S 33 AS 138/20

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 33 AS 138/20
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 268/23
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 6/24 R
Datum
-
Kategorie
Urteil


1.    Der Bescheid vom 28. Oktober 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2020 wird aufgehoben und der Beklagte verurteilt, den Bescheid vom 26. August 2019 zurückzunehmen und den Klägern im Zeitraum von 1. Juli 2018 bis 31. Dezember 2018 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II unter Abänderung der Bescheide vom 2. Oktober 2019 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17. Januar 2020 in Höhe von 743,97 Euro monatlich zu bewilligen.

2.    Der Beklagte hat die erforderlichen außergerichtlichen Kosten der Kläger zu tragen.


Tatbestand

Die Kläger wenden sich im Zusammenhang mit einem behördlichen Überprüfungsverfahren gegen die endgültige Festsetzung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis 31. Dezember 2018 auf 0,00 € und eine gegen sie gerichtete Erstattungsforderung in Höhe von insgesamt 8.623,62 €.

Die Kläger zu 1. und 2. sind verheiratet. Sie bildeten zusammen mit ihren Kindern, den Klägern zu 3., 4. und 5., eine Bedarfsgemeinschaft, die im laufenden Leistungsbezug bei dem Beklagten steht. Die Gesamtkosten für Grundmiete, Heizkosten und Nebenkosten belaufen sich auf eine Höhe von 723,65 € monatlich. Die Klägerin zu 1. ist seit 2015 auf Honorarvertragsbasis für den TSV K. als Übungsleiterin im Kinderturnen selbstständig tätig. Im Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis 31. Dezember 2018 erzielte sie hieraus Einnahmen in Höhe von insgesamt 947,60 €. Der Kläger zu 2. steht als Taxifahrer bei der M. Taxi in einem Beschäftigungsverhältnis zu einem monatlichen Bruttolohn in Höhe von 660,00 €. Die Kläger zu 3., 4. und 5. erhielten im Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis 31. Dezember 2018 Kindergeld in einer Gesamthöhe von monatlich 588,00 €. 

Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 25. Mai 2018 bewilligte der Beklagte den Klägern für den Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis 31. Dezember 2018 vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes auf Grundlage des Bescheides vom 6. Juni 2018. Die Leistungen beliefen sich auf monatlich 1.437,27 € bzw. auf einen Gesamtbetrag in Höhe von 8.623,62 €. 

Der Beklagten forderte die Klägerin zu 1. mit Schreiben vom 1. Juli 2019 unter Fristsetzung zum 25. Juli 2019, im Folgenden mit Schreiben vom 2. August 2019 unter Fristsetzung zum 19. August 2019 auf, einen ausgefüllten Anlagebogen zur abschließenden Erklärung zum Einkommen aus der selbstständigen Tätigkeit (im Folgenden: endgültige Anlage „EKS“) für den Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis 31. Dezember 2018 vorzulegen. Der Beklagte wies dabei darauf hin, dass die Klägerin zu 1. und die in ihrer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes verpflichtet seien, die zum Erlass einer abschließenden Entscheidung geforderten leistungserheblichen Tatsachen nachzuweisen. Für den Fall, dass sie dieser Aufforderung nicht, nicht vollständig oder trotz angemessener Fristsetzung und schriftliche Belehrung über die Rechtsfolgen nicht fristgemäß nachkämen, würde der Beklagte den Leistungsanspruch für den gesamten Bewilligungszeitraum festsetzen. Hierbei sei zu beachten, dass bei einer selbständigen Tätigkeit grundsätzlich ein Durchschnittseinkommen von 6 Monaten zu bilden sei. Wenn die angeforderten Unterlagen nicht vorlägen, könne ein solches nicht gebildet werden. Dies bedeute, dass für diese Monate die gewährten Leistungen vollumfänglich zurückgefordert und zu erstatten seien. Auch mit einer nachträglichen Vorlage von Unterlagen könne die Festsetzung des Anspruchs grundsätzlich nicht mehr mit dem Vortrag erfolgreich angegriffen werden, dass ein anderes Einkommen erzielt worden sei. Auch in einem gegebenenfalls folgenden Widerspruchsverfahren oder in einem Antrag auf Überprüfung können nur noch geprüft werden, ob die Festsetzung als solche ordnungsgemäß durchgeführt worden sei und die Voraussetzung hierfür vorgelegen hätten.

