Unterlagen, die erst im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X vorgelegt werden, können bei der Überprüfung der abschließenden Bewilligung von Leistungen nach § 41a Abs. 3 Sätze 3 und 4 SGB II nicht mehr berücksichtigt werden.
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgericht Frankfurt am Main vom 3. September 2021 abgeändert und die Klage vollständig abgewiesen. Die Anschlussberufung der Kläger wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander in beiden Instanzen keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Überprüfungsverfahren nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) um die endgültige Festsetzung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2018 und um eine Erstattungsforderung in Höhe von insgesamt 8.623,62 Euro.
Die Kläger zu 1. und 2. sind verheiratet. Sie bildeten zusammen mit ihren Kindern, den Klägern zu 3., 4. und 5., eine Bedarfsgemeinschaft, die im laufenden Leistungsbezug bei dem Beklagten steht. Die Gesamtkosten für Grundmiete, Heizkosten und Nebenkosten belaufen sich auf eine Höhe von 723,67 Euro monatlich. Die Klägerin zu 1. ist seit 1. Februar 2015 auf Honorarvertragsbasis für den TSV K. als Übungsleiterin im Kinderturnen selbstständig tätig. Der Kläger zu 2. steht seit 1. November 2016 als Taxifahrer bei der M. Taxi in einem Beschäftigungsverhältnis zu einem monatlichen Bruttolohn in Höhe von 660 Euro.
Auf den Weiterbewilligungsantrag der Klägerin zu 1. vom 25. Mai 2018, in dem das Kindergeld mit einer Gesamthöhe von monatlich 588 Euro angegeben ist, bewilligte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 6. Juni 2018 für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2018 vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Die Leistungen beliefen sich auf monatlich 1.437,27 Euro bzw. auf einen Gesamtbetrag in Höhe von 8.623,62 Euro.
Der Beklagte forderte die Klägerin zu 1. mit Schreiben vom 1. Juli 2019 unter Fristsetzung zum 25. Juli 2019, im Folgenden mit Schreiben vom 2. August 2019 unter Fristsetzung zum 19. August 2019 auf, einen ausgefüllten Anlagebogen zur abschließenden Erklärung zum Einkommen aus der selbstständigen Tätigkeit (im Folgenden: endgültige Anlage „EKS“) für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2018 vorzulegen. Der Beklagte wies dabei darauf hin, dass die Klägerin zu 1. und die in ihrer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes verpflichtet seien, die zum Erlass einer abschließenden Entscheidung geforderten leistungserheblichen Tatsachen nachzuweisen. Für den Fall, dass sie dieser Aufforderung nicht, nicht vollständig oder trotz angemessener Fristsetzung und schriftliche Belehrung über die Rechtsfolgen nicht fristgemäß nachkämen, würde der Beklagte den Leistungsanspruch für den gesamten Bewilligungszeitraum festsetzen. Hierbei sei zu beachten, dass bei einer selbständigen Tätigkeit grundsätzlich ein Durchschnittseinkommen von 6 Monaten zu bilden sei. Wenn die angeforderten Unterlagen nicht vorlägen, könne ein solches nicht gebildet werden. Dies bedeute, dass für diese Monate die gewährten Leistungen vollumfänglich zurückgefordert und zu erstatten seien. Auch mit einer nachträglichen Vorlage von Unterlagen könne die Festsetzung des Anspruchs grundsätzlich nicht mehr mit dem Vortrag erfolgreich angegriffen werden, dass ein anderes Einkommen erzielt worden sei. Auch in einem gegebenenfalls folgenden Widerspruchsverfahren oder in einem Antrag auf Überprüfung könne nur noch geprüft werden, ob die Festsetzung als solche ordnungsgemäß durchgeführt worden sei und die Voraussetzung hierfür vorgelegen hätten.
Als auf die Schreiben vom 1. Juli 2019 und 2. August 2019 keine Reaktion erfolgt war, setzte der Beklagte mit Bescheid vom 26. August 2019 die Leistungen für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2018 endgültig auf 0 Euro fest. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass die Klägerin zu 1. zuletzt mit Fristsetzung zum 19. August 2019 vergeblich aufgefordert worden sei, die zur Anspruchsprüfung erforderlichen Unterlagen einzureichen. Da sie trotz dieser Aufforderung die Unterlagen nicht eingereicht hätte, sei festzustellen, dass ein Leistungsanspruch nicht bestehe. In dem Bescheid war keine E-Mail-Adresse des Beklagten angegeben. Die Rechtsmittelbelehrung des Bescheides lautete: „Gegen diesen Bescheid kann jeder Betroffene oder ein von diesem bevollmächtigter Dritter innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erheben. Für Minderjährige oder nicht geschäftsfähige Personen handelt deren gesetzlicher Vertreter. Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift bei der im Briefkopf genannten Stelle einzulegen.“
Die Klägerin zu 1. reichte am 9. September 2019 eine „Erklärung zum Schreiben vom 7. Juni 2019“ vom 21. Juni 2019 ein und wies u.a. darauf hin, dass sie für einen Auftraggeber (TSV K.) zwei bis drei Stunden pro Woche manchmal plus zwei Stunden Vertretung pro Woche arbeite. Der alte Vertrag liege dem Beklagten vor, einen neuen habe sie nicht. Sie sei vier Monate in einem Sprachkurs gewesen und danach einen Monat in einem Orientierungskurs. Der Beklagte wies die Klägerin zu 1. mit Schreiben vom 13. September 2019 darauf hin, dass keine weitere Prüfung des Sachverhaltes erfolge, da die mit Schreiben vom 1. Juli und 2. August 2019 geforderte ausgefüllte Anlage „EKS“ noch nicht eingereicht worden sei. Für eine erneute Prüfung des Zeitraums vom 1. Juli bis 31. Dezember 2018 müsse innerhalb von vier Wochen nach Zugang des Festsetzungsbescheides vom 26. August 2019 die ausgefüllte Anlage „EKS“ eingereicht werden.
Mit Bescheiden vom 2. Oktober 2019 forderte der Beklagte die Kläger auf, Leistungen in Höhe von insgesamt 8.623,62 Euro zu erstatten. Hierbei handelte es sich zum einen um einen Bescheid gegenüber der Klägerin zu 1. sowie den Klägern zu 3., 4. und 5. betreffend eine Erstattungsforderung in Höhe von 6.098,64 Euro, zum anderen um einen Bescheid gegenüber dem Kläger zu 2. betreffend eine Erstattungsforderung in Höhe von 2.524,98 Euro.
Die Klägerin zu 1. legte daraufhin am 14. Oktober 2019 die endgültige Anlage „EKS“ über den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2018 mitsamt einer Übersicht über die Abrechnungen gegenüber dem TSV K. bei dem Beklagten vor.
