L 1 BA 21/21

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
1.
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 22 Ba 14/18
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 BA 21/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Zum versicherungsrechtlichen Status eines Paketzustellers. 

2. Ein Paketzusteller, der zur Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen eigene Arbeitnehmer beschäftigt und Sachinvestitionen von erheblichem Umfang tätigt, ist selbstständig und unterliegt damit nicht der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung. 

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu

erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über das Bestehen von Versicherungspflicht des Klägers in der Tätigkeit für die Beigeladene in allen Zweigen der Sozialversicherung im Zeitraum vom 1. Juli 2007 bis zum 31. Dezember 2016 im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens.

 

Die Beigeladene bzw. zuvor die auf sie zwischenzeitlich verschmolzene D GmbH & Co KG betrieb und betreibt ein bundesweit tätiges Paketdienstleistungsunternehmen. Zur Auslieferung und Abholung von Paketen schloss sie im Streitzeitraum Verträge mit sogenannten Systempartnern ab.

 

Mit Wirkung ab dem 1. Juli 2007 schlossen der Kläger, firmierend unter G, und die Beigeladene einen solchen Systempartnervertrag ab, nachdem der Kläger bereits zuvor – im gerichtlichen Verfahren nicht mehr streitig – (bezeichnet als Unternehmer) für die Beigeladene tätig gewesen ist. Mit Wirkung zum 1. Juli 2007 wurden folgende Verträge bzw. ergänzende Vereinbarungen abgeschlossen:

  • Systempartnervertrag Nahverkehr
  • Leistungsvereinbarung D Classic
  • Leistungsvereinbarung Nachnahme/C.O.D.
  • Leistungsvereinbarung D EXPRESS
  • Leistungsvereinbarung Mobiler Eigenhandel
  • Anlage ME1 Vertragsgebiet Mobiler Eigenhandel
  • Anlage ME2 D Produkte im Mobilen Eigenhandel
  • Anlage ME3 Einkaufspreisliste Mobiler Eigenhandel
  • Anlage ME4 Unverbindliche Verkaufspreisempfehlungen Mobiler Eigenhandel (mit Anlagen zum D-Wertmarkensystem)
  • Anlage A für zwei Vertragsgebiete für  DClassic, DEXPRESS und Nachnahme C.O.D.): Festlegung Vertragsgebiet für die Postleitzahlen 1, 1, 1 sowie 1 und 1
  • Anlage B zum Systempartnervertrag Nahverkehr: Vorbehaltskunden
  • Anlage C: Vergütungssätze
  • Anlage D: Abrechnung
  • Anlage EX1 Produkte und Dienstleistungen D EXPRESS

 

Der Systempartnervertrag sah vor, dass er vom Zustandekommen mindestens einer Leistungsvereinbarung abhängig war. Unter I. des Vertrages wurde die Stellung der damaligen GGmbH & Co KG als Franchisenehmer der damaligen D GmbH & Co KG beschrieben. Der Franchisegeber schreibe aufgrund seines Leistungsbestimmungsrechtes gemäß §§ 315ff. BGB für alle Franchisenehmer und alle nachgeordneten Vertragspartner verbindlich die Übernahme und Einhaltung der Organisationsregeln des DSystems vor. Gegenstand des Systems war nach I.1.2 des Vertrages ein Transport- und Organisationssystem für die Abwicklung von Kurier-, Express- und Paket- (kurz KEP)-Dienstleistungen durch

 

  • die Unterhaltung der für KEP-Dienstleistungen notwendigen Systeme und Organisation im Rahmen eines flächendeckenden Franchisesystems,
  • die Steuerung dieses Franchisesystems für KEP-Dienstleistungen durch die Vergabe von Franchisen, die Erstellung und Fortschreibung von Systemhandbüchern und Allgemeinen Geschäftsbedingungen,
  • die Führung aller Marken, deren Inhaber die D  GmbH & Co KG ist, sowie der Kurzbezeichnungen „D„D“ und/oder „D“ durch die Franchisenehmer und die nachgeordneten Vertragspartner.

 