Als auf die Schreiben vom 1. Juli 2019 und 2. August 2019 keine Reaktion erfolgt war, setzte der Beklagte mit Bescheid vom 26. August 2019 die Leistungen für den Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis 31. Dezember 2018 endgültig auf 0,00 € fest. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass die Klägerin zu 1. zuletzt mit Fristsetzung zum 19. August 1019 vergeblich aufgefordert worden sei, die zur Anspruchsprüfung erforderlichen Unterlagen einzureichen. Da sie trotz dieser Aufforderung die Unterlagen nicht eingereicht hätte, sei festzustellen, dass ein Leistungsanspruch nicht bestehe.

Mit Bescheiden vom 2. Oktober 2019 forderte der Beklagte die Klägerin auf, Leistungen in Höhe von insgesamt 8.623,62 € zu erstatten. Hierbei handelte es sich zum einen um einen Bescheid gegenüber der Klägerin zu 1.sowie den Klägern zu 3., 4. und 5. betreffend eine Erstattungsforderung in Höhe von 6.098,64 €, zum anderen um einen Bescheid gegenüber dem Kläger zu 2. betreffend eine Erstattungsforderung in Höhe von 2.524,98 €. 

Die Klägerin zu 1. legte daraufhin am 14. Oktober 2019 die endgültige Anlage „EKS“ über den Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis 31. Dezember 2018 mitsamt einer Übersicht über die Abrechnungen gegenüber dem TSV K. bei dem Beklagten vor. 

Zudem stellten die Kläger zu 1. und 2. mit Schreiben vom 15. Oktober 2019 einen Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 26. August 2019 und legten Widerspruch gegen die Bescheide vom 2. Oktober 2019 ein. 

Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 28. Oktober 2019 eine Überprüfung des Bescheides vom 26. August 2019 ab. Als Begründung führte an, dass ein Verwaltungsakt dann zurückzunehmen sei, soweit sich im Einzelfall ergäbe, dass bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erwiesen habe, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden seien. Der Bescheid vom 26. August 2019 sei jedoch nicht zu beanstanden. Es sei bei dessen Erlass das Recht richtig angewandt sowie vom zutreffenden Sachverhalt ausgegangen worden. 

Den hiergegen erhobenen Widerspruch vom 21. November 2019 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2020 zurück. Auch wies er mit Widerspruchsbescheiden vom 17. Januar 2020 die Widersprüche gegen die Bescheide vom 2. Oktober 2019 zurück. 

Hiergegen richtet sich die am 3. Februar 2020 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main zu Protokoll der Geschäftsstelle erhobene Klage. 

Die Kläger bringen vor, die vom Beklagten angeforderte endgültige Anlage „EKS“ bereits im September 2019, jedenfalls aber im Oktober 2019 bei dem Beklagten eingereicht zu haben. Ihrer Ansicht nach seien die im behördlichen, jedenfalls aber im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen, insbesondere die endgültige Anlage „EKS“, bei der Prüfung des Leistungsanspruches im Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis 31. Dezember 2018 zu berücksichtigen. Soweit der Kläger zu 2. neben seinen Lohn zusätzliche Einnahmen gehabt habe, seien diese nicht anzurechnen, da sie u.a. zur Begleichung von Rechnungen aufgewendet worden seien. 

Die Kläger beantragen:

1.    Der Bescheid vom 28. Oktober 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2020 wird aufgehoben und der Beklagte verurteilt, den Bescheid vom 26. August 2019 zurückzunehmen und den Klägern im Zeitraum von Juli 2018 bis Dezember 2018 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu bewilligen;

2.    Die Bescheide vom 2. Oktober 2019 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17. Januar 2020 werden aufgehoben.