Außerdem legten die Kläger zu 1. und 2. mit zwei Schreiben vom 15. Oktober 2019, bei dem Beklagten am 17. Oktober 2019 eingegangen, jeweils gegen den sie betreffenden Erstattungsbescheid Widerspruch ein. Mit einem weiteren, gemeinsamen Schreiben vom 15. Oktober 2019, bei dem Beklagten ebenfalls am 17. Oktober 2019 eingegangen, stellten die Kläger zu 1. und 2. einen Überprüfungsantrag hinsichtlich des Bescheides vom 26. August 2019.
Mit Bescheid vom 28. Oktober 2019 lehnte der Beklagte eine Überprüfung des Bescheides vom 26. August 2019 ab. Als Begründung führte er an, dass ein Verwaltungsakt dann zurückzunehmen sei, soweit sich im Einzelfall ergäbe, dass bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erwiesen habe, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden seien. Der Bescheid vom 26. August 2019 sei jedoch nicht zu beanstanden. Es sei bei dessen Erlass das Recht richtig angewandt sowie vom zutreffenden Sachverhalt ausgegangen worden.
Mit einem Schreiben vom 18. November 2019, beim Beklagten am 21. November 2019 eingegangen, legte die Klägerin zu 1. Widerspruch sowohl gegen diesen Bescheid vom 28. Oktober 2019 als auch gegen den Bescheid vom 26. August 2019 ein. Zur Begründung wies die Klägerin zu 1. darauf hin, dass die Anlage „EKS“ eingereicht worden sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2020 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zu 1. gegen den Bescheid vom 28. Oktober 2019 als unbegründet zurück. Außerdem verwarf der Beklagte mit einem weiteren Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2020 den Widerspruch der Klägerin zu 1. gegen den Bescheid vom 26. August 2019 wegen Versäumung der Widerspruchsfrist als unzulässig. Mit Widerspruchsbescheiden vom 17. Januar 2020 wies der Beklagte außerdem den Widerspruch der Klägerin zu 1. gegen den Bescheid vom 2. Oktober 2019 und den Widerspruch des Klägers zu 2. gegen den Bescheid vom 2. Oktober 2019 jeweils als unbegründet zurück.
Gegen diese vier Widerspruchsbescheide richtete sich die am 3. Februar 2020 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main zu Protokoll der Geschäftsstelle erhobene Klage.
Die Kläger brachten vor, die vom Beklagten angeforderte endgültige Anlage „EKS“ bereits im September 2019, jedenfalls aber im Oktober 2019 bei dem Beklagten eingereicht zu haben. Ihrer Ansicht nach seien die im behördlichen, jedenfalls aber im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen, insbesondere die endgültige Anlage „EKS“, bei der Prüfung des Leistungsanspruches im Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2018 zu berücksichtigen. Soweit der Kläger zu 2. neben seinem Lohn zusätzliche Einnahmen gehabt habe, seien diese nicht anzurechnen, da sie u.a. zur Begleichung von Rechnungen aufgewendet worden seien.
Die Kläger beantragten in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 3. September 2021, 1. den Bescheid vom 28. Oktober 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2020 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 26. August 2019 zurückzunehmen und ihnen im Zeitraum von Juli bis Dezember 2018 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu bewilligen und 2. die Bescheide vom 2. Oktober 2019 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17. Januar 2020 aufzuheben.
Der Beklagte trat dem entgegen. Der Beklagte griff sein Vorbringen im behördlichen Verfahren auf. So bestünde kein Anlass, eine Leistungsberechnung zu erstellen, da nach fruchtlosem Ablauf der zur Vorlage der Unterlagen gesetzten Frist zum 19. August 2019 eine Präklusion eingetreten sei.
Die Kläger legten dem Gericht am 2. März 2020 eine Kopie der endgültigen Anlage „EKS“ über den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2018 vom 21. November 2019 vor. Auf Anforderung des Gerichts legten die Kläger außerdem die Lohnabrechnung für den Kläger zu 2. und lückenlose Kontoauszüge für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2018 vor. Aus den Kontoauszügen des Klägers zu 2. haben sich hieraus für den Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis 31. Dezember 2018 sonstige Einnahmen in Höhe von insgesamt 3.200 Euro ergeben.
Mit Urteil vom 3. September 2021 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main den Bescheid vom 28. Oktober 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2020 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, den Bescheid vom 26. August 2019 zurückzunehmen und den Klägern im Zeitraum von 1. Juli 2018 bis 31. Dezember 2018 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II unter Abänderung der Bescheide vom 2. Oktober 2019 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17. Januar 2020 in Höhe von 743,97 Euro monatlich zu bewilligen.
Die Kläger wendeten sich unter Abwehr einer gegen sie gerichteten Erstattungsforderung in einer Gesamthöhe von 8.623,62 Euro gegen die endgültige Festsetzung von Leistungen für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2018 auf 0 Euro. Hierzu ziele ihre Klage im Wesentlichen auf die Aufhebung des Bescheides vom 26. August 2019 (im Folgenden: Festsetzungsbescheid), des Bescheides vom 28. Oktober 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2020 (im Folgenden: Überprüfungsbescheid) sowie die Bescheide vom 2. Oktober 2019 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17. Januar 2020 (im Folgenden: Erstattungsbescheide). Die Kläger begehrten darüber hinaus für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2018 die endgültige Festsetzung von Leistungen durch den Beklagten unter Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Einkommensverhältnisse.
Die so verstandene Klage habe teilweise Erfolg.
Die Klage sei nach § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) betreffend die Aufhebung des Festsetzungs- und Überprüfungsbescheides sowie die verfolgte erneute abschließende Leistungsfestsetzung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Einkommensverhältnisse als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, betreffend die Abwehr der Erstattungsforderungen als Anfechtungsklage statthaft. Weiterhin sei sie sowohl form- als auch fristgerecht erhoben und auch im Übrigen zulässig.
In der Sache sei die Klage teilweise begründet. So sei der Überprüfungsbescheid aufzuheben und der Beklagte zu verurteilen, den Festsetzungsbescheid zurückzunehmen, weil die Entscheidung, die Leistungen für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2018 abschließend auf 0 Euro festzusetzen, rechtswidrig erfolgt sei. Die Kläger seien jedoch nur insoweit im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 SGG beschwert, als Leistungen für den Zeitraum von 1. Juli bis 31. Dezember 2018 in einer Gesamthöhe von 4.463,82 Euro abgelehnt wurden. Grund hierfür sei, dass sich unter Berücksichtigung der tatsächlichen Einkommensverhältnisse ein Leistungsanspruch in Höhe von 743,97 Euro monatlich bzw. in einer Gesamthöhe von 4.463,82 Euro ergebe. Die Erstattungsbescheide seien folglich nur insoweit rechtwidrig, als der Beklagte eine Erstattungsforderung über 4.159,80 Euro geltend mache.
