Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 15.06.2021 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine große Witwerrente nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI).
Der am 00.00.0000 geborene, ledige Kläger lebte jedenfalls seit 2016 bis zu deren Tod am 00.00.0000 mit der am 00.00.0000 geborenen, ebenfalls ledigen S. L. (Versicherte) sowie außerdem mit beider am 00.00.0000 geborenen Sohn an derselben Meldeadresse. Seit dem Tod lebt der Kläger mit beider Sohn dort zusammen, dem die Beklagte mit Bescheid vom 26.09.2018 Halbwaisenrente ab 01.07.2018 gewährte.
Am 11.07.2018 und erneut am 16.11.2018 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung großer Witwerrente (wegen Erziehung eines minderjährigen Kindes). Er fügte eine Abschrift der Erklärung zum gemeinsamen Sorgerecht nach § 1626a Abs. 1 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vom 15.07.2010 und eine Geburtsurkunde des Sohnes bei. Mit Bescheid vom 22.11.2018 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Voraussetzung für eine Witwerrente sei unter anderem, dass zum Zeitpunkt des Todes eine rechtsgültige Ehe bestanden habe. Diese Voraussetzung sei zwischen dem Kläger und der Versicherten nicht erfüllt.
Am 17.12.2018 erhob der Kläger mit der Begründung Widerspruch, er erziehe ein minderjähriges Kind der verstorbenen Versicherten. Er beziehe sich auf Art. 6 Abs. 1, 4 und 5 Grundgesetz (GG) und auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 02.05.2012 – 1 BvL 20/09. Die Familie sei eine sog. Bedarfsgemeinschaft gewesen und bis zum Todeszeitpunkt der Versicherten intakt. Es habe eine langjährige Heiratsabsicht gegeben. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.01.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft habe keine gültige Ehe bestanden. Der Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft sei damit mit dem Tod des Versicherten kein Witwer und habe keinen Anspruch auf Witwerrente. Das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft habe keine rechtliche Auswirkung auf einen Anspruch nach § 46 SGB VI.
Dagegen hat der Kläger am 28.01.2019 mit der ergänzenden Begründung vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund Klage erhoben, aus dem Beschluss des BVerfG vom 09.11.2004 – 1 BvR 684/98 – ergebe sich, dass es mit dem GG unvereinbar sei, dass der überlebende Lebensgefährte einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft, der nach dem gewaltsamen Tod des anderen Lebensgefährten die Betreuung des gemeinsamen Kindes übernehme, nicht in den Kreis der Versorgungsberechtigten nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) einbezogen werde, was deshalb zu geschehen habe. Dies müsse für ihn als Witwerrentenbewerber in der gesetzlichen Rentenversicherung ebenso gelten. Ihm sei entweder große Witwerrente oder Erziehungsrente zu gewähren. Andernfalls sei er in seinen Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art 6 Abs. 1 bzw. Abs. 5 GG verletzt. Im Fall einer Eheschließung sei unabhängig vom Weiterbestehen der Ehe bis zum Tod des Versicherten stets eine finanzielle Absicherung für den Hinterbliebenen im Fall der Kindererziehung gegeben. Dass hingegen Hinterbliebene einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, die die Betreuung eines Kindes übernähmen, keine Rentenleistung erhielten, sei verfassungswidrig.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.11.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2019 zu verurteilen, ihm ab 01.07.2018 große Witwerrente zu gewähren, hilfsweise, das Verfahren auszusetzen, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf die angefochtenen Bescheide bezogen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 15.06.2021 abgewiesen. Insbesondere liege keine Grundrechtsverletzung vor. Art. 6 Abs. 1 GG, der – auch – die Ehe unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stelle, sei nicht dadurch verletzt, dass nach Maßgabe von § 46 SGB VI eine Hinterbliebenenversorgung für Witwen und Witwer bestehe, nicht hingegen für überlebende Lebensgefährten einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. Diese Verfassungsnorm verstehe unter Ehe ausschließlich die Vereinigung zweier nach Maßgabe der entsprechenden Institutsgarantie des GG kraft wirksamer Eheschließung zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft. Der Begriff der Ehe könne nicht in dem Sinne erweiternd ausgelegt werden, dass er auch eheähnliche Lebensgemeinschaften umfasse. Dies gelte ebenso für eheähnliche Lebensgemeinschaften mit gemeinsamen Kindern. Durch die gemäß § 46 SGB VI geregelte Begrenzung von Renten wegen Todes auf Witwen und Witwer werde ferner Art. 6 Abs. 1 GG nicht