Der Beklagte beantragt, 

die Klage abzuweisen. 

Der Beklagte greift sein Vorbringen im behördlichen Verfahren auf. So bestünde kein Anlass, eine Leistungsberechnung zu erstellen, da nach fruchtlosem Ablauf der zur Vorlage der Unterlagen gesetzten Frist zum 19. August 2019 eine Präklusion eingetreten sei. 

Die Kläger zu 1. und 2. haben im gerichtlichen Verfahren lückenlose Kontoauszüge für den Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis 31. Dezember 2018 vorgelegt. Aus den Kontoauszügen des Klägers zu 2. haben sich hieraus für den Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis 31. Dezember 2018 sonstige Einnahmen in Höhe von insgesamt 3.200,00 € ergeben. 

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Sitzungsniederschrift und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Kläger wendet sich unter Abwehr einer gegen sie gerichteten Erstattungsforderung in einer Gesamthöhe von 8.623,62 € gegen die endgültige Festsetzung von Leistungen für den Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis 31. Dezember 2018 auf 0,00 €. Hierzu zielt ihre Klage im Wesentlichen auf die Aufhebung des Bescheides vom 26. August 2019 (im Folgenden: Festsetzungsbescheid), des Bescheides vom 28. Oktober 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2020 (im Folgenden: Überprüfungsbescheid) sowie die Bescheide vom 2. Oktober 2019 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17. Januar 2020 (im Folgenden: Erstattungsbescheide). Die Kläger begehren darüber hinaus für den Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis 31. Dezember 2018 die endgültige Festsetzung von Leistungen durch den Beklagten unter Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Einkommensverhältnisse. 

Die so verstandene Klage hat teilweise Erfolg.

Die Klage ist nach § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) betreffend die Aufhebung des Festsetzungs- und Überprüfungsbescheides sowie die verfolgte erneute abschließende Leistungsfestsetzung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Einkommensverhältnisse als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, betreffend die Abwehr der Erstattungsforderungen als Anfechtungsklage statthaft. Weiterhin ist sie sowohl form- als auch fristgerecht erhoben und auch im Übrigen zulässig. 

In der Sache ist die Klage teilweise begründet. So ist der Überprüfungsbescheid aufzuheben und der Beklagte zu verurteilen, den Festsetzungsbescheid zurückzunehmen, weil die Entscheidung, die Leistungen für den Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis 31. Dezember 2018 abschließend auf 0,00 € festzusetzen, rechtswidrig erfolgt ist. Die Kläger sind jedoch nur insoweit im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, als Leistungen für den Zeitraum von 1. Juli 2018 bis 31. Dezember 2018 in einer Gesamthöhe von 4.463,82 € abgelehnt wurden. Grund hierfür ist, dass sich unter Berücksichtigung der tatsächlichen Einkommensverhältnisse ein Leistungsanspruch in Höhe von 743,97 € monatlich bzw. in einer Gesamthöhe von 4.463,82 € ergibt. Die Erstattungsbescheide sind folglich nur insoweit rechtwidrig, als der Beklagte eine Erstattungsforderung über 4.159,80 € geltend macht.

Maßgeblich dafür, dass die Leistungen für den Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis 31. Dezember 2018 vom Beklagten nicht auf 0,00 € festzusetzen sind, ist § 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt – hier der Festsetzungsbescheid –, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Nach § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB X ist ein rechtswidriger, nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, im Übrigen auch ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. 

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte im Zuge der abschließenden Leistungsfestsetzung auf 0,00 € den Klägern zu Unrecht die ihnen für den Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis 31. Dezember 2018 zustehenden Leistungen – hier in Höhe von insgesamt 4.463,82 € –verweigert. Der Festsetzungsbescheid war vor diesem Hintergrund nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X auch aufzuheben, als der Beklagte bei dessen Erlass von einem Sachverhalt ausgegangen ist, der sich als unrichtig erwiesen hat. 