Maßgeblich dafür, dass die Leistungen für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2018 vom Beklagten nicht auf 0 Euro festzusetzen seien, sei § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X. Danach sei ein Verwaltungsakt – hier der Festsetzungsbescheid –, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergebe, dass bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweise, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden seien. Nach § 44 Abs. 2 S. 1 SGB X sei ein rechtswidriger, nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, im Übrigen auch ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen.
Im vorliegenden Fall habe der Beklagte im Zuge der abschließenden Leistungsfestsetzung auf 0 Euro den Klägern zu Unrecht die ihnen für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2018 zustehenden Leistungen – hier in Höhe von insgesamt 4.463,82 Euro – verweigert. Der Festsetzungsbescheid sei vor diesem Hintergrund nach § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X auch aufzuheben, als der Beklagte bei dessen Erlass von einem Sachverhalt ausgegangen sei, der sich als unrichtig erwiesen habe.
So seien die Kläger im Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2018 – entgegen der Ansicht des Beklagten, der einen Leistungsanspruch verneine – unter Berücksichtigung der insofern maßgeblichen Vorgaben aus § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II leistungsberechtigt, wenn auch nicht in Höhe von 8.623,62 Euro. Nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erhielten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht hätten (Nr. 1), erwerbsfähig seien (Nr. 2), hilfebedürftig seien (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hätten (Nr. 4). Der Bedarf für den Lebensunterhalt umfasse dabei grundsätzlich die monatlichen Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, ggf. Mehrbedarfe sowie die Kosten der Unterkunft und Heizung (§ 19 Abs. 1 SGB II, § 20 ff. SGB II). Nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft lebten, erhielten Sozialgeld, soweit kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII bestehe (vgl. §§ 19 Abs. 1 S. 2, 23 SGB II).
Insbesondere habe nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II i.V. m. § 9 Abs. 1 SGB II Hilfebedürftigkeit vorgelegen. Denn die Kläger seien nicht in der Lage gewesen, ihren Lebensunterhalt ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen zu sichern.
Gemäß § 20 Abs. 5 SGB II i.V.m. § 28 SGB XII und dessen Anlage zu den geltenden Regelbedarfsstufen beinhalteten die Bedarfe der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum Regelleistungen für die Kläger zu 1. und 2. der Regelbedarfsstufe 2 in Höhe von monatlich 374 Euro und Regelleistungen für die Kläger zu 3., 4. und 5. der Regelbedarfsstufe 5 in Höhe von monatlich 296 Euro. Weiterhin hätten die tatsächlichen Aufwendungen der Kläger für Unterkunft und Heizung gem. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II 723,65 Euro monatlich betragen. Nach alledem habe im streitgegenständlichen Zeitraum ein Gesamtbedarf in Höhe von monatlich 2.359,65 Euro bzw. in einer Gesamthöhe von 14.157,90 Euro bestanden.
Diesen Bedarf hätten die Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum durch zu berücksichtigendes Einkommen gem. §§ 11 ff SGB II nicht vollständig decken können, wie sich insbesondere unter Berücksichtigung der endgültigen Anlage „EKS“ der Klägerin zu 1. ergeben habe. Gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II seien dabei als Einkommen Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen zu berücksichtigen, hier in einer Gesamthöhe von vorliegend 9.684,08 Euro.
Im Einzelnen seien hierbei Kindergeldleistungen in Höhe von insgesamt 3.528 Euro (6 x 588 Euro monatlich) und ein Einkommen der Klägerin zu 1. in Höhe von insgesamt 278,08 Euro zu berücksichtigen. Letzteres ergebe sich aus einem Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 947,60 Euro abzüglich der geltenden Freibeträge aus § 11b Abs. 2 S. 1 SGB II in Höhe von 600 Euro (6 x 100 Euro) und aus § 11b Abs. 3 S. 2 Nr. 1 SGB II in Höhe von 69,52 Euro (6 x 11,59 Euro). Zudem sei ein Einkommen des Klägers zu 2. in Höhe von insgesamt 5.888 Euro zu berücksichtigen, welches sich aus seinem Gehalt in Höhe von 3.960 Euro abzüglich der geltenden Freibeträge aus § 11b Abs. 2 S. 1 SGB II in Höhe von 600 Euro (6 x 100 Euro) und § 11b Abs. 3 S. 2 Nr. 1 SGB II in Höhe von 672 Euro (6 x 112 Euro) sowie sonstigen Einnahmen in Höhe von 3.200 Euro ergebe. Hierbei sei unerheblich, ob letztere von den Klägern aufgewendet wurden, um Rechnungen zu begleichen. Denn nach § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II seien diese Einnahmen in Geld als Einkommen zu berücksichtigen. Hierbei komme es allein auf deren Zufluss, nicht deren anschließende Verwendung an.
Insgesamt ergebe sich für den hier streitigen Zeitraum ein Leistungsanspruch der Kläger in Höhe von insgesamt 4.463,82 Euro (14.157,90 Euro abzüglich 9.684,08 Euro) bzw. monatlich 743,97 Euro. Diesen Leistungsanspruch zu erfüllen, habe der Beklagte gemäß § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X zu Unrecht verweigert.
Etwas Anderes ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung des Vorbringens des Beklagten, wonach mit Ablauf der Vorlagefrist zum 19. August 2019 eine Präklusion vor dem Hintergrund von § 41a Abs. 3 S. 3, S. 4 SGB II in seiner hier geltenden Fassung vom 1. August 2016 bis 31. März 2021 (im Folgenden: SGB II aF) eingetreten sei. Kämen danach die leistungsberechtigte Person oder die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ihrer Nachweis- oder Auskunftspflicht bis zur abschließenden Entscheidung nicht, nicht vollständig oder trotz angemessener Fristsetzung und schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen nicht fristgemäß nach, setzten die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende den Leistungsanspruch für diejenigen Kalendermonate nur in der Höhe abschließend fest, in welcher seine Voraussetzungen ganz oder teilweise nachgewiesen worden seien (vgl. § 41a Abs. 3 S. 3 SGB II aF). Für die übrigen Kalendermonate werde festgestellt, dass ein Leistungsanspruch nicht bestanden habe (vgl. § 41a Abs. 3 S. 4 SGB II aF).