Der Auftragnehmer (hier der Kläger) war nach I.2.1 Satz 2 des Vertrages berechtigt und verpflichtet, im Rahmen des D Franchisesystems nach Maßgabe des Vertrages und unter Verwendung der D Marken KEP-Dienstleistungen zu erbringen. I.3.1 sah vor, dass der Systempartner seinen Betrieb unter Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns führt unter Einhaltung aller gesetzlichen Bestimmungen (insbesondere der einschlägigen sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften) sowie aller branchentypischen Gesetze und Vorschriften wie z.B. Lenkzeitverordnung, Ladungssicherung, Straßenverkehrsordnung, berufsgenossenschaftlicher Vorschriften, Gefahrgutvorschriften ADR und Lizenzierung nach dem Postgesetz. I.3.2 sah zu erfüllende Leistungskriterien vor, zu denen u.a. gehörte, dass im Gewerbebetrieb des Systempartners zumindest für eine Person ein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis besteht (I.3.2 Nr. 3) und dass die nach dem Vertrag vom Systempartner zu erbringenden Dienstleistungen nicht, auch nicht der Ausübung nach, auf Dritte, die nicht Mitarbeiter des D Systempartners sind, übertragen werden durften, d.h. Subunternehmerverhältnisse waren grundsätzlich unzulässig.  Nach I.4 war der Systempartner zur Nutzung der Marken- und Kurzbezeichnungen verpflichtet. I.5 sah Kontroll- und Auskunftsrechte des Auftraggebers vor. Ein in I.6 geregeltes Wettbewerbsverbot untersagte es dem Systempartner, unter Verwendung der D Marken und/oder Kurzbezeichnungen andere Dienstleistungen zu erbringen als durch den Vertrag vorgesehen. Ausnahmen bedurften der vorherigen schriftlichen Genehmigung durch den Auftraggeber. Im Übrigen war der Systempartner frei, auch vergleichbare Dienstleistungen für andere Auftraggeber zu erbringen. Nach II. des Vertrages oblag es dem Systempartner – mit Ausnahme für sogenannte Vorbehaltskunden, für die der Auftraggeber eine andere Bedienung organisieren durfte - im in Anlage A zum Vertrag festgelegten Vertragsgebiet Packstücke an Empfänger zuzustellen und abzuholen. Die Anforderungen wurden in II.3.1 und II.3.2 näher geregelt. Für die Transportleistungen wurden in Anlage C Vergütungssätze vereinbart. Die Vergütungssätze waren in Netto-Eurobeträgen pro Leistung maßgeblich pro Abholungs- oder Zustellungsvorgang verschiedener Arten geregelt. Der Systempartner konnte mit Aufwendungen des Auftraggebers belastet werden, soweit dieser Dienstleistungen für diesen erbracht hat oder diese direkt oder indirekt durch den Auftraggeber verursacht bzw. veranlasst worden sind (Nr. II.4.2). II.5 verpflichtete den Systempartner zu Werbeleistungen in Form der Beachtung der Corporate-Design-Vorgaben des D Franchisesystems bei allen regelmäßig zum Einsatz kommenden Fahrzeugen und der Ausstattung von Personen, die vom Systempartner für die Abhol- und Zustelldienstleistungen eingesetzt worden sind, in Form von entsprechender Oberbekleidung. Die Beschaffung dieser Oberbekleidung war auf die vom Auftraggeber vorgegebenen Wege beschränkt. Als Vergütung sah der Vertrag vor, dass die angesetzten 10 Euro pro Tag und Person in den Vergütungssätzen einkalkuliert seien. Für die Nichterbringung der Werbeleistung war eine Vertragsstrafe in Anknüpfung an diese tägliche Vergütung vorgesehen (II.6). II.7. sah die Haftung des Systempartners für den gänzlichen oder teilweisen Verlust sowie die Beschäftigung von Packstücken vor sowie für die Überschreitung der vereinbarten und angemessenen Lieferfrist. Die Haftung sollte sich nach den gesetzlichen Bestimmungen richten. II.7.2. sah die Versicherung des Systempartners gegen die vorstehende Haftung sowie den Abschluss einer Schadensversicherung für die Güter zugunsten des Auftraggebers durch den Systempartner vor. II.8 sah Regelungen für den Fall des Leistungsverzugs des Systempartners vor einschließlich der Möglichkeit, zur Vermeidung einer Ersatzvornahme durch den Auftraggeber im Rahmen der Selbsthilfe einen anderen Systempartner einzuschalten. Anlage D des Vertrages sah die Abrechnung mittels eines von dem Auftraggeber zur Verfügung gestellten EDV-Systems vor. Die Leistungsvereinbarung zum mobilen Eigenhandel regelte den Verkauf von Paketscheinen und DWertmarken durch den Kläger. Der Erwerb der Wertmarken erfolgte zu einem Wert unterhalb des Verkaufswerts des Markenblocks.  Neben den vertraglichen Vereinbarungen musste der Kläger Erklärungen zur Ladungssicherung, zur Belehrung über das Postgesetz und Briefgeheimnis, zur Belehrung zum Transport von gefährlichen Gütern und zum Gesetz zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung im gewerblichen Güterkraftverkehr unterzeichnen.

Der Kläger beschäftigte bereits seit dem 1. Januar 2007 einen Mitarbeiter in Vollzeitbeschäftigung. Dieser beendete das Arbeitsverhältnis im November 2008. Zum 1. Januar 2009 stellte der Kläger drei vollzeitbeschäftigte Mitarbeiter an. Bei teilweiser Fluktuation in den Personen der konkret Beschäftigten hatte der Kläger von Januar 2009 bis Dezember 2016 durchgehend jedenfalls drei Vollzeitbeschäftigte, um alle Zustellungen in dem ihm übertragenen Zustellgebiet auszuführen. Mit diesen wurden Arbeitsverträge über eine 40-Stunden-Woche geschlossen, wobei Überstunden durch freie Tage ausgeglichen worden sind.

Der Kläger unterhielt mindestens drei Fahrzeuge zur Durchführung der Transportdienstleistungen.

Nach Dissens zwischen den Vertragspartnern über eine Preisanpassung kündigte die Beigeladene den Systempartnervertrag mit dem Kläger zum 31. Dezember 2016.

