltswidrigkeit und damit auf ein Verschulden auf Seiten des Beitragsschuldners zu, soweit sich dieser Abstand maßgeblich gerade durch Versäumnisse auf Seiten der zur Feststellung und Durchsetzung von Beitragsrückständen zuständigen Behörden verlängert hat. Es stellt ein in sich widersprüchliches und damit im Ergebnis zugleich treuwidriges Verhalten dar, wenn die zur zeitnahen Durchsetzung von Beitragsrückständen zuständigen Behörden ihre Tätigkeit selbst mit erheblichen zeitlichen Versäumnissen betreiben und dann das ihrerseits bewirkte Anwachsen der Säumniszeiträume im Ergebnis dem Beitragsschuldner in Form zusätzlich angewachsener Säumniszuschläge als strafähnliche weitere Sanktion anlasten (vgl. allgemein zum Gesichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens unter Berücksichtigung des § 242 BGB auch BSG, U.v. 19. Oktober 2000 - B 10 LW 21/99 R - SozR 3-5868 § 21 Nr 2).
In der gebotenen Gesamtbetrachtung unter Einbeziehung der dabei unvermeidbaren Schätzungen und Pauschalierungen erachtet es der Senat im vorliegenden Fall – auch unter Berücksichtigung des sehr niedrigen Zinsniveaus in den Jahren ab 2016 und der damit seinerzeit nachdrücklich verminderten Relevanz der angesprochenen Zinsausgleichskomponente – für eine sachgerechte Bewertung, die Erhebung von Säumniszuschlägen auf den Säumniszeitraum bis Ende 2015 zu begrenzen. Für die nachfolgenden Zeiträume stehen ihrer Festsetzung ihre fehlende Schuldangemessenheit und damit zugleich die aufgezeigte Treuwidrigkeit entgegen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.