So waren die Kläger im Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis 31. Dezember 2018 – entgegen der Ansicht des Beklagten, der einen Leistungsanspruch verneint – unter Berücksichtigung der insofern maßgeblichen Vorgaben aus § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II leistungsberechtigt, wenn auch nicht in Höhe von 8.623,62 €. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Der Bedarf für den Lebensunterhalt umfasst dabei grundsätzlich die monatlichen Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, ggf. Mehrbedarfe sowie die Kosten der Unterkunft und Heizung (§ 19 Abs. 1 SGB II, § 20 ff. SGB II). Nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten Sozialgeld, soweit kein Anspruch auf Leistungen nach dem Zwölften Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe (SGB XII) besteht (vgl. §§ 19 Abs. 1 Satz 2, 23 SGB II).

Insbesondere lag nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II i.V. m. § 9 Abs. 1 SGB II Hilfebedürftigkeit vor. Denn die Kläger waren nicht in der Lage, ihren Lebensunterhalt ausreihend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen zu sichern. 

Gemäß § 20 Abs. 5 SGB II i.V.m. § 28 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII) und dessen Anlage zu den geltenden Regelbedarfsstufen beinhalten die Bedarfe der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum Regelleistungen für die Kläger zu 1. und 2. der Regelbedarfsstufe 2 in Höhe von monatlich 374,00 € und Regelleistungen für die Kläger zu 3., 4. und 5. der Regelbedarfsstufe 5 in Höhe von monatlich 296,00 €. Weiterhin betragen die tatsächlichen Aufwendungen der Kläger für Unterkunft und Heizung gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II 723,65 € monatlich. Nach alledem bestand im streitgegenständlichen Zeitraum ein Gesamtbedarf in Höhe von monatlich 2.359,65 € € bzw. in einer Gesamthöhe von 14.157,90 €.

Diesen Bedarf konnten die Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum durch zu berücksichtigendes Einkommen gem. §§ 11 ff SGB II nicht vollständig decken, wie sich insbesondere unter Berücksichtigung der endgültigen Ablage „EKS“ der Klägerin zu 1. ergab. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind dabei als Einkommen Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen zu berücksichtigen, hier in einer Gesamthöhe von vorliegend 9.684,08 €. 

Im Einzelnen sind hierbei Kindergeldleistungen in Höhe von insgesamt 3.528 € (6 x 588,00 € monatlich) und ein Einkommen der Klägerin zu 1. in Höhe von insgesamt 278,08 € zu berücksichtigen. Letzteres ergibt sich aus einem Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 947,60 € abzüglich der geltenden Freibeträge aus § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II in Höhe von 600,00 € (6 x 100,00 €) und aus § 11b Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB II in Höhe von 69,52 € (6 x 11,59 €). Zudem ist ein Einkommen des Klägers zu 2. in Höhe von insgesamt 5.888,00 € zu berücksichtigen, welches sich aus seinem Gehalt in Höhe von 3.960,00 € abzüglich der geltenden Freibeträge aus § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II in Höhe von 600,00 € (6 x 100,00 €) und § 11b Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB II in Höhe von 672,00 € (6 x 112,00 €) sowie sonstigen Einnahmen in Höhe von 3.200,00 € ergibt. Hierbei ist unerheblich, ob letztere von den Klägern aufgewendet wurden, um Rechnungen zu begleichen. Denn nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind diese Einnahmen in Geld als Einkommen zu berücksichtigen. Hierbei kommt es allein auf deren Zufluss, nicht deren anschließende Verwendung an. 

Insgesamt ergibt sich für den hier streitigen Zeitraum ein Leistungsanspruch der Kläger in Höhe von insgesamt 4.463,82 € (14.157,90 € abzüglich 9.684,08 €) bzw. monatlich 743,97 €. Diesen Leistungsanspruch zu erfüllen, hat der Beklagte gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu Unrecht verweigert. 