Denn ungeachtet des Vorstehenden wäre der Beklagte im Zuge des von den Klägern angestrengten Überprüfungsverfahrens dazu verpflichtet gewesen, die tatsächlichen Einkommensverhältnisse zu prüfen und insbesondere die im Oktober 2019 vorgelegte endgültige Anlage „EKS“ zu berücksichtigen. Insofern könne dahinstehen, ob diese ggf. bereits im September 2019 von den Klägern eingereicht worden sei. Vorgenannte Vorschrift, insbesondere § 41a Abs. 3 S. 4 SGB II aF, finde nämlich keine Anwendung auf Fälle wie hier, in denen die Leistungsberechtigten ihrer Nachweis- und Auskunftspflicht im Zuge eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X oder einem sich hieran anschließenden gerichtlichen Verfahrens nachkämen. Dies ergebe sich bereits daraus, dass – entgegen der Ansicht des Beklagten – § 41a SGB II aF keine Ermächtigungsgrundlage beinhalte, wonach ein leistungserhebliches Vorbringen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vom Beklagten unberücksichtigt bleiben dürfe, wenn dieses nach der hierzu gesetzten Frist erfolgt sei. Ein solcher Ausschluss ergebe sich weder aus dem Wortlaut noch aus Sinn und Zweck der Vorschrift, jedenfalls soweit ein entsprechendes Vorbringen im Überprüfungsverfahren oder einem sich hieran anschließenden Gerichtsverfahren erfolge. Für die Normierung einer Präklusion hätte der Gesetzgeber nämlich bestimmen müssen, dass ein weiteres Vorbringen nach Bekanntgabe der Festsetzungsentscheidung, insbesondere in einem Rechtschutzverfahren, ausgeschlossen sei. Eine solche Regelung fehle jedoch, wie es höchstrichterlich bereits betreffend die Präklusion von in einem Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen verneint worden sei (BSG, Urt. v. 12. September 2018 – B 4 AS 39/17 R, juris, Rn 35 ff). Vielmehr handele es sich bei § 41a Abs. 3 SGB II aF um eine Vorschrift, die eine Beschleunigung der Festsetzungsentscheidung nach vorläufiger Bewilligung ermöglichen solle. Zur Erreichung dieses Gesetzeszweckes sei eine Präklusion zulasten der Leistungsberechtigten nicht erforderlich. Denn die Möglichkeit des Beklagten, bei fehlender Mitwirkung ohne Vornahme einer individuellen Schätzung ein Fehlen des Leistungsanspruches festzustellen und damit die erste Stufe des Verwaltungsverfahrens abschließen zu können, beschleunige das Festsetzungsverfahren in ausreichendem Maße (SG Berlin, Urt. v. 25. September 2017 – S 179 AS 6737/17, juris, Rn. 75). Daneben entspreche es gerade dem Sinn und Zweck des in § 44 SGB X normierten Nachprüfungsverfahrens, fehlerhaftes Verwaltungshandelns, das zum Erlass eines belastenden Verwaltungsakts geführt habe, rückwirkend zu korrigieren und zwar unabhängig davon, ob der zugrundeliegende Verwaltungsakt bereits unanfechtbar sei. Insofern sei der materiellen Richtigkeit von Entscheidungen der Vorrang gegenüber dem Grundsatz von Rechtssicherheit und Rechtsbeständigkeit einzuräumen (BSG, Urt. v. 11. November 2003 – B 2 U 32/02 R, juris, Rn 19). Letzteres verpflichte den Beklagten dazu, ungeachtet der auf Grundlage von § 41a Abs. 3 S. 3 SGB II aF gesetzten und zunächst abgelaufenen Frist, das tatsächliche, leistungserhebliche Vorbringen in einem Überprüfungsverfahren einer erneuten Prüfung zu unterziehen. Denn § 41a Abs. 3 SGB II aF begründe kein eigenständiges Rechtsfolgensystem, welches die Wirkung von § 44 SGB X als eine für das gesamte Sozialrecht geltende und von den einzelnen Regelungsregimen unabhängige Norm aufhebe. Eine andere Einschätzung treffe auch nicht das Sozialgericht Duisburg (vgl. dass., Urt. v. 2. Januar 2018 – S 49 AS 3349/17, juris, Rn 32), welches sich nicht mit dem Verhältnis von § 41a Abs. 3 SGB II und § 44 SGB X auseinandersetze. Schließlich dürfe ein in § 41a Abs. 3 SGB II enthaltener, der gesetzlichen Regelung immanenter Mangel an Klarheit in Ansehung dessen, dass es um die Bewilligung existenzsichernder Leistungen nach Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gehe, nicht zu Lasten der Leistungsberechtigten führen.
Und auch die Erstattungsbescheide, welche die vorläufig gewährten Leistungen in voller Höhe zum Gegenstand hätten, seien vor diesem Hintergrund mithin nur teilweise, vorliegend lediglich in einer Gesamthöhe von 4.159,80 Euro rechtmäßig und im Übrigen aufzuheben.
Rechtsgrundlage für die Erstattungsforderungen sei dabei § 41a Abs. 6 S. 3 SGB II aF. Danach seien Überzahlungen, die nach der Anrechnung der vorläufig bewilligten Leistungen auf die abschließend festgestellten Leistungen fortbestünden, zu erstatten. Der Beklagte sei danach berechtigt, von den Klägern die Erstattung der für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2018 überzahlten Leistungen zu verlangen. So habe der Beklagte mit Bescheid vom 6. Juni 2019 für den hier streitgegenständlichen Zeitraum Grundsicherungsleistungen nach § 41a Abs. 1 SGB II in Höhe von 8.623,62 Euro vorläufig bewilligt. Hiervon sei ein Leistungsanspruch in einer Gesamthöhe von 4.463,82 Euro in Abzug zu bringen, woraus sich Erstattungsforderungen in einer Gesamthöhe von 4.159,80 Euro entsprechend der Differenz der abschließenden Festsetzung zur vorläufigen Festsetzung ergeben.
Nach alledem sei der Klage teilweise stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruhe auf §§ 183, 193 SGG und entspreche dem Ausgang des Verfahrens. Hierbei habe die Kammer dem Beklagten die vollen Kosten auferlegt, da die Kläger im Hinblick auf ihren Klageantrag zu 1. voll obsiegt hätten. Dieser ziele insbesondere auf die Verpflichtung ab, den Beklagten zu verpflichten, Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu bewilligen und auch nur insofern die Erstattungsforderungen, wie im Klagantrag zu 2. beantragt, abzuwehren. Eine Quotelung der Kosten sei vor diesem Hintergrund nicht in Betracht, zumal unter Berücksichtigung der zu Unrecht im Überprüfungsverfahren nicht geprüften Unterlagen ein gerichtliches Verfahren hätte vermieden werden können.
Dieses Urteil wurde dem Beklagten am 14. Oktober 2021 zugestellt. Dagegen hat der Beklagte am 3. November 2021 Berufung eingelegt. Das Verfahren wurde zunächst unter dem Aktenzeichen L 7 AS 517/21 geführt. Mit Beschluss des Senats vom 24. März 2022 wurde das Verfahren in Hinblick auf das anhängige Verfahren beim Bundessozialgericht mit dem Aktenzeichen B 4 AS 64/21 R ruhend gestellt. Das Verfahren wurde nach dem Ergehen der Entscheidung des Bundessozialgerichts in diesem Verfahren unter dem Aktenzeichen L 7 AS 268/23 fortgeführt.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass die von den Klägern erst im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X vorgelegten Unterlagen nachträglich bei der Entscheidung über die abschließende Bewilligung von Leistungen nicht mehr berücksichtigt werden dürften. Das Bundessozialgericht habe dazu in seinem Urteil vom 29. November 2022, B 4 AS 64/21 R, Rdnr. 34 ausgeführt, dass im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X auf die Rechtmäßigkeit zum Zeitpunkt des Erlasses des zur Überprüfung gestellten Bescheids bzw. ggf. des Widerspruchsbescheids abzustellen sei. Deshalb könne ein Überprüfungsantrag keinen Erfolg haben, wenn die Bescheide nach § 41a Abs. 3 Sätze 3 und 4 SGB II im Zeitpunkt ihres Erlasses rechtmäßig gewesen seien. Auch hierin realisiere sich die vom Gesetzgeber intendierte Verwaltungsvereinfachung.