verletzt, soweit es den durch diese Verfassungsnorm gebotenen Schutz der Familie betreffe. Hierzu gehöre zwar auch eine Absicherung der Familie im Falle des Todes eines Elternteils. Dabei müsse der Staat aber nicht jegliche eine Familie treffende finanzielle Belastung ausgleichen. Die staatliche Familienförderung stehe vielmehr unter dem Vorbehalt des Möglichen im Sinne dessen, was der Einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft verlangen könne. Aus diesem Grund bestehe für den Staat ein weiter Spielraum für die Art und Weise, in der er den Familienlastenausgleich verwirkliche. Sterbe ein Elternteil aus einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft und übernehme der andere Elternteil die Erziehung eines Kindes, so sei die Familie in aller Regel ausreichend abgesichert durch den Erhalt von Kindergeld und dadurch, dass der betreuende Elternteil Erziehungsgeld nach gesetzlicher Maßgabe beanspruchen könne. Ebenso stehe diesem Elternteil die Inanspruchnahme von Elternzeit offen. Rentenrechtliche Einbußen erleide der Elternteil nicht, soweit er Kindererziehungs- sowie Berücksichtigungszeiten im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen könne. Für die Zeit danach sei es dem Elternteil wie jedem anderen Alleinerziehenden zumutbar, den Lebensunterhalt der Familie selbst zu erwirtschaften und die öffentlichen Angebote der Kinderbetreuung in Anspruch zu nehmen. Die Kosten hierfür könnten in der Regel aus der Halbwaisenrente des Kindes bestritten werden. Zwar seien in der sozialen Wirklichkeit nach alledem gleichwohl Defizite bei der Absicherung alleinerziehender Elternteile festzustellen. Der Gesetzgeber sei jedoch durch Art. 6 Abs. 1 GG nicht gehalten, dem hinterbliebenen Lebensgefährten einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft eine eigene Rente zu gewähren. Er dürfe vielmehr davon ausgehen, dass die verbleibende finanzielle Einbuße für den überlebenden Elternteil eines nichtehelichen Kindes nicht so hoch sei, dass eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Gewährung einer solchen Rentenleistung ausgelöst werde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.11.2004 – 1 BvR 684/98 -, juris, Rn. 50 ff.). Überdies könne sich der Kläger nicht auf (Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m.) Art. 6 Abs. 5 GG berufen, der ausschließlich nichteheliche Kinder, nicht aber gleichzeitig deren Väter begünstige. Es liege auch keine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG vor. Anders als im OEG, mit dem sich das BVerfG im Beschluss vom 09.11.2004 auseinander gesetzt habe, sei bei § 46 SGB VI gemäß dem in der Sozialversicherung herrschenden Solidaritätsprinzip der Kreis der in Betracht kommenden Anspruchsberechtigten von vornherein ausschließlich auf Ehegatten und Kinder (im Sinne des SGB VI) beschränkt. Der Rechtsgrund, die Ehe im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 GG zu privilegieren, sei darin zu erblicken, dass die Eheleute es auf Dauer übernommen haben, auch rechtlich verbindliche Verantwortung für den Partner zu übernehmen. Exakt in diesem Punkt der rechtlich verbindlichen Verantwortung füreinander unterschieden sich die Ehe (und Lebenspartnerschaft im Sinne des LPartG) von der eheähnlichen Lebensgemeinschaft (BVerfG, Beschluss vom 07.07.2009 - 1 BvR 1164/07 – juris, Rn. 102).
Gegen das am 02.07.2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19.07.2021 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt er, ihm müsse aus verfassungsrechtlichen Gründen jedenfalls entweder große Witwerrente oder Erziehungsrente zustehen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 15.06.2021 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.11.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2019 zur verurteilen, ihm ab dem 01.07.2018 große Witwerrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren, hilfsweise das Verfahren auszusetzen, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat auf den Beschluss des BVerfG vom 17.11.2010 – 1 BvR 1883/10 hingewiesen, dem zufolge die Entscheidung, nach dem Tod eines nichtehelichen Lebensgefährten keine Hinterbliebenenrente zu gewähren, mit dem GG vereinbar ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
1. Die zulässige, insbesondere statthafte (§ 144 Abs. 1 SGG) und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht beschwert, § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die mit dem Hauptantrag begehrte Gewährung einer Witwerrente gemäß § 46 Abs. 2 SGB VI (dazu unter a). Der Senat hält § 46 Abs. 2 SGB VI auch nicht für verfassungswidrig, so dass die mit dem Hilfsantrag begehrte Vorlage an das BVerfG gemäß Art. 100 GG ausscheidet (dazu unter b).