Mit einem am 24. März 2017 bei der Beklagten, die auch das Rentenversicherungskonto des Klägers führt, eingegangenen Antrag begehrte der Kläger die Feststellung des Vorliegens eines sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses. Im Fragebogen der Beklagten gab er u.a. an, dass er nicht für mehrere Auftraggeber tätig gewesen sei und sein Entgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht überschreite. Er beschrieb die ausgeübte Tätigkeit dahingehend, dass die Entladung (gemeint wohl: Beladung) täglich um 5:00/5:30 Uhr erfolgt und nicht variabel gewesen sei. Sie habe 2,5/3 Stunden gedauert. Die Sendungen wären nach einem vorgeschriebenen System gescannt worden. Es habe alles geladen werden müssen. Andernfalls wären die Pakete durch andere Kurierfirmen kostenpflichtig für den Systempartner befördert worden. Expresspakete seien bei nicht fristgerechter Zustellung sogar mit 250,00 Euro pro Sendung bestraft worden. Seit 2015 habe es ein neues Überwachungssystem gegeben, das die Zustellung der Pakete innerhalb eines Zeitfensters von 1 Stunde eingefordert habe. Rück- und Abholsendungen hätten taggleich und zwingend bis 18 Uhr/18:30 Uhr im Depot sein müssen, sonst hätten Strafen gedroht. Zur Kontrolle der Auftragsausführung führte der Kläger aus, dass der Fahrer über die Scanner (GPS) einer absoluten Überwachung unterlegen hätte. Die Miete für diese Geräte sei dem Systempartner monatlich von der Vergütung abgezogen worden. Seine Mitarbeiter seien häufig von Depotverantwortlichen kontaktiert und ohne seine Kenntnis durch spezielle Anweisungen in ihrem Ablauf beeinflusst worden. Hinweise seinerseits, dass nur er seinen Mitarbeitern gegenüber weisungsberechtigt sei, hätten keine Veränderung erbracht. Er habe das als Herabsetzung seiner Autorität vor seinen Mitarbeitern empfunden. Monatlich sei ein Unternehmeraudit erstellt worden. Je nach Gesamtpunktzahl hätte sich daraus eine Bonus- oder Maluszahlung ergeben. Die D habe über die Vorgänge und die Tourenabläufe bestimmt, dazu hätten die Anwesenheitszeiten im Depot und im Zustellgebiet gehört. Lediglich habe er, als Unternehmer, bestimmen können, wer von seinen Mitarbeitern an welchem Tag welche Tour bediene. Durch die Struktur der Tourgebiete sei ein klarer Tagesablauf vorgegeben gewesen. Dienstbesprechungen und Schulungsmaßnahmen seien als Pflichtveranstaltungen deklariert worden. Bis Mitte März 2015 sei von Montag bis Freitag gearbeitet worden. Seitdem sei ihnen der Samstag als weiterer Zustelltag auferlegt worden. Es sei dem Systempartner untersagt worden, an den von ihm gemieteten und bezahlten Firmenwagen eine eigene Werbung anzubringen. Auf die Preisgestaltung habe der Systempartner keinerlei Einfluss gehabt. Sobald das Paketaufkommen gestiegen sei, habe der Depotleiter individuelle Preisgespräche mit den Servicepartnern angekündigt, die damit geendet hätten, dass jedem Unternehmer die Vergütung gekürzt worden sei. Es habe „Doktrien“ bezüglich der Maximalvergütung pro Tour und Monat gegeben. Beim D (vielleicht auch in der gesamte KEP-Branche) habe folgende Formel gegolten: Mehr Leistung durch erhöhtes Paketaufkommen (höhere Spritkosten und Verschleiß der Fahrzeuge, steigendes Arbeitszeitenkonto) = sinkende Vergütung. Die Rechnungen seien vom D erstellt worden und über ein eigenes Vergütungsprogramm dem Unternehmer in den „Warenkorb“ gelegt worden. Der Systempartner habe die Rechnung dann bestätigen müssen, um das Geld überwiesen zu bekommen. Sei den Weisungen des D Folge geleistet worden, hätte jeder Systempartner aufgrund der gesicherten Auftragslage geregelte Einkünfte gehabt. Die Vergütung sei regelmäßig pünktlich zweimal im Monat erfolgt. Das unternehmerische Risiko sei relativ gering gewesen.

Auf schriftliche Befragung durch die Beklagte äußerte sich die Beigeladene mit Schreiben vom 11. Mai 2017. Unter anderem bestätigte sie, dass es dem Systempartner obliege, in seinem Vertragsgebiet alle Pakete zuzustellen bzw. abzuholen. Eine persönliche Verpflichtung bestehe jedoch nicht. Bei Verhinderung obliege es dem Kläger, einen andere Zusteller einzusetzen oder die Touren entsprechend umzuplanen. Die Tätigkeit würde nicht auch von festangestellten Mitarbeitern der Beigeladenen ausgeübt. Dem Auftragnehmer würden keine Fahrzeuge seitens des D zur Nutzung bereitgestellt. Er habe eine Mitgliedschaft in der Berufsgenossenschaft nachzuweisen.

Nach entsprechender Anhörung, zu der keine Äußerung in der Sache erfolgte, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 31. Juli 2017 fest, dass die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene als Paketzusteller (Systempartner) im Zeitraum vom 1. Dezember 1991 bis 31. Dezember 2016 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden sei. Daher bestehe in dieser Tätigkeit keine Versicherungspflicht als abhängig Beschäftigter in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Den hiergegen am 28. August 2017 erhobenen Widerspruch begründete der Kläger dahingehend, dass er weisungsgebunden in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen eingebunden gewesen sei. Er habe keine freie Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft gehabt und habe weder die Tätigkeit noch die Arbeitszeit frei gestalten können. Es habe auch kein unternehmerisches Risiko vorgelegen, da keine entsprechenden Chancen und Möglichkeiten dem gegenüber gestanden hätten. Er wiederholte Teile des Antragsvorbringens. Die zeitlichen und örtlichen Vorgaben der Beigeladenen hätten es nicht zugelassen, Aufträge von anderen Kunden anzunehmen. Dies sei durch die von der D verlangte Beschriftung der Fahrzeuge und die diesbezüglichen vertraglichen Vereinbarungen auch gar nicht möglich gewesen. Er sei im höchsten Maße von der D wirtschaftlich abhängig gewesen. Die Vergütung habe sein einziges Einkommen dargestellt. Die bestehenden Verträge seien ohne vorherige Verhandlung einseitig durch den D abgeändert und ihm lediglich zur Unterschrift vorgelegt worden. Manchmal sei die Korrektur auch rückwirkend für bereits abgerechnete Zeiträume erfolgt. Wenn er nicht unterschrieben hätte, wäre der Vertrag gekündigt worden, was letztendlich auch geschehen sei, nachdem er und weitere „Systempartner“ ihren Unmut über den Umgang und weitere nicht akzeptable Vergütungskürzungen schriftlich kundgetan hätten. Im Depot  habe er fast täglich Anweisungen von der Depotleitung bekommen, wie er seine Arbeit auszuführen habe. Ihm sei es nicht möglich gewesen, sich der Hilfe fremder Dritter zur Erfüllung des Auftrags zu bedienen.