Der Beklagte beantragt,
die Klage unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 3. September 2021 vollständig abzuweisen und die Anschlussberufung der Kläger zurückzuweisen.
Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 28. November 2023 Anschlussberufung erhoben und beantragen,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen und das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 3. September 2021 zum Aktenzeichen S 33 AS 138/20 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern unter Änderung des Bescheides vom 26. August 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2020 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Die Kläger sind der Auffassung, der Bescheid vom 26. August 2019 sei infolge von Widerspruch und Klage nicht bestandskräftig geworden. Das Erstgericht habe bei der Protokollierung der Anträge, obwohl gemäß § 106 Abs. 1 SGG auf die Stellung sachdienlicher Anträge hätte hingewirkt werden müssen, verkannt, dass es - vor dem Hintergrund des Meistbegünstigungsantrags - dem wohlverstandenen Interesse der Kläger entsprochen hätte, von (der Aufrechterhaltung) der Anfechtung des Bescheides vom 26. August 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2020 durch die Kläger auszugehen. Deshalb seien die von den Klägern erstinstanzlich vorgelegten Unterlagen gemäß der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (B 4 AS 64/21 R, BeckRS 2022, 37914) noch zu berücksichtigen, weil gerade kein bloßes Überprüfungsverfahren vorgelegen habe.
Der streitgegenständliche Null-Festsetzungsbescheid vom 26. August 2019 sei nach der Änderung des § 84 Abs. 1 S. 1 SGG zum 1. Januar 2018 ergangen, sodass in der Rechtsbehelfsbelehrung zwingend auf die Möglichkeit der Widerspruchseinlegung in elektronischer Form hätte hingewiesen werden müssen (s. BSG, Urt. v. 27. September 2023, B 7 AS 10/22 R). In dem entsprechenden Bericht des Bundessozialgerichts zur Nummer 38/23 heiße es, zu den Mindestinhalten einer Rechtsbehelfsbelehrung zähle über den Wortlaut des § 66 Abs. 1 SGG hinaus nach Sinn und Zweck der Regelung auch eine Belehrung über die bei Einlegung eines Rechtsbehelfs zu beachtenden Formvorschriften. Über die Möglichkeit, Widerspruch auch in elektronischer Form einlegen zu können, habe das beklagte Jobcenter nicht belehrt. § 84 Abs. 1 SGG führe aber die elektronische Form des Rechtsbehelfs als eigenständige Form neben der Schriftform und der Einlegung zur Niederschrift auf. Die Belehrung sei daher unvollständig gewesen, so dass die Jahresfrist gegolten habe. Ob der Beklagte im damaligen Zeitpunkt tatsächlich in der Lage gewesen sei, im Sinne des § 36a Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) elektronisch eingelegte Widersprüche zu bearbeiten oder ob dies erst später der Fall war, sei für die Frage der inhaltlichen Anforderungen an eine zutreffende Belehrung ohne rechtliche Bedeutung. Dahin gestellt bleiben könne insoweit, ob er zur Schaffung eines elektronischen Zugangs bereits nach Maßgabe des § 84 Abs. 1 SGG oder Landesrecht (spätestens) zum 1. Januar 2018 verpflichtet gewesen wäre. Denn er habe mit der Angabe einer E-Mailadresse auf dem Kopfbogen des angefochtenen Bescheids den für die Übermittlung eines elektronischen Dokuments erforderlichen Zugang im Sinne des § 36a Abs. 1 SGB I zumindest konkludent eröffnet. Hinweise darauf, dass dies nicht auch für die Einlegung von Widersprüchen gelten solle, enthalte der Bescheid nicht. Nichts Anderes gelte, wenn dem Beklagten (technische) Möglichkeiten gefehlt haben sollten, bei auf elektronischem Weg eingelegten Widersprüchen die Einhaltung der Formvorgaben des § 36a Abs. 2 SGB I zu prüfen.
Der Beklagte habe vorliegend im Bescheid vom 26. August 2019 lediglich über die Schriftform und die Niederschrift belehrt, sodass die vom Beklagten verwendete Rechtsbehelfsbelehrung unvollständig und damit fehlerhaft gewesen sei. Mithin finde § 66 Abs. 2 SGG Anwendung, mit der Folge, dass die Kläger für die Widerspruchseinlegung nicht die einmonatige Widerspruchsfrist zu beachten hatten, sondern für die Widerspruchseinlegung ein Jahr seit Zustellung Zeit blieb. Die Kläger hätten mit Schreiben vom 18. November 2019 und vom 15. Oktober 2019 Widerspruch auch gegen den Bescheid vom 26. August 2019 eingelegt bzw. die Überprüfung des Aufhebungsbescheides beantragt. Erforderlich für das Vorliegen eines Widerspruchs sei lediglich, dass der Betroffene zum Ausdruck bringe, dass er sich durch eine Verwaltungsmaßnahme beeinträchtigt sehe und deren Überprüfung wünsche. Einer Bezeichnung als Widerspruch bedürfe es dabei nicht. Gegebenenfalls sei die Erklärung auszulegen, ohne dass am Wortlaut der Erklärung zu haften sei. Vielmehr sei zu ermitteln, welchen Inhalt diese nach den Umständen des Einzelfalles aus Sicht eines objektiven Betrachters haben sollte. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts finde auch insoweit das Meistbegünstigungsprinzip Anwendung, sodass regelmäßig davon auszugehen sei, dass der Beteiligte denjenigen Rechtsbehelf erheben wolle, der seinem Begehren und wohlverstandenen Interesse entspreche und ihm den größten Nutzen bringen könne. Insbesondere sei derjenige Rechtsbehelf gegen denjenigen Verwaltungsakt als eingelegt anzusehen, der nach Lage der Sache in Betracht komme und Erfolg versprechen könne. Für eine Überprüfungsentscheidung nach § 44 SGB X bestehe nur bei einer Rücknahme von Amts wegen Raum, weshalb ein Überprüfungsantrag, der vor Bestandskraft eines Verwaltungsaktes gestellt werde, als Widerspruch zu werten sei. Denn maßgeblich sei bei der Auslegung der objektive Erklärungswert, der sich danach bestimme, wie der Empfänger nach den Umständen, insbesondere nach der recht verstandenen Interessenlage die Erklärung verstehen müsse. Weiterer Anhaltspunkt bei der Auslegung sei das von den Beteiligten vernünftigerweise gewollte. Bei noch offener Rechtsbehelfsfrist sei - insbesondere bei einem nicht durch einen Bevollmächtigten vertretenen Betroffenen - daher regelmäßig davon auszugehen, dass sein Begehren auf Überprüfung der Sache ein Widerspruch sei. Es entspreche seiner Interessenlage, voll umfänglich den Ausgangsbescheid überprüfen zu lassen und nicht den Grenzen des § 44 SGB X zu unterwerfen (LSG Bayern, Urt. v. 19. Mai 2010, L 19 R 577/07, BeckRS 2010, 73625 Rn. 20; s. ferner LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 14.08.2012, L 14 AS 1710/12 B PKH, BeckRS 2012, 73087). Weil der Widerspruch der Rechtsbehelf sei, der nach Lage der Sache am meisten Erfolg verspreche, sei ein Überprüfungsantrag demzufolge als Widerspruch auszulegen, sofern der zur Überprüfung gestellte Bescheid noch nicht bestandskräftig sei (vgl. SG Dessau-Roßlau, Urt. v. 14.04.2015, S 13 AS 3174/12, BeckRS 2015, 132001, Rn. 21). Im Zweifel sei also von der Erhebung eines Widerspruchs auszugehen. Selbst wenn dem hinsichtlich des Schreibens vom 15. Oktober 2019 nicht gefolgt werde, wäre jedenfalls der Widerspruch vom 18. November 2019 - nicht zuletzt wegen der eindeutigen Bezeichnung - für die Fristwahrung ausreichend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die jeweils Gegenstand der mündlichen Verhandlung sind, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Die zulässige Anschlussberufung der Kläger dagegen unbegründet.
Streitgegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens sind nur noch der Überprüfungsbescheid des Beklagten vom 28. Oktober 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2020 und die beiden Erstattungsbescheide des Beklagten vom 2. Oktober 2019 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17. Januar 2020. Nicht mehr unmittelbarer Gegenstand des Berufungsverfahrens ist dagegen der Bescheid des Beklagten vom 26. August 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2020. Dieser Bescheid war zwar ursprünglich Gegenstand des erstinstanzlichen Klageverfahrens. In der mündlichen Verhandlung haben die Kläger jedoch nur noch Klageanträge hinsichtlich des Bescheides vom 28. Oktober 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2020 und hinsichtlich der beiden Bescheide vom 2. Oktober 2019 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17. Januar 2020, nicht jedoch hinsichtlich des Bescheides des Beklagten vom 26. August 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2020 gestellt. Insofern wurde die Klage teilweise zurückgenommen, denn eine teilweise Klagerücknahme liegt auch vor, wenn der Kläger von mehreren Anträgen einen oder mehrere fallen lässt (Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage 2023, Rdnr. 4). So liegt der Fall hier, weil die Kläger in der mündlichen Verhandlung am 3. September 2021 nur hinsichtlich des Bescheides des Beklagten vom 28. Oktober 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2020 und hinsichtlich der beiden Bescheide des Beklagten vom 2. Oktober 2019 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17. Januar 2020 Klageanträge gestellt haben. Dass die Kläger nicht anwaltlich vertreten waren, kann an den von ihnen gestellten bzw. nicht gestellten Klageanträgen nichts ändern, weil diese vom Gericht in das Protokoll diktiert, ihnen nochmals vorgespielt und von ihnen genehmigt wurden.
Der Bescheid des Beklagten vom 28. Oktober 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2020 (Überprüfungsbescheid), mit dem dieser eine Abänderung des Bescheides vom 26. August 2019 (Festsetzungsbescheid) abgelehnt hat, ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, da dieser Bescheid, mit dem der Beklagte die Bewilligung von Leistungen für die Kläger für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2018 abgelehnt hat, rechtmäßig ist.
Auch die Bescheide des Beklagten vom 2. Oktober 2019 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17. Januar 2020 (Erstattungsbescheide), mit denen der Beklagte die vollständige Erstattung der für die Kläger für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2018 vorläufig bewilligten Leistung verlangt, sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten.
Rechtsgrundlage für den Überprüfungsbescheid vom 28. Oktober 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2020 ist § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Dementsprechend ist eine Änderung des zu überprüfenden Bescheides abzulehnen, wenn sich der zu überprüfende Bescheid als rechtmäßig erweist. Hier haben die Kläger mit Schreiben vom 15. Oktober 2019 die Überprüfung des Bescheides vom 26. August 2019 beantragt. Mit Bescheid vom 26. August 2019 hat der Beklagte nach der erfolgten vorläufigen Bewilligung von Leistungen für die Kläger für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2018 eine endgültige Bewilligung von Leistungen vorgenommen und dabei die Leistungen in Höhe von 0 Euro festgesetzt, also die Bewilligung von Leistungen vollständig abgelehnt.
Rechtsgrundlage für den Festsetzungsbescheid vom 26. August 2019, mit denen die Bewilligung der Leistungen für die Kläger für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2018 abschließend festgelegt wurde, war hier § 41a Abs. 3 SGB II. Nach § 41a Abs. 3 S. 1 SGB II entscheiden die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende abschließend über den monatlichen Leistungsanspruch, sofern die vorläufig bewilligte Leistung nicht der abschließend festzustellenden entspricht oder die leistungsberechtigte Person eine abschließende Entscheidung beantragt. Nach § 41a Abs. 3 S. 2 SGB II sind die leistungsberechtigte Person und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nach Ablauf des Bewilligungszeitraums verpflichtet, die von den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende zum Erlass einer abschließenden Entscheidung geforderten leistungserheblichen Tatsachen nachzuweisen; die §§ 60, 61, 65 und 65a SGB I gelten entsprechend. Kommen die leistungsberechtigte Person oder die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ihrer Nachweis- oder Auskunftspflicht bis zur abschließenden Entscheidung nicht, nicht vollständig oder trotz angemessener Fristsetzung und schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen nicht fristgemäß nach, setzen die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende den Leistungsanspruch nach § 41a Abs. 3 S. 3 SGB II für diejenigen Kalendermonate nur in der Höhe abschließend fest, in welcher seine Voraussetzungen ganz oder teilweise nachgewiesen wurden. Für die übrigen Kalendermonate wird nach § 41a Abs. 3 S. 4 SGB festgestellt, dass ein Leistungsanspruch nicht bestand.
Der Beklagte durfte hier über die endgültige Bewilligung von Leistungen der Kläger für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2018 entscheiden, da die vorläufig bewilligten Leistungen in Höhe von 8.623,62 Euro nicht den abschließend festzustellenden Leistungen in Höhe von 0 Euro entsprochen haben. Die Kläger haben für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2018 keinen Anspruch auf Leistungen, so dass ihre Leistungsansprüche auf 0 Euro festgesetzt werden durften.