a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Witwerrente gemäß § 46 Abs. 2 SGB VI. Wie von der Beklagten zutreffend in den angefochtenen Bescheiden ausgeführt, ist Voraussetzung für einen solchen Anspruch, dass zum Zeitpunkt des Todes eine Ehe (oder Lebenspartnerschaft i.S.d. LPartG) mit dem verstorbenen Versicherten bestanden hat. Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger mit der Versicherten unstreitig nicht.
b) Der Senat hält § 46 Abs. 2 SGB VI auch nicht für verfassungswidrig, so dass keine Veranlassung besteht, den Rechtsstreit auszusetzen und die Sache dem BVerfG (Art. 100 Abs. 1 GG) vorzulegen.
Zulässig ist ein Antrag auf konkrete Normenkontrolle beim BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG nur, falls das vorgelegte Gesetz entscheidungserheblich und das vorlegende Gericht selbst von dessen Verfassungswidrigkeit überzeugt ist. Das Gericht muss selbst in eigener Verantwortung entscheiden und dabei eine verfassungskonforme Auslegung für sich ausschließen (Morgenthaler in: BeckOK GG, 52. Ed. 15.8.2022, Art. 100 Rn. 16).
Der Senat ist nicht von einer Verfassungswidrigkeit von § 46 Abs. 2 SGB VI überzeugt. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG zunächst auf die Entscheidungsgründe in dem Urteil des SG Bezug und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. So hat auch das BVerfG im Beschluss vom 17.10.2010 – 1 BvR 1883/10 – bereits ausgeführt, dass unter „Witwe" bzw. „Witwer“ nur Überlebende einer - hier unstreitig nicht vorliegenden - zivilrechtlich wirksam geschlossenen Ehe zu verstehen sind und diese Auslegung wegen des besonderen verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Es ist gerechtfertigt, die Partner im Falle der Auflösung der Ehe durch Tod besser zu stellen als Menschen, die in weniger verbindlichen Paarbeziehungen zusammenleben. Dem entspricht die Nichteinbeziehung von überlebenden nichtehelichen Lebensgefährten in die Hinterbliebenenrente der gesetzlichen Rentenversicherung (s. auch Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 07.09.2016 – L 6 R 695/14 -, juris, Rn 28 ff.). Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass – unterstellt die Rechtsansicht des Klägers würde zutreffen – in der Konsequenz auch das Eingehen einer neuen nichtehelichen Lebensgemeinschaft einer Wiederheirat im Sinne von § 46 SGB VI gleichzusetzen wäre. Jedoch ist – anders als die Ehe oder Lebenspartnerschaft – weder eine nichteheliche Lebensgemeinschaft gesetzlich definiert noch kann deren Bestehen mit dem verstorbenen Versicherten zu dessen Todeszeitpunkt oder das Eingehen einer neuen nichtehelichen Lebensgemeinschaft anhand verwaltungspraktikabler Kriterien festgestellt werden. Auch aus diesen Gründen liegt bei Witwen und Witwern einerseits und Überlebenden einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft andererseits keine Ungleichbehandlung von im Wesentlichen Gleichem im Sinn von Art. 3 Abs. 1 GG vor.
Eine Verfassungswidrigkeit von § 46 SGB VI folgt auch nicht aus Art. 6 Abs. 4 und Abs. 5 GG. Der Ausschluss nichtehelicher Partner von der Hinterbliebenenrente in § 46 SGB VI knüpft weder an die Elternschaft an noch betrifft er ausschließlich Mütter oder Väter. Art. 6 Abs. 5 GG schließlich begünstigt nur nichteheliche Kinder, nicht aber deren Eltern (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 17.11.2010 – 1 BvR 1883/10 –, juris, Rn. 10-12). Darüber hinaus sei darauf hingewiesen, dass – anders als in der vom Kläger zitierten Entscheidung des BVerfG vom 09.11.2004 – 1 BvR 684/98 – im Fall des Klägers, dessen Sohn zum Todeszeitpunkt der Versicherten bereits acht Jahre alt war, kein Unterhaltsanspruch gegen den Partner nach § 1615l Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 BGB, der entfallen sein könnte, ersichtlich ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).