I. Die Klage gegen den Bescheid 18.03.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2016 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
T a t b e s t a n d :
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente aus dem Arbeitsunfall vom 12.10.2011 hat.
An diesem Tag kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem im Jahr 1965 geborenem Kläger und seinem Vorgesetzten im Rahmen der Tätigkeit des Klägers als Ingenieur. Diese endete damit, dass der Vorgesetzte mit dem Fuß nach dem Kläger trat, dessen Bürostuhl traf und der Kläger daraufhin fluchtartig das Büro verlies. Der ab 13.10.2011 behandelnde Nervenarzt Dr. E. diagnostiziert eine akute Belastungsreaktion und verwies auf einen länger andauernden Arbeitskonflikt; der ab 23.11.2011 behandelnde Nervenarzt Dr. F. ging von Anpassungsstörung aus.
Das Ereignis wurde im Verfahren mit dem Az. S 5 U 108/13 durch Gerichtsbescheid vom 08.09.2014 als Arbeitsunfall anerkannt. In diesem Klageverfahren wurde ein Gutachten des Facharztes für Neurologie und Nervenheilkunde Dr. G. eingeholt. Dr. G. ging von einer akuten Belastungsreaktion für die Dauer von maximal einer Woche bei länger andauernder Anpassungsstörung auf dem Boden einer kombinierten Persönlichkeitsstörung aus. Der Vorfall sei geeignet, eine kurze psychische Reaktion hervorzurufen, ohne die Persönlichkeitsstruktur des Klägers sei es nicht erklärbar, dass das Ereignis eine derart lange und hartnäckige Symptomatik verursacht habe. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei für eine Woche mit 30 vH zu bewerten, anschließend mit 0 vH. Beigezogen wurde ein Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. vom 04.06.2012, erstellt im Klageverfahren mit dem Az. S 2 KR 92/12 zur Frage der Dauer der Arbeitsunfähigkeit. Dr. H. ging von einer Persönlichkeitsstörung mit zwanghaft-selbstunsicheren Zügen und einer länger andauernden depressiven Anpassungsstörung aus.
Den Antrag des Klägers auf Gewährung von Verletztenrente lehnte die Beklagte unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Dr. G. mit Bescheid vom 18.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2016 ab.
Mit seiner am 11.11.2016 zum Sozialgericht Regensburg erhobenen Klage hat der Kläger die Gewährung einer Verletztenrente weiterverfolgt.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch ein Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. und auf Antrag des Klägers durch ein weiteres Gutachten des Facharztes für psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. D..
Dr. E. ist in seinem Gutachten vom 21.03.2017 nach ambulanter Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis gekommen, dass keine Folgen des Unfalls mehr vorlägen. Die MdE betrage für eine Woche 30 vH, anschließend unter 10 vH. Unfallbedingt sei es zu einer Anpassungsstörung gekommen; unfallunabhängig und entwicklungsbedingt bestehe eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit zwanghaften, selbstunsicheren, narzisstischen und sensitiven Zügen.
Dr. D. hat in seinem Gutachten vom 11.12.2017 nach ambulanter Untersuchung des Klägers festgestellt, dass sich die Symptomatik einer akuten Belastungsreaktion entwickelte, die definitionsgemäß nach Ablauf einiger Tage (bis Wochen) rückbildungsfähig sei. Die nachfolgende bzw. persistierende Beschwerdesymptomatik sei in Übereinstimmung mit den Vorgutachten als zwanghafte und unsichere Persönlichkeitsstörung sowie als Anpassungsstörung zu beschreiben, die nicht als Folge des Unfalls anerkennungsfähig seien. Eine MdE liege nicht vor.
Der Kläger hat Ausführungen zu einem Datenschutzverstoß aufgrund einer Telefonnotiz vom 26.03.2012 der Beklagten über ein Gespräch mit seinem damaligen Vorgesetzten und zum fehlenden Arbeitsschutz in dessen Firma gemacht. Zudem hat er ein Attest des behandelnden Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. I. vom Bezirksklinikum Regensburg vorgelegt. Dieser geht von einer posttraumatischen Belastungsstörung aus bei fehlendem Anhalt einer psychiatrischen Erkrankung vor dem Unfall. Vor dem Jahr 2011 hätten gewissenhafte und penible Züge allenfalls das Ausmaß einer anankastischen Persönlichkeitsakzentuierung gehabt, aber nicht die aktuelle Beschwerdeproblematik.
Der Kläger beantragt:
1. Den Bescheid vom 18.03.2016 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 11.10.2016 aufzuheben und Unfallrente zu gewähren.
2. Außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Verwaltungsakte und der Gerichtsakte, insbesondere auf die medizinischen Sachverständigengutachten.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die form- und fristgerecht erhobene und auch im Übrigen zulässige Klage erweist sich als unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verletztenrente. Durch den Bescheid der Beklagten vom 18.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 11.10.2016 ist der Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.
Nach § 56 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vH gemindert ist, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).
Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers lag über die 26. Woche hinaus nicht vor. Der Kläger erlitt als Folge der Auseinandersetzung mit seinem Vorgesetzten unstreitig eine akute Belastungsreaktion, die spätestens nach einigen Tagen bzw. wenigen Wochen wieder abgeklungen war. Die sich anschließenden psychischen Erkrankungen einer Anpassungsstörung (ICD-10 F43.2.) auf dem Boden einer Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.5) sind nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen.