Die Kläger sind ihrer Nachweis- oder Auskunftspflicht bis zur abschließenden Entscheidung nicht vollständig und trotz angemessener Fristsetzung und schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen nicht fristgemäß nachgekommen. Sie sind der Aufforderung des Beklagten aus seinem Schreiben vom 1. Juli 2019 und vom 2. August 2019, zum Erlass einer abschließenden Entscheidung einen ausgefüllten Anlagebogen zur abschließenden Erklärung zum Einkommen aus der selbstständigen Tätigkeit für den Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis 31. Dezember 2018 vorzulegen, nicht rechtzeitig, nämlich bis zu der vom Beklagten im Schreiben vom 2. August 2019 gesetzten Frist bis zum 19. August 2019, nachgekommen. Die geforderten Angaben waren jedoch leistungserheblich, weil die Hilfebedürftigkeit der Kläger nach §§ 7 Abs. 1 Nr. 3, 9, 11 SGB II i.V.m. der Arbeitslosengeld/ Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) sowie § 41a Abs. 4 SGB in der bis zum 31. März 2021 geltenden Fassung und damit die Höhe ihrer Leistungsansprüche nur mit den genauen Informationen, in welcher Höhe die Klägerin zu 1. konkret über Einkünfte aus ihrer selbständigen Tätigkeit als Übungsleiterin bei dem TSV K. verfügt hat, festgestellt werden kann.
Die Schreiben der Beklagten vom 1. Juli 2019 und vom 2. August 2019 enthielten eine angemessene Fristsetzung zur Vorlage der angeforderten Angaben, da die Kläger seit dem Schreiben der Beklagten vom 1. Juli 2019 bis zu der bis zum 19. August 2019 verlängerten Frist mit mehr als sechs Wochen ausreichend Zeit hatten, die geforderten Angaben zu machen oder zu begründen, warum eine Fristverlängerung notwendig sein könnte. Die Kläger wurden auch ausreichend schriftlich über die Rechtsfolgen belehrt, die eintreten, wenn sie der Aufforderung nicht Folge leisten. Sie wurden nämlich darauf hingewiesen, dass der Beklagte den Leistungsanspruch für den gesamten Bewilligungszeitraum festzusetzen habe. Hierbei sei zu beachten, dass bei einer selbständigen Tätigkeit grundsätzlich ein Durchschnittseinkommen von sechs Monaten zu bilden sei. Wenn die angeforderten Unterlagen nicht vorlägen, könne ein solches nicht gebildet werden. Dies bedeute, dass für diese Monate die gewährten Leistungen vollumfänglich zurückgefordert und zu erstatten seien. Dieser Hinweis ist auch unter Berücksichtigung der Regelung des § 41a Abs. 4 SGB II in der bis zum 31. März 2021 geltenden und auf den am 31. Dezember 2018 endenden Bewilligungszeitraum anwendbaren Fassung zutreffend.
Die Leistungen konnte wegen der fehlenden Angaben der Kläger auch nicht für einzelne Monate oder nur teilweise festgesetzt werden. Zutreffend hat der Beklagte bereits in seinen Schreiben vom 1. Juli und 2. August 2019 darauf hingewiesen, dass der gesamte Leistungsanspruch der Bedarfsgemeinschaft von der Höhe der Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit der Klägerin abhängt. Dies ist deshalb der Fall, weil entsprechend hohe Einnahmen der Klägerin zu 1. aus ihrer selbständigen Tätigkeit dazu führen können, dass der komplette Bedarf der Bedarfsgemeinschaft zusammen mit dem übrigen feststehenden Einkommen der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gedeckt ist. Deshalb war für den gesamten Bewilligungszeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2018 festzustellen, dass ein Leistungsanspruch nicht bestand. Der Beklagte war auch nicht verpflichtet, vor der endgültigen Festsetzung der Leistungen für die Kläger für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2018 die Einnahmen und Ausgaben der Klägerin zu 1. aus ihrer selbständigen Tätigkeit von Amts wegen zu ermitteln, um dadurch die fehlenden Angaben der Klägerin zu 1. zu ersetzen. Hinsichtlich der Ausgaben liegen diese Angaben ausschließlich im Kenntnisbereich der Klägerin zu 1. und hinsichtlich der Einnahmen kann nur die Klägerin wissen, ob sie über die möglicherweise zu ermittelnden Einnahme hinaus weitere Einnahmen hat. Im Übrigen lässt die Regelung des § 41a Abs. 3 S. 3 und 4 SGB II, die auch im Zusammenhang mit § 41a Abs. 5 S. 1 SGB II zu sehen ist, keinen Spielraum für weitere Ermittlungen von Amts wegen (vgl. Kemper, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Auflage, 2021, § 41a Rdnr. 49 m.w.N.). Vielmehr kommt es für die Entscheidung über die abschließende Bewilligung von Leistungen nur auf die von den Leistungsberechtigten nachgewiesenen Tatsachen an (BSG, Urteil vom 12. September 2018, B 4 AS 39/17 R, Juris, Rdnr. 42; Kemper, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Auflage, 2021, § 41a Rdnr. 49 m.w.N.).
Dabei spielt auch keine Rolle, dass die Klägerin zu 1. am 14. Oktober 2019 die endgültige Anlage „EKS“ über den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2018 mitsamt einer Übersicht über die Abrechnungen gegenüber dem TSV K. bei dem Beklagten vorgelegt hat. Denn zu diesem Zeitpunkt der erstmaligen Vorlage der endgültigen Anlage „EKS“ über den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2018 war der Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 26. August 2019 bereits erlassen. Zwar hatten die Kläger mit Schreiben vom 18. November 2019 gegen den Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 26. August 2019 Widerspruch eingelegt. Dieser Widerspruch wurde jedoch mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2020 wegen Versäumung der Widerspruchsfrist als unzulässig verworfen. Deshalb musste der Beklagte seinen Festsetzungsbescheid vom 26. August 2019 nicht auf der Basis der am 14. Oktober 2019 eingereichten Unterlagen prüfen und ggf. abändern. Ob die Widerspruchsfrist in Hinblick auf eine möglicherweise fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid vom 26. August 2019 tatsächlich versäumt wurde oder nicht, kann jedoch nicht mehr einer gerichtlichen Prüfung unterzogen werden, weil die Klage hinsichtlich des Bescheides vom 26. August 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2020 zurückgenommen wurde. Damit steht fest, dass die erstmalige Einreichung der endgültigen Anlage „EKS“ über den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2018 am 14. Oktober 2019 verspätet erfolgt ist und von dem Beklagten nicht mehr berücksichtigt werden musste.