Etwas Anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Vorbringens des Beklagten, wonach mit Ablauf der Vorlagefrist zum 19. August 2019 eine Präklusion vor dem Hintergrund von § 41a Abs. 3 Satz 3, Satz 4 SGB II in seiner hier geltenden Fassung vom 1. August 2016 bis 31. März 2021 (im Folgenden: SGB II aF) eingetreten sei. Kommen danach die leistungsberechtigte Person oder die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ihrer Nachweis- oder Auskunftspflicht bis zur abschließenden Entscheidung nicht, nicht vollständig oder trotz angemessener Fristsetzung und schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen nicht fristgemäß nach, setzen die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende den Leistungsanspruch für diejenigen Kalendermonate nur in der Höhe abschließend fest, in welcher seine Voraussetzungen ganz oder teilweise nachgewiesen wurden (vgl. § 41a Abs. 3 Satz 3 SGB IIaF). Für die übrigen Kalendermonate wird festgestellt, dass ein Leistungsanspruch nicht bestand (vgl. § 41a Abs. 3 Satz 4 SGB IIaF). 

Denn ungeachtet des Vorstehenden wäre der Beklagte im Zuge des von den Klägern angestrengten Überprüfungsverfahrens dazu verpflichtet gewesen, die tatsächlichen Einkommensverhältnisse zu prüfen und insbesondere die im Oktober 2019 vorgelegte endgültige Anlage „EKS“ zu berücksichtigen. Insofern kann dahinstehen, ob diese ggf. bereits im September 2019 von den Klägern eingereicht worden ist. Vorgenannte Vorschrift, insbesondere § 41a Abs. 3 Satz 4 SGB II aF, findet nämlich keine Anwendung auf Fälle wie hier, in denen die Leistungsberechtigten ihrer Nachweis- und Auskunftspflicht im Zuge eines Überprüfungsverfahresn nach § 44 SGB X oder einem sich hieran anschließenden gerichtlichen Verfahrens nachkommen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass – entgegen der Ansicht des Beklagten – § 41a SGB II aF keine Ermächtigungsgrundlage beinhaltet, wonach ein leistungserhebliches Vorbringen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vom Beklagten unberücksichtigt bleiben darf, wenn dieses nach der hierzu gesetzten Frist erfolgt. Ein solcher Ausschluss ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus Sinn und Zweck der Vorschrift, jedenfalls soweit ein entsprechendes Vorbringen im Überprüfungsverfahren oder einem sich hieran anschließenden Gerichtsverfahren erfolgt. Für die Normierung einer Präklusion hätte der Gesetzgeber nämlich bestimmen müssen, dass ein weiteres Vorbringen nach Bekanntgabe der Festsetzungsentscheidung, insbesondere in einem Rechtschutzverfahren, ausgeschlossen ist. Eine solche Regelung fehlt jedoch, wie es höchstrichterlich bereits betreffend die Präklusion von in einem Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen verneint wurde (BSG, Urt. v. 12. September 2018 – B 4 AS 39/17 R, juris, Rn 35 ff). Vielmehr handelt es sich bei § 41a Abs. 3 SGB II aF um eine Vorschrift, die eine Beschleunigung der Festsetzungsentscheidung nach vorläufiger Bewilligung ermöglichen soll. Zur Erreichung dieses Gesetzeszweckes ist eine Präklusion zulasten der Leistungsberechtigten nicht erforderlich. Denn die Möglichkeit des Beklagten, bei fehlender Mitwirkung ohne Vornahme einer individuellen Schätzung ein Fehlen des Leistungsanspruches feststellen und damit die erste Stufe des Verwaltungsverfahrens abschließen zu können, beschleunigt das Festsetzungsverfahren in ausreichendem Maße (SG Berlin, Urt. v. 25. September 2017 – S 179 AS 6737/17, juris, Rn. 75). Daneben entspricht es gerade dem Sinn und Zweck des in § 44 SGB X normierten Nachprüfungsverfahrens, fehlerhaftes Verwaltungshandelns, das zum Erlass eines belastenden Verwaltungsakts geführt hat, rückwirkend zu korrigieren und zwar unabhängig davon, ob der zugrundeliegende Verwaltungsakt bereits unanfechtbar ist. Insofern ist der materiellen Richtigkeit von Entscheidungen der Vorrang gegenüber dem Grundsatz von Rechtssicherheit und Rechtsbeständigkeit einzuräumen (BSG, Urt. v. 11. November 2003 – B 2 U 32/02 R, juris, Rn 19). Letzteres verpflichtet den Beklagten dazu, ungeachtet der auf Grundlage von § 41a Abs. 3 Satz 3 SGB II aF gesetzten und zunächst abgelaufenen Frist, das tatsächliche, leistungserhebliche Vorbringen in einem Überprüfungsverfahren einer erneuten Prüfung zu unterziehen. Denn § 41a Abs. 3 SGB II aF begründet kein eigenständiges Rechtsfolgensystem, welches die Wirkung von § 44 SGB X als eine für das gesamte Sozialrecht geltende und von den einzelnen Regelungsregimen unabhängige Norm aufhebt. Eine andere Einschätzung trifft auch nicht das Sozialgericht Duisburg (vgl. dass., Urt. v. 2. Januar 2018 – S 49 AS 3349/17, juris, Rn 32), welches sich nicht mit dem Verhältnis von § 41 a Abs. 3 SGB II und § 44 SGB X auseinandersetzt. Schließlich darf ein in § 41a Abs. 3 SGB II enthaltener, der gesetzlichen Regelung immanenter Mangel an Klarheit in Ansehung dessen, dass es um die Bewilligung existenzsichernder Leistungen nach Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geht, nicht zu Lasten der Leistungsberechtigten führen.