Die Beigeladene äußerte sich im Widerspruchsverfahren zunächst hinsichtlich der Regelungen des Vertrages für den Zeitraum vor dem 1. Juli 2007 und führte aus, dass nach ihrer Kenntnis der Kläger zuletzt vier Arbeitnehmer ganztägig beschäftigt habe. Er habe sie selbst ausgesucht und eigenverantwortlich eingestellt, ausgebildet, eingewiesen und sodann auf die Fahrten verteilt. Zuletzt habe der Kläger drei Mercedes-Benz Sprinter als Zustellfahrzeuge, sodann einen Mercedes-Benz Vito als Springerfahrzeug sowie einen Mercedes Benz PKW als Firmenfahrzeug gehabt. Er habe eine eigene Betriebsstätte in Perleberg gehabt. Lediglich ein Fahrzeug habe im Depot in C gestanden wegen der am Vorabend abgeholten Pakete, weil nach Kenntnis der Beigeladenen der betreffende Fahrer im Umfeld von C gewohnt habe. Die Scanner hätten nicht das Zeitfenster der Zustellung vorgegeben. Der Kläger habe seine Abfahrtszeiten selbst gestalten können, lediglich bei Expressendungen habe es eine feste Zustellzeit gegeben. Sinn und Zweck des Scannens sei die Kontrolle des Pakets und damit auch die haftungsmäßige Entlastung des Klägers, nicht die des Klägers und seine Überwachung. Sie verwies auf die organisatorischen Obliegenheiten des Transportunternehmers nach der Rechtsprechung des BGH. Der Kläger habe die Möglichkeit gehabt, die von der Beigeladenen freigegebenen (Rechnungs-)Daten zu monieren. Die Beigeladene legte eine Beispielrechnung (aus Dezember 2016) und eine Leistungsvereinbarung Bonus & Malus Zahlung vom 13. August 2012 vor. Hieraus ergebe sich auch, unter welchen Voraussetzungen eine Bonuszahlung zu erreichen gewesen wäre. Ein Verbot, andere Aufträge anzunehmen, habe es nicht gegeben. Es entspreche nicht den Tatsachen, dass die Verträge einseitig durch die Beigeladene abgeändert und dem Antragsteller lediglich zur Unterschrift vorgelegt worden seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Neue Tatsachen seien im Widerspruchsverfahren nicht vorgetragen worden.

Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner am 3. April 2018 bei dem Sozialgericht Neuruppin eingegangenen Klage gewandt, mit der er bereits anfänglich sein Begehren nur für den Zeitraum 1. Juli 2007 bis 31. Dezember 2016 weiterverfolgt hat.  Der Kläger hat die Klage – nach einer am 14. Februar 2019 zugestellten Betreibensaufforderung – mit am 14. Mai 2019 bei dem Sozialgericht eingegangenen Schriftsatz dahingehend begründet, dass er so in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen eingebunden gewesen sei, dass er keine freie Verfügungsmöglichkeit über seine eigene Arbeitskraft gehabt hätte. Werbung für das eigene Unternehmen „G“ sei untersagt gewesen. Die Scanner der Beigeladenen hätten das tägliche Zeitfenster zur Auslieferung vorgegeben. Daher hätten weder der Umfang noch das Tempo der Auslieferung selbst bestimmt werden können. Soweit er sich nicht an das Zeitfenster gehalten habe, habe dies zu einer Malusabrechnung geführt. Er hat im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Er hat ferner vorgebracht, sämtliche von der Beigeladenen vertraglich vorgeschriebenen Umstände (Bezugnahme auf Pflicht zur Beschäftigung eines sozialversicherungsrechtlich abhängig Beschäftigten, Unterhalt eines Fuhrparks auf eigenes Risiko) dienten offensichtlich einzig dem Zweck, eine etwaige Scheinselbstständigkeit zu umgehen. Er hat dem Sozialgericht eine Erklärung der für das D Depot tätigen Unternehmer mit der Überschrift „Schluss mit den Kürzungen“ vorgelegt.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 18. Mai 2018 die Beiladung ausgesprochen.

Die Beigeladene hat vorgetragen, der Kläger habe einen Aufgabenbereich übernommen und diesen habe es abzuarbeiten gegolten, sei es in eigener Person, sei es mit Hilfe Dritter. Dauer sowie Ort und Zeitpunkt seien schlichtweg durch die übernommene Tätigkeit bedingt. Es habe dem Kläger freigestanden, mehr Angestellte einzustellen und sich so zu organisieren, dass neben den Transporten der Beigeladenen noch weitere Aufträge entgegengenommen worden wären. Ein wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis könne dahinstehen. Aber auch dies sei nach Ansicht der Beigeladenen keine Besonderheit. Sie hat insoweit etwa auf kleinere Betriebe der Automobilzulieferindustrie verwiesen. Im Übrigen hat auch die Beigeladene ihren Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft.

Das Sozialgericht hat am 29. September 2020 einen Erörterungstermin durchgeführt, auf dessen Protokoll Bezug genommen wird. Im Nachgang hat der Kläger die Steuerbescheide von 2007 bis 2017 zur Akte gereicht und die erzielten Gewinne (Einkommen aus Gewerbebetrieb) dargestellt (Minimum 3950 Euro für 2013, Maximum 42.535 Euro für 2015).

Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 22. März 2021 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt: Rechtsgrundlage der getroffenen Feststellungen der Beklagten zum Nichtvorliegen der Versicherungspflicht des Klägers sei § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Nach dieser Vorschrift könnten die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliege, es sei denn die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hätte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Einen solchen Antrag habe der Kläger gestellt. Die Beklagte sei abweichend von § 28h Abs. 2 SGB IV für die Feststellung der Versicherungspflicht des Klägers im Rahmen der – hier beantragten – Statusfeststellung nach § 7a Abs. 1 1 Satz 1 SGB IV zuständig. Der streitgegenständliche Bescheid sei auch materiell rechtmäßig. Zutreffend habe die Beklagte festgestellt, dass der Kläger in seiner für die Beigeladene erbrachten Tätigkeit, jedenfalls im streitgegenständlichen Zeitraum, nicht der Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung unterlegen habe. Er sei bei der Beigeladenen nicht abhängig beschäftigt gewesen. Beschäftigung sei gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung seien eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setze eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig sei. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb sei dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei betreffend die Zeit, die Dauer, den Ort und die Art der Ausführung einem umfassenden Weisungsrecht des Auftraggebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit könne – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber sei eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig sei, richte sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägten und hänge davon ab, welche Merkmale überwögen (st. Rspr; vgl. BSG, Urteil vom 14, März 2018 – B 12 KR 13/17 R, Urteil vom 16. August 2017 – B 12 KR 14/16 R, Urteil vom 31. März 2017 – B 12 R 7/15 R).

Die Zuordnung der Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setze voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen würden (vgl. BSG, Urteil vom 23. Mai 2017 – B 12 KR 9/16 R).

Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit sei regelmäßig vom – wahren und wirksamen – Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Auf dieser Grundlage sei eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der abhängigen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen (vgl. hierzu im Einzelnen BSG, Urteil vom 24. März 2016 – B 12 KR 20/14 R; Urteil vom 18. November 2015, a.a.O.; Urteil vom 29. Juli 2015 a.a.O.).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze stehe zur Überzeugung der Kammer aufgrund der festgestellten abgrenzungsrelevanten Indizien und nach Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalles entsprechend ihrem Gewicht sowohl in vertraglicher als auch in tatsächlicher Hinsicht fest, dass der Kläger in dem streitgegenständlichen Zeitraum für die Beigeladene nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig geworden sei.

Ausgangspunkt der Statusbeurteilung sei das praktizierte Vertragsverhältnis der Beteiligten, wie es sich aus den getroffenen Vereinbarungen ergebe bzw. – sofern solche nicht festgestellt werden könnten – aus der gelebten Beziehung erschließen lasse. Maßgebend sei insofern der zwischen den Vertragsparteien geschlossene Systempartnervertrag vom 1. Juli 2007 einschließlich der Anlagen und ergänzenden Leistungsvereinbarungen. In dem Erörterungstermin am 29. September 2020 habe der Kläger erklärt, dass der Systempartnervertrag (SystemPV) wie geschlossen, auch gelebt worden sei.

Ausweislich des SystemPV habe sich die Firma G, vertreten durch den Kläger, gegenüber der Beigeladenen nach Maßgabe der im SystemPV näher ausgestalteten Tätigkeit zur Erbringung von Transportdienstleistungen in seinem Vertragsgebiet verpflichtet. Es habe ihm oblegen, die entsprechenden Packstücke abzuholen und in dem vereinbarten Vertragsgebiet zuzustellen. Eine höchstpersönliche Verpflichtung habe hingegen nicht bestanden. Bei Verhinderung des Klägers sei er vertraglich dazu angehalten gewesen, einen anderen Zusteller einzusetzen oder die Touren entsprechend umzuplanen (Ziffer II.8.2 und I.3.2 Nr. 4 SystemPV). Die Kammer werte dies als Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit.

Zwar sei hierbei zu berücksichtigen, dass es sich bei dem SystemPV um ein einseitig durch die Beigeladene vorgegebenes, von ihr (wohl als Franchisevertrag mehrfach) verwandtes Vertragswerk im Sinne der §§ 350ff. BGB gehandelt habe. Individualvertragliche Regelungen hätten die Vertragsparteien mit Ausnahme des vereinbarten Zustellgebietes nicht getroffen. Preise und Regelungen zur Vertragsdurchführung seien nach dem glaubhaften Vortrag des Klägers auch für diesen nicht verhandelbar gewesen.

Der SystemPV bringe jedoch seiner Bezeichnung als Franchisevertrag und seiner Regelungen nach den Willen der Vertragsparteien zum Ausdruck, ein selbstständiges Dienstverhältnis zu begründen (Bezugnahme auf einzelne Regelungen des Vertrages).

Die Kammer verkenne dabei nicht, dass der Kläger bei der Art und Weise durch die Beigeladene in ein enges, ihm einseitig von dieser vorgegebenes Korsett eingebunden gewesen sei, wonach er beispielsweise je nach abgeschlossener Leistungsvereinbarung verpflichtet gewesen sei, besondere Paketzustellungen in einem zeitlich fest vorgegebenen Fenster auszuliefern. Für den Kläger habe jedoch auch die vertraglich freigestellte Möglichkeit bestanden, Paketzustellungen für andere Auftraggeber zu erbringen (Ziffer I.6 SystemPV).

Die Kammer gehe davon aus, dass die Beigeladene durch ihre engmaschigen Vorgaben keine arbeitsvertraglichen Vorgaben erteilt habe, sondern die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Tätigkeit des Klägers geschaffen habe, wie sie in Franchisesystemen üblich sein dürften. Im vorliegenden Fall sei der Kläger vertraglich zum Vorhalt sächlicher und personeller Betriebsmittel verpflichtet gewesen, um die Aufgabenerfüllung sicherzustellen. Die Beschäftigung von vier Arbeitnehmern und die Unterhaltung von fünf Firmenfahrzeugen führten nach Ansicht der Kammer zu einem erheblichen unternehmerischen Risiko des Klägers. Für eine selbstständige Tätigkeit spreche auch der übrige Inhalt des SystemPV. Nach der vertraglichen Absprache habe der Kläger die volle Haftung für Sendungsverluste oder Schäden an den Packstücken getragen (Bezugnahme auf Ziffer II. 7 SystemPV). Im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses wäre eine derartige Klausel in einem vorformulierten Arbeitsvertrag wohl nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, da sie den Arbeitnehmer unzumutbar benachteiligen würde. Auch die konkrete Vergütung je ausgeliefertes Packstück spreche für eine selbstständige Tätigkeit.