Für die Kausalitätsfeststellung zwischen den durch ein Ereignis unmittelbar hervorgerufenen Gesundheitserstschäden (haftungsbegründende Kausalität) und den als Unfallfolgen geltend gemachten länger andauernden Gesundheitsstörungen (haftungsausfüllende Kausalität) gilt wie für alle Kausalitätsfeststellungen im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung der gegenüber dem Vollbeweis geringere Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit bzw. hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, B 2 U 1/05 R). Die Kausalitätsfeststellungen zwischen den einzelnen Gliedern des Versicherungsfalles basieren auf der im gesetzlichen Unfallversicherungsrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung. Diese beruht auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie: Danach ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Als rechtserheblich werden allerdings nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs abgeleitet werden sowie auf Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten. Gesichtspunkte für die Beurteilung sind neben der versicherten Ursache als solcher, einschließlich Art und Ausmaß der Einwirkung, u.a. die konkurrierende Ursache (nach Art und Ausmaß), der zeitliche Ablauf des Geschehens, das Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, Befunde und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie die gesamte Krankengeschichte. Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Ist jedoch eine Ursache - allein oder gemeinsam mit anderen Ursachen - gegenüber anderen Ursachen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Eine Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist, kann auch als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden (vgl. Bay. LSG, Urteil vom 20.06.2012, L 2 U 340/10).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist ein Ursachenzusammenhang zwischen der vorliegenden seelischen Erkrankung des Klägers und dem Unfallereignis nicht hinreichend wahrscheinlich. Dies haben Dr. E. und Dr. G., dessen Gutachten im Wege des Urkundsbeweises verwertet werden kann (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 12. Auflage, 2017, § 128, Rz 7f) übereinstimmend und für das Gericht überzeugend dargelegt. Die vorliegende seelische Erkrankung in ihrer Dauer und Hartnäckigkeit trotz sofortiger adäquater Therapie sowohl ambulant als auch stationär ist durch das Trauma nicht erklärbar, sondern nur durch die entsprechende Persönlichkeitsstruktur des Klägers mit zwanghaften, ängstlichen und selbstunsicheren Zügen. So ist es dem Kläger nach erfolgreichem Abschluss seines Studiums nicht gelungen in der Arbeitswelt Fuß zu fassen. Sein Lebenslauf ist geprägt von mehreren kurzen Arbeitsverhältnissen und einem gescheiterten Versuch sich selbständig zu machen. Im privaten und sozialen Bereich dominiert eine starke Zurückgezogenheit im Sinne einer sozialen Isolation ohne Hobbys oder engere emotionale Beziehungen.
Die von den Ärzten des Bezirksklinikums Regensburg diagnostizierte posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10-GM-2018 F43.1) liegt bereits nicht im Vollbeweis vor. Diese Krankheit, welche nach der von der Weltgesundheitsorganisation herausgegebenen Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme in ihrer aktuellen und international gültigen Ausgabe ICD-10, Version 2018 (ICD-10-GM-2018) als "F43.1" kodiert wird, bezeichnet eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Albträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann. In wenigen Fällen nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung (ICD-10-GM-2018 F62.0) über. Kriterien für die Diagnosestellung sind ein Ereignis von außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophalem Ausmaß, das nahezu bei jedem tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde (A-Kriterium), Wiedererleben: Erinnerungen tagsüber, Träume, Flashbacks, Bedrängnis bei Konfrontation mit ähnlichen Ereignissen (B-Kriterium), Vermeidung von Umständen, welche der Belastung ähneln (C-Kriterium), Amnesie oder erhöhte Sensitivität und Erregung: mindestens zwei der folgenden Merkmale: Schlafstörungen, Reizbarkeit oder Wutausbrüche, Konzentrationsstörungen, Hypervigilanz, erhöhte Schreckhaftigkeit (D-Kriterium) sowie das Auftreten in der Regel innerhalb von sechs Monaten nach dem Ereignis (E-Kriterium).
Hiervon unterscheidet sich der Fall des Klägers gravierend, es fehlt vorliegend an den Voraussetzungen für eine Diagnosestellung. Von den Diagnosekriterien liegt bereits das A-Kriterium, welches das Gericht ohne gesonderte medizinische Sachkunde bewerten kann, nicht vor. Der erlebte Übergriff des Vorgesetzten auf den Kläger, in erster Linie verbal und mit einem Fußtritt, der den Kläger nicht getroffen hat, ist keine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem Menschen eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Somit ist die Bewertung der Sachverständigen, dass keine posttraumatische Belastungsstörung vorliegt, überzeugend.
Lediglich zu Ergänzung weist das Gericht darauf hin, dass auch der vom Kläger benannte medizinische Sachverständige Dr. D., die Beurteilung von Dr. G. und Dr. E. bestätigt.
Der vom Kläger geltend gemachte Datenschutzverstoß der Beklagten, in dem sie eine Gesprächsnotiz über ein Telefonat mit dem Vorgesetzten des Klägers, der über den Gesundheitszustand des Klägers vor Beschäftigungsbeginn eine persönliche Bewertung abgibt, zu den Akten genommen hat, - unabhängig davon, ob es sich tatsächlich um einen Datenschutzverstoß handelt - , hat keinen Einfluss auf die Sachaufklärung oder die Entscheidungsfindung des Gerichts. Auch eine Fernwirkung in Bezug auf die Verwertung der medizinischen Sachverständigengutachten ist nicht ersichtlich, da die Stellungnahme über den Gesundheitszustand des Klägers zum einen von einem medizinischen Laien kam und zum anderen von keinem der Gutachter thematisiert oder gar erwähnt wurde.
Daher konnte die Klage keine Aussicht auf Erfolg haben und ist abzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §193 Sozialgerichtsgesetz (SGG)