Und auch die Erstattungsbescheide, welche die vorläufig gewährten Leistungen in voller Höhe zum Gegenstand haben, sind vor diesem Hintergrund mithin nur teilweise, vorliegend lediglich in einer Gesamthöhe von 4.159,80 € rechtmäßig und im Übrigen aufzuheben. 

Rechtsgrundlage für die Erstattungsforderungen ist dabei § 41a Abs. 6 S. 3 SGB II aF. Danach sind Überzahlungen, die nach der Anrechnung der vorläufig bewilligten Leistungen auf die abschließend festgestellten Leistungen fortbestehen, zu erstatten. Der Beklagte ist danach berechtigt, von den Klägern die Erstattung der für die Zeit vom 1. Juli 2018 bis 31. Dezember 2018 überzahlten Leistungen zu verlangen. So hat der Beklagte mit Bescheid vom 6. Juni 2019 für den hier streitgegenständlichen Zeitraum Grundsicherungsleistungen nach § 41a Abs. 1 SGB II in Höhe von 8.623,62 € vorläufig bewilligt. Hiervon war ein Leistungsanspruch in einer Gesamthöhe von 4.463,82 € in Abzug zu bringen, woraus sich Erstattungsforderungen in einer Gesamthöhe von 4.159,80 € entsprechend der Differenz der abschließenden Festsetzung zur vorläufigen Festsetzung ergeben. 

Nach alledem war der Klage teilweise stattzugeben. 

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens. Hierbei hat die Kammer dem Beklagten die vollen Kosten auferlegt, da die Kläger im Hinblick auf ihren Klageantrag zu 1. voll obsiegen. Dieser zielt insbesondere auf die Verpflichtung ab, den Beklagten zu verpflichten, Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu bewilligen und auch nur insofern die Erstattungsforderungen, wie im Klagantrag zu 2. beantragt, abzuwehren. Eine Quotelung der Kosten kam vor diesem Hintergrund nicht in Betracht, zumal unter Berücksichtigung der zu Unrecht im Überprüfungsverfahren nicht geprüften Unterlagen ein gerichtliches Verfahren hätte vermieden werden können. 
 

Rechtskraft
Aus
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