Gegen das seiner Bevollmächtigten am 9. April 2021 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 10. Mai 2021, einem Montag, bei dem Landessozialgericht eingegangenen Berufung. Er wiederholt im Wesentlichen seinen bisherigen Vortrag, insbesondere zu der aus seiner Sicht einseitigen Änderung der Vereinbarungen durch die Beigeladene. Wenn der „Partner“ die geänderte Vereinbarung nicht unterzeichnet hätte, wäre der Systempartnervertrag gekündigt worden, so wie in seinem Fall. Die Kammer habe das unternehmerische Risiko des Klägers anhand der Anzahl von Betriebsfahrzeugen und beschäftigten Mitarbeitern gewertet. Dabei verkenne sie, dass das von der Beigeladenen gezahlte Entgelt monatlich fast statisch gewesen sei, da die Zustellungen im zugeteilten Zustellgebiet monatlich fast gleichbleibend gewesen seien. Habe sich die Zustellmenge erhöht, sei der Preis pro Auslieferung einseitig abgesenkt worden. Die wirtschaftliche Abhängigkeit zur Beigeladenen habe sich erst manifestiert, als er die Preispolitik moniert habe und nicht mehr bereit gewesen sei, noch mehr Zustellungen für weniger Geld durchzuführen und daher seitens der Beigeladenen der Vertrag gekündigt worden sei. Es könne entgegen der Auffassung der Kammer auch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem „Systempartnervertrag“ um einen dem Franchise ähnlichen Vertrag handele. Der Kläger hätte keine Hilfe von der Beigeladenen in Form eines Produkts, Werbematerialien, Fremdleistungen etc. bedurft. Er hätte die Touren in seinem Zustellbezirk selber planen können. Logos auf den Fahrzeugen und Dienstkleidung wären für die Tätigkeit unerheblich gewesen. Nur die Beigeladene hätte daran Interesse gehabt, um sich von anderen Paketzustellern wie H oder U abzusetzen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 22. März 2021 aufzuheben

und

den Bescheid der Beklagten vom 31. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2018 zu ändern

sowie

festzustellen, dass der Kläger im Zeitraum vom 1. Juli 2007 bis zum 31. Dezember 2016 in seiner Tätigkeit für die Beigeladene der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

Der Kläger beantragt weiter,

            die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine wesentlichen neuen Erkenntnisse. Das erhebliche Risiko (Beschäftigung von Arbeitnehmern und Unterhaltung von Firmenfahrzeugen) gebe hier den Ausschlag für die Feststellung einer selbstständigen Tätigkeit. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit vermöge in diesem Fall keine abhängige Beschäftigung zu begründen.

Die Beigeladene beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Sie bestreitet die Behauptung einseitiger Änderungen der Vereinbarungen. Auch der Vortrag, dem Kläger sei von der Beklagten genau vorgeschrieben worden, was er wann und wo zu tun und lassen habe, entspreche nicht der Wahrheit. Der damalige Depotleiter der Beigeladenen habe mit dem Kläger ganz gewöhnliche Preisvereinbarungen durchgeführt. Sofern es hier zu keiner Einigung gekommen sei, sei der Punkt mit der höheren Hierarchieebene (Clusterleiter) abgesprochen worden. Es habe schlussendlich bei sämtlichen Gesprächen einvernehmliche Lösungen gegeben, die durch Unterschriften auf entsprechenden Verträgen dokumentiert worden seien. Die Bonus- und Malus-Abrede sei frei kündbar gewesen. Auf Bonuszahlungen habe der Kläger aber wiederum nicht verzichten wollen. Es einfach nicht richtig, dass der Preis pro Auslieferung einseitig abgesenkt worden sei. Die Beigeladene verkenne nicht, dass ein gewisses wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis bestanden habe. Es komme aber nicht auf wirtschaftliche Abhängigkeit, sondern auf persönliche Abhängigkeit an.

Auf Verfügung des Berichterstatters nach § 106a Abs. 2 Nr. 1 SGG unter Setzung einer Frist von vier Wochen, zugestellt am 9. August 2023, hat der Kläger ergänzend zu dem bei ihm beschäftigten Personal mit am 6. September 2023 eingegangenen Schriftsatz vorgetragen. Er habe die Mitarbeiter selbst akquiriert. Kündigungen hätten in seinem Verantwortungsbereich gelegen. Sämtliche Mitarbeiter hätten die von der Beigeladenen vorgeschriebene Arbeitskleidung tragen müssen. Die Mitarbeiter hätten Lohn gemäß Arbeitsvertrag für eine 40 Stunden Woche erhalten. Überstunden seien mit freien Tagen abgegolten worden. Die Beigeladene hätte keinen direkten Einfluss auf die Vergütung der Mitarbeiter gehabt. Indirekt habe die Beigeladene jedoch Einfluss gehabt, da sie bei steigendem Paketaufkommen den Preis nach unten angepasst habe. Ohne diese Reduktion hätte der Kläger seinen Mitarbeitern einen höheren Lohn zahlen können, um die Mehrbelastung auszugleichen. Der Kläger hat ausdrücklich an seinem Vortrag festgehalten, dass es sich bei dem Vertragswerk nicht um einen zwischen den Vertragspartnern ausgehandelten Vertrag gehandelt habe. Die Verträge seien von der Beigeladenen ausgefertigt und dem Vertragspartner zur Unterschrift vorgelegt worden. Entweder man habe unterschrieben oder man sei rausgeflogen. Mitte 2016 habe er mit anderen Kollegen zusammen versucht, einen Konsens zu erreichen, was jedoch nicht gelungen sei. Auf Seiten der Beigeladenen habe es keinerlei Kompromissbereitschaft gegeben, mithin keinen Verhandlungsspielraum.