Diese Unterlagen waren jedoch entgegen der Auffassung des Sozialgerichts auch im Überprüfungsverfahren hinsichtlich dieses Bescheides nach § 44 SGB X nicht mehr zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts können zwar im Widerspruchsverfahren gegen einen Festsetzungsbescheid und im anschließenden Klage- oder Berufungsverfahren Unterlagen vorgelegt werden, die bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Festsetzungsbescheides zu berücksichtigen sind (BSG, Urteil vom 12. September 2018, B 4 AS 39/17 R, Juris, Rdnr. 35 ff.). In einem Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X kommt es jedoch nur auf die Rechtmäßigkeit zum Zeitpunkt des Erlasses des zur Überprüfung gestellten Bescheides bzw. ggf. des Widerspruchsbescheides an, so dass ein Überprüfungsantrag keinen Erfolg haben kann, wenn die Bescheide nach § 41a Abs. 3 Sätze 3 und 4 SGB II im Zeitpunkt ihres Erlasses rechtmäßig gewesen sind (BSG, Urteil vom 29. November 2022, B 4 AS 64/21 R, Juris, Rdnr. 34). Auch damit realisiert sich die vom Gesetzgeber intendierte Verwaltungsvereinfachung (BSG, Urteil vom 29. November 2022, B 4 AS 64/21 R, Juris, Rdnr. 34). Da die Kläger die notwendigen Angaben zur selbständigen Tätigkeit der Klägerin zu 1. nicht im Rahmen eines auf einem rechtzeitig erhobenen Widerspruch erfolgten Widerspruchsverfahrens gegen den Festsetzungsbescheid vorgelegt haben, sondern erst im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X bzw. im Rahmen der sich daraus ergebenden gerichtlichen Überprüfung vorgelegt haben, sind diese Angaben nicht mehr zu berücksichtigen.
Dem stehen auch nicht mögliche offene Widerspruchsverfahren gegen den Festsetzungsbescheid vom 26. August 2019, in deren Rahmen die von der Klägerin zu 1. am 14. Oktober 2019 vorgelegten Unterlagen möglicherweise Berücksichtigung finden müssten entgegen, da kein entsprechender Widerspruch eingelegt war.
Die am 9. September 2019 eingegangene „Erklärung zum Schreiben vom 7. Juni 2019“ stellt keinen Widerspruch gegen den Bescheid vom 26. August 2019 dar, weil darin lediglich Fragen beantwortet wurden, der Bescheid vom 26. August 2019 nicht erwähnt wurde und aus dem Schreiben und auch aus sonstigen Umständen nicht geschlossen werden kann, dass sich die Kläger gegen die bereits erfolgte abschließende Festsetzung von Leistungen wehren wollen.
Auch die Vorlage der endgültigen „EKS“ am 14. Oktober 2019 kann nicht als Widerspruch gegen den Bescheid vom 26. August 2019 gewertet werden, da auch hier der Bescheid vom 26. August 2019 nicht erwähnt wird und aus dem Schreiben und auch aus sonstigen Umständen nicht geschlossen werden kann, dass sich die Kläger gegen die bereits erfolgte abschließende Festsetzung von Leistungen wehren wollen.
Auch der von den Klägern mit Schreiben vom 15. Oktober 2019 gestellte Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 26. August 2019 kann nicht (auch) als Widerspruch gegen den Bescheid vom 26. August 2019 ausgelegt werden. Die Kläger haben vielmehr in ihren drei differenzierten Schreiben vom 15. Oktober 2019 ihre unterschiedlichen Begehren, die Einlegung von Widersprüchen gegen die beiden Bescheide vom 2. Oktober 2019 und die Stellung eines Überprüfungsantrages hinsichtlich des Bescheides vom 26. August 2019 eindeutig zum Ausdruck gebracht. Die Kläger waren sich offensichtlich des Unterschiedes zwischen einem Widerspruch und einem Überprüfungsantrag bewusst, was sich daran zeigt, dass sie hinsichtlich der Bescheide vom 2. Oktober 2019 zeitnah und innerhalb der dort angegebenen Widerspruchsfrist Widersprüche gegen die Bescheide vom 2. Oktober 2019 eingelegt haben, während sie hinsichtlich des Bescheides vom 26. August 2019, bei dem die im Bescheid angegebene Widerspruchsfrist bereits abgelaufen war, ganz ausdrücklich einen Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 26. August 2019 gestellt haben, so dass dieser Antrag nur als Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 26. August 2019 und nicht (zusätzlich) als Widerspruch gegen den Bescheid vom 26. August 2019 verstanden werden kann. Im Übrigen haben die Kläger später mit Schreiben vom 18. November 2019 nochmals ausdrücklich Widerspruch gegen den Bescheid vom 26. August 2019 eingelegt, so dass auch daraus deutlich wird, dass ihr Überprüfungsantrag als Überprüfungsantrag und nicht als Widerspruch gegen den Bescheid vom 26. August 2019 gemeint gewesen ist.
Im Übrigen wäre auch davon auszugehen, dass entsprechende Widersprüche bereits Gegenstand des durch Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2020 abgeschlossenen Widerspruchsverfahrens gewesen sind. Die entsprechende Klage wurde jedoch zurückgenommen.
Damit steht fest, dass der Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 26. August 2019 im Zeitpunkt seines Erlasses am 26. August 2019 materiell rechtmäßig war, weil er die später von der Klägerin zu 1. eingereichten Unterlagen nicht berücksichtigen musste.
Der Festsetzungsbescheid vom 26. August 2019 war aber auch in formeller Hinsicht rechtmäßig. Vor seinem Erlass war auch keine Anhörung nach § 24 Abs. 1 SGB X erforderlich. Vielmehr ersetzt die Belehrungspflicht nach § 41a Abs. 3 S. 3 SGB II als speziellere Regelung die allgemeine Anhörungspflicht nach § 24 Abs. 1 SGB X (BSG, Urteil vom 29. November 2022, B 4 AS 64/21 R, Juris, Rdnr. 19 m.w.N.). Diese Belehrungspflicht hat der Beklagte erfüllt (s.o.).
Die Erstattungsbescheide des Beklagten vom 2. Oktober 2019 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17. Januar 2020, sind nicht nur, wovon das Sozialgericht Frankfurt am Main ausgegangen ist, in Höhe eines Erstattungsbetrages von 4.159,80 Euro, sondern in voller Höhe rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für die Erstattungsforderungen ist dabei § 41a Abs. 6 S. 3 SGB II. Danach sind Überzahlungen, die nach der Anrechnung der vorläufig bewilligten Leistungen auf die abschließend festgestellten Leistungen fortbestünden, zu erstatten. Der Beklagte ist danach berechtigt, von den Klägern die Erstattung der für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2018 überzahlten Leistungen zu verlangen. Da der Beklagte mit Bescheid vom 6. Juni 2019 für den hier streitgegenständlichen Zeitraum Grundsicherungsleistungen nach § 41a Abs. 1 SGB II in Höhe von 8.623,62 Euro vorläufig bewilligt hat und der Beklagte zutreffend mit Bescheid vom 26. August 2019 festgestellt hat, dass die Kläger im Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2018 gar keinen Leistungsanspruch haben, sind die vorläufig bewilligten Leistungen vollständig zu erstatten.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Die Revision wird zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).