Mit Schreiben vom 29. September 2023 hat der Senat die vom Kläger im Antrag gegenüber der Beklagten als Krankenkasse gewählte B (Zustellung 29. September 2023), die Pflegekasse bei dieser Krankenkasse (Zustellung 5. Oktober 2023) sowie die Bundesagentur für Arbeit (Zustellung 23. Oktober 2023) über die erhobene Klage und Berufung informiert und eine Frist zur Stellung eines Beiladungsantrags von einem Monat gesetzt. Die Bundesagentur für Arbeit hat sich dahingehend geäußert, dass sie keinen Antrag auf Beiladung stellen werde (Schriftsatz vom 2. November 2023).

Nach einer Anhörung zu der zunächst erwogenen Zurückweisung der Berufung durch Beschluss hat der Kläger ergänzend vorgetragen und auf die Entscheidung des BSG vom 24. Oktober 2023 (B 12 R 9/21 R) und den Verhandlungstag am 12. Dezember 2023 vor dem 12. Senat des BSG verwiesen.

Die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Sozialgericht hat die Klage mit auch in Ansehung des Berufungsvorbringens im Kern zutreffenden Erwägungen abgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen macht der Senat sich diese Ausführungen zunächst zu Eigen und sieht von einer erneuten Darstellung nach § 153 Abs. 2 SGG mit der Klarstellung ab, dass die Verpflichtung aus dem Systempartnervertrag vom 1. Juli 2007 den Kläger persönlich traf, der unter der Firma G gehandelt hat, ohne dass diese Firma eigene Rechtspersönlichkeit gehabt hätte. Ergänzend und zu dem Vorbringen sowie den weiteren Erkenntnissen im Berufungsverfahren ist nur wie folgt auszuführen:

Soweit der Kläger auf die wirtschaftliche Abhängigkeit von der Beigeladenen als einziger Auftraggeberin hinweist, begründet dies – worauf Beklagte und Beigeladene zutreffend rekurriert haben – nicht das ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis charakterisierende persönliche Abhängigkeitsverhältnis. Weder muss ein Beschäftigungsverhältnis mit wirtschaftlicher Abhängigkeit notwendigerweise einhergehen (wie z.B. regelmäßig nicht bei kurzfristigen oder geringfügigen Nebentätigkeiten), noch ist eine solche Abhängigkeit hinreichend. Ein wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis dahingehend, dass der Unternehmer nach dem Ende des Auftragsverhältnisses kein Einkommen mehr erzielt hat, ist auch nicht einem ein Beschäftigungsverhältnis indizierenden Weisungsrecht gleichzusetzen (vgl. BSG, Urteil vom 31. März 2017 – Az.: B 12 R 7/15 R – Rn. 35).

Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger durch den Systempartnervertrag engmaschig in eben das System der Beigeladenen zur Erbringung von Transportdienstleistungen eingebunden gewesen ist, wobei es auf die Qualifizierung als Franchisevertrag (im Verhältnis zwischen Beigeladener und Kläger) für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung nicht ankommt. Jedenfalls begründen die Vertragsverhältnisse keine persönlichen Weisungsbefugnisse der Beigeladenen gegenüber dem Kläger. Die Disposition der eingesetzten Fahrer war unternehmerische Aufgabe des Klägers. Ebensowenig wie die Beigeladene bestimmen konnte, welche Fahrer für welche Tour eingesetzt werden konnten, konnte sie den Kläger nach dem Inhalt der Verträge anweisen, eine bestimmte Tour selber zu fahren. Es fehlt daher an dem beschäftigungstypischen Weisungsrecht hinsichtlich der eigenen Arbeitskraft des Klägers. Dass der Kläger im Rahmen seiner eigenen vertraglichen Bindung die sich aus dem System ergebenden Vorgaben zu beachten hatte, begründet ein solches Weisungsrecht nicht.

Dass die Regelungen des Systempartnervertrages zum Auftreten, zur Gestaltung der Fahrzeuge etc. maßgeblich im Interesse der Beigeladenen zwecks Präsentation einer einheitlichen Marke standen, trifft ohne weiteres zu. Dem Umstand, dass den Endkunden die Beschäftigten des Klägers nicht als Mitarbeiter eines anderen Unternehmens als der Beigeladenen erkennbar gewesen sind, kommt in diesem Zusammenhang nur eine sehr geringe Indizwirkung zu. Den Kläger selbst beträfe diese ohnehin nur bei selbst durchgeführten Fahrten und nicht hinsichtlich seiner weiteren Tätigkeit wie z.B. der Disposition. Der Senat vermag hierin daher nur ein sehr schwaches Indiz gegen eine selbstständige Tätigkeit zu sehen, das nicht geeignet ist, eine abhängige Beschäftigung festzustellen.

Nichts anderes gilt für die von dem Kläger erneut behauptete Eingliederung in die Arbeitsorganisation. Die Abhängigkeit des Klägers von der Beigeladenen und der Beigeladenen von dem Kläger zur Erfüllung der Gesamttransportleistungen in Hinblick auf jeden KEP-Auftrag führt nicht zu einer Eingliederung des Klägers persönlich in das Unternehmen der Beigeladenen. Der Kläger war nach dem Vertrag überhaupt nicht verpflichtet, persönlich Touren zu fahren, sondern hätte bei entsprechender Disposition auch die Befugnis gehabt, sämtliche Aufträge durch seine eigenen Arbeitnehmer zu erfüllen (vgl. zur Höchstpersönlichkeit der Leistungserbringung durch Arbeitnehmer BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001 – Az.: B 12 KR 8/01 R).  Der Einsatz Dritter in Form von eigenen Arbeitnehmern hat dem Vertrag hier auch für den gesamten streitigen Zeitraum das Gepräge gegeben. Denn die vom Kläger in den ihm vertraglich zuerkannten Zustellgebieten zu erbringenden Aufgaben überschritten nach seinen eigenen Angaben dasjenige, was eine einzelne Person überhaupt hätte leisten können. Damit war der Vollzug des Vertragsverhältnisses davon abhängig, dass der Kläger eigene Beschäftigte einsetzte. Hierauf hat auch das Sozialgericht bei seinem Hinweis auf die Rechtsprechung zu Franchisesystemen zutreffend abgestellt.

Ohne Erfolg wendet sich die Berufung auch gegen die Annahme des Sozialgerichts, die Anzahl der unterhaltenen Betriebsfahrzeuge und der beschäftigten Mitarbeiter sprächen wesentlich für ein Unternehmerrisiko. Der Kläger trug ein erhebliches Verlustrisiko, er selbst war (fast) durchgehend seinen mindestens drei vollzeitbeschäftigten sozialversicherungspflichten Arbeitnehmern gegenüber zur Erbringung der arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Leistungen verpflichtet unabhängig von tatsächlichen Zahlungen der Beigeladenen. Er trug nicht nur das Risiko einer Beendigung des Auftragsverhältnisses, sondern auch des Zahlungsausfalls der Beigeladenen. Insoweit ist zu beachten, dass ein Risiko gerade unabhängig davon besteht, ob es sich bereits realisiert hat, wie das letztlich Ende 2016 der Fall gewesen ist. Dasselbe gilt für die vom Kläger vorgehaltenen Fahrzeuge, die ein erhebliches Investitionsvolumen darstellen. Der Kläger selbst hat im Rechtsgespräch in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass er zum Zeitpunkt der Kündigung des Vertrages drei erst vor kurzem angeschaffte Fahrzeuge gehabt habe. Er trug damit das Risiko des Wertverlustes bzw. ggf. nicht bestehender Finanzierungen, mithin ein typisches Risiko des Kapital einsetzenden Unternehmers. Im Übrigen verkennt der Kläger, dass anders als bei einem nach aufgewandter Zeit entgoltenem Beschäftigten die vom ihm beklagten Folgen verspäteter Leistungserbringung zu Abzügen oder Vertragsstrafen führen konnten. Ebenso wie die grundsätzliche Vergütungsstruktur nach Erfolg (Zustellung oder Abholung) stellt dies ein unternehmerisches Risiko dar. 

Vorliegend war der Kläger im Übrigen nicht nur nicht zur persönlichen Ausführung der Transport- und Nebenleistungen verpflichtet, sondern das gesamte Vertragswerk war sowohl ausdrücklich sowie nach dem Umfang der zu erbringenden Leistungen darauf ausgelegt, dass der Kläger eigene Arbeitnehmer einsetzen musste. Er selbst hat vorgetragen, dass für den hier streitigen Zeitraum das Zustellgebiet so groß gewesen sei, dass er es alleine nicht mehr habe bedienen können. Die von ihm eingesetzten Fahrer standen nach seinen Angaben im Berufungsverfahren auch offenkundig tatsächlich in einem Beschäftigungsverhältnis zu ihm. Er hatte es alleine in der Hand, die Arbeitsverträge zu schließen und zu kündigen. Die Beigeladene hatte keinen unmittelbaren Einfluss auf Auswahl und Entlohnung. Soweit der Kläger eine mittelbare Bedeutung der Höhe der ihm gezahlten Vergütung herleitet, berührt dies seine Stellung als Arbeitgeber nicht. Auch den konkreten Einsatz hat der Kläger disponiert.

Die Frage des Zustandekommens von Änderungsverträgen und der Verhandlungsbereitschaft, zu der der Kläger und die Beigeladene divergent vortragen, hat vor dem Hintergrund der Gesamtbetrachtung keine wesentliche Bedeutung. Selbst zugunsten des Klägers nach seinen durchaus glaubhaften Angaben davon ausgehend, dass die Beklagte in Ausübung ihrer zweifelsohne besseren Verhandlungsposition zu Kompromissen und Nachgeben in Bezug auf ihre Änderungsvorschläge nicht bereit gewesen ist, läge hierin kein erhebliches Indiz für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Vielmehr handelt es sich um die marktübliche Ausübung von Wirtschaftsmacht wie sie – worauf die Beigeladene zurecht hinweist – im Verhältnis etwa zwischen großen industriellen Herstellern und kleinen Zulieferern, aber auch gerade zwischen Haupt- und Subunternehmern im Dienstleistungsbereich, nicht unüblich ist.

Die vom Sozialgericht als Indiz angeführten Haftungsregelungen bei zivilrechtlicher Einordnung als Arbeitsverhältnis wären nicht geeignet, die Verschuldensabhängigkeit der Arbeitnehmerhaftung und die diesbezügliche Beweislast des Arbeitgebers zu modifizieren (§ 619a BGB; zur Unabdingbarkeit der Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung BAG, Urteil vom 5. Februar 2004 – 8 AZR 91/03). Eine Regelung entsprechend den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung hätte dem gewollten Vertragstyp jedoch nicht entsprochen und die abweichenden bzw. fehlenden Regelungen haben daher keine erhebliche Indizwirkung (vgl. BSG, Urteil vom 31. März 2017 – B 12 R 7/15 R – Rn. 47 bei Juris).

Im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung vermag auch der Senat zu keinem anderen Ergebnis zu gelangen als das Sozialgericht. Ausgehend von einem unzweifelhaft gewollten selbstständigen Vertragsverhältnis, das – nach eigenen Angaben des Klägers – auch so gelebt worden ist, der Beschäftigung von mindestens drei Arbeitnehmern bei Unmöglichkeit der Erfüllung aller Aufträge in eigener Person, der hohen Sachinvestition in Form von Kraftfahrzeugen und der Vergütung nach erbrachten Leistungen sind die engen Bindungen an die Vorgaben im Rahmen des Systempartnervertrages, das Auftreten des Klägers mit Kleidung und Fahrzeug mit der Marke der Beigeladenen – bei eigener Durchführung von Fahrten –sowie der Umfang der Gesamtvergütung und relativ geringen Gewinne des Klägers nicht geeignet, ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu begründen.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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